Jetzt frage ich die Fraktionen: Gibt es noch Redebedarf in dieser ersten Aktuellen Debatte? – Das sehe ich nicht. Damit ist die erste Aktuelle Debatte abgeschlossen. Ich rufe auf
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion BÜNDNISGRÜNE das Wort. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, AfD, DIE LINKE, SPD, fraktionslose MdL und Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich übergebe an Herrn Kollegen Dr. Gerber. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es gleich zu Beginn der Debatte sagen: Wir BÜNDNISGRÜNE stehen, egal, ob im Bund oder im Land, felsenfest an der Seite der Solarindustrie. Ein Teil dieser Unterstützung ist daher die heutige Debatte, die ein deutliches Signal an Teile der Bundesregierung schicken soll.
Sowohl Deutschland als auch die Europäische Union haben sich zur Erreichung der Klimaneutralität ambitionierte Ziele gesetzt, und es wäre eine absolut verantwortungslose Politik, die selbstständige Erreichung dieser Ziele in fremde Hände zu legen. Es gibt ein Zitat, das Albert
Einstein in den Mund gelegt wird, er aber wohl nie gesagt hat: Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Genauso kommt mir das hier vor.
Vor ungefähr zehn Jahren haben wir schon einmal über 100 000 Arbeitsplätze und den technologischen Vorsprung verloren. Der damalige Wirtschaftsminister Altmaier hat das Heft des Handelns bei dieser absoluten Zukunftstechnologie ohne Not und mit Kürzung der EEG-Förderung sogar selbstverschuldet aus den Händen gegeben. Die Erfolgsgeschichte der Fotovoltaik wurde stattdessen anderswo weitergeschrieben.
Mit dem exponentiellen Wachstumskurs bildet Fotovoltaik weltweit einen Grundpfeiler der Energiewende und wird weiter maßgeblich zur europäischen Souveränität und Energiesicherheit beitragen. Sie wird sogar in Deutschland den größten Anteil an installierter elektrischer Leistung im Energiemix der Zukunft haben. Wie es weitergeht, ist daher
viel mehr als nur eine reine industriepolitische Entscheidung. Es geht längst um geostrategische und handelspolitische Fragen, wer in einer auf erneuerbarer Energie basierenden Welt den Ton angibt.
Wir sind dabei, wieder den gleichen Fehler zu begehen; wie bei der Versorgung mit Erdgas oder der Softwareausstattung so jetzt auch die Debatte um die erneuerbare Energieversorgung. In zentralen geopolitischen Fragen machen wir uns von anderen hochgradig abhängig, und das darf so nicht weitergehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn werden jetzt falsche Entscheidungen getroffen, hat das insbesondere negative Auswirkungen auf Sachsen, auf Dresden, auf Freiberg, auf Nünchritz usw.
Die Werkshallen, in denen Meyer Burger jetzt mit 500 Beschäftigten Europas größte Solarmodulfertigung betreibt, haben vor zehn Jahren zu Solarworld gehört. Wie diese Geschichte endete, ist nicht nur deutschlandweit, sonders besonders in der Freiberger Region allen bekannt. Die Parallelen zur Gegenwart sind geradezu erschreckend: Wieder geht es für den lokalen Wirtschaftsstandort zunächst bergauf, und wieder fluten preisgedumpte chinesische Module den Markt. In Konsequenz erwägen Meyer Burger und seit dieser Woche leider auch Solarworld in Dresden, die sächsischen Standorte zeitnah zu schließen.
Es braucht jetzt ein klares Signal aus Berlin für den Erhalt der sächsischen Solarindustrie; denn die negativen Auswirkungen sind unmittelbar, wie die vorläufige Haushaltssperre in Freiberg zeigt. Es ist daher gut und richtig – und dafür bin ich dankbar –, dass sich der Ministerpräsident, der Energieminister und der Wirtschaftsminister gemeinsam zu den sächsischen Unternehmen bekannt haben. Auch Wirtschaftsminister Habeck hat sich klar positioniert, was aber immer noch fehlt, ist ein Einlenken im Bundesfinanzministerium. Was außerdem fehlt, ist ein fairer Markt.
Modulhersteller sollten nicht länger mit Modulen konkurrieren müssen, die unter zweifelhaften Menschenrechtsstandards und 50 % unter Herstellungskosten produziert werden und dann den EU-Markt überschwemmen. Möglich ist das. Vorschläge für geeignete Maßnahmen liegen längst auf dem Tisch. Erstens. Durch sogenannte Resilienzboni würde sichergestellt, dass bei der Ausschreibung für einen gewissen Zeitraum anteilig die Verwendung europäischer Komponenten vorgeschrieben und mit einem Aufschlag bei der EEG-Vergütung belohnt wird. So bieten wir den heimischen Unternehmen eine gesicherte Nachfrage und damit eine klare Perspektive.
Zweitens: Förderung von Investitionen in den Aufbau neuer und weiterer Produktionskapazitäten zur Verringerung der strategischen Abhängigkeiten bei diesen Energiewendetechnologien. Der Produktionshochlauf muss
entlang der gesamten Wertschöpfungskette passieren, von Polysilizium und Wafern über Solarglas zu Zellenmodulen und Wechselrichtern. Die dafür notwendigen Schritte könnten gemeinsam mit dem für Ende Februar angekündigten Solarpaket 1 beschlossen werden. Es braucht dafür aber, wie gesagt, ein Einlenken in Teilen der Bundesregierung.
Zum Abschluss möchte ich gern die Wichtigkeit der sächsischen Solarindustrie, besonders hinsichtlich der regionalen Wertschöpfung, hervorheben. Eine Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft zeigt, dass in Sachsen bis 2030 über 15 Milliarden Euro durch erneuerbare Technologien generiert werden könnten, vor allem im Dach- und Freiflächenfotovoltaikbereich. Je mehr Wertschöpfung hier in Sachsen stattfindet, desto größer wird das Stück des Kuchens sein, das wir uns davon abschneiden können.
Kollege Dr. Gerber sprach für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. Nun spricht für die CDU-Fraktion Kollege Hippold. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Gerber, ich schätze Sie sehr, aber Sie haben mich etwas sprachlos zurückgelassen. Sich hier vorn hinzustellen – ich persönlich bin weit davon entfernt, nicht kritikfähig zu sein, wir haben als CDU in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, was dieses Thema betrifft – und nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn man selbst im Bund zwei Minister stellt, die dafür verantwortlich sind,
auch im Land und in anderen Bundesländern Minister dafür stellt –, das ist aus meiner Sicht an Scheinheiligkeit kaum zu übertreffen.
Aber ich will einmal mit Folgendem anfangen – Sie haben es angesprochen –: Es ist nicht nur das Thema Solarzellen, sondern das beginnt früher. Wenn wir hier über Souveränität diskutieren, ist es wichtig, einige Ausführungen zur Marktlage zu machen. China dominiert – Stand 2021 – den Markt für Polysilizium mit knapp 80 %. Im Bereich der Wafer sind es inzwischen 97 % – im Jahr 2021 – und im Bereich der Zellen 85 %. Das bedeutet, dass auch in anderen Ländern hergestellte Module damit in der Lieferkette in weiten Teilen von diesen chinesischen Vorprodukten abhängig sind. Sie haben bereits darauf hingewiesen, dass wir auch dort tätig werden müssen.
Die größten Hersteller von Polysilizium – und das ist besonders bitter – im Jahr 2021, neuere Daten gibt es leider nicht, waren die chinesischen Hersteller Tongwei, GCL Technology und Daqo New Energy, gefolgt von dem deutschen Unternehmen Wacker Chemie. Man sieht daran, wie fehlgeleitete Politik im Grunde genommen Auswirkungen haben kann. In den Jahren 2016 bis 2019 war Wacker Chemie weltweit noch Marktführer.
Wir erleben ein rasantes Wachstum. Auch ich – das wissen Sie, das haben wir in der Vergangenheit schon mehrfach in anderen Runden besprochen – bin davon überzeugt, dass
die Fotovoltaik zentral zu unserer nachhaltigen Energiezukunft beitragen wird. Die Firma Meyer Burger Technology, mit der ich in den vergangenen zehn Jahren intensiv im Austausch war – ich kenne Dr. Erfurt ganz gut, der Hauptsitz befindet sich in meinem Wahlkreis –, will die Modulfertigung, die wir erst vor drei Jahren in Betrieb genommen haben, wieder beenden. Das wäre besonders bitter, weil es in diesem Jahr, wenn das so kommen sollte – es gibt Hoffnungen, dass es doch nicht passiert –, das zweite Mal wäre, dass Freiberg, das in der Vergangenheit ein wichtiger Standort in diesem Bereich war, diese Produktion verlieren könnte.
Um zu verdeutlichen, wie groß das Problem ist, will ich aus dem Geschäftsbericht der Firma Meyer Burger zwei Zahlen vortragen: Das Schweizer Unternehmen hat im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von 135 Millionen Schweizer Franken gemacht. Mindestens 126 Millionen Schweizer Franken waren der EBITDA-Verlust dieses Unternehmens. Das zeigt, dass es durch die Themen, die soeben in der Debatte angesprochen wurden, in Europa eine unglaubliche Schieflage gibt, die durch Stützungen und Subventionen in China passieren.
Meyer Burger will nun, wenn sich keine Veränderungen an dieser Lage ergeben, die Produktion im sächsischen Freiberg einstellen. Da ist es nur ein kleiner Trost, dass der sachsen-anhaltinische Standort – zumindest vorerst – von diesen Schließungsplänen nicht umfasst ist.
Etwas Hoffnung – ich habe es soeben angesprochen – gibt es. Minister Habeck will sich für die deutsche Solarbranche einsetzen – das muss natürlich irgendwann passieren – und will unter anderem für hier produzierende Unternehmen sogenannte Resilienzausschreibungen unterstützen. Man darf sehr gespannt sein, wie das einerseits umgesetzt werden soll und ob es andererseits ausreichend früh passiert, damit es für unsere deutschen PV-Unternehmen noch einen Effekt hat.
Ich will einen weiteren Punkt bezüglich der Haushaltsaufstellung ansprechen.: Das Bundesforschungsministerium hat aufgrund der Kürzung der Mittel des Klima- und Transformationsfonds bestimmte Teile der staatlichen Förderung gestrichen. Das betrifft insbesondere den Bereich der Batterieanwendungsforschung, der natürlich für unsere Solarbranche sehr wichtig ist. Sicherlich war es wichtig, diesen Kompromiss im Haushalt zu finden, aber das auf dem Rücken der Solarindustrie auszutragen, ist aus meiner Sicht völlig falsch.
Wir fordern daher – das haben wir auch im Frühsommer schon getan –, in dieses Solarpaket 1 – oder wie immer es dann auch heißen mag – entsprechende Maßnahmen einfließen zu lassen, um unsere Fotovoltaikbranche zu schützen und wieder Verlässlichkeit und Berechenbarkeit in diesen Bereich einziehen zu lassen.
Für die CDUFraktion sprach Kollege Hippold. Kollege Urban spricht nun für die AfD-Fraktion; bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sorgen und Ängste bestimmten den Alltag bei Meyer Burger in Freiberg, bei Solarwatt in Dresden und bei Heckert in Chemnitz. Einmal wieder steht die Solarindustrie in Sachsen vor dem Aus. Das ist schlecht für die Betroffenen und das ist schlecht für Sachsens Wirtschaft.
Noch vor Kurzem prophezeite die Regierung der Solarbranche eine blühende Zukunft, aber die Wettbewerbsbedingungen verschlechterten sich, und die Solarindustrie kränkelt – wieder einmal. Jetzt, ein halbes Jahr vor den Wahlen, wollen sich die falschen Propheten von damals zu den neuen Rettern aufschwingen.
Von den zehn größten Solarproduzenten der Welt sitzen wie viele in Europa, Herr Gerber? Wissen Sie es? – Kein einziges. Alle Solarproduzenten sitzen in China. Warum ist die chinesische Solarindustrie so erfolgreich? Sind es wirklich nur Subventionen oder gibt es dafür nicht ganz andere Gründe?
Grund 1: weniger Bürokratie. Natürlich wollen wir höhere Umwelt- und Sozialstandards als in China. Aber kein chinesischer Produzent muss sich mit einem völlig überzogenen Lieferkettengesetz, mit absurden Bauvorschriften und nutzlosen Energie- und Klimaauflagen herumschlagen. Die deutschen Unternehmen ersticken in der Dokumentationsflut und im Regulierungswahn. Chinesische Unternehmen wachsen.
Grund 2: Investitionssicherheit. Dafür braucht es Verlässlichkeit in politische Entscheidungen. In Deutschland kommen mit jeder Regierung neue Verbote, neue Gängeleien, neues Subventionsgeschacher. Obendrauf gibt es dumme Energiesanktionen mit null Wirkung auf den Ukrainekrieg. Das in Deutschland jetzt verbotene russische Öl und Gas wird nun mit hohen Rabatten von chinesischen Solarproduzenten gekauft.
Grund 3: günstige Energie. In Deutschland kostet die Kilowattstunde Gewerbestrom durchschnittlich 25 Cent, in China sind es 8 Cent. Das war in Deutschland auch einmal so, und zwar vor genau 25 Jahren, nämlich vor Beginn der Energiewende.
Der Kraftstoff kostet für die Mitbewerber unserer deutschen Firmen in China und in den USA weniger als die Hälfte. Die deutschen Regierungen verbieten einen Energieträger nach dem anderen, und zwar genau die Energien, mit denen unsere Wettbewerber unschlagbar günstig Solarmodule in China produzieren.
Als wäre das nicht schlimm genug, bürdet man den Unternehmen in Deutschland immer neue Steuern auf Energieträger auf. Ich erinnere an die CO2-Steuer.
Grund 4: Fachkräfte. Während Jahr für Jahr Millionen gut ausgebildete Fachkräfte in die chinesische Wirtschaft strömen, strömen in Deutschland Millionen Migranten in unsere Sozialsysteme. In China forciert man die Ausbildung von Ingenieuren und Technikern, hierzulande betreibt man Gender-Lehrstühle und subventioniert kommunale
Klimamanager. Während Flaute bei Fachkräften in der Industrie herrscht, herrscht Hochkonjunktur in den Ministerien, in den Amtsstuben und in den Vereinen.