Protocol of the Session on April 26, 2023

(Marco Böhme, DIE LINKE: Das ist schon krass! – Thomas Thumm, AfD: Als Mindestbetrag!)

Gehen wir einmal zurück zu TOP 6. Kollege Barth, Sie haben es treffend formuliert: Die Ressourcen sind knapp.

Wen sollte es wundern, und garniert wird das Paket mit dem Stempel, dass „Millionen für die Anwerbung von ausländischen Fachkräften in Sachsen ausgegeben werden“.

(Zuruf von der AfD)

Wir haben im letzten Plenum über die berufliche Weiterbildung als Teil einer zukunftsfähigen Berufsbildung im Freistaat Sachsen gesprochen. Mir klingen noch die Worte Ihres Redners im Ohr: Der Antrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Deswegen enthielten Sie sich. Nun die Kehrtwende! Plötzlich entdecken Sie Ihr Herz für die Azubis, dabei speziell im ländlichen Raum.

Populismus pur, meine Damen und Herren! Das muss ich mal so sagen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der AfD)

In der vergangenen Woche – es ist Ihnen sicherlich entgangen – fand auf Einladung unseres Ministerpräsidenten der sächsische Fachkräftegipfel statt. Von Ihnen habe ich dort leider keinen gesehen. Das ist eigentlich schade, denn Sie hätten dort aus berufenem Munde Zahlen gehört, was tatsächliche Probleme des Handwerks und der anderen Berufsgruppen sind. Aktuell haben wir nämlich die Sache vor der Brust: 176 000 Arbeitskräfte werden dem sächsischen Arbeitsmarkt bis 2030 fehlen. Das kann man so zur Kenntnis nehmen oder eben auch nicht, aber wir müssen hier Lösungen präsentieren.

(Jan-Oliver Zwerg, AfD: Ich höre!)

Das ist eine ganz klare Sache. Um es mal deutlich zu formulieren in Ihre Richtung: Es gibt einen Unterschied zwischen Asyl und gesteuerter Fachkräfteanwerbung. Das wollen wir hier mal feststellen.

(Zuruf von der AfD)

Aber zurück zum Thema.

(Sebastian Wippel, AfD: In einer idealen Welt hätten Sie Recht, aber praktisch ist es doch etwas anders!)

Wir haben in den vergangenen Jahren viel unternommen, um gerade die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern; Sie wissen das. Um es noch einmal in Erinnerung zu bringen: Bei mir im Heimatlandkreis Leipzig wurde mit „Muldental in Fahrt“ ein Programm entwickelt, bei dem der Nutzer taktgenau mit dem Bus zum Zug fährt. Eine Erfolgsgeschichte, die mittlerweile als Blaupause für den gesamten Freistaat Sachsen dient. Staatsminister Dulig hat es vorhin bei TOP 4 erwähnt: Die Einführung der Plus-Busse war natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Dass wir noch nicht auf dem kompletten Weg sind, ist klar. Das wissen wir auch, aber wir arbeiten daran. Aber wir setzen nicht 150 Millionen Euro mal einfach so ein, wenn ich dann wieder höre, wir haben gar kein Geld.

Ich sage Ihnen das Beispiel mit dem Mopedführerschein.

(Thomas Thumm, AfD, steht am Mikrofon.)

Das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im Juli 2021 hat es ermöglicht. Kollege Kumpf, Sie haben es vorhin selber gerade erwähnt: Die Jugendlichen können jetzt mit 15 den Führerschein machen; gute Sache.

Herr Kollege Ritter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht. Er kann dann noch weiterreden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Herr Thumm, machen Sie nicht immer alles, was die CDU sagt!)

In der Begründung Ihres Antrages führen Sie auch aus, dass Studenten in besonderer Weise durch das Semesterticket subventioniert werden und dass es für Auszubildende keine vergleichbaren Angebote gibt. Das stimmt nicht, das ist einfach falsch. Offensichtlich ist es Ihnen entgangen,

dass der Freistaat rund 25,5 Millionen Euro jährlich für das AzubiTicket zur Verfügung stellt.

(Thomas Thumm, AfD: Was nützt denn das, wenn Bus und Zug nicht fahren auf dem Lande?)

Das ist Tatsache. Die Einführung vom Deutschlandticket nächste Woche zum Preis von 49 Euro wurde auch schon mehrfach erwähnt.

(Zuruf von der AfD: Ja, und auf dem Land?)

Lassen Sie mich noch mal ein paar Sachen zu den Ausbildungszahlen sagen, die Sie im Antrag erwähnt haben. Rückläufige Ausbildungszahlen im Vergleich von 20 Jahren; darüber müssen wir nicht reden, das ist tatsächlich so. Aber, Sie hätten es auch positiv formulieren können. Die Lehrlingszahlen, speziell in Sachsen, weisen einen positiven Aufwärtstrend seit 2014 auf. Das zählt ja nicht, wir wollen ja hier richtig draufhauen. Also lassen wir das mal weg. Die Erholung ist sichtbar, und Sachsen ist gegen den Bundestrend unterwegs. Das haben wir auch dem Handwerk zu verdanken, meine sehr geehrten Damen und Herren. Also, kurzum:

(Thomas Thumm, AfD: Richtig, deshalb ist die Führerscheininitiative auch eine Forderung der Handwerkskammer!)

In schöner Abfolge wollen Sie immer wieder, dass der Staat sich aus allen raushalten soll, und hier wollen Sie die Vollkaskosache. Wir stimmen dem nicht zu und lehnen Ihren Antrag ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, den BÜNDNISGRÜNEN und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Thomas Thumm, AfD)

Das war Herr Kollege Ritter für die CDU-Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich jetzt Herrn Kollegen Nico Brünler das Wort. – Das funktioniert auch alles wieder; gar kein Problem.

Aber für uns; die Redezeit ist weggelaufen. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD nimmt ja ausnahmsweise mal ein real existierendes Problem in den Blick.

(Thomas Thumm, AfD: Aha!)

Dazu müsste man ja eigentlich schon fast gratulieren. Junge Menschen, vornehmlich im ländlichen Raum, haben ein Mobilitätsproblem – sei es im Beruflichen wie im Privaten. Dabei soll der Freistaat durch eine Querfinanzierung von Führerscheinen Abhilfe schaffen mit bis zu 1 500 Euro Förderung pro Kopf. So weit, so gut. Aber es ist leider – wie immer bei den Anträgen Ihrer Fraktion – nur vom Fenstersims bis zur Scheibe gedacht, oder anders gesagt: Nur weil jemand einen Führerschein besitzt, ist er noch lange nicht mobil.

Der ADAC berechnet regelmäßig die Kosten eines Autos. Die monatlichen Kosten für einen Kleinst- und Kleinwagen liegen bei 350 bis 500 Euro. Da liegt doch das Problem. Den Führerschein bekommen viele einmalig noch hin. Das Problem sind die dauerhaften Kosten, denn denen steht oft eine Mindestausbildungsvergütung von gerade einmal 620 Euro im ersten Ausbildungsjahr gegenüber, mal ganz abgesehen von den vielen schulischen Ausbildungen, für die die Auszubildenden noch mit BAföG oder Privatkredit in Vorleistung gehen müssen. Die Forderung, den Azubis den Führerschein anteilig zu finanzieren, ist also Inkonsequenz, wenn man sie dann mit den Kosten des Autos im Regen stehen lässt.

(Thomas Thumm, AfD: Also – –)

Für viele Azubis dürften die Kosten fast 50 % ihrer Ausbildungsvergütung ausmachen. Die AfD will also, dass sie fast die Hälfte ihres Einkommens dafür ausgeben, überhaupt zur Arbeit zu kommen.

(Zuruf von der AfD)

Der Vorschlag der AfD führt nicht dazu, dass alle Azubis künftig gut zur Arbeit kommen, sondern vor allem dazu, dass diejenigen, die das Geld haben, sich eher ein Auto leisten zu können, das auch noch finanziert bekommen. Alle anderen schauen weiterhin dumm aus der Wäsche bzw. enttäuscht auf den Busfahrplan.

Zum Führerschein selbst: Rainer Zeltwanger, Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Fahrunternehmen, erklärt: Wir beraten unsere Kunden bei der Klasse B einschließlich der externen Kosten, dass sie mit bis zu 3 500 Euro zu rechnen haben. Der Vorschlag der AfD macht nur denjenigen mobil, der sich ein privates Auto leisten kann. Richtig wäre es, in eine Infrastruktur zu investieren, die allen, unabhängig davon, ob sie ein Auto haben oder nicht, Mobilität gewährleistet. Das müssten Sie selbst erkennen, auch Sie, die Sie kein Freund der Mobilitätswende sind.

Den vorgeschlagenen Investitionen der AfD von 150 Millionen Euro in ein Förderprogramm für Führerscheine stehen gerade einmal 25 Millionen Euro entgegen, die im Doppelhaushalt 2023/2024 für Zuschüsse für das AzubiTicket eingestellt sind. Die AfD will also sage und schreibe sechsmal so viel in Führerscheine pumpen wie in den ÖPNV.

Aber was also stattdessen? Um für Entlastung zu sorgen, fordern wir, dass freiwillig dienstleistende Azubis und Studierende das sächsische Bildungsticket für die bisher angebotenen 15 Euro im Monat weiter erwerben können. Im Jahr 2020 nutzten laut einer Kleinen Anfrage von uns 22 900 Azubis ein AzubiTicket. Das Ticket sollte künftig in ganz Sachsen gelten und so attraktiver werden. Aber das hilft natürlich alles nichts, wenn man nicht insgesamt eine ernst zu nehmende Verkehrswende einleitet, die nicht ab 18 Uhr im ländlichen Raum in den Nachtwächtermodus schaltet.

(Zuruf von der AfD: Danke schön!)

So viel vielleicht als Hinweis an die Regierungskoalition.

Aber, meine Damen und Herren von der AfD, wer von Mobilität reden will, muss das große Ganze in den Blick nehmen. Eine Verkehrswende für alle – vom Schulbus bis zum Anruftaxi ins Altenheim – ist gerecht und finanzierbar. Der Antrag der AfD ist dazu kein Beitrag, sondern eine populistische Seifenblase, und wir lehnen ihn entsprechend ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Nico Brünler für die Fraktion DIE LINKE. Für die BÜNDNISGRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Liebscher das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Fachkräftemangel ist bereits arbeitspolitische Realität, in vielen Branchen unseres Landes. Da können Sie Führerscheine mit der Gießkanne ausgeben; es werden schlicht nicht mehr Leute.

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Schauen Sie einmal mit mir auf den Arbeitsmarkt. Sachsen ist überall knapp überdurchschnittlich. Die Beschäftigungsquote ist mit 67 % hoch, die Frauenerwerbsquote mit 48 % immerhin besser als im Bundesdurchschnitt, die Erwerbstätigkeit der älteren Bevölkerung ist überdurchschnittlich. Nur eines fällt auf: Der Anteil von internationalen Kräften liegt bei 6 % weit unter dem Bundesdurchschnitt, was die Staatsregierung ebenso wie die Bundesregierung verstanden hat. Daher, meine Damen und Herren, setzen Sie sich hier, alle Koalitionsfraktionen, dafür ein, international Azubis zu gewinnen.