Protocol of the Session on February 1, 2024

Frau Kollegin Kuge sprach für die CDU-Fraktion. Es folgt für die AfD-Fraktion Herr Kollege Schaufel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Probleme in der Pflege sind enorm und seit Jahren bekannt. Die Eigenbeteiligung bei stationärer Pflege liegt mittlerweile bei 28 560 Euro im ersten Jahr. Die Pflege ist kaum noch bezahlbar.

Wir haben seit Jahren zu wenig Pflegekräfte. Das liegt vor allem an schlechten Arbeitsbedingungen und hohen Arbeitsbelastungen. Wie oft habe ich das hier schon gesagt? Der Großteil arbeitet nur in Teilzeit, weil physisch nicht mehr geht. Dadurch haben wir seit Jahren steigende Qualitätsdefizite in der Pflege und immer weniger freigegebene Betten, die aber dringend gebraucht werden.

Als Lösung für all diese Probleme schlägt die Linksfraktion jetzt die Einsetzung eines Pflegebeauftragten als Interessenvertreter, als Berater und als Koordinator vor. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Schnapsidee!

Wir von der AfD finden, dass es keine weiteren Beauftragten braucht. Worte wurden jahrelang genug gewechselt, nun zählen Taten.

Schauen wir zum Beispiel einmal in den Bund; Frau Schaper hat es angesprochen. Dort gibt es ganze 45 Beauftragtenposten. Zum Beispiel gibt es Ausländerbeauftragte, Queerbeauftragte, Integrationsbeauftragte, Drogenbeauftragte, den Ostbeauftragten und den Beauftragten für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung. Es gibt also schon reichlich Beauftragte. Es gibt sogar den Patientenbeauftragten, den Pflegebevollmächtigten und den Behindertenbeauftragten im Bund sowie den Behindertenbeauftragten im Freistaat und auch in fast jeder Kommune. Die machen das, was Ihr Pflegebeauftragter machen soll. Wir brauchen also nicht noch mehr Beauftragte, sondern wir brauchen endlich Taten.

(Beifall bei der AfD)

Was soll der Pflegebeauftragte eigentlich leisten? Sie sagen, er soll erstens die Beratung von Pflegebedürftigen übernehmen. Hierfür gibt es aber schon die vernetzte Pflegeberatung unter Beteiligung der Kassen und der Kommunen. Herr Gebhardt, welchen Mehrwert hat dann Ihr Pflegebeauftragter? – Sie haben es unterschrieben; ich kann auch Frau Schaper fragen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja, ja, ich höre zu!)

Zweitens. Der Pflegebeauftragte soll die Pflegequalität sichern und Qualitätsmaßnahmen überwachen. Auch hier gibt es bereits den Medizinischen Dienst und die Heimaufsicht. Beide kontrollieren regelmäßig die Pflegeheime, werden bei angezeigten Mängeln tätig und überwachen deren Beseitigung. Herr Gebhardt, welchen Mehrwert hat Ihr Pflegebeauftragter?

Drittens. Ihr Pflegebeauftragter soll sich um die Interessenvertretung der Pflegebedürftigen kümmern. Hier soll der Pflegebeauftragte die Interessen der Pflegebedürftigen, der Angehörigen und der Pflegekräfte vertreten. Wie er dies unabhängig und im Interesse der jeweiligen Einzelgruppen schaffen soll, ist fraglich.

Es gibt durchaus Interessen, die kollidieren werden. Nehmen wir zum Beispiel die Pflegekräfte, die mehr Gehalt wollen. Die Pflegebedürftigen wollen für ihre Pflege möglichst wenig bezahlen. Höhere Löhne bei Pflegern führen aber unweigerlich zu höheren Pflegekosten. In diesem Falle stehen die Interessen gegenüber, die nur schwer zu vereinbaren sind. Das Aufgabenspektrum ist schlecht durchdacht.

Wenn wir schon bei der Unabhängigkeit sind, frage ich mich: Warum sind Beauftragte oft ehemalige Politiker, zum Beispiel die Kinder- und Jugendbeauftragte in Sachsen, Frau Rüthrich, eine ehemalige SPD-Bundestagsabge

ordnete? Auch der Patientenbeauftragte und der Pflegebevollmächtige der Bundesregierung sind mit Bundestagsabgeordneten besetzt. Wir brauchen mit Sicherheit keinen weiteren Beauftragtenposten für womöglich gescheiterte Politiker. Wenn man es ernst meint, braucht man einen unabhängigen Beauftragten. Diese Unabhängigkeit sehen wir bei der derzeitigen Vergabepraxis aber nicht gegeben.

Liebe Fraktion DIE LINKE, wir können Ihren Pflegebeauftragten in der vorgeschlagenen Form daher nicht unterstützen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist nicht schlimm!)

Was brauchen wir, um die Probleme in der Pflege endlich zu lösen? Ich nenne sechs Beispiele, Herr Gebhardt:

Erstens: Begrenzung der Eigenanteile bei der Pflege durch Übernahme der Investitionskosten der Heime durch den Freistaat. Zweitens: Stärkung der Angehörigenpflege durch die Zahlung eines Lohnersatzes über ein Landespflegegeld. Das wurde von der AfD mehrfach eingefordert. Drittens: Angleichung des Pflegegeldes an den Pflegesachleistungsanspruch und damit die Gleichbehandlung von professioneller und Angehörigenpflege. Viertens: Entlastung der pflegenden Angehörigen durch Schaffung eines jährlichen Anspruchs auf eine Kur sowie die Verbesserung der sozialen Absicherung der pflegenden Angehörigen. Fünftens: Gewinnung und Bindung der Pflegekräfte durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Senkung der Arbeitsbelastungen. Sechstens – man kann es nicht mehr hören –: Bürokratieabbau in der Pflege und Dokumentation.

Fazit: Keiner braucht Ihren Pflegebeauftragten. Er ist weder unabhängig noch ist zusätzliche Sicherheit notwendig. Deshalb lehnen wir Ihren sinnfreien Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächstes spricht zu uns Herr Kollege Scholz, BÜNDNISGRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir brauchen eine größere Aufmerksamkeit für unsere sächsischen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen und eine Interessenvertretung, eine Stimme für unsere beruflich Pflegenden in Sachsen. In Sachsen leben aktuell etwa 311 000 Pflegebedürftige, und durch den demografischen Wandel werden es bis 2035 etwa 326 000 Menschen sein. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt in Sachsen kontinuierlich. Der überwiegende Teil, und zwar 82 %, wird von Angehörigen teilweise mit Unterstützung durch Pflegedienste oder ganz zu Hause gepflegt. Knapp 18 % werden in vollstationären Einrichtungen versorgt.

Ein breites Versorgungsangebot mit vollstationären Einrichtungen, Kurzzeitpflege, teilstationären Einrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten steht in Sachsen zur Verfügung. Dies ist nur durch den unermüdlichen Einsatz von

Pflegekräften, Pflegehelferinnen und Pflegehelfern möglich. Danke an dieser Stelle für diese wichtige und anstrengende Arbeit.

In Sachsen sind dies 75 000 Beschäftige. Sie zählen damit zur größten Berufsgruppe im Gesundheits- und Pflegebereich. Allein diese Zahlen von Pflegebedürftigen und Beschäftigten in diesem Bereich machen deutlich, dass das Thema Pflege in Sachsen einen hohen Stellenwert haben muss. Daher sind wir der Fraktion DIE LINKE für diesen Antrag dankbar.

Allerdings sehen wir BÜNDNISGRÜNE die Aufgabe der Interessenvertretung nicht als Aufgabe einer Person, einer oder eines Pflegebeauftragten zentral in Dresden, sondern gerade in Bezug auf Pflegebedürftige und deren Angehörige sollten Anlaufstellen für Beratung, Aufklärung und Vernetzung dezentral in den Landkreisen und kreisfreien Städten geschaffen werden. Wir favorisieren Pflegestützpunkte.

Schaut man sich das Angebot an, welches von der telefonischen oder persönlichen Pflegeberatung, Onlineangeboten der Pflegekassen über die Internetplattform PflegeNetz Sachsen, bis hin zur Pflege bzw. dem Beratungseinsatz von ambulanten Pflegediensten reicht, ist diese Vielfalt für Pflegebedürftige und deren Angehörige nicht leicht überschaubar. Viele Leistungen werden dadurch nicht in Anspruch genommen, obwohl sie zu einer Entlastung der Pflegesituation beitragen könnten.

So wissen Angehörige, die die Pflege erbringen, oft nicht, dass sie Urlaub machen können und durch Verhinderungspflege die Versorgung ihres pflegebedürftigen Familienmitgliedes für diese Zeit absichern können. Auch die Unterstützungsangebote im Alltag können zu einer Entlastung beitragen. Aber: Wie finde ich entsprechende Angebote oder Anbieter? Von der ersten Frage, wie ein Pflegeantrag gestellt wird, über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Pflege bis zu den Leistungsansprüchen gibt es sehr viele Beratungsbedarfe.

Für uns BÜNDNISGRÜNE sind Pflegestützpunkte vor Ort gefragt. Hier kann unabhängige und vertrauensvolle Beratung erfolgen. Vor allem können regionale Versorgungsangebote damit angeboten werden. Außer Sachsen und Sachsen-Anhalt haben alle anderen Bundesländer bereits Pflegestützpunkte geschaffen und bieten damit Hilfesuchenden alle wichtigen Informationen, Antragsformulare und konkrete Hilfestellungen an.

Für die beruflich Pflegenden sehen wir BÜNDNISGRÜNE eine Selbstverwaltung in Form einer sächsischen Pflegekammer als geeignet an. Analog beispielsweise zur Sächsischen Ärztekammer kann die Pflegekammer die Interessen der Pflegenden gegenüber der Landesregierung, Verbänden und Behörden vertreten. Die Berufsgruppe kann gestärkt werden, indem sie über Weiterbildung und Qualifikation mitentscheidet und diese durch die Pflegekammer organisiert werden. Die Pflegenden verdienen mehr Anerkennung und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Dies kann durch eine Pflegekammer als Berufsberatung und aktives Sprachrohr gelingen.

Um künftig die pflegerische Versorgung in Sachsen sicherzustellen, müssen wir die Kompetenz der beruflich Pflegenden und die Gestaltung zukunftsweisender pflegerischer Konzepte einbinden. Diese Prozesse müssen von einer Selbstverwaltung der beruflich Pflegenden, in unserem Fall eine Pflegekammer, mitentschieden und begleitet werden.

Die Pflegequote, der Anteil pflegebedürftiger Menschen in Sachsen, beträgt 7,7 %. Damit stehen wir im Ländervergleich an zweiter Stelle, gemeinsam mit Sachsen-Anhalt, und liegen 1,7 % über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Dies sind Zahlen, die uns in Sachsen zum Handeln auffordern. Wir sehen unter anderem in Pflegestützpunkten und in einer sächsischen Pflegekammer Lösungsmöglichkeiten, um den künftigen Herausforderungen mit der zunehmenden Zahl an Pflegebedürftigen und dem grassierenden Fachkräftemangel im Pflegebereich zu begegnen. Eine einzelne beauftragte Person könnte diese Lücke nicht ausfüllen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN)

Als Letzte in unserer Rednerreihe spricht Frau Kollegin Lang für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Pflege ist in den letzten Jahren zu einer bundesweiten Herausforderung geworden; denn die Interessen sind nicht immer deckungsgleich. Wir leben in einer immer älter werdenden Gesellschaft, die immer mehr Menschen braucht, um sich um Ältere und Kranke zu kümmern, der genau hierfür die dringend notwendigen Hände fehlen. Wir möchten möglichst gute Arbeitsbedingungen mit fairer Bezahlung für Pflegekräfte und möglichst bezahlbare Pflege für Menschen, die in Pflegeeinrichtungen versorgt werden. Wir möchten den Grundsatz von ambulant vor stationär auch zukünftig leben und gleichzeitig pflegende Angehörige entlasten. Wir möchten gute Pflege für alle und stabile Beitragssätze für die Pflegeversicherung.

Zu sagen, dass die Herausforderungen groß sind, grenzt bisweilen an Untertreibung. Doch ist es eine Aufgabe von Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die all diesen Zielen näherkommen.

In dem von den LINKEN vorgelegten Antrag fordert die Fraktion die Staatsregierung auf, eine oder einen sächsischen Pflegebeauftragten einzusetzen. Hierbei sei mir zunächst der Hinweis gestattet, dass die Staatsregierung nicht dafür zuständig ist, Rahmenbedingungen für einen Beauftragten zu schaffen, der beim Sächsischen Landtag angesiedelt ist. Das sollte im Zweifel das Parlament selbst tun.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Darüber hinaus sehen wir die Gefahr, dass die zahlreichen Aufgaben, die an dieser Stelle gebündelt werden sollen, bereits von bestehenden Strukturen wahrgenommen werden

und eine zentrale Ansprechperson deutlich überfordern würden. So möchte DIE LINKE, dass die Pflegebeauftragte als zentrale und beratende Stelle für alle Belange der Pflege zur Verfügung steht, und zwar für alle pflegebedürftigen Menschen in Pflegeheimen, Krankenhäusern, in Heimen für Menschen mit Behinderungen, in häuslicher und ambulanter Pflege, für ihre Angehörigen und die Pflegekräfte.

Ich verstehe den Wunsch, alle Kompetenzen an einer Stelle zu bündeln, doch der Bedarf ist bei den verschiedenen Stellen und Zielgruppen zum Teil sehr unterschiedlich und wäre in Summe enorm. Das ist nur ein Punkt in der Aufgabenbeschreibung.

Zudem sollen ein ständiger Informationsaustausch mit Trägern der Pflege und der Behörden sichergestellt, Missstände in der Pflege gemeldet, ein jährlicher Bericht verfasst und für breite Akzeptanz und Wertschätzung in der Gesellschaft geworben werden.

Bei allem Respekt: Dafür braucht man keine Geschäftsstelle, sondern bald eine separate Behörde. Nichtsdestotrotz hat das Sozialministerium bereits Schritte unternommen, um Informationen und Ansprechpartner zu bündeln. Auf der Internetseite www.pflegenetz.sachsen.de finden Menschen kompakt alle wichtigen Informationen inklusive der Pflegedatenbank, verschiedene Kontakte bei Beratungsbedarf und Informationen zur Fachservicestelle Sachsen.

Der Freistaat fördert Pflegekoordinatoren in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, um die vernetzte Pflegeberatung vor Ort zu stärken. Bei einem Besuch letzte Woche beim Pflegenetzwerk Vogtland mit meiner Kollegin Juliane Pfeil haben wir wieder einmal einen beeindruckenden Einblick bekommen, wie wichtig es ist, gute Pflege vor Ort gestalten zu können; denn das Pflegenetzwerk kümmert sich um einen guten Überblick über die Leistungsangebote, um die effektive Nutzung vorhandener Ressourcen und darum, dass sich der Vogtlandkreis gut auf die demografische Entwicklung vorbereiten kann.

(Sören Voigt, CDU: Hört, hört!)

Wir haben an verschiedenen Stellen engagierte Menschen, die die Pflege im Freistaat voranbringen. Diese möchten wir weiterhin unterstützen. Den vorliegenden Antrag werden wir mit Blick auf unsere Bedenken ablehnen.

Vielen Dank

(Beifall bei der SPD, der CDU und den BÜNDNISGRÜNEN)