Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhält mehr Möglichkeiten in der digitalen Welt. Die Mediatheken werden deutlich attraktiver. Das ist ein guter Kompromiss zwischen den Interessen aller Beteiligten.
Der Staatsvertrag soll am 1. Mai 2019 in Kraft treten. Dafür muss der Sächsische Landtag heute seine Zustimmung geben, wofür ich werben möchte.
Meine Damen und Herren! Nun folgt für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Feiks. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Unsere Demokratie braucht starke öffentlich-rechtliche Medien“ – mit dieser Aussage ist ein offener Brief überschrieben, der von 23 Verbänden und Institutionen unterzeichnet wurde, darunter DGB, Zentralrat der Muslime, Bundesverband der Verbraucherzentralen und AWO. Diese Forderung unterstützen wir als LINKE.
Der uns hier vorliegende Telemedienstaatsvertrag versucht zumindest, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken und den Weg ins 21. Jahrhundert zu öffnen. So gibt es eine Erweiterung bzw. Flexibilisierung der Verweildauerfristen in den Mediatheken. Das heißt, in der Regel werden Beiträge, Filme, Dokumentationen etc. künftig 30 Tage statt bisher sieben Tage in der Mediathek verbleiben.
Eine weitere Neuregelung ermöglicht es den öffentlichrechtlichen Anstalten, online sogenannte zeit- und kulturgeschichtliche Archive mit informierenden und bildenden Inhalten anzulegen. Diese Angebote sind dann sogar zeitlich unbefristet zugänglich.
Für die Beitragszahlenden heißt das zusammengefasst: Es gibt für den Rundfunkbeitrag mehr Inhalt. Das wiederum erhöht die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen und stärkt sie im Wettbewerb gegenüber den Privaten und den Streaming-Diensten.
Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten; denn die Verlängerung der Verweildauer hat auch Nachteile. Sie hat Nachteile für Produzentinnen und Produzenten, für Filmschaffende. Denn je länger ihre Dokumentationen und Filme kostenlos in den Mediatheken zur Verfügung
stehen, umso länger haben diese keine Möglichkeiten, ihre Werke zu vermarkten und damit Einnahmen zu erzielen. Der Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Alfred Holighaus, formuliert es sehr drastisch, aber auch sehr passend: „Die Ausweitung der Mediatheken verbaut der mittelständischen Filmwirtschaft regelrecht den Zugang zum Online-Markt.“
Auf diese Einnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Filmschaffenden und Produzenten angewiesen; denn leider ist es nicht so, dass unsere Rundfunkanstalten 100 % der Produktionskosten übernehmen würden. Eine Studie der AG Dokumentarfilm belegt, dass nicht einmal zwei Drittel der in öffentlich-rechtlichen Programmen laufenden dokumentarischen Filme bei Anwendung der sendereigenen Kriterien als voll finanziert gelten: Bei der ARD sind es 57 %, beim ZDF 34 %, bei den Dritten 49 %, bei Arte 81 % der laufenden Dokumentationen, die nicht voll finanziert sind. Konkret heißt das: Die meisten Produzenten legen erst einmal Eigenmittel obendrauf. Frau Czernik und Herr Fricke haben das als Sachverständige in der Anhörung im Fachausschuss ausführlich dargestellt.
Schauen wir zusätzlich auf die Produktions- und die damit verbundenen Lizenzkosten im Verhältnis. Für einen „Tatort“ wenden die Anstalten circa 15 000 Euro Produktionskosten pro Minute auf, für Talkshows zwischen 2 000 und 4 000 Euro. Für Kurzfilme wird lediglich zwischen 100 und 450 Euro je Minute bezahlt, inklusive Lizenzkosten für Einstellung in die Mediatheken – im Ergebnis ein zu deutliches Missverhältnis.
Zum anderen ist unklar, welche Mehrkosten bei einer Vergütung der längeren Verweildauern und bei Vollfinanzierung beispielsweise von Dokumentationen auf die Anstalten zukommen werden. Prof. Hain hat das in seiner Stellungnahme deutlich gemacht. Wenn man sich dann die aktuelle Diskussion um den Rundfunkbeitrag anschaut, weiß ich nicht, wie man diesen Spagat zwischen Gebührenstabilität zum einen und angemessener Vergütung zum anderen hinbekommen möchte.
Zusammengefasst heißt das: Die neue Regelung ist für die Zuschauer sinnvoll. Für Filmemacherinnen und Filmemacher kann sie allerdings existenzbedrohend sein. Die zugehörige Protokollerklärung – Frau Fiedler hat sie erwähnt – ist zwar schön: ARD und ZDF werden aufgefordert, eine angemessene Finanzierung der Produktionen zu sichern. Gleichzeitig wurde aber eben auch wieder der Passus einer Vereinbarung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hineingeschrieben.
Es muss zu Neuverhandlungen der Erstvergütung zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Produzenten kommen. Das liegt bei der ARD seit über einem Jahr ergebnislos auf dem Tisch.
Mit der Verabschiedung des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrags wird sich weiterhin kein Handlungszwang in den Anstalten ergeben. Das Thema bleibt eine Protokollnotiz. Allerdings sollten alle von ihrer Arbeit leben können und nicht draufzahlen müssen. Das
gilt auch für Filmschaffende. Insofern, finde ich, müssen wir als Politiker dranbleiben, damit Regelungen geschaffen werden, die für alle Beteiligten verbindlich sind.
Kommen wir zum nächsten Punkt: dem Versuch, den Streit zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Printmedien beizulegen. Auf den ersten Blick ist es eine gute Sache, dass der Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen OnlineAngebote im audiovisuellen Bereich liegen muss. Das heißt, dass ein Textangebot in Grenzen zulässig ist, aber nicht presseähnlich sein darf. In Streitfällen kommt eine paritätisch besetzte Schlichtungsstelle zum Einsatz.
Das Ganze ist aber eben nur auf den ersten Blick eine gute Sache; denn ich glaube kaum, dass wir mit dem Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag am Ende der Diskussion angekommen sind. Die jetzt getroffene Regelung ist unserer Auffassung nach nicht zukunftsträchtig und schwächt im Kern die ÖffentlichRechtlichen. Wir leben im Zeitalter des Internets, der Medienkonvergenz. Dass man hier zwischen der Art und Weise, wer etwas wie veröffentlicht, trennt, ist überholt.
Wenn die Verleger darauf pochen, dass sonst das eigene Geschäftsmodell gefährdet ist, lässt uns das wirklich aufhorchen. Denn seien wir ehrlich: Haben ARD, ZDF oder die Dritten damals einen Aufschrei veranstaltet, als Zeitungsverlage angefangen haben, eigene Videoformate zu erstellen? – Nein, haben sie nicht.
Die angedachte Schlichtungsstelle ist mit Sicherheit kein Allheilmittel, da dort zum Beispiel eine externe, unabhängige Seite gänzlich fehlt. Mehr noch: Die Privaten haben damit indirekt Einfluss auf die Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ist auch keine Schiedsstelle, wie der ARD-Vorsitzende Wilhelm immer wieder öffentlich betont. Die Stelle spricht Empfehlungen aus. Ob diese dann den Gang vor das Gericht vermeiden, bleibt fraglich.
Ich denke, wir müssen uns mit diesen Problematiken weiterhin beschäftigen. Der technologische Fortschritt, das Medienkonsumverhalten der Menschen zwingen uns dazu.
Zusammenfassend will ich sagen: Es wurde Zeit, dass der Telemedienauftrag neu definiert wurde. Allerdings weist der uns vorliegende Entwurf des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrags mehrere Schwachstellen auf, die aufzeigen, dass wir noch lange nicht am Ende der Diskussion angekommen sind. Deshalb werden wir uns heute enthalten.
Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abg. Panter. Bitte, Herr Panter, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben schon in der letzten Plenarsitzung in einer Aktuellen Debatte über den
diskutieren wollen. Damals ging es aber eher allgemein um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deshalb bin ich froh, dass wir uns heute ganz konkret auf den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag beziehen können. Meine beiden Vorrednerinnen haben das schon sehr ausführlich getan.
Deshalb möchte ich erst einmal ganz generell sagen, dass wir als SPD-Fraktion in dem Staatsvertrag eine deutliche Verbesserung zum Status quo sehen. Es mag nicht der Weisheit letzter Schluss sein, das ist klar. Aber in Anbetracht der Ausgangslage, also einer langen und schwierigen Diskussion zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den privaten Verlegern sowie einer Einigungsnotwendigkeit zwischen 16 Bundesländern, ist der vorliegende Staatsvertrag am Ende ein klarer Fortschritt.
Bevor die AfD sicher wieder die heutige Debatte nutzen wird, um eine Generaldebatte zu beginnen, ist es schön, dass wir noch ein wenig beim Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag bleiben können. Kritisch diskutiert wurden da insbesondere drei Punkte.
Der erste Punkt war das Verbot der Presseähnlichkeit. Dieses Verbot sehen auch wir kritisch. Wir hätten uns da mehr gegenseitige Konzilianz zwischen den Medienvertretern gewünscht. Es wäre schön, wenn dieses Verbot jetzt zu einem Ende der Kämpfe zwischen privaten Verlegern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten führen würde. Denn während sich die maßgeblichen deutschen Player immer wieder vor Gerichten wiederfinden und dadurch wertvolle Zeit verlieren, ist es so, dass die Hauptkonkurrenz der Medien in Deutschland nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgeht, sondern vor allem internationale Medienakteure heute dieses Feld bespielen und uns deshalb Probleme machen. Die nationalen Scheinkämpfe sollten deshalb jetzt ein Ende finden, damit wir uns den wirklich wichtigen Entwicklungen widmen können.
Dazu gehört auf nationaler Ebene auch die Frage der Produzentenvergütung. Kollegin Feiks hat das sehr ausführlich dargestellt. Da gibt es viele Punkte, die wichtig sind. Aber man muss – das wäre mein zweiter Punkt – auch betonen, dass es da in den letzten Jahren Fortschritte gab, dass wir einen deutlich stärkeren Fokus auf der Produzentenvergütung haben und dass gerade wir als sächsische Sozialdemokraten immer wieder in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in den Rundfunkräten, ein deutliches Augenmerk darauf gerichtet haben. Deshalb ist das ein ganz wichtiges Anliegen. Es ist gut, dass es eine Protokollnotiz dazu gibt und der richtige Weg eingeschlagen wird. In einem Staatsvertrag selbst lässt sich das wirklich nur schwer regeln.
An der Diskussion zur Produzentenvergütung werden wir uns auf jeden Fall auch in Zukunft intensiv beteiligen, weil das ein wichtiges Anliegen ist. Die Prozentsätze wurden eben genannt.
Ein dritter Kritikpunkt betrifft die Schiedsstelle. Die Kritik an dieser neu zu schaffenden Schiedsstelle halten wir für überzogen. Es ist natürlich eine Schiedsstelle, die Gefahren birgt. Sie ist paritätisch besetzt. Das ist richtig. Aber man muss sehen, in welchem Umfeld sie entstanden ist. Nach diesen – wie schon angesprochen – langen und schwierigen Diskussionen, den Prozessen, die geführt wurden, ist es doch aus meiner Sicht ein ganz klarer Fortschritt, dass dort an einem anderen Ort jenseits von deutschen Gerichten diskutiert werden soll, bevor diese angerufen werden.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Schiedsstelle erst einmal versuchen muss, alle Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Deshalb ist es richtig, dass dort die privaten Verleger vertreten sind.
Wenn die langwierigen und kräftezehrenden Prozesse jetzt endlich ein Ende finden, dann ist das Ganze eine Chance, die genutzt wurde. Wenn wir es zusätzlich schaffen, dass das in Leipzig residierende Medienschiedsgericht damit an Bedeutung gewinnt, dann wäre das für uns in Sachsen ein deutlicher Gewinn. Wir wollen diesbezügliche Bestrebungen, die auf der Ebene der Staatskanzlei erfolgen müssen, gern nach unseren Möglichkeiten unterstützen.
Neben den jetzt kritisierten Punkten möchte ich ganz kurz die Verbesserungen ansprechen. Sie klangen schon an. Sie dürfen aber nicht untergehen, wenn man auf den Gesamtkompromiss schaut. Dass endlich die Telemedien als neue Mediengattung definiert wurden, ist ein ganz wichtiger Schritt. Dass die Verweildauern ausgeweitet wurden – teils auf 30 Tage, bei Sportereignissen auf sieben Tage –, ist ebenso wichtig. Dass Sendungen vor Ausstrahlung online gestellt werden können, ist auch wichtig. Sendungen dürfen auch ausschließlich für die Onlineverwendung produziert werden. Auch die Nutzung von Drittplattformen wird explizit erlaubt. Die Vernetzung und Verlinkung des öffentlich-rechtlichen Systems und die Vereinfachung der Dreistufentests wird erlaubt.
Zu guter Letzt noch ein wichtiger Punkt: Auch bisherige Telemedienkonzepte, die immer durch eine sehr intensive Arbeit in den Rundfunkräten ermöglicht wurden, gelten weiter.
Insgesamt ist der Staatsvertrag eine aus unserer Sicht notwendige Weiterentwicklung der bisher vollkommen unzureichenden Situation im Telemedienbereich. Wir sind nicht mit allem vorbehaltlos einverstanden. Aber das liegt in der Natur eines Kompromisses. Insofern werden wir als SPD diesem Staatsvertrag zustimmen.
Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Frau Abg. Wilke. Bitte sehr, Frau Wilke, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Und wieder reden wir über den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.
Leider ist daran nichts wirklich Neues. Es ist lediglich eine Fortschreibung auf der schiefen Ebene. Deshalb bleibt auch der 22. Versuch, die Medienpolitik unseres Landes mit den klaren Vorgaben unseres Grundgesetzes in Einklang zu bringen, vergebliche Liebesmüh. Von Logik und vernünftiger Ordnungspolitik findet sich in diesem Dokument keine Spur. Von einer demokratischen Informations- und Meinungsbildung kann keine Rede sein.
Statt dessen versuchen die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem 22. Staatsvertrag wieder einmal, mit neuen Fristen, mit Abgrenzungen und einer Schiedsstelle ihre Pfründe zu sichern und ihre Marktanteile auszuweiten, um alle anderen Medien kleinzuhalten.
Ein Beispiel ist die Tagesschau-App. Diese bewirkt, dass andere Nachrichten-Apps wie „SPIEGEL ONLINE“ oder „FOCUS Online“ Marktanteile an die öffentlichrechtliche Grundversorgung verlieren. Wo ist das eine Grundversorgung, wenn private Nachrichten-Apps durch Öffentlich-Rechtliche klein gehalten werden? Das ist doch wohl eher eine Überversorgung. – Oh, ich berichtige mich: Wir nennen es ja neuerdings einen Funktionsauftrag, wie findige Juristen herausgefunden haben. Übrigens rettet der Eiertanz um den Begriff der Presseähnlichkeit die notleidenden Printmedien, also unsere Zeitungen, auch nicht.
Deutlich zu spüren ist die weitere Entfesselung der nicht neutral berichtenden Öffentlich-Rechtlichen. Sie wollen überall möglichst unbehindert mitmischen. Ich zitiere aus der Untersuchung des Medienwissenschaftlers Michael Haller, der – selbst eher links und ehemaliger „SPIEGEL“-Redakteur – für die Otto-Brenner-Stiftung gut 30 000 Artikel über die Migrationskrise 2015 untersuchte. Sein Fazit: „Statt als neutrale Beobachter die Politik und deren Vollzugsorgane kritisch zu begleiten und nachzufragen, übernahm der Informationsjournalismus die Sicht und auch die Losungen der politischen Elite. Die Befunde belegen die große Entfremdung, die zwischen dem etablierten Journalismus und Teilen der Bevölkerung entstanden ist.“
Wie kommt es zu solchen Befunden? Das RelotiusPhänomen allein, sich als Journalist die Wahrheit zurechtzubiegen, kann es nicht sein. Es ist die staatlich verbürgte Übermacht, das Monopol eines einzigen Wettbewerbers, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 8 Milliarden Euro Zwangsgebühren für eine Anbietergruppe müssen ganz einfach Folgen haben. Von einem solchen Knüppel konnte selbst Propagandaminister Goebbels nur träumen.