Protocol of the Session on February 10, 2000

Meine Damen und Herren! Wir liegen gut im Zeitplan, so daß ich den nächsten Tagesordnungspunkt noch vor der Mittagspause aufrufen kann.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung

Konzept zur Umsetzung des Personalstellenabbaus bei der Landespolizei

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2650

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/2693

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/2698

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Gärtner. Es wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Nach der Einbringung wird der Innenminister Stellung nehmen. Bitte, Herr Gärtner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit einigen Monaten sind die Pläne der Landesregierung, im Bereich der Landesverwaltung Personal abzubauen, bekannt. Auch die Polizei ist davon betroffen. 967 Vollzeitstellen sollen bis zum Jahr 2003 in diesem Bereich abgebaut werden.

Nicht nur wir in diesem Hohe Haus wissen sehr genau, daß das Land jährlich zuviel Personalkosten aufbringen muß. Aus diesem Grund ist es richtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie dieses Problem gelöst werden kann, damit unser Land mittel- und langfristig auf soliden finanziellen Beinen steht. Das kann aber nur gemeinsam mit den Betroffenen diskutiert und gelöst werden.

Gerade im sensiblen Bereich der Landespolizei ist dabei besonders viel Fingerspitzengefühl an den Tag zu le

gen; denn dabei geht es um den Erhalt der öffentlichen Sicherheit in unserem Land.

Aufgrund dieser Situation haben wir die Gespräche für ein „Bündnis für Arbeit bei der Polizei“, an denen die Landesregierung und die Polizeigewerkschaften beteiligt waren und hoffentlich weiterhin sein werden, als außerordentlich wichtig empfunden. Wir wollten nunmehr auch wissen, zu welchen Ergebnissen man dort gekommen ist.

Aber das reicht nicht aus. Jetzt muß ein Konzept auf den Tisch, in dem der Innenminister detailliert darüber Auskunft gibt, in welcher konkreten Art und Weise die Umsetzung des vom Kabinett beschlossenen Personalstellenabbaus erfolgen soll. Ein klares Konzept kann auch die Verunsicherung beseitigen, die bei vielen Kolleginnen und Kollegen im Land vorhanden ist. Deshalb ist auch ein möglichst konkretes und durchdachtes Konzept erforderlich.

Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich, daß die oberste Priorität der PDS-Fraktion darin besteht, daß dabei nicht die in der letzten Legislaturperiode mit den Stimmen der Regierungskoalition, bestehend aus den Fraktionen des Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der SPD, und der PDSFraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion beschlossene Polizeistrukturreform und das erfolgreich laufende Flächenpräsenzprogramm aufgeweicht werden. Wir dürfen dort keine Luft heranla ssen.

Weil wir im Land engagiert arbeitende Polizeibeamtinnen und -beamte haben, konnte der Innenminister gestern mittag die sich in den letzten Jahren positiv entwickelnde Kriminalstatistik vor der Presse präsentieren. Dies gilt ebenso für die steigende Aufklärungsquote im Land.

Die PDS-Fraktion hofft, daß der Landtag unseren Antrag direkt annimmt, damit wir noch vor der Sommerpause Ergebnisse auf den Tisch des Ausschusses bekommen. Somit könnte Ende des ersten Quartals 2000 im Ausschuß für Inneres von der Landesregierung umfassend über die Ergebnisse des Bündnisses für Arbeit, an dem die Landesregierung und die Polizeigewerkschaften beteiligt sind, berichtet werden. In diesem Zusammenhang sollte eine Anhörung der Polizeigewerkschaften erfolgen.

Auf dieser Grundlage kann dann das zu erstellende Konzept zur Umsetzung des Personalstellenabbaus beraten werden und einen wichtigen Ausgangspunkt für die Beratung des Haushaltsplanes 2001 darstellen. Dabei sind die im Antrag formulierten Fragestellungen zu beachten. Die Erstellung eines solchen Konzeptes ist für die betroffenen Beschäftigten - ich habe es bereits erwähnt - und zum Erhalt der öffentlichen Sicherheit dringend erforderlich.

Ich gehe noch kurz auf den Änderungsantrag der CDUFraktion ein. Er erscheint mir beim ersten Lesen als grundsätzlich richtig, und ich finde das gut, was Sie letztlich vorschlagen.

Ich möchte aber eines zu bedenken geben: Ich sehe die Gefahr, daß aufgrund der umfassenden Formulierung die Erarbeitung eines solchen Konzeptes entsprechend lange dauert und wir erst im Jahre 2001 oder 2002 etwas auf den Tisch bekommen. Das reicht mir allerdings nicht aus. Ich erinnere an die Erstellung des Leitbildes, welches bis heute nicht vollständig ist, weil wesentliche Teile, zum Beispiel zur Verwaltungs- und Funktionalreform, nicht enthalten sind bzw. im Tresor des Innenministers liegen.

Deshalb sollten wir uns vielleicht auf den konkreten Bereich der Landespolizei konzentrieren und die anderen Dinge an anderer Stelle klären. Darüber können wir dann noch zu gegebener Zeit diskutieren. Ich bitte darum, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag beschäftigt sich mit einem politisch sensiblen Thema, dem Personalabbau bei der Polizei. Als vor einigen Monaten zum erstenmal in der Öffentlichkeit darüber berichtet wurde, waren die Reaktionen im politischen Raum durchweg positiv. Niemand hat die Diskussion genutzt, um populistische Forderungen aufzustellen. Auch die Polizeigewerkschaften haben sich konstruktiv in diesen Prozeß eingebracht.

Natürlich führte die Ankündigung des Personalabbaus zu Unruhe bei der Polizei, speziell in der Polizeiverwaltung, um die es in erster Linie geht. Mittlerweile ist jedoch wieder Ruhe eingekehrt. Eigentlich war allen dieses Thema schon seit Jahren bekannt. Eigentlich wußten alle, was auf sie zukommt; denn mit der Personalstärke der Polizei beschäftigt sich die Landespolitik von Anfang an.

Schon im Haushaltsplan 1991 waren insgesamt 2 159 kw-Vermerke ausgebracht. Mit dem Haushalt für das Jahr 1992 wurden dann 1 200 kw-Vermerke genau klassifiziert und mit Jahreszahlen versehen. Alle kwVermerke sollten bis zum 1. Januar 1995 vollzogen sein, was bekanntermaßen nicht geschehen ist.

Mit dem Haushaltsplan 1995 hat die Landesregierung ein Personalentwicklungskonzept für die Polizei vorgelegt. Dieses Konzept wurde in den Ausschüssen für Inneres und für Finanzen beraten und dort einstimmig beschlossen.

Es beinhaltete folgende Schwerpunkte: erstens Anpassung des Personalbedarfs entsprechend dem aktuellen Sicherheitsniveau, das heißt die Festschreibung einer Polizeidichte von 1 : 340; zweitens Verlagerung vollzugsfremder Aufgaben in den Verwaltungsbereich; drittens Erhaltung eines stabilen Personalbestandes bei der Polizei durch die erstmalige Schaffung von Ausbildungsstellen zur Kompensation natürlicher und unnatürlicher Abgänge bei der Polizei; viertens Einsparung von Kosten.

Der Ausgangspunkt für das Konzept war die Stellenund Personalstruktur der Polizei in den Jahren 1993 und 1994. Damals waren von den vorhandenen 9 813 Planstellen des Polizeivollzugsdienstes 475 mit Angestellten besetzt, die überwiegend mit Aufgaben in den Schreibstuben und in den Werkstätten der Polizei betraut waren.

Außerdem wurden von mindestens 611 Polizeibeamtinnen und -beamten klassische Verwaltungsaufgaben wahrgenommen. Diese Polizeivollzugsbeamten sollten ihrem eigentlichen Tätigkeitsbereich zugeführt werden, dem Dienst auf der Straße.

Zur Verjüngung und Erneuerung des Personalkörpers wurden außerdem jährlich rund 250 junge Beamtinnen

und Beamte eingestellt. Das führte zwangsläufig zu einem Personalaufwuchs; denn als Folge der in den Jahren 1990 und 1991 durchgeführten Entlassung der über 50jährigen Polizisten gibt es bis zum Jahre 2001 praktisch keine altersbedingten Abgänge bei der Polizei.

Der auf der Basis bundesdeutscher Erfahrungen angenommene unnatürliche Abgang trat ebenfalls nicht ein. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation in Ostdeutschland wechselten kaum Polizisten in die Wirtschaft über.

Mit dem Personalkonzept sollte eine Strukturveränderung vollzogen werden, die langfristig eine Polizeidichte von 1 : 340 sichern und alle weiteren Aspekte soweit wie möglich berücksichtigen sollte. Dieser Richtwert von 1 : 340 lehnt sich an die vergleichbaren Zielzahlen der anderen Flächenländer an. Mit der Neustrukturierung wurden gleichzeitig 1 086 Planstellen und Stellen in den Verwaltungsdienst verlagert.

Daneben sieht das Personalkonzept einen Abbau von 1 258 Stellen bei der Polizei vor, die überwiegend den Tarifbereich betreffen. Mit diesen kw-Vermerken sollten der Verwaltungsbereich den Ausstattungsmaßstäben der anderen Länder angepaßt und der Überhang in diesem Bereich langfristig abgebaut werden. Geplant ist, daß der Abbau in dem Maße erfolgt, wie der Einsatz moderner Technik voranschreitet. Mit letzterem wird der Wegfall der Stellen erst ermöglicht

Wie Ihnen bekannt ist, führen wir seit zwei Jahren das System Polis neu ein. Das neue polizeiliche Informationssystem führt nicht nur zu einer Verbesserung der Ermittlungsarbeit, sondern auch zu Einspareffekten.

Vor drei Wochen habe ich den Startschuß zur Einführung der Kosten-Leistungs-Rechnung gegeben. Wenn diese in zwei Jahren eingeführt sein wird, führt das ebenfalls zu einer Straffung der polizeilichen Arbeit. Im Rahmen von KEEP wird außerdem Verantwortung auf die Reviere verlagert. Hierbei kommt es zu Einsparungen auf der Direktionsebene.

Dies alles sind Teile einer umfassenden Funktionalreform innerhalb der Polizeiverwaltung, die mit dem Personalentwicklungskonzept und der Polizeistrukturreform begonnen wurde. Der geplante Personalabbau wird letztlich nur durch eine Funktionalreform im Bereich der Verwaltung der Polizei möglich sein.

Die konsequente Realisierung hat in den vergangenen Jahren bereits zu einem Abbau von 346 Stellen geführt, ohne daß jemand entlassen werden mußte oder die polizeiliche Arbeit darunter gelitten hat. Sie haben gerade gehört, was Herr Gärtner zur Statistik gesagt hat.

Auch die verbliebenen 912 kw-Stellen sollen grundsätzlich weiter sozialverträglich reduziert werden. In diesem Jahr werden bei den derzeitigen Regelungen mindestens 157 Stellen abgebaut. Schon jetzt ist der Abbau von 142 Stellen im Jahre 2001 gesichert. Ein darüber hinausgehender Abbau erfordert zusätzliche Anreize zur Beendigung aktiver Beschäftigungsverhältnisse. Hierzu wird die Landesregierung mit dem sogenannten Instrumentenkasten geeignete Lösungen finden, die im Einvernehmen mit den Arbeitnehmervertretungen konzipiert werden.

Die Stellenstruktur des Polizeivollzugsdienstes soll mittelfristig quantitativ und qualitativ so verändert werden, daß unsere Polizei trotz des Abbaus des Personalüberhangs durch gleichzeitige hochqualifizierte Aus- und Fortbildung auch in Zukunft ihren Aufgaben gerecht wird. Eine hochqualifizierte Ausbildung der Polizeivoll

zugsbeamten erfordert auch, daß entsprechend der Ausbildung Aufstiegsperspektiven aufgezeigt werden und dann auch vorhanden sind.

Um ein so schwieriges Unterfangen wie den Personalabbau überhaupt bewerkstelligen zu können, war es notwendig, die Beschäftigten von Anfang an einzubeziehen. Je größer die Akzeptanz bei den Polizeibediensteten dafür ist, um so leichter wird sich dieser Prozeß gestalten.

In diesem Zusammenhang sind auch die Gespräche mit den Gewerkschaften der Polizei zum „Bündnis für Arbeit in der Polizei“ zu sehen. Im Ziel sind sich Landesregierung und Gewerkschaften einig. Natürlich gibt es hierbei unterschiedliche Interessenlagen. Ich hoffe jedoch, daß wir in diesen Fragen noch zu einem guten Ende kommen werden.

Grundlage für die weitere Personalentwicklung und für die Gespräche mit den Gewerkschaften ist das Personalentwicklungskonzept „Polizei 2000“. Es stellt zwar mit seinem Namen auf das gerade begonnene Jahr ab, damit ist jedoch der Abschluß des Umstrukturierungsprozesses noch nicht gemeint. Ein grundlegend neues Konzept benötigen wir nicht. Nach einer Modifizierung des vorhandenen Konzepts sollte dieses auch weiterhin die Grundlage für die Arbeit der nächsten Jahre sein. Ich bin gern bereit, im Innenausschuß hierüber zu berichten und Ihnen die Personalentwicklung bis zum Jahr 2003 bzw. 2010 vorzustellen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen jetzt Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Dahlenwarsleben und des Gymnasiums Osterwieck.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir setzen die Debatte fort. Wir haben eine Fünfminutendebatte in der Reihenfolge SPD, CDU, DVU, PDS vereinbart. Es spricht zunächst der Abgeordnete Herr Rothe. Bitte, Herr Rothe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt die Bereitschaft des Innenministers, im Innenausschuß über die weitere Personalentwicklung im Polizeibereich zu berichten.

Es wird für die Polizei nicht einfach sein, die derzeit verbliebenen 912 kw-Stellen abzubauen. Bei der Umsetzung dieser Entscheidung ist darauf zu achten, daß es nicht zu einer Umkehrung des Freistellungskonzepts kommt.