Protocol of the Session on September 21, 2023

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Auch Themen wie eine Grundgesetzänderung und das Thema Asyl müssen angesprochen werden. All das müssen wir breit diskutieren. Ich habe dazu im Mai für meine Fraktion umfassend vorgetragen.

Auch innerhalb der Unionsfamilie diskutieren wir dieses Thema sehr intensiv. Sie haben vorhin den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder angeführt, auch Reiner Haseloff hat dazu Standpunkte adressiert. Das müssen wir breit diskutieren.

Aber – und jetzt kommt das große Aber – im Unterschied zu Ihnen sind wir für eine enge, elementare und gemeinsame Abstimmung sowie die Einbindung der kommunalen Familie.

(Zuruf des Abg. Thomas Prantl, AfD)

Wenn ich mit Landräten spreche – Herr Prantl, Sie haben zwei Landräte zitiert –, dann sagen sie mir, dass, wenn man dieses Thema, wie Sie es im Antrag adressiert haben, einführt, es ein zu hoher bürokratischer Aufwand wäre. Es wäre nicht administrierbar, nicht handhabbar. Deswegen müssen wir Lösungen finden, aber gemeinsam mit der kommunalen Ebene und nicht von oben nach unten.

(Beifall bei der CDU und den BÜNDNISGRÜNEN)

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat dazu, bemerkenswert, im „Tagesspiegel“ am Dienstag Folgendes adressiert – Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, zitiere ich –: „Bei einer Umstellung müssten trotzdem gewisse Taschengeldzahlungen geleistet werden. Der Aufwand wäre noch hö

her, wenn unterschieden werden müsste zwischen Menschen mit guter Bleibeperspektive und solchen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Asylanspruch hätten.“

Landsberg hat weiter formuliert: „Richtiger als eine Umstellung auf ausschließlich Sachleistungen wäre vielmehr, die Leistungen für Flüchtlinge europaweit anzugleichen“ – so, wie es Ministerpräsident Michael Kretschmer auch gefordert hat und wie wir es in dieser Kommission diskutieren wollen, und zwar europäisch auch im Sinne des Kaufkraftniveaus anzugleichen.

(Zuruf von der AfD)

Ferner hat Ihr Antrag aus meiner Sicht auf zumindest erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.

(Zuruf von der AfD: Oh!)

Das ist meines Erachtens ein unzulässiger Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, ein Verstoß gegen das Grundgesetz und auch gegen die Sächsische Verfassung. Sie verstoßen hier auch gegen – –

(Sebastian Wippel, AfD: … Pflicht- aufgabe nach Weisung von oben!)

Herr Wippel, hören Sie doch mal zu!

Kommunale Selbstverwaltung, Subsidiaritätsprinzip – auch hierzu ist in Ihrem Antrag ein Verstoß gegen den verwaltungsrechtlichen Grundsatz des Ermessens enthalten. Sie schreiben glasklar rein: Bundesgesetzgebung sieht Ermessensvorschriften vor. Sie wollen daraus Muss-Vorschriften machen – unzulässig, verfassungswidrig. Die Behörden entscheiden vor Ort im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens, wie sie das tun, und das ist heute schon möglich.

(Zuruf des Abg. Thomas Prantl, AfD)

Zum Thema Abschiebung möchte ich sagen: Im Freistaat unternehmen wir alle Maßnahmen, konsequent aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen. Wir haben im Freistaat Sachsen eine eigene sächsische Abschiebehafteinrichtung.

(Zuruf des Abg. Thomas Prantl, AfD)

Sie wissen genau, dass die Verhandlung von Rückführungsabkommen nicht dem Sächsischen Landtag oder der Sächsischen Staatsregierung obliegen, sondern ausschließlich in der Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes liegt. Da gibt es zwar mittlerweile einen Sonderbeauftragten, einen FDP-Politiker. Aber hierbei müssen wir mehr Druck machen, damit wir mit den Herkunftsstaaten zügig zu Rückführungsabkommen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in der Koalition einen Abschiebeleitfaden verabschiedet. Es war nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen; aber wir haben diesen auf den Weg gebracht.

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Zu suggerieren, dass Sachsen hier nichts tue, weise ich entschieden zurück.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme kurz zu Ihrem Antrag und würde jetzt auf Paragrafenketten aus dem Asylbewerberleistungsgesetz oder aus dem Asylgesetz verzichten. Aber ein paar wenige Anmerkungen: Man muss differenzieren zwischen Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Zum einen gibt es den notwendigen Bedarf. Das sind Leistungen, die sich um Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des notwendigen Haushaltsbedarfs drehen, und zum anderen geht es um Leistungen, die den notwendigen persönlichen Bedarf der entsprechenden Asylbewerber decken.

Für Aufnahmeeinrichtungen sieht das Gesetz bereits jetzt das Sachleistungsprinzip für den notwendigen Bedarf vor. Hinsichtlich des notwendigen persönlichen Bedarfs gilt dies im Grunde nach auch, sofern und soweit es mit einem normalen Verwaltungs- und Personalaufwand vertretbar ist. Also, es obliegt den Leistungsbehörden, hier nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

In Gemeinschaftsunterkünften gelten gesetzlich primär Geldleistungen, aber Sachleistungen können ebenfalls ausgereicht werden. Also auch hier wieder die klassische kommunale Selbstverwaltung; hier entscheiden die Leistungsbehörden selbst.

§ 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes sieht Ermessensregelungen vor. Sie fordern in Ihrem Antrag unter Punkt 2, daraus eine Muss-Vorschrift zu machen. Das ist ein klarer Verstoß gegen den Ermessensgrundsatz und unserer Ansicht nach auch verfassungswidrig.

Im dritten Punkt fordern Sie das Ausbringen von Prepaidkarten und Wertgutscheinen. Beide Systeme sind missbrauchsanfällig und ermöglichen auch das Gelangen an Bargeld.

(Jan-Oliver Zwerg und Roland Ulbrich, AfD, stehen am Mikrofon.)

Herr Unger, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde meinen Gedanken noch zu Ende führen, Frau Präsidentin, und die Zwischenfrage erst einmal nicht zulassen, Herr Zwerg.

Alles klar.

Ebenso muss man auch die Wirksamkeit betrachten, weil durch das reine Ausbringen von Sachleistungen ein Zweitmarkt oder Transfermarkt für Geld entsteht. Wenn Sie beispielsweise Supermarktgutscheine ausreichen, können davon Pfandflaschen gekauft werden, die dann auch in Geld umgemünzt werden, oder ich kaufe teure Rasierklingen und versuche, die auf dem Zweitmarkt auszubringen. Selbst das System ist missbrauchsanfällig.

(Zuruf von der AfD: Messer!)

Messer nicht. Ich wollte es nur adressieren. Rasierklingen als Beispiel sind sehr teuer im Supermarkt.

(Jan-Oliver Zwerg, AfD: Herr Unger, haben Sie das schon einmal gemacht?)

Ich habe das nicht gemacht. Ich möchte nur erklären, dass selbst reine Wertgutscheine keine Lösung sind.

(Timo Schreyer, AfD: Hören Sie dem Kollegen einmal zu!)

Aus der eigenen Fraktion. Herr Schreyer hat Anstand, vielen Dank. Da können sich Ihre Kollegen ein Beispiel nehmen.

Wir müssen das Problem an der Wurzel packen. Wir haben dazu gestern eine sehr intensive Debatte hier geführt. Wir brauchen – und dazu stehen wir als CDU-Fraktion, dazu steht auch Staatsminister Armin Schuster – eine massive Reduktion des Migrationsgeschehens.

Ich muss hier noch einmal deutlich sagen: Ich bin von Nancy Faeser massiv enttäuscht. Sie ist für mich die schlechteste Bundesinnenministerin aller Zeiten.

(Starker Beifall bei der CDU und der AfD – Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Die SPD hatte gute Innenminister, wenn ich an Otto Schily denke.

(Zurufe von der CDU, der AfD und der SPD)

Parteiübergreifend sagen Landräte, Bürgermeister, Oberbürgermeister, dass es so nicht weitergehen kann. Wir brauchen eine Reduzierung des Flüchtlingsgeschehens.

Ich möchte noch einmal die gestrige Debatte kurz aufnehmen, weil Sie, Herr Pallas, es auch gesagt haben: Wir brauchen hier im Freistaat Sachsen temporäre Grenzkontrollen nach dem Vorbild, wie sie an der bayrisch-österreichischen Grenze stattfinden.

(Albrecht Pallas, SPD: Das ist rechtswidrig!)

Das ist eben nicht rechtswidrig. Sie unterstellen Ihrer eigenen Bundesinnenministerin – Sie haben gestern von „Illegalität“ gesprochen – Rechtswidrigkeit.