(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Dr. Stephan Meyer, CDU, Volkmar Winkler, SPD, und Valentin Lippmann, GRÜNE)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde das schon interessant. Gestern haben Sie uns vorgeworfen, wir würden dieses Rednerpult für eine Wahlkampfrede nutzen, und jetzt beteuern Sie hier alle ganz stark, wie wichtig diese Wahl am Sonntag ist,
und bringen rein zufällig diesen Berichtsantrag heute ein, obwohl die Beantwortung schon seit September 2018 vorliegt. Man könnte jetzt sagen, das hat ein wenig Geschmäckle.
Aber gehen wir auf Ihren Antrag und das LEADERProgramm an sich ein: Was ist positiv am LEADERProgramm? Es wird gut angenommen. Es sind mit Stand August 2018 – kurz vor der Beantwortung der Anfrage – 3 600 Anträge eingegangen. Das gesamte Budget wurde fast ausgeschöpft. Es begünstigt mehr private Antragsteller als das Vorgängerprogramm. Es sind 71 % private Antragsteller. Vorher waren es 40 %. Dagegen haben die Kommunen von 60 auf 29 % abgenommen.
Das LEADER-Programm verbessert die Zusammenarbeit der Kommunen. Beispielsweise Funktionen der Daseinsvorsorge werden kommunenübergreifend abgestimmt und die Netzwerke wirken über die Förderbereiche hinaus. Ich zitiere die Staatsregierung: „Sie leisten einen wertvollen Beitrag zur Heimatverbundenheit und regionalen Identität.“ Das begrüßen wir, beispielsweise wie bei mir in Mittelsachsen die LEADER-Aktionsgruppe Flöha – Zschopautal. Hier gibt es Wettbewerbe zur Nachwuchskräftegewinnung für Vereine.
Was ist aber negativ am LEADER-Programm? Das Ministerium hat gesagt, es möchte das zukünftig gern vereinfachen. Aber wir sehen, dass es immer mehr zu einem Bürokratiemonster wird. Von den knapp 3 600 Anträgen waren 1 250 nicht bearbeitet. Es mussten 24 volle Stellen neu geschaffen werden. Wir sind gespannt, ob dann alle Anträge fertig bearbeitet werden können.
Sie haben zahlreiche Vorschläge gemacht, um das Verfahren zukünftig zu vereinfachen, aber bisher folgt die EUKommission dem nicht, sondern verlagert die Verantwortung auf die Mitgliedsstaaten, also mehr auf den Bund.
Auch haben Sie für weitere Programme wie ELER Vorschläge gemacht, um den Regulariendschungel zu vereinfachen.
Das sind beispielsweise 24 Verordnungen, 669 Artikel und 60 Leitlinien auf nur 1 900 Seiten zusammengeschrieben. Das ist dann wirklich überschaubar. Auf dem Förderportal des Staatsministeriums findet man dann – Zitat: „Der Umfang dieser Regelung hat nunmehr, insbesondere in der zweiten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik, einen so erheblichen, unverhältnismäßigen Umfang erreicht, dass die positiven fachlichen Zielstellungen immer mehr in den Hintergrund geraten und auch die Akzeptanz bei unseren Akteuren vor Ort zunehmend schwindet.“
Meine Damen und Herren, wir als AfD fragen dann: Warum behalten wir unser Steuergeld nicht gleich hier in Sachsen und fördern damit direkt die heimische Wirtschaft und den ländlichen Raum?
Wir haben schon immer gesagt, regionale Förderung braucht keinen Umweg über Brüssel. Das führt nur zu erhöhtem Verwaltungsaufwand und
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zur AfD: So ein Schwachsinn! Wie kann man als sächsischer Abgeordneter, als Vertreter eines Landes, das schon seit fast 30 Jahren Mitgliedschaft in der EU ein Nettoempfänger ist – über 20 Milliarden Euro sind seitdem hierhergeflossen –,
nur einen solchen Käse erzählen, dass wir unser Steuergeld besser hierbehalten sollten? Dann hätten wir 20 Milliarden Euro weniger hier im Land!
Wir haben es ja heute schon debattiert: Bei der EU geht es ja nicht nur um Geld. Für uns ja – hier ist es diese wertvolle Aufbauhilfe gewesen. Es ist aber vor allen Dingen ein Friedens- und Wohlstandsprojekt, das sehr, sehr vielgestaltig wirkt.
Nun zurück zur eigentlichen LEADER-Förderung: Das ist einmal ein Programm – es gibt noch ein zweites, das in Sachsen vorbildlich wirkt und wovon man sich noch viel mehr wünschen würde, nämlich „Kulturräume“ –, wo wir es geschafft haben, dass Förderung tatsächlich vor Ort durch die Akteure entschieden wird, und zwar mit einem langfristigen Plan, was man vor Ort machen will. Hier greift das Subsidiaritätsprinzip: Vor Ort weiß man am besten, was man damit machen kann, aber das Geld kommt und wird durchgereicht. Dieses Prinzip könnte man eigentlich noch auf viele andere Bereiche ausweiten.
Die ganze LEADER-Förderung ist eigentlich eine reine Erfolgsgeschichte für unseren Freistaat. Was wäre nun eigentlich zu wünschen? Wir hatten beim Übergang der ersten Förderperiode von ILE bis 2013 sowie anschließend zu LEADER einige Brüche. Eine Zeit lang wusste man nicht, wie es nun funktioniert; es floss kein Fördergeld. Wir müssen es jetzt schaffen, dass eine Kontinuität Einzug hält. Das sagen auch alle Akteure vor Ort. Es geht ja nur darum, tatsächlich mittel- und langfristige regionale Strategien zu entwickeln, wo man hinkommen will. Da ist Kontinuität oft sogar wichtiger als die Summen, die gezahlt werden, da wir uns auch immer die Frage stellen, wie lange wir in welchem Umfang noch über EU-Gelder verfügen. Auch das wird LEADER sicherlich gut verkraften können. Adressiert an die Akteure vor Ort, muss man sicherlich noch viel mehr darauf schauen, was wirklich nachhaltige Projekte sind. Auch in LEADER wurden schon Ortsumgehungsstraßen und Ähnliches gefördert. Hier muss man sich fragen: Was sind innovative zukunftsfähige Dinge, die vor Ort richtig was anstoßen? Diesbezüglich ist viel mehr Positives passiert, als auch wir GRÜNE im Detail kritisieren würden. Insofern gilt: Die Welt wird nie ganz heil sein.
Ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, was meine Vorredner schon Positives über LEADER gesagt haben. Ja, es muss mit hoher Kontinuität fortgesetzt werden. Das ist ein Programm, wie wir GRÜNE uns regionale Förderung vorstellen würden.
Meine Damen und Herren, das war die erste Rederunde. Gibt es seitens der Fraktionen Redebedarf für eine weitere Runde? – Das ist
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs etwas richtigstellen, Herr Dr. Weigand: Es ist nicht zufällig, dass der Antrag heute hier diskutiert wird, sondern das geschieht ganz bewusst vor der Europawahl, um diese Sprüche, die Sie fallengelassen haben, zu entlarven. Und das ist gelungen!
Ja, wir haben hier in Sachsen das LEADER-Prinzip, das die Europäische Union als Förderung vorgibt. Das bedeutet, innovative Aktionen und Vor-Ort-Partnerschaften zu fördern sowie den Regionen eine eigenständige Entwicklung zu ermöglichen. Das wird so weit wie möglich in die Hände der Akteure vor Ort gegeben – so weit, wie in keiner anderen Region Europas. Dass das auch insofern ein wenig kritisch und misstrauisch beäugt wird, ob das läuft und was vor Ort entschieden wird, kann man sich dabei gut vorstellen. Deswegen stand es auch im besonderen Fokus der Europäischen Kommission. Unsere Akteure vor Ort haben diesem Ansatz recht gegeben und dieses Programm in vorbildlicher Weise umgesetzt. Das wird uns motivieren, es genau so fortzusetzen.
Die lokalen Akteure sind organisiert in sogenannten LEADER-Aktionsgruppen (LAGs), in denen sich Gemeinderäte, Unternehmer, Vereine und Privatpersonen zusammengefunden haben. Manche haben mir damals gesagt: „Ich habe mich überreden lassen. Ich muss einmal schauen, was daraus wird.“ Heute sagen sie zu mir: „Wir können das ja wirklich eigenverantwortlich entscheiden, das hätte ich vorher nicht gedacht.“ Es haben sich 30 LAGs in Sachsen gebildet, die orts- und landkreisübergreifend zusammenarbeiten. Sie entwickeln für ihre Region eigene Ziele, sie entscheiden über eine eigene Entwicklungsstrategie entsprechend den regionalen
Stärken und Schwächen, sie entscheiden über die umzusetzenden Projekte und sie entscheiden über die Höhe der Förderung. Diese Freiheit ist nicht nur deutschlandweit, sondern sogar europaweit einzigartig.
Die Regionen sind mit dieser Förderung bewusst und sorgsam umgegangen. Ich konnte mich bei Besuchen in mittlerweile 21 LEADER-Regionen vor Ort davon überzeugen. Ich bin mir sicher, dass mich die vor mir liegenden neun Besuche, die ich noch absolvieren werde, nicht enttäuschen werden. Natürlich ist es viel Bürokratie, aber ich habe noch von keinem gehört, dass die Akzeptanz abnähme. Ganz im Gegenteil: Die Akzeptanz nimmt eher zu.
Beeindruckend ist die Bereitschaft von vielen, die dort mitarbeiten, Zeit zu opfern. Beeindruckend ist die große Bereitschaft der Menschen, vor Ort mitzuwirken. Beeindruckend sind auch die Aufhebung des Kirchturmdenkens und der dabei erzielte regionale Konsens. Es werden die
LEADER-Regionen insgesamt betrachtet und nicht nur egoistisch der einzelne Ort oder ein einzelnes Projekt. Die 30 LAGs haben in ihren Konzepten über tausend verschiedene Maßnahmen konzipiert – zur Schaffung öffentlicher Einrichtungen, zur Stärkung von Heimatgefühl und Ehrenamt, zur Entwicklung von Unternehmen und des Tourismus, zur Verbesserung der Siedlungsstruktur und der Ökologie sowie der Wohnsituation und der regionalen Baukultur.
Hinter diesen allgemeinen Schwerpunkten stehen den lokalen Bedürfnissen angepasste Projekte, zum Beispiel der Ausbau der Freizeitinfrastruktur im Lausitzer Neuseenland und im Westerzgebirge oder die Schaffung von privatem Wohnraum im Dresdner Heidebogen. Auch im Bautzener Oberland mit seiner geschichtlich begründeten Kleinindustriedichte nimmt die gewerbliche Förderung im stattfindenden Strukturwandel einen hohen Stellenwert ein. Die LAGs haben dabei die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen gleichermaßen im Blick. So habe ich am Montag ein Projekt bei der LAG im Vogtland gesehen, bei dem im Schönecker Park ein Bewegungsparcours durch den örtlichen Kneippverein eingerichtet wurde. Ich weiß nicht, ob so etwas jemals in eine starre Förderstruktur gepasst hätte; aber in LEADER ist es möglich, solche Förderprojekte einfach umzusetzen. Die LAG Westerzgebirge führte ein inklusives Tanz- und Musikprojekt durch, und in der LAG Sächsische Schweiz sorgt sich eine mobile Sozialberatung insbesondere um alleinstehende Menschen im ländlichen Raum. Im Elbe-Röder-Dreieck wird ein Verein bei der Unterstützung von Senioren für den barrierefreien Ausbau ihrer Wohnungen gefördert. Die LAG Leipziger Muldenland sensibilisiert Schüler aus Naunhof und Grimma im Planspiel „Jugendkreistag“ für die Verbesserung der politischen Beteiligung Jugendlicher.
All das sind sinnvolle Projekte, die zweifellos zu einer positiven Entwicklung des ländlichen Raums im Freistaats Sachsen beitragen. Dafür ist jeder eingesetzte Euro gut angelegtes Geld.
Wir haben nun – ebenfalls europaweit einmalig – den größten Teil der Mittel unseres Entwicklungsprogramms wieder dem ländlichen Raum zugeordnet. Das sind 40 % bzw. 427 Millionen Euro an Landesmitteln, die von 2014 bis 2020 an Zuschüssen in den ländlichen Raum fließen. 4 400 Projekte für 341,5 Millionen Euro sind im System der Förderung. Die meisten davon sind bewilligt, viele schon fertiggestellt und ausgezahlt. Die restlichen Mittel werden nun bis zum Ende der Förderperiode über die LEADER-Aktionsgruppen ausgewählt oder über vorabgestimmte Vorhaben gebunden.
Wirklich Interessant ist, dass im Vergleich zur vorhergehenden Förderperiode die Fördersätze, die ja von den LAGs selbst bestimmt werden können, sogar gesunken sind. Auch das zeigt den verantwortlichen Umgang. Bislang waren es 67 % Förderung, jetzt sind es nur noch 58 % Förderung. Der durchschnittliche Zuschuss je
Vorhaben ging von circa 111 000 Euro auf circa 71 000 Euro zurück. Das zeigt, wie verantwortungsvoll die Menschen mit dem Geld umgehen, wie zugeschnitten sie möglichst viele Projekte – angepasst an den tatsächlichen Förderbedarf – am Ende umsetzen und bewilligen. Das könnte man so zielgenau und zentral sicherlich nie aussteuern. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass genau das zur Verfügung stehende Budget am Ende auch sehr verantwortungsvoll umgesetzt werden wird.
Wir haben ohne Zweifel mit Bürokratie zu kämpfen. Deshalb haben wir nicht einzelne Vereinfachungsvorschläge für die nächste Förderperiode gemacht, sondern eine komplette EU-Verordnung entwickelt; das ist hier schon mehrmals diskutiert worden und europaweit bekannt; ELER-RESET heißt das Ganze.
Wir wollen eine ergebnisorientierte Förderung noch stärker mit Blick auf Europa umsetzen. Im Grunde ist es unser LEADER-Ansatz, den wir von Sachsen aus in die Regionen gegeben haben: Wir möchten, dass Europa das in die Mitgliedsstaaten und für Deutschland in die Bundesländer gibt. Dass so etwas funktioniert, zeigen wir. LEADER ist bei uns ein sächsisches Programm, umgesetzt von den Regionen. Ich kann mir vorstellen, dass in Zukunft LEADER ein europäisches Programm ist und noch viel stärker mit Freiheiten in den einzelnen Mitgliedsstaaten und Bundesländern umgesetzt werden kann.
Allerdings ist es in dieser Förderperiode logischerweise bei der hohen Bürokratie geblieben. Auch dort haben wir das LEADER-Management nicht alleingelassen. Wir haben die Fördersätze für das LEADER-Management von 80 auf 95 % erhöht. Seit Anfang dieses Jahres gelten standardisierte Einheitskosten bei der Umnutzung und umfassenden Sanierung. Auch das gibt es in keinem anderen europäischen Mitgliedsstaat.
Neu ist auch die Einführung von Regionalbudgets für die LAGs zur Umsetzung von Kleinstvorhaben gerade für den ehrenamtlichen Bereich. Die Förderung erfolgt über die GAK. Die Regionen legen hier nicht nur Inhalt und Höhe der Förderung fest; sie reichen die Fördermittel direkt an den Projektträger weiter.