Als Einreicherin spricht logischerweise zuerst die Fraktion DIE LINKE; Susanne Schaper, bitte. Danach in der Reihenfolge: CDU, AfD, BÜNDNISGRÜNE, SPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ziel der Großen Anfrage war es, eine gute Kenntnis darüber zu erlangen, wie es um die Familien in Sachsen steht. Die letzten Jahre waren für viele Familien sehr belastend. Die Coronakrise, die massiven Preissteigerungen, Unsicherheiten und Zukunftsängste haben Familien, insbesondere einkommensschwache, besonders stark belastet und tun dies immer noch.
So brachte beispielsweise die AOK-Familienstudie hervor, dass die Belastungen, denen Eltern und damit auch ihre Kinder ausgesetzt sind, in den letzten Jahren zugenommen haben: stärkere finanzielle, zunehmend psychische, sowie stärkere zeitliche Belastungen. Hinzu kommt ein gesteigertes Risikoverhalten von Eltern, etwa im Hinblick auf Alkohol- und Nikotinkonsum. All das hat Auswirkungen auf Kinder und das gesamte Familienleben.
Wir wollten uns daher ein umfassendes Bild davon machen, was die Regierung getan hat, um Familien zu entlasten. Welche Angebote und Maßnahmen gibt es, um die zuvor beschriebenen Belastungen, denen sich immer mehr Familien ausgesetzt sehen, abzumildern? Welche Strategien hat man, um Familien in Sachsen vor Armut zu schützen, Teilhabemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu schaffen und ein gutes, gesundes Aufwachsen von Kindern zu fördern? Leider blieben all diese wichtigen Fragen unbeantwortet. Auf unseren umfangreichen Fragenkatalog folgt am häufigsten die Antwort: Dazu liegen der Staatsregierung keine Kenntnisse vor. Fast die Hälfte der 71 Fragen wurde so beantwortet. Nicht beantwortet: 32-mal. Mag sein, dass man genervt ist von unserem Fragerecht der Opposition und deshalb schmallippig antwortet.
Mag sein, dass die Mitarbeiter(innen) viel zu tun haben, wie auch immer. Wir halten das für einen großen Fehler;
denn die Situation von Familien, insbesondere die Frage der Armut, der finanziellen Überbelastung, der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen muss aus unserer Sicht unbedingt gut erfasst sein, um Probleme zu erkennen. Ergebnisse verschiedener Studien zeigen, dass es immer häufiger zu Überforderungssituation bei Eltern kommt, dass finan
zielle Sorgen massive Belastungen darstellen, dass allgemein Sorgen und Probleme zugenommen haben. All das wirkt sich natürlich auf die Kinder aus.
Es wird einmal mehr deutlich, dass einkommensschwache Familien viel stärker unter solchen Belastungen leiden als gut situierte. Stichwort: Armut. Wir haben die Armutsdaten der letzten acht Jahre abgefragt. Die Zahlen zeigen leider: Es hat sich nichts geändert. Gemessen am Landesmedian sind die Armutsgefährdungsquoten von Familien im Jahr 2022 nahezu identisch mit den Quoten von 2015.
Insgesamt sind etwa 70 000 Familien in Sachsen arm oder armutsgefährdet. Kinderreiche Familien und Alleinerziehende tragen dabei nach wie vor das größte Armutsrisiko. Fast die Hälfte der alleinerziehenden Familien in Sachsen waren im Jahr 2022 armutsgefährdet, ebenso knapp ein Drittel der Familien mit drei oder mehr Kindern.
Politische Einflussnahme, die spürbare Verbesserungen der Armutssituationen von Familien bewirkt hätte, ist leider nicht zu erkennen. Jedes fünfte Kind in Sachsen wächst in Armut auf. Ich finde das unerträglich.
Wir vermissen die sehr offensichtlichen Anstrengungen, die darauf abzielen, Familien aus der Armut herauszuholen; denn Armut in Familien führt leider viel zu oft dazu, dass Kinder weniger Sport treiben, seltener ein Instrument erlernen, schlechter in der Schule abschneiden oder einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen.
Daher muss ganz besonders darauf hingearbeitet werden, dass Kindern aus armen Familien Zugänge zu Sport, Kultur und Bildung erleichtert werden. Teilhabe und Wohlbefinden dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.
Deshalb fordern wir, dass endlich eine Strategie vorgelegt wird, wie die Armutssituation von Kindern und Familien verbessert werden soll. Es kann doch nicht sein, dass wir Jahr für Jahr feststellen müssen, dass alleinerziehende und kinderreiche Familien massiv von Armut bedroht sind. Es braucht eine Aktivität, konkrete Schritte, einen festen Zeitplan und dann eine Prüfung, ob die Maßnahmen Wirkung zeigen.
Ich kann Ihnen gleich sagen: Die von der Bundesregierung angekündigte Einführung der Kindergrundsicherung wird an der Armutssituation der Familien leider nichts ändern.
Sie als Landesregierung bleiben also in der Pflicht und können nicht untätig warten, bis die Grundsicherung – die diesen Namen nicht verdient – kommt.
Ein weiterer Punkt, der mich an den Antworten wirklich erschüttert, ist die Unkenntnis über die Situation von Menschen mit Behinderung. Jede einzelne Frage zur Situation
von Familien, bei denen ein Familienmitglied oder mehrere Familienmitglieder eine Behinderung haben, wurde mit „Hierzu wissen wir nichts“ abgetan. Das erschüttert mich ein wenig.
Es ist doch hinlänglich bekannt, dass die Barrieren in allen Lebensbereichen hoch sind und Menschen mit Behinderung häufig eingeschränkt werden, dass sie besonders kämpfen müssen, dass sie bestehende Angebote nicht erreichen können oder von diesen ausgeschlossen sind. Daher muss es doch ein Anliegen sein, Familien, in denen Kinder oder Eltern mit Behinderung leben, besonders zu unterstützen.
Wie aber will man für Familien mit behinderten Angehörigen gute Angebote entwickeln, wenn man nur so wenig darüber weiß? Wir fordern die Staatsregierung dazu auf, in der Familienpolitik diesbezüglich aktiver zu werden. Familien müssen spüren, dass sich Dinge für sie verbessern und das Land handeln kann.
Nicht alles ist Aufgabe des Bundes. Der Freistaat kann seine Förderrichtlinien so gestalten, dass vom Familienurlaub auch wirklich viele Familien profitieren. Derzeit sind es tausend Familien, also gut 1 % der armen Familien in Sachsen. Das ist so wenig, dass es kaum der Rede wert ist. Das Land kann mit der Förderung von sportlichen, kulturellen oder politischen Angeboten handeln, damit arme Kinder und Familien sowie Kinder und Eltern mit Behinderung genauso teilhaben können wie gut situierte Familien ohne Angehörige mit Behinderung.
Sie werden mir jetzt sagen: „So ist es doch bereits, es können ja alle teilhaben!“, aber Studien kommen leider immer wieder zu gegenteiligen Ergebnissen.
Kinder und Jugendliche, die etwa im Rollstuhl sitzen oder auf einen Gebärdendolmetscher angewiesen sind, finden sehr selten Angebote, die auch für sie passen oder erreichbar sind. Oft sind die Kosten und Beiträge für Kinder aus einkommensschwachen Familien zu hoch.
Wir wollen, dass hier etwas getan wird, dass Kinderarmut wirksam abgebaut wird, dass nicht mehr jedes fünfte Kind in Sachsen in Armut aufwachsen muss. Wir wollen, dass Kinder, Jugendliche und Familien in allen Teilen des Freistaates Sport, Freizeit, Ehrenamt, Bildung und Kultur erleben und mitgestalten können, und zwar unabhängig vom Geldbeutel oder vom Wohnort und auch unabhängig von einer Behinderung.
Wir fordern Sie dazu auf, sich Kenntnisse zur Lage der Familien in Sachsen zu verschaffen, Bedarfe zu erfassen und darauf aufbauend eine Strategie zu entwickeln, um Familienarmut zu verringern, Teilhabemöglichkeiten auszuweiten und die Belastungen, die Familien zu tragen haben, abzubauen. Wir haben einen entsprechenden Entschließungsantrag vorbereitet, dieser liegt Ihnen vor und ist hiermit eingebracht.
„Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates; oder seine Glückseligkeit ist eine Scheingröße“, so der Aufklärungsphilosoph Johann Gottfried Herder. Das sollten wir uns doch zu Herzen nehmen.
Kollegin Schaper sprach für die Fraktion DIE LINKE als Einreicherin. Nun spricht für die CDU-Fraktion Kollegin Saborowski. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Im Jahr 2022 gab es in Sachsen über 520 000 Familien mit Kindern. Sie sind das Herz und das Fundament unserer Gesellschaft. Familien waren und sind sehr unterschiedlich und für die Gesellschaft immens bedeutsam, denn sie dienen nicht nur der Sicherung der Gesellschaft, sondern sie sind auch Ort der Erziehung und Bildung und leisten einen großen Beitrag zum Zusammenhalt der Generationen. Familien sind für die Entwicklung der Kinder zu Erwachsenen verantwortlich, die später unsere Gesellschaft ausmachen werden. Hier ist es am einfachsten, Werte zu vermitteln und Veränderungen zu bewirken.
Familien werden durch die jeweiligen Lebenslagen geprägt, und zwar durch die äußeren Bedingungen, welche das Leben beeinflussen. Sie bilden aber auch den Rahmen der Möglichkeiten und geben Grenzen vor. Wie es den Familien in der Gesellschaft geht, welche Stellung sie dort haben und welche Probleme sie belasten, damit beschäftigt sich die Große Anfrage.
Es werden Themen wie Familienformen, Einkommen, Gesundheit und Prävention, soziale und kulturelle Teilhabe näher beleuchtet. Die Beantwortung der Großen Anfrage ist sehr unterschiedlich. Das kann man kritisch sehen; gleichwohl ist der Hinweis richtig, dass ein Teil der Themen nicht in diesem Format mit Zeitvorgabe umfassend beantwortet werden kann. Dafür braucht es eine gesonderte Betrachtung, wie sie sich beispielsweise in der zweiten Sozialberichterstattung wiederfindet. Ebenfalls ist bei einigen Fragen festzustellen, dass diese nur eine Momentaufnahme sind und keinen Verlauf darstellen. Für eine Bewertung ist dies jedoch zwingend nötig.
Ich habe mir einzelne Gebiete herausgesucht, beispielsweise Familie. Legt man die Zahlen des Statistischen Landesamtes zugrunde, handelt es sich in Familien mit Kindern bei den Eltern überwiegend um verheiratete Personen. Doch die Zahl der Alleinerziehenden nimmt zu. Ebenso zunehmend ist anscheinend weiterhin die Gewährung von Pflegepauschbeträgen in der Einkommensteuer. Aber diese differenziert sich nicht nach der zu pflegenden Person.
Bei Einkommen und Sozialleistungen stellt man fest, dass die Armutsgefährdungsschwelle sich im Landesmedian mehr an die des Bundes angleicht. Die Armutsgefährdungsquote ist nach einem Anstieg 2019 anscheinend wieder leicht im Sinken.
Bei gesundheits- und familienpolitischen Leistungen ist zu erkennen, dass die Anzahl von Kinder- wie auch von Hausarztpraxen rückgängig ist, ebenso wie die familienpolitischen Leistungen des Freistaates; das liegt zum Teil an veränderten Fördervoraussetzungen.
Bei Familienpass, Maßnahmen der Familienfreizeit und -erholung wie auch bei Angeboten der Familienberatung fanden deutliche Aufstockungen statt.
Für mich stellt diese Große Anfrage einen Ausschnitt der Lebenslagen von Familien dar. Eine Bewertung, wie gut oder schlecht es Familien geht bzw. ob und in welchem Ausmaß Veränderungen stattgefunden haben, ist durch diese Große Anfrage nur bedingt möglich. Gleiches gilt für mögliche Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen.
Der Faktor Armut spielt hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Armut ist in Deutschland ein komplexes und vielschichtiges Thema, welches eine große Herausforderung für den Einzelnen und die Gesellschaft darstellt. Wir müssen die Menschen in die Lage versetzen, einer Arbeit nachzugehen; denn eine berufliche Tätigkeit ist ein wesentliches Instrument der Armutsbekämpfung.