(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie sind hier nicht mehr am Stammtisch! Sie sind im Parlament! – Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Soll ich das Zwiegespräch noch abwarten? – Glocke des Präsidenten)
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für diese Aktuelle Debatte. Die Frage, was Demokraten und Demokratien eint, ist so alt wie die politische Theorie selbst. Die Antwort darauf gehört wahrscheinlich zu einer der kompliziertesten.
Im Laufe der Geschichte hat sich irgendwann einmal die Verständigung durchgesetzt, dass es so etwas wie eines Nukleus des Gemeinsamen bedarf, auf dem Demokratien schlussendlich fußen, damit Demokratien bestehen und überleben können. In der Antike hat man darunter die Tugendhaftigkeit verstanden, zugegebenermaßen aus heutiger Sicht ein etwas überholtes Konzept. So ist man in den jüngeren Demokratien davon abgegangen.
Dafür hat man es Ihnen aber auch erleichtert. In den jüngeren Demokratien ist nicht die Tugendhaftigkeit der Maßstab der Zugehörigkeit, sondern die faktische Beschreibung der staatlichen Tugendhaftigkeit. Es sind Werte wie Menschenwürde, die Freiheit des Einzelnen, der Rechtsstaat, die freien Wahlen und faktisch all jenes, was wir heute als freiheitliche demokratische Grundordnung oder als unverbrüchlichen Kern unserer Verfassungsordnung begreifen.
Auf diesem Boden und in diesem Rahmen ist in unserer freiheitlichen Demokratie so ziemlich alles möglich: harter Streit in und um die Sache, Zuspitzung, ja, sogar Polemik, wie wir es regelmäßig in diesem Plenum auch unter den demokratischen Fraktionen erleben.
In unserer Republik zeichnet es eben wahre Demokratinnen und Demokraten aus, dass sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes, orientiert an den Werten unserer Republik, um die besten Lösungen auch deutlich streiten.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir können als Demokratinnen und Demokraten sehr trefflich streiten über die Frage, was die Polizei dürfen soll und was nicht, darüber, ob es eine neue Bahnverbindung braucht oder doch lieber eine Autobahn. Wir können dies mit unterschiedlichen Auffassungen tun, wir können dies in unterschiedlicher Art und Weise tun, aber wir tun dies immer auf einem festen Fundament; denn diese Diskussionen sind Abbild der Pluralität unserer Gesellschaft, Abbild der verschiedenen Lebensentwürfe und der Individualität, die wir nur ausleben können, weil wir in einer freiheitlichen Ordnung leben.
Zugegeben, werte Kolleginnen und Kollegen, manchmal wünsche ich mir in diesen Auseinandersetzungen auch unter den demokratischen Fraktionen mehr Respekt, etwas mehr Demut und den Willen zur Erkenntnis.
Das ist manchmal durchaus angebracht. Nicht immer sind alle in Berlin blöd, auch wenn man der festen Überzeugung ist, dass es einem im Wahlkampf etwas bringt; denn wir
sollten als überzeugte Republikanerinnen und Republikaner wieder das würdevolle Streiten lernen. Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht Gemeinsamkeit in der Sache unsere Demokratie eint, sondern ein konsequenter und kollegialer Streit, ein Ringen um die besten Lösungen für die Zukunft. Das ist das, was unsere Demokratie auszeichnet. Darum sollte es uns auch gehen: um einen lebendigen demokratischen Streit im Sinne des Kampfes um das Beste von allem Guten.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Demgegenüber stehen diejenigen, die den Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung längst verlassen haben,
die nicht den Streit innerhalb der Verfassungsordnung suchen, sondern die Pfeiler der Republik ins Wanken bringen wollen, indem sie den unverbrüchlichen Kern angreifen und bekämpfen, sei es durch die Angriffe auf die Menschenwürde mittels der Planung von Staatsverbrechen – wie es offensichtlich Vertreter der AfD tun –
oder durch den Glauben, dass unsere freiheitliche Demokratie abgeschafft werden solle, wie es sich ausweislich des Sachsen-Monitors viel zu viele Menschen in diesem Land erhoffen. Diese Meinungsumfrage hat leider gezeigt, dass es kein hohes Vertrauen in unsere Demokratie und in ihre Institutionen gibt, dass menschenfeindliche Ressentiments eine feste Verankerung in unserer Gesellschaft haben und auch, dass der Verschwörungsglaube weit verbreitet ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wären derlei politische Erkenntnisse in den letzten Wochen die einzigen gewesen, würde meine Prognose heute düster ausfallen, doch es waren nicht die einzigen. Die Republik erhebt sich seit einigen Wochen sichtbar gegen ihre Feinde, nicht nur mit Hunderttausenden Menschen, sondern auch mit der Idee, dass wir alle Verantwortung für ihren Schutz tragen.
Die Idee eines freiheitlich-demokratischen Deutschlands, werte Kolleginnen und Kollegen, eines demokratischen, freiheitlichen Deutschlands für alle Menschen ist größer, als es die Staatsverbrechenspläne und Umsturzfantasien der AfD je sein werden.
Es liegt an uns, dies deutlich zu machen und durchzusetzen. Dafür braucht es nicht nur überzeugte Republikanerinnen und Republikaner, es braucht auch klare Antworten des Staates. Unsere wehrhafte Demokratie muss ihre Gesichter und ihre Zähne zugleich zeigen. Das erwarten viele Menschen zu Recht, die für unsere Republik gerade auf die Straße gehen.
Das heißt auch, der Kampf nach innen muss intensiviert werden. Wer an herausgehobener Position in einer erwiesen rechtsextremen Partei tätig ist, der darf kein Beamter des Freistaates Sachsen sein.
Wer dem Rechtsextremismus unter dem Vorwand vermeintlicher Bildungsarbeit frönt, der darf dafür kein Geld bekommen. Vor allem braucht es aber einen neuen demokratischen, ja, republikanischen Zusammenhalt in unserem Land. Die Feinde der Demokratie wollen den Kampf um die Straße gewinnen; die Freunde der Republik wollen den Kampf um die Herzen gewinnen. Das ist die Voraussetzung für eine lebhafte Demokratie, die wir alle miteinander stärken sollten.
Schließen möchte ich mit einem Zitat aus einer Schrift von Herfried Münkler: „Tugendhaftes Verhalten und bürgerschaftliches Engagement bedeutenden im Prinzip nichts anderes als die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, wobei diese Verantwortung im politischen Sinne als Eigenverantwortung verstanden werden kann.“
Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für alle überzeugten Freunde der Republik an der Zeit, diese Eigenverantwortung für den Gedanken unserer Republik zu übernehmen, als Anständige und als Zuständige in diesem Land.
(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN, der SPD, des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE, und der Staatsministerin Katja Meier)
Das war Kollege Lippmann. Er sprach für die BÜNDNISGRÜNEN. Jetzt hat Kollege Teichmann um das Wort gebeten. Er spricht als fraktionsloser Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir debattieren heute in der Aktuellen Debatte über die gesellschaftliche Stimmung in Sachsen. Die Stimmung war seit der Wende noch nie so schlecht und unzufrieden wie jetzt.
Herr Dierks, Sie sprechen hier für Ihre CDU-Fraktion davon, der AfD den Nährboden für die hohen Umfragewerte zu entziehen. Die Regierungsparteien sprechen davon seit zehn Jahren – zehn Jahre, in denen die drängendsten Probleme in unserem Land durch die Regierungsparteien nicht gelöst, sondern verschärft wurden.
Die Bürger – und Wähler – erwarten spürbare Lösungen. Geredet wurde lange genug. Ich gebe Ihnen recht: Ja, die Lösung der vielfältigen und bekannten Probleme, für deren Auflistung meine knappe Redezeit nicht reicht, ist tatsächlich der Schlüssel für geänderte Umfragewerte. Dafür müssten Sie zu einer spürbaren politischen Kurskorrektur bereit sein und die massenhaft verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Echte Demokraten lassen einen politischen Diskurs zur Lösung der vielen Probleme zu. Sachpolitik zum Wohle unseres Landes statt parteitaktisches Agieren! Hinterfragen Sie bitte Ihr eigenes Handeln, das leider viel zu oft von Ausgrenzung und politischer Arroganz geprägt ist, nur weil Sie
aktuell noch über Mehrheiten im Parlament verfügen. Kehren Sie zurück zur Vernunft! Das ist das Gebot der Stunde und mein ehrlicher Appell an Sie.
Das war Herr Kollege Teichmann. Er beschließt die erste Rederunde. Jetzt bin ich ganz sicher, dass die einbringende SPD-Fraktion eine zweite Rederunde eröffnet. – Es ist so. Kollege Homann, Sie haben das Wort, nach dem freundlichen Morgengruß von vorhin. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurden bereits die ersten historischen Vergleiche angestellt. Ich will dazu nur zwei Sachen sagen.
Das Erste ist: Es ist doch ein hervorragendes Signal an dieses Land, dass 34 Jahre nach der friedlichen Revolution in diesem Land die größten Demonstrationen seit damals stattfinden, mit mehr als 100 000 Menschen, und zwar wenn es wieder darum geht, für diese Demokratie einzustehen.
Es ist doch die große historische Chance des Augenblicks, dass die stille Mehrheit aufsteht und sagt: Ja, es gibt unterschiedliche Einschätzungen und Wege, wie wir unsere Demokratie, unsere Gesellschaft verbessern können, aber es gibt Dinge, die in einem demokratischen Diskurs nicht statthaft sind, und dazu gehört das. Sie können versuchen, das kleinzureden. Dazu gehören auch Ihre Pläne, in diesem Land nicht nur unsere Nachbarn auszuweisen, die oder deren Vorfahren nicht bei uns geboren sind, sondern Ihre Pläne zeigen doch etwas ganz anderes. Sie wollen außerdem die Leute ausweisen, die mit diesen Menschen zusammenleben und zusammenarbeiten.
Doch, genau darum geht es. In Ihrer Logik, die Sie in Potsdam diskutiert haben, wird auch der Pfarrer verschwinden, nur weil er einen koptischen Christen in seine Gemeinde aufgenommen hat. In Ihrer Logik wird auch der Fußballtrainer verschwinden, nur weil er einen syrischen Geflüchteten in die Startaufstellung seiner Mannschaft aufgestellt hat. In Ihrer Logik wird auch der Handwerker verschwinden, der jemanden ohne deutschen Pass in seinem Unternehmen eingestellt hat.
Das ist Ihre Logik, das ist das, was dort diskutiert wurde. Sie können versuchen, das kleinzureden, aber – –