Protocol of the Session on April 11, 2019

Abschließend, sehr verehrte Damen und Herren: Wenn es Ihnen um das Bekenntnis mehr Güter auf die Schiene ernst ist und es nicht nur Sonntagsreden sein sollen, dann muss schnell und entschlossen gehandelt werden. Die Investition ins Schienennetz muss umgelenkt und der Lkw-Verkehr durch mehr Kostengerechtigkeit reduziert werden. Wenn Sie also mit uns gemeinsam dafür sorgen wollen, dass mehr Güter auf die Schiene kommen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion, Herr Abg. Nowak. Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der heute debattierte Antrag greift ein wichtiges Thema auf, nämlich die Stärkung des Schienengüterverkehrs. Aber wie so oft bei Ihren Anträgen, liebe GRÜNE, schrammt er am Sinnvollen und vor allem am realistisch Machbaren doch gehörig vorbei, und dann soll es wieder einmal nicht ohne Verbote gehen. Ganz ehrlich: Das kann man alles nur aufschreiben, wenn man nicht liefern muss; denn für die meisten der hier geforderten Maßnahmen ist der Freistaat Sachsen überhaupt nicht zuständig. Oder sie sind schon in der Mache. Das zeigt auch die Stellungnahme der Staatsregierung.

Wären wir jetzt im Deutschen Bundestag, könnte man über Ihre Forderungen definitiv besser diskutieren; denn dort gehören sie zu weiten Teilen hin. Besonders absurd finde ich aber die von Ihnen genannten Fristen. Die Staatsregierung soll bis zum 30.06. eine Nutzungsanalyse vorlegen, und zwar für alle Güterverkehrszentren, alle KV-Terminals und auch für die sonstigen Zugangsstellen zum GV. Für die langlaufenden Verkehre sollen Verlagerungspotenziale ermittelt werden. Bis Anfang 2020 sollen auf quasi allen relevanten sächsischen Strecken 740 Meter Überholgleise fertig sein.

Einmal ganz ehrlich: Meinen Sie das eigentlich ernst?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja!)

Wissen Sie, wie aufwendig solche Erhebungen sind, wenn man die richtig macht? Wissen Sie, wie bei den langlaufenden Verkehren die Partner eingebunden werden? Das geht nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern da muss man vor allem mit denen im Ausland verhandeln, gerade wenn man wie Sachsen am Rande liegt.

Das ist jetzt übrigens die Gelegenheit, meinen Kollegen Heinz Lehmann in diese Rede einzubauen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Thomas Baum, SPD)

So wie Heinz Lehmann unermüdlich für den Freistaat Sachsen im Ausschuss der Regionen in Brüssel wirbt und unterwegs ist, müssen wir das auch bei den langlaufenden Güterverkehren machen. So etwas geht nur gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn; denn langlaufende Verkehre innerhalb Sachsens haben wir gar nicht. Wir haben nicht einmal langlaufende Verkehre mit SachsenAnhalt und Thüringen zusammen. Darauf komme ich noch, wenn wir uns mit dem Änderungsantrag des Kollegen Wurlitzer beschäftigen.

Schauen wir uns die Lebenswirklichkeit an. Ich mache das an einem Beispiel deutlich, das Sie explizit im Antrag erwähnt haben – was mich persönlich übrigens sehr freut –, nämlich anhand von CargoBeamer. Diese sächsische Erfindung erleichtert den kombinierten Verkehr, also das Verladen von Lkw-Trailern auf Eisenbahnwagen. Heute funktioniert das so: Sie haben einen Sattelauflieger, der wird mit einem Kran auf den Eisenbahnwagen gehoben. Das geht überhaupt nur mit 10 % der Trailer, die müssen nämlich kranbar sein. Einen ganzen Güterzug so zu beladen dauert vier Stunden. CargoBeamer hat eine Wanne erfunden, in die zieht man die Trailer hinein. Wenn der nicht kranbar ist, dann stehen die Wannen am Gleis bereit. Der Zug kommt ins Terminal. Die Wannen auf den Waggons werden auf die eine Seite entladen und von der anderen Seite kommen die neuen beladenen Wannen. Der Zug ist in 15 bis 20 Minuten wieder abfahrbereit. Das ist eine wirklich tolle Innovation.

Nur, innerhalb Sachsens sind die Strecken viel zu kurz, um das Terminal wirtschaftlich zu betreiben. Es kostet nämlich mindestens 20 Millionen Euro, so ein Terminal zu bauen. Deshalb ist das CargoBeamer-System vor allem dann sinnvoll, wenn die Transportzeiten länger als sieben Stunden dauern. Das hat mit den vorgeschriebenen Lenkzeiten zu tun. Denn erst, wenn der Lkw auf der Straße eine gesetzlich vorgeschriebene Pause machen muss, lohnt sich dieser kombinierte Verkehr auf der Schiene; denn da wird einfach weitergefahren.

Wenn das aber so ist, dann kann man die von Ihnen geforderten Erhebungen nicht nur auf den Freistaat Sachsen beschränken. Dann muss man die Partner ins Boot holen. Das bedeutet deutlich mehr Aufwand. Das ist bis 30. Juni überhaupt nicht zu schaffen.

CargoBeamer und die anderen kombinierten Verkehre funktionieren vor allem bei drei Bedingungen.

Erstens. Die Laufzeit der Verkehre überschreitet auf der Straße sieben Stunden.

Zweitens. Die Topografie zwingt zu Beschränkungen. Weil man mit dem Lkw zum Beispiel nicht unbegrenzt über die Alpen bzw. darunter durchfahren kann, wird die Verladung auf den kombinierten Verkehr schneller attraktiv. Das bedeutet, dass Ihr Sattelauflieger die Alpen auf einem Zug überquert. Das passiert in der Regel durch einen Tunnel, zum Beispiel heute am Gotthardt oder demnächst am Brenner. Das erklärt auch, warum die Österreicher und Schweizer hier erheblich größere Prozentzahlen an Verkehr auf dem Gleis haben.

Am Gotthardt gibt es übrigens eine Lademaßbeschränkung. Nur CargoBeamer erfüllt diese für die kombinierten Verkehre. Deshalb funktioniert das dort besonders gut. Sie kombinieren das mit den langlaufenden Zügen, denn die fahren zwischen dem Rheinland und Mailand.

Wenn so eine Barriere wie die Alpen fehlt, rechnet sich das aber tatsächlich nur über die Lauflänge. Damit sind wir wieder bei erstens.

Drittens. Sie haben auf Ihrer Transportroute einen Spurwechsel. Dann wird nämlich das Umladen bzw. Umspuren durch das System auf 15 bis 30 Minuten verkürzt. Zum Vergleich: Konventionelle kombinierte Verkehre brauchen dafür pro Zug etwa vier Stunden. Das hörten wir schon.

Das bedeutet, solche grenzüberschreitende Verkehre können bei einem Spurwechsel deutlich schneller abgewickelt werden. Damit wird es wirtschaftlicher. Dementsprechend ist es dann sinnvoll, für 20 Millionen Euro so ein Terminal zu bauen.

Aber derzeit ist nicht damit zu rechnen, dass die russische Breitspur bis Görlitz oder Schöna gebaut wird. Das wären nämlich die nächstgelegenen Grenzbahnhöfe. Dahinter geht es mit der in Deutschland gebräuchlichen Normalspur von 1 435 Millimeter weiter. Es bleibt also wieder nur erstens.

Das heißt, wir müssen uns auf die langlaufenden Verkehre konzentrieren. Für Sachsen kann es aufgrund mangelnder Topografie oder mangelnder Spurwechsel nur um diese Züge gehen. Zumindest bis zur Fertigstellung des Erzgebirgsbasistunnels ist das so. Dann hätten wir vielleicht auch ein topografisches Argument. Aber wie wir alle wissen, wird das bis zum 30. Juni 2019 oder 1. Januar 2020 eher nichts.

Wir sollten uns also lieber mit den geltenden Realitäten beschäftigen. Dazu gehört übrigens auch, dass CargoBeamer in Sachsen nur ein Verladeterminal unterhält. Das ist die Anlage am Firmensitz in Engelsdorf. Dort können gerade einmal drei Wagen behandelt werden. Sie dient ausschließlich Demonstrationszwecken. Ein Besuch ist dennoch sehr lohnenswert, weil der Vorgang schon sehr beeindruckend ist.

Die erste Rollende Landstraße hat in den 1990er-Jahren in Sachsen den Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt mit

dem tschechischen Lovosice verbunden. Wir haben das damals eingerichtet, weil sich Massen von Lkw über die B 170 nach Zinnwald und weiter nach Teplice gequält haben. Diese Lkw-Massen waren eine Belastung für Menschen, Verkehrsfluss und Verkehrssicherheit. Mit dem Zug ging alles besser. Die Fahrer konnten an der Stelle gleich noch die Ruhezeit einhalten.

Mit der Fertigstellung der A 17 ist dieser Vorteil weggefallen. Heute wachsen die Verkehre wieder. Also wird das Thema Rollende Landstraße für uns wieder interessanter, nicht nur auf der A 17, sondern vor allem auf der A 4 zwischen Dresden und Görlitz und im weiteren Verlauf auf der A 14 Richtung Leipzig, Magdeburg, Hamburg, Bremen und Ruhrgebiet.

Der Schwerlastverkehr ist hier in den letzten 20 Jahren gestiegen. Jeder, der regelmäßig auf unseren Autobahnen unterwegs ist, kennt die Bilder und ist genervt von Elefantenrennen, Stau und Verstopfung. Lkw-Überholverbote sind dabei nur ein Mittel, um der Sache Herr zu werden. Für sie gelten sehr strenge Bedingungen. Deshalb ist das Thema Rollende Landstraße so spannend.

Wir müssen erreichen, dass der Verkehr für die Pendler, Touristen und vor allem für den Ziel- und Quellverkehr flüssiger rollt; denn dieser wird sich nicht vollständig über die Schiene abwickeln lassen, selbst wenn man Einzelladungsverkehre in Größenordnungen wie zu Reichsbahnzeiten einrichten würde.

Die Sächsische Staatsregierung hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, welche die Einrichtung der Rollenden Landstraße zum Ziel hat. Das geht aber nicht nur zwischen Görlitz und Dresden-Friedrichstadt. Selbst zwischen Görlitz und Glauchau oder Leipzig/Halle, wo es auch KV-Terminals gibt oder wo diese schnell errichtbar wären, ist die Laufzeit noch nicht lang genug. Wir müssen also sowohl mit unseren polnischen Nachbarn als auch mit den Nachbarn im Westen reden.

Ich gehe noch weiter und sage, dass wir auch in Richtung Ukraine und Weißrussland schauen müssen. Dort entstehen neue Logistikhubs. Der Schienengüterverkehr von Russland bis China soll da mit dem europäischen Kernland verbunden werden. Bei Minsk sorgt der Great-StonePark für völlig neue Möglichkeiten. Wenn wir uns mit der Verlagerung von Lkw-Verkehr auf die Schiene beschäftigen, dann müssen wir hier beginnen und müssen uns den gesamten Laufweg anschauen, von Warschau über Krakau, Breslau bis nach Görlitz. Wir müssen mit diesen Partnern ebenso reden wie mit den Zielen am Niederrhein, an den Nordseehäfen, dem Ruhrgebiet und in den Niederlanden. Das macht man aber nicht in sechs bis zehn Wochen. Schon deshalb springt Ihr Ansatz viel zu kurz.

Der zweite Mangel ist die Forderung nach Ausbau auf 740 Meter Überholgleise bis zum 1. Januar 2020. Das ist doch völlig unrealistisch. Haben Sie sich einmal mit den Bedingungen für Infrastrukturausbau in Deutschland beschäftigt? Da geht nichts in acht Monaten, auch wenn mir das oft deutlich zu lange dauert. Das geht schon

deshalb nicht, weil die Bürgerbeteiligung sein muss. Die fordern Sie ja bei jeder Gelegenheit.

Noch einmal zurück zum Einzelladungsverkehr. Den massiven Rückgang der Einzelladungsverkehre über die Anschlussbahnen in die Betriebe gab es von 1999 bis 2005. Das war die Zeit, als Hartmut Mehdorn die Bahn mit Macht an die Börse prügeln sollte. Die damals zuständige Bundesregierung war übrigens eine rot-grüne. Für den Börsengang haben diese Verkehre nur gestört. Also wurde abgeklemmt, was abzuklemmen war. Den massiven Kahlschlag der Einzelladungsverkehre, den Sie hier beklagen, hat genau diese rot-grüne Bundesregierung zu verantworten. Wo waren Sie eigentlich damals?

Es gibt ein sächsisches Beispiel, bei dem dieser Kahlschlag bis heute Auswirkungen hat. In Trebsen gibt es die Firma Mondi. Dort werden auf Papierbasis Säcke für die Baustoffindustrie hergestellt. Das ist eine österreichische Firma. Die Halbzeuge bekommen sie aus Österreich. Das läuft bis zum heutigen Tag so, dass in Österreich pro Woche zwei bis drei Wagen beladen werden. Dann wurden diese mit einem gemischten Güterzug über München-Ost nach Leipzig-Engelsdorf gefahren, von dort über die letzte Meile ins Werk gebracht und da wieder entladen. Nachdem das Werk abgeklemmt wurde, läuft das jetzt so, dass sie immer noch zwei bis drei Waggons pro Woche beladen. Sie fahren damit aber nur noch bis Linz, 80 Kilometer vor Passau. Dort wird auf Lkw umgeladen. Dann wird der ganze restliche Weg bis nach Trebsen ins Werk auf der Straße gefahren. Das ist passiert, weil in der Zeit von 1999 bis 2005 solch ein Kahlschlag erfolgte. Das ist bis heute nicht behoben worden. Das kann man anprangern, und das prangern wir auch an. Aber der Grund liegt nicht in der Untätigkeit der Sächsischen Staatsregierung, sondern in einer falschen Weichenstellung Ende der 1990er-Jahre.

Sie fordern unter Punkt I.3 noch mehr Mischnutzungen für den SPNV. Das ist doch ein völlig untaugliches Mittel. Das Gegenteil muss passieren. Wir brauchen mehr reine Güter- bzw. Personenstrecken.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Dann funktioniert das System mit weniger Fehlern, und alles wird stabiler und durchlässiger.

Natürlich holen Sie in der Begründung auch noch Ihr Elektrifizierungsprogramm aus Landesmitteln aus der Kiste. Bis auf Plauen – Bad Brambach – Eger sind aber alle relevanten GV-Strecken elektrifiziert. An dieser einen Strecke arbeiten wir bereits. Die anderen Dieselstrecken sind bis auf wenige Teilabschnitte für einen sinnvollen Güterverkehr überhaupt nicht nutzbar; denn entweder brauchen wir die Kapazität für den Personenverkehr oder die Topografie ist zu schwierig. Lediglich Dresden – Görlitz könnte interessant sein, weil damit zum ersten Mal seit der Deutschen Reichsbahn wieder sinnvoll Güterzüge fahren könnten, auch als Ergänzung zu Knappenrode – Horka. Aber diese Strecke steht überhaupt nicht

in Ihrem Antrag. Dabei gäbe es hier vor allem Potenzial für eine Rollende Landstraße entlang der A 4,

(Beifall der Abg. Marko Schiemann, CDU, und Thomas Baum, SPD)

zumal Polen ebenfalls bis zur Grenze elektrifiziert. Dann ist eine Relation Minsk – Krakau – Breslau – Dresden nach Glauchau, Bayern oder Leipzig, Halle, Magdeburg, Bremen, Hamburg bzw. Ruhrgebiet absolut realistisch, aber eben nicht bis zum 30. Juni und auch nicht bis zum 1. Juli 2020.

Es gibt noch einige Aspekte mehr, die in Ihrem Antrag mangelhaft sind; auf diese gehe ich gleich noch ein.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Ines Springer, CDU: Ach nö!)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Böhme. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben schon seit sehr vielen Jahren – und es wird immer intensiver –, dass die Straßen in Sachsen immer voller werden und der Verkehr massiv zunimmt – und das, obwohl Sachsen in den letzten 29 Jahren über 1 Million Einwohner verloren hat. Es gibt immer mehr Güter, immer mehr Staus und immer mehr Verkehr auf der Straße, und die Frage ist: Woher kommt das?

Nun ja, es hat viele Gründe. Einer ist zum Beispiel unser alltägliches Konsumverhalten, das immer mehr Güterverkehr verursacht; dazu komme ich gleich. Aber es kommt auch daher, dass wir als Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. Menschen, die zur Arbeit oder zur Schule gehen, immer weitere Wege zurücklegen müssen – in die Schule, zum Arzt oder zu einem größeren Zentrum, weil vor Ort sehr viel weggebrochen ist. Das sind auch die Folgen der Vernachlässigung des ländlichen Raums durch die CDU in den letzten 30 Jahren,

(Andreas Nowak, CDU: Das ist lächerlich!)

die am Ende mehr Verkehr, mehr Lärm und mehr Schadstoffe für uns alle verursacht haben sowie – wir hatten vorhin gerade die Fragestunde dazu – Mehrkosten für die Verkehrsinfrastruktur, worüber man sich nun wiederum beschwert hat. Herr Staatsminister Dulig hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit enorm viele neue Straßen geplant und gebaut wurden, deren Unterhaltung wir uns aber jetzt überhaupt nicht mehr leisten können, weil sie im Zweifelsfall nicht mehr in dieser Dimension gebraucht werden. Das ist ein Problem, das enorme Kosten verursacht, und es braucht eine neue Entwicklung, die auch angegangen wird.

Die Frage ist nur: Wodurch werden unsere Straßen beschädigt, da diese Kosten entstehen? Der schwere Güterverkehr ist einer der Hauptverursacher, der den Ausbau