Die Anforderungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendkunstschulen haben wir uns sehr genau angesehen und reagieren mit dem vorliegenden Anliegen darauf, jedoch auch mit Einschränkungen. Denn selbst wenn wir uns darin einig sind, dass es für eine Kommune eine große Bereicherung ist, über eine Jugendkunstschule zu verfügen, und die Stadt- und Gemeinderäte gut daran tun, Kunst und Kultur mit mindestens der gleichen Wertschätzung zu unterstützen, wie das beim Sport üblich ist, so halten wir es dennoch für nicht zielführend, die Einrichtung und den Betrieb einer Jugendkunstschule zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu erheben, ganz abgesehen davon, dass dies mehrbelastungsausgleichspflichtig wäre.
Wenn man sich in einer Kommune nicht bewusst dafür entscheidet, wenn niemand da ist, der dafür brennt, und auch die Bereitschaft fehlt, die notwendigen Mittel in den kommunalen Haushalt einzustellen, wird ein solches Vorhaben nicht gelingen. Diese Entscheidung sollten Kommunen eigenverantwortlich treffen.
Mit den im laufenden Haushalt des Freistaates Sachsen eingestellten Mitteln wollen wir die Träger der Einrichtungen unterstützen. Ich bin optimistisch, dass eine entsprechende Förderrichtlinie nun bald das Licht der Welt erblicken wird. Bis Mitte kommenden Jahres erbitten wir von der Staatsregierung einen Bericht zur Situation der Jugendkunstschulen. Gleichzeitig sollen gemeinsam mit den Landeskulturverbänden Perspektiven für die weitere Entwicklung der Jugendkunstschulen entwickelt werden.
Mit Blick auf die Reaktionen auf gesellschaftliche Prozesse spielen dabei die aktuellen Erfahrungen aus der Corona-Zeit eine besondere Rolle. Aber auch der Krieg in der Ukraine und die infolgedessen zu uns gekommenen Kinder und Jugendlichen wollen einbezogen und aufgefangen werden. Hierbei wird klar, dass es sich bei Jugendkunstschulen nicht um bloße Ergänzungsschulen zur allgemeinbildenden Schule handelt und auch nicht um
Schulen zur Förderung von Eliten, sondern um Einrichtungen, die in hohem Maße soziale Aufgaben und Verantwortung übernehmen, Werte vermitteln, Persönlichkeiten herausbilden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Kollegin Firmenich sprach für die CDU-Fraktion. Nun spricht für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE Frau Dr. Maicher.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen ist auch eine neue Stufe der Anerkennung einer Bewegung kultureller Bildung verbunden – einer Bottom-up-Bewegung, wenn Sie so wollen, die in Sachsen einen markanten Ausgangspunkt hatte.
Im Jahr 1967 wurde im sächsischen Oederan die erste Jugendkunstschule Deutschlands als sogenannte Volkskunstschule, unter anderem nach dem Vorbild tschechischer Volkskunstschulen, gegründet. Kurz darauf, 1968 und 1969, folgten Gründungen in Wesel und Wuppertal in Nordrhein-Westfalen.
In Oederan hatten sich die Kunstschaffenden und Kunstinteressierten zu Zirkeln und Arbeitsgruppen zusammengeschlossen. Die Jugend sollte an Holzgestaltung, Malerei und Grafik herangeführt werden. Es wurden Begabte nach Lehrplänen gefördert. Seit den 1990er-Jahren ging es verstärkt auch darum, breiten Schichten, großen Teilen der Bevölkerung einen Zugang zur bildenden Kunst zu ermöglichen. Der Grundgedanke ist seitdem, dass sie Kunst als Mittel entdecken, um am Gemeinwesen mitzuwirken und auch das eigene Leben schöpferisch zu gestalten.
Im Ländervergleich gehört der Freistaat Sachsen heute nicht zu den Vorreitern bei der Förderung der Jugendkunstschulen. In den meisten anderen Bundesländern werden sie landesseitig regulär mitfinanziert.
Die Jugendkunstschulbewegung hat auch hier in Sachsen wieder Fahrt aufgenommen. Einzelne Einrichtungen gibt es schon länger; sie sind neben Oederan vor allem in Dresden und Leipzig verortet. Weitere Angebote werden seit einigen Jahren aufgebaut, zum Beispiel in Torgau, Frankenberg oder Naunhof. Es gibt neue Initiativen zum Aufbau einer Jugendkunstschule, etwa in der Oberlausitz. Auch einige Musikschulen wollen ihr Profil von der Musik- zur Kunstschule erweitern, zum Beispiel in Görlitz. Dort läuft bereits eine Pilotphase erfolgreich.
Hinter all diesen Bestrebungen steht das Anliegen, dass die Vermittlung der Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen und Kompetenzen feste Strukturen und professionelle Angebote vor Ort braucht. Jugendkunstschulen erweitern die Teilhabe insbesondere von Kindern und Jugendlichen an der kulturell ästhetischen Bildung im Bereich bildende
Kunst, aber auch in den Bereichen Theater, Tanz, Medienkunst oder Literatur. Darin liegt ein besonderer Mehrwert, und den haben wir im Blick.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bisher sind solche vielfältigen Angebote vor allem in unseren ländlichen Regionen noch Mangelware. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen die Jugendkunstschulen deshalb als wichtige Partner in unserer kulturellen Bildungslandschaft stärken, ihre Strukturen und Regelangebote ausbauen und verlässlich mitfinanzieren. Diese zusätzlichen Angebote stellen einen wichtigen Baustein im Rahmen der Gesamtentwicklung der kulturellen Bildung in Sachsen dar. Entsprechend der Ziele des Landeskonzepts Kulturelle Bildung schaffen wir damit in einem weiteren Segment verlässliche Rahmenbedingungen und fördern gezielt den Strukturaufbau außerschulischer Partner.
Mir ist wichtig, dass wir dabei die unterschiedlichen Ausgangslagen der Einrichtungen und Initiativen beachten. Eine weitgehend einheitliche Ausrichtung – wie die Musikschulen – haben Jugendkunstschulen in Sachen auch im bundesweiten Vergleich nicht. Idealerweise finden sich alle Künstler unter einem Dach, aber in Sachsen bilden häufig die bildende und die angewandte Kunst den Anfang. Eine Erweiterung der Spartenvielfalt wird angestrebt.
Gemeinsam ist den Jugendkunstschulen, dass sie sowohl Begabtenförderung als auch Breitenbildung anbieten. Sie können den Weg zu einer professionellen Kunstausbildung bereiten, haben aber grundsätzlich ein ganzheitliches Bildungsverständnis und eröffnen verschiedenen Zielgruppen Zugänge zur Kunst. Deshalb gibt es in der Regel sowohl wöchentlichen Unterricht als auch Projekte, Sommerkunstcamps oder Ferienateliers.
Was genau wollen wir durch den Aus- und Aufbau von Jugendkunstschulen erreichen? Es sollen mehr Angebote auf hohem Qualitätsniveau verfügbar werden. Dabei sollen, je nach Ausgangslage, schrittweise weitere Kunstsparten aufgestellt werden. So ist in Naunhof, ausgehend vom Kinderkunstatelier, die bildende Kunst schon stark aufgestellt, in Frankenberg ist die Musikausbildung schon etabliert. Film, Fotografie, Malerei und Graffiti kommen neu dazu.
Der landesweite Aufbau erfordert aus unserer Sicht auch Neugründungen, damit für Kinder und Jugendliche, insbesondere im ländlichen Raum, Angebote besser erreichbar sind. Neugründung heißt nicht automatisch, ein großes Haus aufzumachen. Zunächst kommen zu einem bestehenden Team professioneller Kulturpädagoginnen und -pädagogen weitere Profis aus anderen Sparten hinzu und kreieren ein gemeinsames Programm. Ich möchte an dieser Stelle den Fachverbänden, allen voran der LKJE, dem Fachverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen in Sachsen, herzlich dafür danken, dass sie die Initiativen in Sachsen bei diesem Aufbau tatkräftig unterstützen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für einen echten strukturellen Fortschritt braucht es eine Unterstützung des Freistaates Sachsen. Im Doppelhaushalt 2021/2022 haben
wir als Koalition deshalb erstmals eine gesonderte Förderung von Jugendkunstschulen ermöglicht. Mit dem vorliegenden Antrag stellen wir nun die Grundsätze für eine nachhaltige strukturell wirksame Förderung auf und fordern die Staatsregierung auf, die Richtlinie Kulturelle Bildung dementsprechend anzupassen. Gefördert werden sollen zielgruppengerechte langfristig ausgerichtete Angebote, basierend auf klaren Entwicklungskonzeptionen, künstlerischen und pädagogischen Qualitätsstandards und fachlichen Qualifikationen. Es sollen Kooperationen mit anderen Bildungseinrichtungen intensiviert werden. Gemeinsam mit den Landesfachverbänden soll die Staatsregierung einen landesweiten Prozess zur qualitativen Weiterentwicklung einleiten und begleiten.
Diese Weiterentwicklung liegt auf mehreren Ebenen: der konzeptionellen, der fachlichen und der strukturellen Ebene. Damit sind verschiedene Aufbauleistungen verbunden: die Konzeption eines spartenübergreifenden oder interdisziplinären Profils, eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Schulen und Kitas sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die Ansprache neuer Teilnehmergruppen, das Ausprobieren von neuen Angebotsformen und Methoden, der Aufbau interner Strukturen, die Gewinnung von Drittmitteln und vieles mehr. Weil das alles nicht einfach nebenbei und ohne weitere Unterstützung geleistet werden kann, wollen wir gezielt die Beratung, die Fortbildung, die Koordination fördern. So ist es im letzten Punkt des Antrags zu lesen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Antrag setzen die Koalitionspartner einen weiteren Meilenstein zur Stärkung der kulturellen Bildung in ihrer ganzen Breite um. Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung.
Kollegin Dr. Maicher sprach für die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. Nun übergebe ich an Herrn Kollegen Richter von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein geschätzter Kollege Volkmar Winkler hat gesagt: Es ist ein Vorteil, wenn man als Dritter reden darf. Vieles muss man nicht wiederholen. Man kann aber noch einige Akzente dazu setzen.
Natürlich bitte ich Sie – wie meine Vorrednerinnen – um Zustimmung zu diesem Antrag. Ich möchte hinzufügen: Sie können diese Zustimmung, so wie ich, auch gern mit drei Ausrufezeichen versehen.
Ich bin von diesem Antrag fast begeistert. Warum? Vielleicht deshalb, weil, wenn ich es richtig beobachtet habe, zum ersten Mal in den Debatten in dieser Legislaturperiode das Wort „Kunst“ in den Mittelpunkt gerückt wird. Das war nicht allzu häufig der Fall oder gar nicht. Dabei verdient dieser Begriff unsere Aufmerksamkeit. Welche zusätzli
chen Argumente gibt es für die Zustimmung? Natürlich zunächst einen formalen Grund: Wir lösen damit ein Versprechen des Koalitionsvertrages ein bzw. bringen das Versprechen der Einlösung auf den Weg. Jugendkunstschulen gehören gestärkt, finanziell, strukturell, qualitativ und natürlich – es ist bereits gesagt worden – unter Einbeziehung der Fachverbände.
Der zweite Grund ist eher inhaltlich. Mit diesem Antrag wird bezüglich der Kunst- und Kulturpolitik des Freistaates klar, dass auch ein starker Fokus auf die Nachfrageseite gelegt werden muss. Was nützen uns die vielen hochwertigen Veranstaltungen und Einrichtungen der Kunst und Kultur, wenn der nachwachsenden Generation der Zugang zu ihnen fehlt? Sachsen soll auch in Zukunft kein Museum für ausländische, vielleicht gut zahlende Touristen sein, sondern ein lebendiger Ort wertschöpfender Kunst und Kultur.
Ich erinnere mich noch gut an eine Debatte im Sächsischen Kultursenat vor circa zehn Jahren. Schon damals rang dieses wertvolle Gremium, das unsere Aufmerksamkeit verdient, in seinen internen Debatten um den Perspektivenwechsel, Kunst und Kultur nicht nur aus der Perspektive der aktuellen Akteure zu diskutieren, sondern auch aus der Perspektive des kommenden Publikums, der Inhalte und der künftigen Rezipienten und Konsumenten.
Kinder und Jugendliche brauchen Wegweiser und Vorbilder – Vorbilder im doppelten Sinne des Wortes –, aber natürlich auch geöffnete Türen und Räume, in denen sie sich ausprobieren und neue Entdeckungen machen können, auch an sich selbst. Es geht um politische Unterstützung von Kunst und Kultur, sowohl angebots- als auch nachfrageorientiert.
Frau Staatsministerin, Sie haben, glaube ich, im Zusammenhang des ersten Lockdowns einmal emotional gesagt: Hoffentlich trocknen wir nicht aus. – Ich habe dieses Wort noch gut in Erinnerung, als wir so lange keine Theaterbesuche, keine Opernbesuche vornehmen konnten. Man kann auch unabhängig von der Pandemie in dieser Hinsicht kulturell und künstlerisch austrocknen. Auch diesbezüglich müssen wir etwas tun, und das machen wir mit diesem Antrag. Es braucht im Prinzip immer, aber umso mehr in einer heterogener werdenden Gesellschaft, den Zusammenhalt und den inneren Frieden, die Ausbildung und Entwicklung der Fähigkeiten von Empathie und Perspektivenwechsel. Wo erfolgt das? Gewiss auch an Orten der Jugendkunstschulen, dort, wo Menschen ihre Gedanken und Gefühle in künstlerischer und freier Weise ausdrücken und aufeinander beziehen können.
Die Freiheit der Kunst gehört substanziell zu einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Sie ist kein Nice-to-have.
Jugendkunstschulen sind Orte der außerschulischen Bildung als Teil der kulturellen Bildung im Netzwerk regionaler Bildungslandschaften. Ein wichtiges weiteres Stichwort ist, regionale Bildungslandschaften zu stärken. Das ist im Koalitionsvertrag verankert. Bei aller Wertschätzung für die guten Curricula unserer Schulen: Lernen ist und bleibt ein Selbstaneignungsvorgang. Lernen braucht
nicht nur Pläne, die von Lehrenden ausgedacht, durchgeführt und angepasst werden, Lernen braucht auch die Freiheit des Lernenden einmal ohne Vergleiche dort, wo Kreativität im informellen Lernen entstehen kann. Früher hätte man wohl gesagt: im musischen Lernen.
Der Kultusminister heißt nicht zufällig Kultusminister und nicht etwa Schulminister oder gar Unterrichtsversorgungsminister, sondern Kultusminister. In diesem Wort schwingt Kult, Kultur und eben auch Kunst mit, all die Orte der freien Entfaltung des selbstaneignenden Lernens von Schülerinnen und Schülern. Wir glauben, dass Jugendkunstschulen dafür bestens geeignet sind und bitten um Ihre Zustimmung, gern auch mit der gleichen Begeisterung, wie ich sie vollziehen werde.
Kollege Richter sprach für die SPD-Fraktion. – Nun übergebe ich das Wort an die AfD-Fraktion, an Herrn Kollegen Kirste.
Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig – das kulturelle Selbstverständnis der Kinder- und Jugendlichen ist zu fördern und sollte sie neugierig auf kulturelle Angebote und die eigene Tradition machen. Eine Kunstlehrerin erzählte mir kürzlich, wie sie Anfang der Neunzigerjahre eine Jugendkunstschule in Dresden, übrigens als eine der ersten, mit aufgebaut hat. Sie sprach ganz begeistert vom Puppentheater sowie den Mal-, Tanz- und Musikkursen, die von den Kindern freudig angenommen wurden. Sie sprach vom Enthusiasmus und der Aufbruchsstimmung zur damaligen Zeit.
Das Wichtigste dabei war für sie nach dem Ende der DDR: Endlich war die Schule ideologiefrei möglich, nämlich ohne Basteln von Mainelken oder roten Fähnchen und ohne Pionierlieder und die Huldigung der SED;
Liebe CDU, mit Ihrem Antrag zeigen Sie einmal mehr, wie Sie sich vom links-grünen ideologiedurchtränkten Ungeist durch die Manege ziehen lassen.
Ja, warum lassen Sie sich von Ihren links-grünen Koalitionspartnern immer wieder durch die Manege ziehen? Warum?
(Valentin Lippmann, BÜNDNISGRÜNE: Gibt es eigentlich Geld für die Formulierung, weil Sie die immer in die Reden einbauen?!)
Da kommen wir zum Punkt, nämlich erstens: In die Angebotserweiterung der Jugendkunstschulen soll nun der Landesverband Soziokultur einbezogen werden. In einem