Protocol of the Session on April 26, 2023

wäre doch mal ein Beitrag, damit sich der Globale Süden seine Zukunft selbst gestalten kann.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD – Marko Schiemann, CDU, steht am Mikrofon.)

Frau Kollegin Mertsching sprach für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt sehe ich eine Wortmeldung. Sehr verehrter Herr Kollege Schiemann, was ist Ihr Begehr?

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte eine Kurzintervention vortragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entwicklungspolitik hat im 1. Sächsischen Landtag nach der friedlichen Revolution eine ganz bedeutende Rolle gespielt. Unser Kollege Martin Clemens von der Herrnhuter Brüdergemeine hatte folgenden Vorschlag gemacht: Wenn wir uns im Freistaat Sachsen entwickeln und Wohlstand erarbeiten können, dann müssen wir auch etwas abgeben. Er regte an, jeder Sachse solle eine D-Mark für die Entwicklung in Afrika geben, damit Brunnen für sauberes Wasser gebaut und Initiativen zu Berufsausbildung unterstützt werden können. Diese Initiative ist dann weitergeführt worden, aber der Beginn war im Ersten Sächsischen Landtag auf Initiative von Martin Clemens.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Wo ist der Bezug zu Frau Mertsching?)

Der Bezug ist, dass Frau Kollegin Mertsching von 2015 gesprochen hat, aber der Beginn war im Ersten Sächsischen Landtag. Danach ist die Initiative von unserem Kollegen Gerlach von der SPD-Fraktion weitergeführt worden, der sich vehement dafür eingesetzt hat, diesen Weg weiterzugehen und die Entwicklungspolitik – auch der Initiativen – zu unterstützen. Wir haben diese Initiative von Kollegen Gerlach aufgegriffen und das in der ersten Koalition mit der SPD weitergeführt. Natürlich ist es jetzt spürbarer geworden, Herr Präsident, aber ich glaube, dass wir damals einen guten Start gemacht haben in diesem Land.

(Lachen des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Da können Sie lachen, aber Sie sollten nicht die Menschen auslachen, die sich engagiert haben, die die Initiativen auf den Weg gebracht haben.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nein, Herr Schiemann, wir hören Ihnen zu!)

Ich wollte das zur geschichtlichen Klarstellung noch einmal darlegen. Wir wollten von Anfang an, dass jeder Sachse einen minimalen Beitrag leistet – wir sind jetzt noch weit von dieser einen D-Mark entfernt –,

Die Redezeit.

damit sich Menschen in Afrika menschenwürdig entwickeln können, damit sie eben nicht auf Wanderschaft gehen müssen und in ihren Heimatländern verbleiben können.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei der CDU – Antonia Mertsching, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Schiemann. Sie bezog sich ausdrücklich auf den vorangegangenen Redebeitrag von Frau Kollegin Mertsching. Er stellte gerade die unentwegte Kontinuität von Entwicklungspolitik über die Legislaturperiode hinaus dar. Bitte, Frau Kollegin Mertsching, Sie reagieren jetzt.

Herr Schiemann, vielen Dank für die historische Einordnung. Das mag alles stimmen. Ich habe nur gesagt, dass es seit 2015 eine entscheidende Wandlung gegeben hat, weil ich noch weiß, wie wir als Entwicklungspolitisches Netzwerk vorher an verschlossene Türen geklopft haben, was unsere Arbeit anbetraf.

Da Sie diese eine Mark für Entwicklungspolitik angesprochen haben: Ich freue mich auf den nächsten Haushaltsantrag der CDU-Fraktion, der das übernimmt. Wir machen dann die Hälfte daraus, also 2 Millionen Euro für entwicklungspolitische Arbeit des Freistaates Sachsen. Das entspricht umgerechnet dem, was damals angedacht war. Das wäre eine Verdoppelung der entwicklungspolitischen Ausgaben. Unsere Zustimmung werden Sie haben.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war eine Kurzintervention und Reaktion. Wir kommen jetzt zur Fraktion BÜNDNISGRÜNE. Frau Kollegin Čagalj Sejdi ergreift das Wort für ihre Fraktion.

Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsens Beitrag für den Globalen Süden – ich finde das ist ein schönes und wichtiges Thema, mit dem wir heute die Plenarsitzung begonnen haben. Wie wir es auch schon in der Regierungserklärung gehört haben, ist es eben kein Thema, das nur den Globalen Süden betrifft, sondern ein Thema, das uns alle betrifft. Das, was im Globalen Süden passiert, betrifft uns auch hier in Sachsen unmittelbar, und das haben die vorangegangen Redebeiträge auch schon sehr deutlich gemacht.

Das bedeutet, dass wir die Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden und die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und Lateinamerika stärken müssen. Es ermöglicht nicht nur ein besseres Leben in den genannten Kontinenten und Ländern, nein, es ermöglicht uns allen ein besseres Leben. Es ermöglicht uns vor allem, in Sachsen unser Image als weltoffener Freistaat zu stärken. Doch als ich den Beitrag der AfD-Fraktion hörte, habe ich wieder etwas daran

gezweifelt. Ich denke, es ist ein guter Effekt, den wir immer noch brauchen.

(Beifall den BÜNDNISGRÜNEN und der SPD)

Die Entwicklungszusammenarbeit ist von großer Bedeutung, vor allem, wenn es darum geht, das Leben in ärmeren Ländern zu verbessern. Dabei ist es ganz wichtig, dass wir darauf achten, dass Partnerschaften nicht nur Eintagsfliegen sind, dass Projekte nach einer gewissen Zeit nicht einfach nur verschwinden – nein, es ist wichtig, dass sie eine gewisse Nachhaltigkeit haben. Es ist sehr wichtig, dass wir immer und überall auf Augenhöhe mit unseren Partnern handeln und zusammenarbeiten.

Der wichtigste Punkt in der Entwicklungszusammenarbeit ist jedoch die Bekämpfung des Klimawandels, denn er spielt eine sehr entscheidende Rolle in der Entwicklungspolitik. Der Klimawandel ist heutzutage einer der stärksten Gründe für Flucht und Vertreibung. Afrika ist vom menschengemachten Klimawandel überdurchschnittlich stark betroffen. Es gibt Erderwärmung, Hitzewellen, Dürrezeiten, Überschwemmungen oder Erdrutsche, es ist auch der Kampf um fruchtbares Land, der die Menschen in Afrika nicht mehr dort leben lässt, wo sie eigentlich gelebt haben, und der sie dazu zwingt, eine neue Heimat zu suchen.

Das zeigen auch die Zahlen, wenn wir sie uns genau ansehen. Laut UNICEF sind 278 Millionen Menschen in Afrika von Hunger bedroht. 7 Millionen Menschen waren im Jahr 2021 auf der Flucht, und 25 Millionen Menschen waren Binnenvertriebene in Afrika.

Von Auswirkungen dieses Klimawandels und dieser Veränderungen sind vor allem die extrem armen Menschen betroffen. Wenn wir nichts tun, dann wissen wir, dass im Jahr 2030 118 Millionen extrem arme Menschen nicht mehr leben können, dass 118 Millionen Menschen Opfer von Dürre, von Überschwemmung, von Klimawandel werden. Klimawandel bekämpfen bedeutet also, Fluchtursachen bekämpfen. Wer heute Panik und Angst vor Flüchtenden schürt und schreit, dass wir Grenzen schließen müssen, der muss sich auch im Klaren darüber sein, dass die Fluchtursachenbekämpfung nicht an der Grenze zur EU beginnt, nein, sie beginnt beim Kampf gegen den Klimawandel.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN und den LINKEN)

Daher ist es von großer Bedeutung, dass wir in der Entwicklungszusammenarbeit Klimapartnerschaften eingehen. Nur gemeinsam können wir Lösungen und einen Umgang mit den Folgen des Klimawandels finden. Diese Partnerschaften müssen dabei aber auch sicherstellen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels gleichzeitig zur Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung beitragen und dass sie so langfristige Erfolge erzielen.

Daher befürworte ich es sehr, dass wir als Sachsen Partnerschaften eingehen. Ich bin sehr froh, dass wir eine Partnerschaft mit Uganda eingegangen sind. Wir haben es schon

gehört: Der Freistaat wird die Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen fördern: in den Bereichen der Bildung, der Wissenschaft, der Schulen, der Kommunalpolitik.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE: Bitte.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Sie haben jetzt mehrfach über den Klimawandel gesprochen. Wenn wir im Bereich Afrika sind, habe ich einfach mal eine Frage: Ihnen dürfte sicherlich nicht entgangen sein, dass der Rohstoff Kobalt sehr wichtig für die von Ihnen angestrebte Energiewende ist. Wie stehen Sie zu 40 000 Kindern, die diese Rohstoffe im Süden vom Kongo abbauen müssen? Wie ist Ihre Meinung zu dieser Thematik?

Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE: Ich glaube, wenn Sie mir bis jetzt sehr gut zugehört haben, dann können Sie meine Meinung heraushören, dass ich Kinderarbeit bestimmt nicht gut finde, wie wahrscheinlich alle anderen Menschen in diesem Saal. Genau deshalb ist es sehr wichtig, dass wir dagegen und auch gegen den Klimawandel ankämpfen.

(Beifall bei den BÜNDNISGRÜNEN)

Ja, wunderbar.

(Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE, und Marco Böhme, DIE LINKE)

Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE: Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zurückkommen; und zwar geht es darum, dass wir nicht nur Partnerschaften schließen müssen – was sehr gut ist –, sondern dass wir auch bereit sein müssen – das sind wir auch –, im Akutfall bei Katastrophen zu helfen, wie es zum Beispiel beim Erdbeben in Syrien war oder bei anderen Katastrophen im Globalen Süden sein kann. Auch das ist Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich selbstverständlich auch in anderen Bereichen. Entwicklungszusammenarbeit muss vor allem eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft fördern. Sie muss vor allem fördern, dass wir zusammenarbeiten; und hierzu gehört auch das Lieferkettengesetz.

Das ist eine Verantwortung, die wir gemeinsam übernehmen können. Das ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam mit den europäischen Ländern übernehmen können, eine Verantwortung, die sicherstellt, dass Unternehmen wissen, wo ihre Waren herkommen und dass Unternehmen, die Waren aus Gegenden bzw. aus Ländern beziehen, wo Kinderarbeit stattfindet oder Umweltverschmutzung in diesem Zusammenhang stattfindet und wo keine fairen Löhne gezahlt werden, in Verantwortung gezogen werden können.

Es ist auch klar, dass es hier nicht darum geht, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes auf irgendeine Art und Weise zu umschiffen. Es soll auch nicht darum gehen – was

vielleicht viele Unternehmen in Sachsen befürchten, wie man es gerade den Medien entnehmen kann –, schwierige Regelungen zu schaffen und dass Großunternehmen die Verantwortung an Kleine abgeben – nein. Es muss darum gehen, dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen und Folgendes wissen: Wo kommen unsere Waren her? Wo kommt unser Kaffee her? Wo kommt unsere Schokolade her? Wo kommen die Dinge her, die wir tagtäglich nutzen? Die Unternehmen, die so etwas produzieren, sollten dafür in Verantwortung genommen werden.

Dabei ist es wichtig, dass es ein Umdenken gibt. Es muss ein Umdenken und einen Wandel von Unternehmen in der Praxis der Wirtschaft geben. Für dieses Umdenken sind nicht nur Regelungen und Gesetze wichtig, für dieses Umdenken ist auch Bildungsarbeit wichtig.

Deshalb möchte ich mich ganz besonders bei den vielen Initiativen und Vereinen, die in Sachsen in der Bildungsarbeit für Entwicklungszusammenarbeit, zum Klimawandel stark aktiv sind, bedanken. Sie schaffen es, mit ihren Angeboten zum Umdenken zu führen und Bewusstsein zu schaffen. Daher ist es sehr wichtig, dass wir als Freistaat im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit solche Projekte bei uns im Land fördern; denn sie sind ein wichtiger Baustein dafür, was zum gesamten Thema passiert.

Zur Bildungspolitik gehört nicht nur die Sensibilisierung und das Umdenken, sondern auch die Sensibilisierung und die Weiterbildung über unsere europäische, unsere deutsche Kolonialgeschichte; denn die Kolonialgeschichte ist eng mit der Entwicklungspolitik verbunden. Es sind die früheren, ehemaligen Kolonialmächte, die die Länder wirtschaftlich ausgeraubt haben, die Arbeitskräfte bis an den Rand ihrer Existenz gebracht haben. Es sind die ehemaligen Kolonialmächte, die die Länder Afrikas und Lateinamerikas in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gebremst haben.

Von daher ist es wichtig, dass wir diese Verantwortung annehmen und unsere Kolonialgeschichte zu einem zentralen Thema machen – zu einem Thema, das überall behandelt wird: in Schulen, in Freizeiteinrichtungen, in Bildungsangeboten. Kolonialgeschichte muss uns so wichtig sein wie die ganze gemeinsame Entwicklungsarbeit; denn hier vor Ort spielt sie eine große Rolle. Wir merken immer wieder, dass sich Ungleichverhältnisse manifestieren, dass rassistisches Kolonialdenken und koloniale Hierarchien vorherrschen – und genau das gilt es abzuwenden, genau dagegen gilt es anzukämpfen.

Des Weiteren ist wichtig, dass sich Institutionen und Einrichtungen in Sachsen zu ihrer Kolonialgeschichte bekennen. Wir erleben das leider immer noch, dass es nicht passiert, sondern man versucht, den Vorwurf abzuwenden, in der Hoffnung, das Problem würde sich von allein lösen. Aber genau das ist es nicht. Verantwortung übernehmen, sich bewusst mit der eigenen Geschichte zeigen. Das sind die Punkte, die Vertrauen und dann eine gute Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern des Globalen Südens schaffen.

Ich habe nun einen großen Teil an Handlungsfeldern aufgezählt. Es ist sicherlich nicht alles, aber es ist ein Ausschnitt aus dem Rahmen, wie wir Verantwortung in unserer Entwicklungszusammenarbeit übernehmen können und weiterhin eine verantwortliche und gerechte Entwicklungszusammenarbeit von Sachsen aus fördern und betreiben können.