Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zum Änderungsantrag der AfD-Fraktion. Herr Kirste hat diesen bereits eingebracht. Gibt es Redebedarf seitens der anderen Fraktionen zum Änderungsantrag? – Wenn es keinen Redebedarf gibt, dann stimmen wir zuerst über den Änderungsantrag ab.
Ich frage, wer diesem zustimmen möchte und bitte diesbezüglich um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Vielen Dank. Die Stimmenthaltungen? – Stimmenthaltungen sehe ich keine. Bei vielen Für-Stimmen, aber einer Mehrheit an Gegenstimmen ist dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.
Wir kommen nun zum Antrag selbst, zum Ursprungsantrag mit der Drucksache 7/14989. Wer möchte zustimmen? Ich bitte um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Sehe ich
keine. Bei vielen Für-Stimmen, aber einer Mehrheit Gegenstimmen ist dieser Antrag abgelehnt worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, AfD, BÜNDNISGRÜNE, SPD, fraktionslose MdL und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich übergebe an die Fraktion DIE LINKE als Einreicherin und es spricht Frau Kollegin Schaper; bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in Sachsen eine Beauftragte für Senior(inn)en, für Frauen, für Menschen mit Behinderung, für Ausländer(innen) und zu meiner großen Freude seit dem Jahr 2023 eine Tierschutzbeauftragte. Was wir aber bisher nicht haben, ist – Gesundheit –
Doch das Thema Pflege ist von allergrößter Bedeutung. In Sachsen wird bis zum Jahr 2035 mit 226 000 Pflegebedürftigen gerechnet. Für deren Versorgung bräuchten wir laut Statistischem Landesamt 80 000 Beschäftigte. Anders ausgedrückt: Bis zum Jahr 2035 fehlen uns hier in Sachsen – Minimum – 5 000 Pflegekräfte. Als wir im November das letzte Mal zum Thema Pflege gesprochen haben, wurde im Hohen Haus gesagt, dass Sie die analytischen Grundlagen liefern würden, damit die Pflege in Sachsen auch in Zukunft gesichert sein wird. Analytische Grundlagen haben wir genug, ich verweise auf den Enquete-Bericht. Wir brauchen endlich konkrete Maßnahmen; und genau das vermisse ich nicht erst seitdem. Wir bewegen uns in viel zu kleinen Schritten. Andererseits danke ich Ihnen für die Gelegenheit, für meine Fraktion heute wieder solch konkrete Maßnahmen bzw. einen konkreten Vorschlag einbringen zu können. Ich bin zudem jetzt schon sehr auf Ihre obligatorischen Ablehnungsgründe gespannt. Wir legen Ihnen nämlich heute einen Antrag über die Einsetzung einer bzw. eines Pflegebeauftragten vor.
Wir alle kennen diese Forderung des Pflegerates. Alle, die sich mit Pflege beschäftigen, egal ob private oder berufliche Pflege, wissen: Es ist schon lange überfällig. Warum Sie diese nicht aufgreifen, bleibt mir ein Rätsel, zumal die Herausforderungen im Bereich der Pflege in den letzten Jahren immer größer geworden sind und in Zukunft anwachsen werden. Außerdem weiß ich, dass Sie, geehrte Frau Ministerin, dieses Thema sehr intensiv bearbeiten und nach Lösungen suchen.
Der demografische Wandel in Sachsen macht die Gesundheits- und Pflegepolitik zu einer unserer wichtigsten Hauptaufgaben. Die Zahl der älteren Menschen steigt und damit auch der Anteil der pflegebedürftigen Menschen. Im Jahr 2021 wurden knapp 16 % von ihnen, also 48 000 Personen, in über 1 100 Alten- und Pflegeeinrichtungen vollstationär betreut oder versorgt. Ob stationär, ambulant oder familiär: Pflege ist eine grundlegende Säule der Gesundheitsversorgung und unserer Gesellschaft. Sie betrifft uns alle, ob direkt oder indirekt. Wir brauchen mehr Personal. Wir müssen der Überlastung des Personals entgegensteuern. Einige Weichen sind schon gestellt; Programme sind für Fachkräfteanwerbung usw. erarbeitet worden.
Wir brauchen aber auch bessere Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie, bessere Qualitätsstandards und wahrnehmbare Anerkennung für den Pflegeberuf, aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegsqualifizierungen. Und wir brauchen jemanden, der das bündelt. Zusätzlich müssen wir hilfs- und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen stärken, damit sie ein möglichst selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen können.
Im Oktober 2022 rief der Pflegerat Sachsen zu einem Kraftakt auf, um die Versorgung zu sichern. Der Sächsische Pflegerat schrieb: „Die Belastung der beruflich Pflegenden in den Krankenhäusern ist so hoch wie nie. Auf Landesebene haben wir bereits vor einem Jahr vor einer Gefährdung der pflegerischen Versorgung im Freistaat gewarnt, sollten keine Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Heute sehen wir uns in der damaligen Einschätzung bestätigt. Wir nehmen eine immer stärkere Einschränkung der pflegerischen Versorgung in Pflegeheimen, in ambulanten Diensten und Kurzzeitpflegen aufgrund von nicht besetzten Stellen wahr. Dies führt zu einer immer größeren Belastung für Krankenhäuser, welche Patienten immer schlechter in eine Anschlussversorgung entlassen können.
Wir sehen die Notwendigkeit für eine grundlegende Veränderung der Gesundheitsversorgung in Deutschland, bei der Pflegende endlich entsprechend ihrer Kompetenzen eingesetzt werden müssen und als gleichberechtigte Partner in der Selbstverwaltung akzeptiert werden müssen. Als Schlüssel sehen wir die Neuverteilung von Aufgaben, eine konsequente Digitalisierung, die Nutzung pflegerischer Primärversorgung in ländlichen Regionen und die Einführung einer pflegerischen Selbstverwaltung. Aber auch auf Ebene der Bundesländer muss es zu schnellen Veränderungen kommen, um die pflegerische Versorgung sichern können.“
Der Pflegerat Sachsen schlägt deshalb unter anderem auf Landesebene – ergänzend zu den Bemühungen auf Bundesebene – die Einsetzung eines Pflegebevollmächtigten vor. Die Aufgabe einer oder eines Pflegebeauftragten wäre, die Interessen und Bedürfnisse von Pflegebedürftigen, ihrer Familien und Pflegekräften zu vertreten. Er oder sie wäre ein Bindeglied zwischen den verschiedenen Akteuren im Pflegesystem – von Pflegeeinrichtungen, über Behörden bis hin zu politischen Entscheidungsträger(inne)n. Ein Pflegebeauftragter oder eine Pflegebeauftragte wäre nicht nur die Stimme der Pflege, sondern auch ein Motor für Veränderung. Er oder sie könnte Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften vorantreiben, die sich für eine bedarfsgerechte Versorgung einsetzen, innovative Modelle der Pflegeentwicklung fördern und nicht zuletzt dazu beitragen, die Pflege wieder zu einem attraktiven Berufsfeld zu machen, das die Anerkennung und Wertschätzung erhält, die es verdient.
Es ist an der Zeit, dass Sachsen seiner Verantwortung gegenüber den Pflegebedürftigen und ihrer Familien gerecht wird. In anderen Bundesländern – zum Beispiel in Bayern, im Saarland und in Berlin – gibt es bereits Pflegebeauftragte. Um die Bedeutsamkeit hervorzuheben, soll diese Person nicht an ein Ministerium angebunden sein, sondern direkt beim Landtag, und diesem einmal im Jahr Bericht erstatten. Es ist an der Zeit, dass wir gemeinsam handeln, um die Pflege zu stärken und die Zukunft unserer Gesellschaft zu sichern, damit die Interessensvertretung nicht weiter allein im Ehrenamt wie beim Sächsischen Pflegerat erfolgen muss.
Es ist unsere Aufgabe für jede und jeden, der in Sachsen wohnt, ein Altern in Würde zu gewährleisten. Ein Pflegebeauftragter ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Es ist eigentlich nur ein kleiner und auch einfacher Schritt, den man schnell umsetzen könnte. Deswegen ist es noch nicht zu spät dafür.
Ich verstehe nicht, warum man eine solche Ergänzung bzw. solch einen Vorschlag gegebenenfalls als Angriff sieht oder sagt: Wir tun ja schon genug. Ein Beauftragter ist – das wissen wir alle; Herr Mackenroth ist ein sehr gutes Beispiel dafür –
eine Institution in der Vertretung für eine Gruppe von Menschen. Bei den Bedarfen, die wir in der Pflege haben, und
Frau Kollegin Schaper hat den Antrag ihrer Fraktion DIE LINKE eingebracht. Jetzt folgt ihr in der Rednerreihe Frau Kollegin Kuge für die CDU-Fraktion. Bitte, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Linksfraktion für diesen Antrag. Das Thema rund um die Pflege hat zwar spätestens durch die Covid-Pandemie viel Aufmerksamkeit erfahren, doch bietet dieser Antrag die Gelegenheit, sich noch einmal genauer mit der Idee eines Pflegebeauftragten bzw. einer Pflegebeauftragten auseinanderzusetzen.
Betrachten wir die Situation gern noch einmal genauer und genereller. Im Jahr 2021 gab es bundesweit um die 5 Millionen Pflegebedürftige. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird diese Zahl in den kommenden Jahren ansteigen. Demnach soll es im Jahr 2035 auf Bundesebene 14 % mehr Pflegebedürftige geben als 2021. Für das Jahr 2055 wird sogar ein Anstieg von 37 % vorhergesagt. In Sachsen soll der Anstieg mit 5 bzw. 11 % moderater ausfallen.
Eine Zunahme erfolgt auch im Bereich des pflegenden Personals. Zum Jahresende 2021 waren in Deutschland 442 900 Personen bei ambulanten Pflegeeinrichtungen beschäftigt. Das waren 134 % mehr als im Jahr 2001. Aber die Zahl der Pflegebedürftigen, die von einem solchen Dienst zu Hause versorgt werden, ist im selben Zeitraum um 141 % gestiegen. Auch die Zahl der Beschäftigten im Pflegeheim nahm binnen 20 Jahren zu, wenn auch nicht so deutlich. Sie stieg von 2001 bis 2021 um 71 %. Im selben Zeitraum stieg auch die Zahl der hier zu betreuenden Pflegebedürftigen. Dabei nahm die Zahl der vollstationär versorgten Personen um 31 % zu. Die Zahl der teilstationär versorgten Pflegebedürftigen hat sich in diesem Zeitraum allerdings verzehnfacht, das bedeutet ein Plus von über 1 000 %.
Ich nenne Ihnen diese Zahlen nicht grundlos. Sie sollen verdeutlichen, wie groß und komplex die Herausforderungen sind, die wir zu bewältigen haben. Mit dem vorliegenden Antrag soll nun ein Pflegebeauftragter eingesetzt werden, um auf die Entwicklungen reagieren zu können. Da es gute Argumente dafür, aber auch gute Argumente dagegen gibt, kann man sich dem Anliegen auf unterschiedliche Art und Weise nähern.
Als Erstes möchte ich voranstellen, dass ich die hohe Anzahl von Beauftragten generell kritisch sehe. Allerdings wurde im Bereich Pflege auf Bundesebene 2018 mit Andreas Westerfellhaus ein Bevollmächtiger der Bundesregierung für die Pflege berufen, der diese Aufgabe damals sehr engagiert wahrgenommen hat. Dasselbe gilt auch für seine Nachfolgerin, Frau Moll. Vor diesem Hintergrund
gibt es andere gute Beispiele, wie Susanne Schaper es gesagt hat. In Bayern gibt es auch einen Pflegebeauftragten.
Daher begrüße ich die Diskussion um die Einführung eines Pflegebeauftragten sehr, aber es muss zuvor geklärt werden, welche Erwartungen gegenüber einer solchen Stelle bestehen. Es muss klar sein, welche Zuständigkeiten bestehen sollen, um doppelte Strukturen zu vermeiden. Eine Einschätzung über die realistischen Möglichkeiten ist ebenfalls notwendig.
Ich bin mir nicht sicher, ob die angezeigten Aufgaben nicht eine Erwartungshaltung schaffen, welcher die Person im Konkreten nicht gerecht werden kann. Weiterhin bestehen Überschneidungen zu anderen Institutionen und Gremien. Es muss zuerst geprüft werden, inwieweit diese Aufgaben von den bisherigen Ansprechpartnern erfüllt werden. Dazu gehören beispielsweise die Pflegekassen, die Verbraucherzentralen, Pflegekoordinatoren, aber auch die Träger der freien Wohlfahrtspflege.
Sehr geehrte Frau Schaper, fragen Sie doch einfach einmal beim bpa nach! Herr Gebhardt war in der letzten Woche mit mir vor Ort und kann Ihnen vielleicht darüber berichten.
Oft sind die Aufgabenbeschreibungen von solchen Beauftragten zu unbestimmt. Das erweckt dann Erwartungshaltungen, denen in der Realität nicht nachgekommen werden kann. Beispielhaft ist hierbei der Punkt des unverzüglichen Abstellens von Missständen zu nennen. Das ist so weit gefasst, dass die Zuständigkeit deutlich überschritten werden kann.
Fazit: Eine stärkere Würdigung der Pflege und ihrer Beteiligten ist zu begrüßen und sollte in der Diskussion weiterhin stattfinden. Ein Beauftragter kann ein Gegenstand einer solchen Diskussion sein. Die vorliegende Herangehensweise sehen wir jedoch kritisch und lehnen den Antrag ab.