Protocol of the Session on June 1, 2023

Mich haben Sie gefragt, selber schuld, dann sage ich Ihnen, was ich denke.

(Beifall bei der CDU)

Nun Kollegin Friedel, SPD-Fraktion, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Ich habe gerade den Eindruck gewonnen, dass es vor allem und allein die Energiepreise sind, die bei solchen Ansiedlungsentscheidungen das A und O sind. Zumindest von der Ansiedlungsentscheidung von Intel in Sachsen-Anhalt haben wir den Eindruck gewonnen, dass auch die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien ein ganz wesentlicher Punkt für diese Entscheidung gewesen ist und auch künftig für den Industriestandort Sachsen sein wird. Nun sind wir da nicht Spitzenreiter. Wie können wir dem Nachholbedarf, den wir haben, tatsächlich gerecht werden?

Alle Unternehmen, die sich neu ansiedeln, und auch die bestehenden verlangen nach CO2-freien Stromquellen, und das ist auch richtig so. Das ist der Weg, auf den wir uns gemeinsam gemacht haben, und er ist am Ende marktwirtschaftlich.

Ich denke, die Entscheidung von Intel für Magdeburg ist zentral mit der Frage der Flächenverfügbarkeit zu begründen. Das zeigt auch, welche Herausforderungen wir hier haben. Sie kennen die Diskussion um die Verfügbarmachung von Industriegebieten. Wir sind mit der Gemeinde Wiedemar in der Nähe von Leipzig in einem intensiven Gespräch und ich hoffe es gelingt uns, diese Fläche verfügbar zu machen. Es ist die einzige Fläche, die diese Größenordnung hat und logistisch günstig gelegen ist. Es wäre eine Vorsorge für die nächsten Generationen. Ich möchte das auf Augenhöhe mit der Gemeinde, mit den Menschen vor Ort tun, dass wir nur Entscheidungen treffen, die wir gemeinsam richtig finden. Doch ich glaube, es wäre für uns alle gut, wenn wir diese Fläche von circa 400 Hektar hätten. Dann wäre die Entscheidung mit großer Sicherheit für Sachsen gefallen, weil das Ökosystem für die Mikroelektronik hier ist.

Wir sehen bei den Unternehmen, die sich jetzt für Ansiedlungen in Sachsen interessieren, dass sie genau diese Frage stellen. Und deswegen müssen wir die erneuerbaren Energien ausbauen. Ich habe von dem Schulterschluss mit der kommunalen Familie gesprochen. Ich wünsche mir sehr, dass wir eine viel größere Zahl von Bürgerenergiegenossenschaften gründen können, damit die Menschen vor Ort Beteiligte dieses Prozesses sind und auch davon profitieren.

Und wir brauchen einen intensiven Dialog mit der Bundesregierung, was den Bau von Netzen und die Frage der Kosten angeht. Übrigens noch einmal zum Thema Industriestrompreis: Der Ausbau der Netzinfrastruktur, die notwendig ist, um die Energieversorgung Deutschlands von wenigen zentralen Großkraftwerken hin zu unzähligen dezentralen Kleinstanlagen zu verlagern, benötigt auch einen dreistelligen Milliardenbetrag. Hier ist die Frage zu beantworten, ob das alles in den kommenden Jahren auf den Strompreis umgelegt wird und wir damit auch hier diese Kosten haben oder ob der Bundesrepublik Deutschland etwas Intelligenteres einfällt.

Ob diese Infrastruktur für die kommenden Jahrzehnte und Generationen ein wichtiger Punkt des Wohlstands ist, möglicherweise auch genutzt werden kann, um damit für zukünftigen Generationen Einkommen zu generieren oder ein Umlagesystem zu organisieren, das sind Fragen, über die wir offen und ehrlich miteinander reden müssen. Weil es am Ende um CO2-freie Energie und Verlässlichkeit geht, aber eben auch zu vernünftigen Kosten. Es ist dieses energiepolitische Dreieck aus Ökonomie, Ökologie und der sozialen Frage, die am Ende entscheidet, ob dieser Standort attraktiv ist und ob die Energiewende funktionieren kann.

Vielen Dank. Damit hätten wir die erste Fragerunde absolviert. Wir gehen

in die zweite Runde. Kollege Hippold, CDU-Fraktion, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich würde gerne zum Thema Digitalisierung übergehen. Das ist derzeit in aller Munde. Über die Frage hinaus, wie Industrie und Wirtschaft sich digitalisieren, stellt sich auch die Frage der Digitalisierung der Verwaltung. Da wäre für mich besonders interessant, wie Sie einschätzen, insbesondere mit Blick darauf, dass das Problem der fehlenden Fachkräfte auch an der staatlichen Verwaltung nicht vorübergehen wird, dass das Thema Digitalisierung bei Genehmigungsprozessen und sonstigen Beantragungen

zukünftig eine stärkere Rolle spielen könnte?

Es war in Sachsen immer so, dass unsere Verwaltung ein Standortvorteil war. Man hat in Gesprächen mit Investoren so manche Geschichte aus anderen Bundesländern oder

Stadtstaaten gehört, wo man das Gefühl hatte, da ist die Verwaltung ein Standortnachteil. Ich habe das immer als Vorteil empfunden und habe in diesen Frauen und Männern, die für den Freistaat Sachsen, für die Behörden, aber auch für die kommunale Ebene arbeiten, Leistungsträger und Verbündete gesehen, die zum Gelingen des Ganzen beitragen, im Kleinen wie im Großen. Wenn wir an die großen Herausforderungen wie die Pandemie denken, dann sieht man, welche Leistungsbereitschaft vorhanden ist. Wir erleben es bei jeder Großansiedlung, dass über die eigentliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet wird und die Kolleginnen und Kollegen sich die Interessen dieses Landes so sehr auch zu ihren eigenen machen, um am Ende dafür zu sorgen, dass die Dinge gelingen.

Das muss auch in der Zukunft so sein. Wenn wir wissen, dass wir nicht genügend Personal finden werden, weil die demografische Entwicklung eine Realität ist und weil wir mit der Wirtschaft im Gespräch sind, wie viel Personal die öffentliche Hand im Freistaat Sachsen haben muss, um wirtschaftliche Prozesse in Handwerk, in Dienstleistungen und in der Industrie nicht zu bremsen, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als mit ganzer Kraft in die Digitalisierung zu investieren.

Das tun wir. Wir haben als Staatsregierung einen eigenen CIO, einen Staatssekretär im Kabinettsrang, der diese Aufgabe hat und der auch in den anderen Bundesländern ein großes Vertrauen genießt. Wir sind dabei, Prozesse zu optimieren, wir stellen aber immer wieder fest – wie unlängst bei dem KI-Kongress, den wir in Sachsen durchgeführt haben –, dass es grundlegende Fragen, auch des Datenschutzes, sind, die wir miteinander diskutieren müssen.

Gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen haben wir jetzt eine Expertenkommission auf den Weg gebracht, die die Frage beantworten soll, wie ein föderales Land, wie die Bundesrepublik Deutschland Digitalisierung organisieren kann, wenn doch viele Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen verteilt sind, anders als es bei einem Zentralstaat oder bei einem kleineren Staat in Europa der Fall ist. Diese Ergebnisse werden sehr spannend sein und brauchen dann die

Umsetzung, weil wir als Bundesrepublik Deutschland deutlich hinter unseren Möglichkeiten sind.

Wenn man die riesigen Aktenordner sieht, diese meterlangen Wände, die eingereicht werden, um ein Industrievorhaben, eine Straße oder ein anderes Bauprojekt zu realisieren, dann muss uns allen klar sein, das ist nicht die Zukunft. Hier müssen wir ran. Das wollen wir. Es braucht Geld. Es braucht den Willen. Es braucht in den Kommunen die Zusammenarbeit vieler Ebenen übereinander. Auch das unterstützen wir mit ganzer Kraft. Ich denke, dass wir in den letzten Monaten viel erreicht haben, auch viel Verständnis. Diesen Weg müssen wir weitergehen.

Nun die AfD-Fraktion, Kollege Schreyer; bitte schön.

Recht schönen Dank, Herr Ministerpräsident, für Ihre Ausführungen zur Digitalisierung. Nachdem zahlreiche Fördermittelzusagen an die Mikroelektronik und die Großindustrie gemacht wurden, möchte ich fragen, ob der Mittelstand und die Kleinbetriebe in Sachsen jetzt noch ausreichend gefördert werden können. Welche Möglichkeiten kann der Freistaat noch ausschöpfen, um auch die kleineren Betriebe zu fördern?

(Staatsminister Martin Dulig: Machen wir!)

Mein Leitbild war nie – wenn ich das sagen darf –, eine besonders ausgeklügelte Förderlandschaft mit möglichst viel Geld zu haben, sondern an den Stellen einzugreifen, wo es wirklich notwendig ist.

(Beifall des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Das bedeutet als Staat aus meiner Sicht vor allen Dingen, in Bildung, Innovationen und Technologie zu investieren. Die Erfahrungen hier – deswegen haben wir das jetzt beim Strukturwandel genauso angewandt – sind: Wenn man in diese hoch spezialisierten Technologien, in dieses Neuland geht, wird am Ende auch Neues dabei entstehen, wenn man zehn bis 15 Jahre Zeit hat. Das ist die Erfahrung, die wir hier in Sachsen gemacht haben.

Man muss sich anschließend genau anschauen, welche Punkte es sind, die wirtschaftlich noch nicht funktionieren können, weil entweder die Technologie neu ist oder, zum Beispiel im Bereich der Mikroelektronik, die Konkurrenz von anderen Regionen zu stark ist und vielleicht der Wettbewerb auch nicht fair. Wir können annehmen, dass das, was wir vor allem in Asien an Subventionen im Marktumfeld haben, nicht alles mit dem Prinzip von Fairness verbunden ist oder erklärt werden kann. Deswegen haben wir in Sachsen gegenüber der Bundesregierung, auch gegenüber der Kommission, gesagt: Mikroelektronik ist so ein zentraler Punkt, wenn man resilient sein will und wenn man auch entscheiden will. Diese Technologie muss es hier geben. Wir sind froh darüber, dass wir am Ende eine Bewusstseinsveränderung erreicht haben, sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Es geht um den Ausgleich von Standortnachteilen.

Wenn Sie die Reden, die ich vor Kurzem gehalten habe, noch einmal Revue passieren lassen, dann will ich deutlich sagen: Es geht natürlich nicht darum, alles finanziell auszugleichen, was wir hier tun, sondern wir müssen im gleichen Maße darüber nachdenken, ob wir nicht das Marktumfeld mit unseren politischen Entscheidungen verschlechtern, was nicht sein müsste, beispielsweise bei der Verfügbarkeit von Energie oder jetzt bei der Frage der Wasserstoffpipelines in Ostdeutschland. Sachsen muss angeschlossen werden an das nationale Wasserstoffnetz, damit wir vorankommen können. Wenn wir das haben, dann werden wir am Ende eine Pyramide haben mit einer starken, leistungsfähigen Industrie, die für Dienstleistungen und für das Handwerk als Auftraggeber zur Verfügung steht. Dann kann die Förderung in diesem Bereich reduziert werden.

Ich bin dankbar, dass die Fraktionen die kleine GA organisiert haben, sodass wir die Möglichkeit haben, auch den Mittelstand zu fördern. Das ist dann auch notwendig – aber nicht als Form von Unternehmersozialpolitik, sondern als Ausgleich und als Anreiz für ein Umfeld, wo es das braucht.

Die nächste Fraktion ist DIE LINKE. Herr Kollege Schultze, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Gerade die Kommunen sind in Sachsen ja ein großer Auftraggeber, aber auch für freiwillige Aufgaben im Bereich Soziales, Jugendkultur usw. zuständig. An Sie als Ministerpräsident bzw. als der Allzuständige in dieser Regierung ist meine Frage: Welche Maßnahmen beabsichtigen Sie, um die finanzielle Situation der Landkreise und Gemeinden nachhaltig zu verbessern und die kommunale Selbstverwaltung wiederherzustellen?

Ich möchte in diesem Zusammenhang an die letzten Schreiben von Landräten und Bürgermeistern erinnern oder an die Situation in Ihrem Heimatkreis, wo eine Kommune wie Oybin gerade überlegt, ob sie ihren Haushalt hinbekommt, ob sie eine wichtige Feuerwehr kaufen kann oder Ähnliches, wo also die kommunale Selbstverwaltung tatsächlich nicht mehr vorhanden ist. Deshalb meine Frage: Wie beabsichtigen Sie, diese Selbstverwaltung wiederherzustellen?

Das setzt voraus, dass man sich einmal kurz mit den Ursachen für diese Entwicklung beschäftigt. Ich habe bis jetzt keinen Widerspruch bekommen – weder auf der kommunalen Ebene noch auf der Landesebene; auch nicht im Kreise der Ministerpräsidenten –, wenn man die Analyse vorträgt, dass die Standarderhöhung in Bundesgesetzen dazu geführt hat, dass jetzt auf der kommunalen Ebene enorme Kostensteigerungen, vor allen Dingen im Sozialbereich, auftreten. Die Gesetze, die beschlossen worden sind – sei es im Bereich der Eingliederungshilfe, im Bereich des Wohngelds oder bei anderen Themen –, sind nicht auskömmlich finanziert. Dadurch treten diese Probleme auf.

Das, was wir hier im Freistaat Sachsen haben, das Konnexitätsprinzip, dass Landesgesetze, die zu Standarderhöhungen führen, auf der kommunalen Ebene finanziell ausgeglichen werden, diese auch eingeklagt und überprüft werden können vonseiten der kommunalen Ebene, das haben wir im Verhältnis von Land zu Bund derzeit nicht. Das braucht es aus meiner Sicht. Dafür braucht es eine Diskussion. Dafür müsste auch das Grundgesetz geändert werden und ein solcher Paragraf oder ein solcher Artikel eingeführt werden; das würde dann die Situation grundlegend ändern. Das, was wir immer wieder erlebt haben, ist, dass politische Entscheidungen getroffen werden, wo politische Zahlen genannt werden, was gewisse Gesetzesänderungen bedeuten, und sich am Ende aber herausstellt, dass das nicht der Fall ist.

Nachhaltig muss es also darum gehen, eine höhere Beteiligung an diesen Kosten durch den Bund zu erzeugen. Es ist doch vollkommen klar und nach unserer Verfassungslage gar nicht anders möglich – es ist die Ebene, die die Steuererhebungskompetenz hat –, dass die Ebene, auf der die Kosten auflaufen, weil dort die Kompetenz und die Zuständigkeit liegt, am Ende auch die finanziellen Mittel zur Verfügung haben muss. Das müssen wir erreichen.

Parallel dazu sind wir kurzfristig mit den Kommunen derzeit in einem guten Gespräch und werden das auch in kurzer Zeit abschließen. Wir werden, wie wir es versprochen haben, finanziell helfen für das laufende und das kommende Jahr. Wir werden uns intensiv miteinander besprechen, wie groß die Lasten sind, auch die, die in den kommenden Jahren entstehen, und werden im nächsten Doppelhaushalt und im nächsten FAG die Entscheidungen treffen müssen, damit wir auf mittelfristige Sicht nicht mehr in diese Situation kommen.

Ich möchte eines aber auch ganz deutlich sagen: Jeder von Ihnen kennt den sächsischen Staatshaushalt. Wenn dieses Geld allein vonseiten des Landes der kommunalen Ebene zur Verfügung gestellt werden muss und es uns nicht gelingt, gemeinsam mit anderen Bundesländern den Bund in die Verantwortung zu nehmen für Dinge, die er als Bundesgesetz beschlossen hat, dann wird es sehr schwierig, weil man Geld bekanntlich nur einmal ausgeben kann.

Jetzt folgt Frau Kollegin Čagalj Sejdi für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE.

Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE: Herr Ministerpräsident, meine Frage geht in eine etwas andere Richtung. Sie haben sich kürzlich in der Öffentlichkeit geäußert und Kürzungen der Asylbewerberleistungen gefordert. Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen Oktober geurteilt, dass Kürzungen der Asylbewerberleistungen um mehr als 10 % verfassungswidrig sind und hat in seinem Urteil auch festgehalten, dass vor allem migrationspolitische Erwägungen, die mögliche Anreize zu Wanderungsbewegungen vermeiden sollen, eine Kürzung unter das Existenzminimum nicht rechtfertigen. Mich interessiert, wie Sie Ihre Aussage vor diesem Hintergrund – der Verfassungswidrigkeit – rechtfertigen?

Ich glaube, dass Sie mich nicht vollständig zitiert haben. Ich möchte es daher noch einmal in der Breite formulieren, wie ich es auch in Interviews immer wieder gesagt habe: Wir sind in einer Situation, in der über eine Million Menschen aus der Ukraine bei uns Schutz gesucht und Unterkunft sowie Aufnahme gefunden haben. Das ist etwas, was wir zutiefst wollten, und die Solidarität in diesem Land trägt diese politischen Entscheidungen mit. Das bedeutet aber, dass im Bereich der Deutsch- und Integrationskurse sowie der Möglichkeiten, schulische Angebote zu machen, beispielsweise in DaZ-Klassen, oder schon allein der verfügbare Wohnraum deutlich begrenzter vorhanden sind, als wenn wir diese Aufgabe nicht gehabt hätten. Die zusätzliche Migration, die in diesem Jahr bereits über 100 000 Menschen nach Deutschland gebracht hat, zeigt, dass wir an die Grenzen dessen angekommen sind, was noch machbar ist, um Integration zu leisten, eine gute Unterkunft zu geben usw.

Parallel dazu sehen wir, dass es uns nur unzulänglich bzw. ungenügend gelingt, diejenigen, die nach Rechtsprechung keinen Anspruch auf Asyl haben, wieder zurück in ihre Heimatländer zu bringen. Deswegen muss an dieser Stelle daran gearbeitet werden. Ich will Ihnen sagen, dass es einstimmige Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz zu diesem Thema gibt, dass es große Veranstaltungen mit Bürgermeistern gibt, die über Partei- und Ländergrenzen hinweg sehr deutlich einfordern, dass es hier zu einer Regelung im Bereich der Migration kommt, und dass wir uns deswegen dieser Aufgabe stellen müssen. Ich möchte noch einmal betonen: Das ist ein schwieriges Thema.

Es geht aus Sicht der deutschen Länder darum, den Bund zu unterstützen, gemeinsam diese Last zu tragen und dabei auch parteipolitische Differenzen ein Stück weit beiseitezuschieben. Deswegen ist mein Vorschlag, nicht ein politisches Kampffeld einzunehmen, in dem der eine gewinnt und der andere verliert, sondern in großer Ruhe darüber zu sprechen, was Deutschland leisten kann. Wir waren uns im Jahr 2015 und danach darüber einig, dass eine Größenordnung von ungefähr 200 000 Menschen das ist, was wir leisten können. Ich glaube, dass das niemand ernsthaft in Frage stellt. Wenn wir allerdings die Zahlen von heute und diesem ersten Vierteljahr 2023 zählen, dann kommen wir nicht bei 200 000, sondern bei ungefähr 400 000 bis 500 000 Menschen an – und das in diesem Umfeld, in dem Bürgermeister, Landräte und die kommunalen Spitzenverbände einfordern, dass etwas passiert.

Daher war dieser Vorschlag von mir eine Möglichkeit, damit es in Ruhe diskutiert werden kann. Ich möchte dazusagen, dass ich nicht als Erster ans Grundgesetz denke; aber ich halte es nicht für unmöglich, das Grundgesetz zu ändern, wie wir in den 1990er-Jahren gesehen haben. Damals hat diese Veränderung eine Wirkung erzeugt, und so könnte es hier auch geschehen.

Aber es gibt eine große Liste von Vorschlägen. Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem. Es gibt eine Haltung der Weigerung, sich mit diesem

Thema zu beschäftigen, und das halte ich nicht für sachgerecht.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste ist die SPD-Fraktion an der Reihe. Kollegin Friedel, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte zum Thema Kommunalfinanzen zurückkommen. Der Presse hatte ich entnommen, dass es dazu in den letzten Tagen viel Unruhe gab und die Verhandlungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Finanzministerium gescheitert sind.

Aus der Antwort auf Herrn Schultze habe ich jetzt hoffungsvoll erfahren: Es wird weiter gesprochen. Könnten Sie noch einmal ganz kurz die nächsten Schritte skizzieren und vielleicht auch bei mir für Aufklärung sorgen, ob es um kurzfristige Lösungen oder um Lösungen ab dem nächsten Doppelhaushalt geht?

Nein, wir brauchen eine kurzfristige Lösung, und ich denke, wir sind uns in der Koalition dazu auch einig. Wir alle sehen die Situation: Wir haben einen Kommunalgipfel gehabt, bei dem auch die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen anwesend waren. Wir alle miteinander, ich denke, auch über Parteigrenzen hinweg, sind auf der kommunalen Ebene gut vernetzt. Wir sehen diese Notwendigkeit.

Mir ist es wichtig, immer zu fragen, woher das Problem kommt. Ich will deutlich sagen: Wenn es Leistungsgesetze gewesen wären, die der Freistaat Sachsen beschlossen hat, sind wir in einer ganz anderen Situation, das tun zu müssen. Wir haben hier ein Konnexitätsprinzip, wir haben kommunizierende Röhren zwischen der kommunalen Finanzebene und der Landesebene. Aber dieses Problem ist durch bundesgesetzliche Regelungen entstanden. Auch hier haben wir derzeit nicht die Situation, dass wir dabei zu Veränderungen kommen. Deswegen brauchen wir das, was ich gesagt habe, an Nachhaltigkeit bis hin zu der Diskussion, ob es die Möglichkeit gibt, ein Konnexitätsprinzip Bund und Länder einzuführen, das auch justiziabel ist. Wir müssen kurzfristig helfen, damit die wichtigen Aufgaben, die die Kommunen für Wirtschaftsförderung, für den Sozialbereich, für das lebendige Leben der Gesellschaft haben, geleistet werden können.