Siebtens wollen wir die bestehenden Programme „Wir machen das!“ und „Spurwechsel“ so weiterentwickeln, dass sie wirksam werden. „Wirksam“ haben wir auch definiert, nämlich eine Verdoppelung der Arbeits- und Ausbildungsplätze in drei Jahren.
Wir wollen – achtens – das Vergaberecht, auch das ist angesprochen worden, ändern, nämlich die Vergabe an den Einsatz im inklusiven Arbeitsmarkt koppeln. Auch das ist ein Instrument, das man hier gut nutzen kann.
Wir wollen – neuntens – eine sächsische Vermittlungsstelle einrichten und eine landesweite inklusive Jobbörse entwickeln. Beides sind Schnittstellenaufgaben, die, glaube ich, sehr, sehr viel bewegen könnten.
Zehntens – noch ein sehr wichtiger Punkt – schlagen wir ein Modellprojekt vor, das wir „Wir können mehr!“ nennen wollen, angelehnt an „Wir machen das!“ „Wir können mehr! Empowerment am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen“ soll eine Peer-to-Peer-Beratung sein, um Menschen mit Behinderungen für den Arbeitsmarkt zu empowern.
Das ist unser Forderungsteil. Das sind die Schlussfolgerungen, die wir, wie gesagt, gemeinsam mit vielen Expertinnen und Experten erarbeitet haben. Es ist natürlich möglich, dass Sie zu anderen Schlussfolgerungen kommen und andere Maßnahmen vorschlagen würden. Trotzdem hätte ich schon gern gewusst, ob wir uns zumindest im Feststellungsteil einig sind. Wenn nicht, sollte hier noch einmal eine Verständigung darüber stattfinden; die wäre dann dringend notwendig.
Deswegen beantrage ich punktweise Abstimmung nach den römischen Zahlen und hätte dann gerne, falls auch der erste Teil abgelehnt wird, eine Begründung dafür. Aber ich empfehle natürlich die Zustimmung zu beiden Abschnitten unseres Entschließungsantrags für einen inklusiven Arbeitsmarkt und für eine inklusive Gesellschaft.
Der Entschließungsantrag ist eingebracht. Jetzt kommen wir zur Aussprache. Frau Kollegin Kliese, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsächlich ist das jetzt ein bisschen schwierig für uns, liebe Sarah Buddeberg, hier eine Regelung, die wir uns für die Zusammenarbeit als Koalition gegeben haben – wie wir mit Anträgen verfahren –, auf den Kopf zu stellen und jetzt gerade mal eben zu entscheiden, ob wir in einer punktweisen Abstimmung zustimmen oder nicht. Wir brauchen Zeit,
um als Koalition miteinander zu besprechen, ob unsere Partnerinnen und Partner das auch so sehen. Das ist jetzt
ein bisschen hopplahopp. Tut mir leid, ich bitte um Verständnis, dass wir das in diesem Verfahren, in der Schnelligkeit so nicht machen können.
Ich gehe doch davon aus, dass die Beiträge in der Debatte Ihnen gezeigt haben, dass wir sehr viele der Punkte, die in Ihrem Antrag stehen, sowie die Grundintentionen und auch das Menschenbild, von dem Sie ausgehen, im Grundsatz teilen können. Das steht und fällt meiner Ansicht nach jetzt nicht mit der Zustimmung zu dem einen oder anderen Punkt; das glaube ich nicht. Ich denke, dass wir Ihnen das in der Debatte so weit auch glaubwürdig vermittelt haben. Zumindest hoffe ich das.
Zum Thema Werkstätten für Menschen mit Behinderung und der Frage nach der Entlohnung: Das ist eine sehr komplizierte Frage, weil die Menschen, die Werkstätten für Menschen mit Behinderung besuchen, sehr unterschiedliche Gelder bekommen und weil oftmals der Eindruck entsteht, dass sie von diesem Geld irgendwie leben oder damit zurechtkommen müssten. Das ist ja nicht der Fall.
Die Realität ist, dass jemand eine Grundsicherung bekommt, einen Nachteilsausgleich bekommt, verschiedene Leistungen – und dieses Taschengeld eben noch dazu. Ja, das ist nicht sehr viel Geld, aber es ist zum Teil auch so, dass die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten und Menschen mit Behinderung unterstützen, am Ende sogar weniger Geld haben. Das heißt, wir müssen über das Gesamtgefüge sprechen.
Über dieses Gesamtgefüge wird gerade auf Bundesebene gesprochen, und das würde ich sehr gern abwarten. Ich weiß, dass DIE LINKE das nicht möchte. Aber das BMAS hat einen Forschungsauftrag herausgegeben, und ich glaube schon, dass solch eine sehr umfangreiche Studie doch ein bisschen mehr Datengrundlage bieten kann als das, was wir hier heute annehmen – bei allem Respekt vor dem, was es an Vorleistungen gegeben hat.
Die Studie trägt den schönen barrierefreien Titel – ich musste ihn mir aufschreiben –: „Studie zum transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem“. Darauf warten wir gerade. Sie liegt im BMAS vor, hat aber noch nicht das Licht des Parlaments erblickt. Wir freuen uns darauf, uns diese Studie anschauen zu können und uns dann mit den Ergebnissen auseinandersetzen zu dürfen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Gibt es doch noch Redebedarf zum Entschließungsantrag? – Frau Kollegin Petzold, bitte.
Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich komme auch gleich direkt zu den wesentlichen Punkten des Antrages. Ich habe mich gestern Abend
noch einmal mit einer Expertin aus der Praxis unterhalten, kann aber das, was Frau Kliese sagte, nicht speziell beantworten.
Zu Punkt 1, der Novellierung des Sächsischen Inklusionsgesetzes unter dem Aspekt der besonderen Berücksichtigung der Bereiche Bildung und Arbeit sowie der Einbeziehung von Städten und Gemeinden: Hier sind wir der Meinung, dass diese Aussagen noch ein wenig unkonkret sind. Was soll denn nun eigentlich geregelt werden? Aktuell liegt die Zuständigkeit für Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung bei den Jobcentern und der Arbeitsagentur. Es gibt bereits Projekte in Sachsen, die sich der Zielgruppe von Menschen mit seelischer Erkrankung sehr stark annehmen und diese in den Arbeitsmarkt integrieren wollen. Welche Vorschläge haben Sie, um die Städte und Gemeinden in die Aufgaben mit einzubinden? Bereits heute sind diese zusammen mit den Landkreisen zuständig für den Bereich Vorbildung, also für die ambulante Frühförderung, Integrationskita und Schulassistenz. Was genau sollen sie noch übernehmen? An dieser Stelle ist der Antrag leider wenig aussagekräftig.
Punkt 2, die Einführung eines Rechts auf inklusive Beschulung im Sächsischen Schulgesetz: Leider sagt der Entschließungsantrag nichts dazu aus, wie dieses Recht überhaupt realisierbar wäre. Bereits heute fehlt es in den Regelschulen massiv an Lehrern. Eine Inklusivbeschulung bedeutet einen außergewöhnlich hohen zusätzlichen Personalbedarf. Abgesehen davon dürfen wir die Bedeutung der Förderschulen nicht unterschätzen: Sie sind ein wichtiger Baustein im Bildungssystem und bieten Kindern mit Förderbedarf spezielle, auf sie ausgerichtete Strukturen sowie eine persönliche Begleitung. Das kann eine Regelschule nicht leisten. Bezüglich des Mankos mit den Abschlüssen, welches Sie vorhin anführten, müsste natürlich noch geklärt werden, wie man das verbessern könnte.
Punkt 3: Zu den Werkstätten hatte ich ja vorhin schon einiges gesagt. Tatsächlich bin ich mit Ihnen einer Meinung, dass wir darüber diskutieren sollten, ob die Werkstätten für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen die richtige Anlaufstelle sind. Aber die grundsätzliche Bedeutung der Werkstätten als Arbeitsstätten für Menschen, insbesondere mit Schwerstbehinderung, sollten wir nicht
Punkt 4: Sie möchten eine sächsische Vermittlungsstelle für Arbeit und Ausbildung von Menschen mit Behinderungen einrichten. Das halte ich durchaus für sinnvoll: Eine dezentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen, bei der sich alles bündelt, die Kontakte zu Arbeitgebern herstellt, –
– die Ansprechpartner sowohl in den Werkstätten als auch in den Förderschulen stellt. Damit könnte das Ziel der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung vorangebracht werden.
Ich sehe keinen weiteren Gesprächsbedarf zum Entschließungsantrag. Dann können wir jetzt über den Entschließungsantrag abstimmen. Wir stimmen über den
Entschließungsantrag ab, und zwar getrennt nach den römischen Ziffern I und II. Zunächst frage ich: Wer dem Entschließungsantrag mit der Ziffer I seine Zustimmung erteilt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Vielen Dank. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei einigen Stimmen dafür und einigen Stimmenthaltungen, aber einer Mehrheit an Gegenstimmen ist Ziffer I somit nicht entsprochen.
Wir kommen jetzt zu Ziffer II. Wer Ziffer II die Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei einigen Stimmen dafür, einigen Stimmenthaltungen und trotzdem einer Mehrheit an Gegenstimmen ist auch Ziffer I nicht entsprochen.
Jetzt meine Frage: Sollen wir über den Antrag noch einmal in Gänze abstimmen? – Das ist nicht der Fall. Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt abgeschlossen und die Behandlung der Großen Anfrage beendet.
Auch zu diesem Thema unterstützen uns die Gebärdensprachdolmetscher und Gebärdensprachdolmetscherinnen – es ist wunderbar, dass Sie da sind.
Das Präsidium hat eine Redezeit von 10 Minuten für jede Fraktion und für die Staatsregierung festgelegt. Wir agieren in der gewohnten Reihenfolge.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist gut, dass wir über den vorliegenden Zweiten Sozialbericht hier im Plenum diskutieren, weil er doch eine ganze Reihe wichtiger Hinweise für die Gestaltungsaufgaben der Zukunft gibt und weil er vor allen Dingen eines tut, was uns, glaube ich, bei der Bearbeitung der sozialen Herausforderungen der nächsten Jahre sehr hilft – denn er geht wirklich gemeindescharf an verschiedene Aspekte der sozialen Lebenslagen der Menschen im Freistaat Sachsen heran. Ich glaube, der wichtigste Befund, der sich in diesem Sozialbericht findet, ist, dass es den vermeintlich abgehängten oder den vermeintlich strukturschwachen ländlichen Raum nicht gibt. Der Bericht macht sehr deutlich, dass die Problemlagen und die Herausforderungen, aber auch die Stärken des Freistaates Sachsen doch vergleichsweise gleich verteilt sind.
Bevor ich zu den Herausforderungen komme, möchte ich einige positive Aspekte dieses Sozialberichts herausgreifen, die zeigen, dass wir durchaus Grund zu Optimismus haben, die Zukunft im Freistaat Sachsen gut zu gestalten. Zum Beispiel haben wir in den letzten Jahren wieder ein Anwachsen der Bevölkerung zwischen null und 18 Jahren zu verzeichnen, was mir doch zeigt, dass wir gute Lebensperspektiven für die junge Generation im Freistaat Sachsen haben und dass das, was wir in den vergangenen Jahrzehnten häufig als große Schwierigkeit betrachtet hatten – nämlich eine Abwanderung junger Menschen –, in Teilen gestoppt werden konnte.