Das lässt das Regionalisierungsgesetz nämlich ausdrücklich zu. Diese 100 % der Mittel werden ordnungsgemäß ausgegeben und müssen auch entsprechend reportet werden. Sonst würde der Bund nämlich die Mittel zurückfordern und wir als Freistaat Sachsen die Mittel von den Aufgabenträgern. Also hören Sie endlich einmal mit dieser Märchenerzählung auf!
Und natürlich können Sie es nicht lassen, den Bürgern selbst in die Tasche zu greifen. Unter Punkt 4 fordern Sie Nutznießerfinanzierung und Bürgerticket. Ich wäre übrigens sehr gespannt, was die Bürgerinnen und Bürger bei der unter V. geforderten Volksbefragung zu dieser Geldschneiderei sagen würden. Eine Mehrheit sehe ich dafür weit und breit nicht. Das ist auch in Ordnung.
Wir müssen uns mit sinnvollen Finanzierungsinstrumenten beschäftigen. Das von Ihnen in Leipzig und Dresden geforderte und vorhin erwähnte 365-Euro-Ticket kann dazugehören. Aber dann müssen Sie erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen. Sie müssen vorher in Größenordnungen in Fahrzeuge, Angebote und neue Strecken investieren. Erst dann macht ein 365-Euro
Ticket Sinn. Die Stadt Wien hat genau diese Reihenfolge eingehalten und kann die Folgen des Tickets trotzdem nur schwierig stemmen. Was Sie da fordern, ist der dritte Schritt vor dem ersten, und das wird jetzt auch nicht besser,
da sich die Dresdner Union mit der gleichen Forderung auf dem Markt befindet. Für sinnvoll halte ich das nicht, jedenfalls nicht in der Reihenfolge, wie es jetzt auf dem Markt ist.
Wir in der Regierung wollen den Leuten nicht in die Tasche greifen oder die Wirtschaft mit neuen Abgaben belasten – im Gegenteil. Wir haben im Haushalt 75 Millionen Euro eigenes Geld eingestellt, damit das PlusBusNetz an den Start kommt. Wir vereinfachen mit dem Sachsentarif das Fahren mit Bus und Bahn. Wir treiben die Digitalisierung der Tickets voran, machen die Schüler mobil und schaffen ein Azubi-Ticket, auf das Lehrlinge und Betriebe dringend warten.
Ihr Antrag schließt nicht eine Bewertungslücke der Arbeit der StratKom, wie Sie das in der Begründung behaupten. Der Antrag listet unrealistische und am Ende auch unbezahlbare Maßnahmen auf und zementiert eher das, was wir in der ÖPNV-Organisation noch verbessern können.
Wir setzen in der Koalition lieber die Maßnahmen aus dem Abschlussbericht um und machen damit das Sinnvolle und Machbare. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wenn es doch immer so einfach wäre, wie DIE LINKE sich das vorstellt. Dann würde ich heute auch alle meine Wünsche in einen Antrag schreiben, dazu noch die Wörter „unverzüglich“, „flächendeckend“ und „vollständig“ und dann hoffen, dass irgendetwas passiert.
Wenn ich nicht genau wüsste, was ich alles sofort und unverzüglich haben will, würde ich einfach mein Wahlprogramm kopieren und dafür sorgen, dass es im Landtag eine Drucksachennummer erhält. Dann würde ich alles genau so beschließen lassen und alles wäre schön und gut.
Aber so einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, ist es nicht. Auch wenn Sie immer wieder versuchen, uns genau das mit Ihrem Antrag weiszumachen. So ein Vorgehen finde ich einfach nur unglaub
würdig. Sie täuschen damit den Menschen in Sachsen vor, dass wir im Landtag durch das einfache Herbeiführen von Beschlüssen den sächsischen ÖPNV von jetzt auf gleich komplett umkrempeln könnten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Blick auf den Antrag könnte man den Eindruck gewinnen, DIE LINKE, Herr Kollege Böhme, hätte nie auch nur eine einzige Sitzung der ÖPNV-Strategiekommission besucht.
Dann wüssten Sie nämlich, dass das Thema ÖPNV viel komplexer ist, als es Ihr schlichter Antragstext vorgibt.
Danke, Herr Präsident. – Herr Baum, ist Ihnen klar, dass wir hier die Staatsregierung auffordern, entsprechende Konzepte genau zu diesen Forderungen auszuarbeiten? Das ist kein Gesetzentwurf, in dem das fertige Programm dieser Punkte, wie das eingehalten werden muss, steht, sondern die Staatsregierung soll die Möglichkeit dafür schaffen. Dafür hat sie vielleicht auch ein oder zwei Jahre Zeit. Das fordern wir hier.
Wir setzen Schritt für Schritt diese Dinge um. – Ich fahre fort. Stichwort: Barrierefreiheit. DIE LINKE fordert in
ihrem Antrag unter I.5, dass die Barrierefreiheit bis zum 1. Januar 2022 flächendeckend hergestellt wird.
Das Personenbeförderungsgesetz schreibt das richtigerweise vor, ja, lässt aber – und das ist der entscheidende Punkt – Spielräume offen. Die brauchen wir auch. Momentan ist von den sächsischen SPNV-Zugangsstellen, also von den Bahnhöfen, nur ein Viertel barrierefrei. Von den Bushaltestellen in den Städten sind es 30 bis 40 %, im ländlichen Raum sogar nur 5 %. Bei den Nahverkehrszügen haben wir einen Anteil von 50 % barrierefreier Fahrzeuge. In der Tat liegen hier noch gewaltige Aufgaben vor uns.
Die Strategiekommission hat sich mit dem Thema intensiv beschäftigt und ist zu folgendem Ergebnis gekommen, das ich hier gern zitieren möchte: „Eine vollständige Umrüstung aller Haltestellen im Freistaat Sachsen ist sowohl aus finanziellen als auch aus technischen Erwägungen kaum zu leisten und entspricht in der Absolutheit auch nicht den Forderungen der Betroffenen.“ – Seite 124 Abschlussbericht.
Vor allem dieser zweite Halbsatz ist entscheidend. Wir müssen also eine Priorisierung vornehmen und schrittweise vorgehen. Beginnen müssen wir an zentralen Umsteigeknoten und wichtigen Fahrzielen, zum Beispiel Wohngebieten, Ärztehäusern oder Einkaufsmöglichkeiten. Ziel muss es sein, einen Ausbaugrad herzustellen, der eine möglichst flächendeckende barrierefreie Erreichbarkeit sichert. Im Konsens mit den Betroffenen wurde also in der Strategiekommission vereinbart, dies bis zum Jahr 2030 anzustreben. Dazu müssen bis dahin allein circa 90 Straßenbahnhaltestellen und 13 500 Bushaltestellen
umgebaut werden. Das bedeutet einen Finanzierungsbedarf von jährlich 29 Millionen Euro bis zum Jahr 2030.
Wenn DIE LINKE also denkt, dass allein die Maßnahmen, die ich eben geschildert habe, in nicht einmal zweieinhalb Jahren umgesetzt werden könnten, frage ich mich ernsthaft, in welchen Sphären Sie unterwegs sind. Mit der Realität hat das wie so oft bei Ihnen nichts zu tun.