Um hier konsequent handeln zu können, ist die Fertigstellung der baulichen Einrichtung Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam nur folgerichtig. Hierfür haben wir jetzt den Gesetzentwurf zur Regelung des Vollzugs der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams im Freistaat Sachsen, mit dem wir die rechtlichen Grundlagen für die Abschiebehaft und den Ausreisegewahrsam im Freistaat schaffen. Mit dem Gesetz überführen wir eine bundesgesetzliche Regelung des Asylgesetzes in Landesrecht. Ebenso werden europarechtliche Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung mit dem Gesetzentwurf umgesetzt.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass es sich beim Ausreisegewahrsam und der Abschiebehaft um eine Ultima Ratio des Staates zur Durchsetzung der Abschiebung handelt. Dies darf freilich nur nach sorgfältiger Einzelfallprüfung und richterlicher Anordnung geschehen und ist auf die kürzeste mögliche Dauer zu beschränken. Die Regelung zum Vollzug des Ausreisegewahrsams und der Abschiebehaft sind im Gesetz so gehalten, dass die Belastungen durch die Gewahrsamnahme bzw. die Haft für die Betroffenen so gering wie möglich ausfallen, dem Staat aber gleichzeitig ein Instrument zur Verfügung steht, mit dem er seine Handlungsfähigkeit zur konsequenten Durchsetzung der Ausreisepflicht wahrt.
Denn eines bleibt festzustellen, und das wurde auch in der Anhörung sehr deutlich herausgearbeitet: Bei der vollziehbaren Ausreisepflicht ist der weitere Aufenthalt in der Bundesrepublik ein rechtswidriger Status. Insofern sind Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft in gewisser Weise
Instrumente, mit denen die Rechtsförmigkeit in der Aufenthaltsfrage wiederhergestellt werden kann. In diesem Zusammenhang will ich gern Herrn Dr. Fritsch, einen der Sachverständigen aus der Anhörung zitieren: „Es ist nicht so, dass Personen in Abschiebehaft sitzen, die nicht wüssten, warum sie in Abschiebehaft sitzen, sondern sie haben hier kein Aufenthaltsrecht, sind ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Das wurde über mehrere Instanzen schon gerichtlich überprüft. Dann kommt die Ultima Ratio, wenn man sie anders außer Landes bringen kann.“
An dieser Stelle gibt es kein, wie von der Opposition immer wieder gefordertes, milderes Mittel mehr, denn zu diesem Zeitpunkt haben alle anderen Maßnahmen schon nicht mehr gegriffen. Dies ist auch der klare Unterschied zur Strafhaft. Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft sind keine Sanktionsmaßnahmen, sondern eine Ultima Ratio, ein Mittel zur Durchsetzung der vollziehbaren, nicht der einfachen Ausreisepflicht. Dieser Unterschied schlägt sich natürlich in der Unterbringung und im Umgang mit den untergebrachten Personen nieder. Hierzu trifft das Gesetz umfangreiche Regelungen, mit denen sichergestellt wird, dass einerseits in der Einrichtung ein Leben so nahe wie möglich am Leben in der Freiheit stattfindet, andererseits das Trennungsgebot klar befolgt wird.
Abschiebungshaft ist keine irgendwie geartete Gefahrenabwehr oder Strafhaft. Der einzige Zweck der Haft ist die Sicherung der Abschiebung, also die Sicherung des Verwaltungsvorgangs der Vollstreckung, jemanden außer Landes zu bringen, und nichts weiter. Es handelt sich um eine verwaltungsrechtliche Vollstreckungsmaßnahme, wie auch der Sachverständige Volker Gerloff betonte. Eine Vielzahl der von den Sachverständigen in den Anhörungen angesprochenen Punkte findet sich im Gesetzentwurf der Staatsregierung, und weitere wichtige sachdienliche Hinweise sind in den gemeinsamen Änderungsantrag der CDU/SPD-Koalition eingeflossen.
So wurde der Zugang zur ausländerrechtlichen Rechtsberatung verbessert, Datenschutzbestimmungen für Überwachungsmaßnahmen konkretisiert, die Freizeitgestaltung erweitert, der Umgang mit Mobiltelefonen sichergestellt, der Zugang zu anerkannten Hilfsorganisationen erleichtert, die Religionsausübung flexibler geregelt sowie die Regelung zum Beirat konkretisiert. Mit diesen Änderungen im Gesetz wird der Betrieb des Ausreisegewahrsams und der Abschiebeeinrichtungen sicherer und die Unterbringungsbedingungen werden weiter verbessert.
Alles in allem bietet das Gesetz damit aus unserer Sicht ein vernünftiges Paket. Der Staat erhält mit dem Ausreisegewahrsam und der Abschiebehaft ein wirksames Instrument zur konsequenten Durchsetzung von Abschiebungen, während gleichzeitig die Einschränkungen für die Betroffenen so gering wie möglich gehalten werden.
Das tut mir leid, das hat wohl jetzt an mir gelegen. Ich habe es leider nicht wahrgenommen. Ich bitte um Vergebung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute erneut über Abschiebehaft diskutieren, denke ich an die Menschen, um die es im Kern geht. Ich appelliere an dieser Stelle an das Bewusstsein, dass es hier eben nicht um trockene Buchstabenkonglomerate, um Gesetzestexte geht, sondern um Menschen – Menschen, die nichts getan haben, außer in der reichen Bundesrepublik Schutz zu suchen, Menschen die hier hergekommen sind, um ein neues Leben zu beginnen, Menschen, die sich, ja, über bestehende Regeln hinweggesetzt haben – heute Morgen wurde darüber diskutiert –, ihren Weg und ihr Ziel gesucht haben, Menschen, die sich Abschiebungen entziehen, weil sie den Weg zurück in ihre krisengeschüttelten Herkunftsländer nicht gehen wollen.
Und ja, solange es für die Mehrheit der Geflüchteten keine legalen Einreisewege gibt, wenn Seenotrettungsschiffe abgewiesen werden und wenn sie die Chancen auf Asylgewährung – das wird hier viel zu selten betont – durch permanente Gesetzesverschärfung immer weiter minimieren, sind Rechtsbrüche vorprogrammiert. Sie sind eine Art Überlebensstrategie der Betroffenen.
Im vergangenen Jahr hat die Mehrheit in diesem Haus das Gesetz zum Vollzug des Ausreisegewahrsams auf den Weg gebracht. Darauf setzt der hier vorliegende Gesetzentwurf auf und regelt die Abschiebungshaft und konkret den Vollzug.
Wir sagen an dieser Stelle klar: Dieses Vorhaben halten wir für einen großen politischen Fehler. Es bestärkt den dumpfen rassistischen Mob auf der Straße und hier im Parlament und ermutigt nicht zuletzt die Ausländerbehörden im Freistaat, von diesem menschenfeindlichen Instrument stärker Gebrauch zu machen.
(André Barth, AfD: Das ist eine ekelhafte Unverschämtheit von Ihnen! – Marco Böhme, DIE LINKE: Das ist nur die Wahrheit, Herr Barth! – André Barth, AfD: Aber nur die Wahrheit von Ihnen, Herr Böhme!)
Denn wir wissen: Seitdem sich auch Sachsen durch Gerichtsurteile und nicht von sich aus der EU-Norm zum korrekten Vollzug der Abschiebehaft gebeugt hat, ist die Zahl der Menschen, die in Haft genommen wurden, rapide zurückgegangen.
Nun noch kurz zu Herrn Hartmann: In den Jahren 2013 und davor lag die Zahl der Geflüchteten deutlich niedriger als im Jahr 2015, und die Abschiebehaftzahlen waren viel höher, als sie selbst 2013 mit 203 Menschen, die zu diesem Zeitpunkt in Sachsen inhaftiert waren, noch gelegen hatten. In den letzten Jahren waren es noch knapp 30 Menschen, die aus Sachsen in anderen Bundesländern inhaftiert wurden.
Wir als LINKE lehnen Haft zur Durchsetzung eines Verwaltungsaktes – das wurde vorher schon ausgeführt – ganz entschieden ab. Der Entzug der Freiheit ist eines der schwersten Grundrechtseingriffe. Haft zur Sicherung einer Abschiebung ist nichts anderes als unverhältnismäßig. Es klang im vorherigen Redebeitrag ein wenig so, als wenn hier über 11 000 Menschen mit Duldung inhaftiert werden sollen. Das geht rechtlich nicht, das ist nicht verhältnismäßig und auch nicht geboten. Nicht zuletzt kennen die Menschen, die betroffen sind – ich hatte am Anfang dazu aufgerufen, daran zu denken, dass es um Menschen geht –, den Unterschied zwischen Strafhaft und Abschiebehaft nicht.
So ging es auch Herrn Sadiq, der 2014 noch in der JVA Dresden inhaftiert war. Ich zitiere ihn: „Ich bin den ganzen Weg für meine Frau und meine Kinder gegangen – und dann empfängt uns die deutsche Polizei mit innerer Ablehnung und mit Hass, dessen Grund ich nicht kenne, als ob ein geflüchteter Mensch ein Verbrecher wäre, den sie gefunden haben, um ihm Handschellen anzulegen, in Anwesenheit meiner Kinder.“ Herr Sadiq hat übrigens anschließend einen Aufenthalt bekommen, nachdem er mehrere Wochen in Abschiebehaft gesessen hatte.
Wir wissen, dass Freiheitsentzug Menschen krank macht. 90 % einer Studie des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes gaben an, an psychischen Belastungen zu leiden. Dazu noch ein Zitat eines Herrn Rafiq, der vor 2014 ebenfalls hier in Dresden inhaftiert war: „Die Trennung von meiner Familie machte mich gleichgültig. Ich sah keinen Grund mehr, meine Medikamente gegen Diabetes zu nehmen.“ Nicht nur das – nach Angaben der antirassistischen Initiative Berlin gab es in den vergangenen 25 Jahren 79 Suizide und 743 Fälle von Selbstverletzungen von Geflüchteten in Haft, hierbei hauptsächlich in Abschiebehaft. Erst kürzlich – vielleicht hat es jemand von Ihnen gelesen – hat sich in Büren, wo auch der Freistaat Sachsen Abschiebehaft vollzieht, ein 41-jähriger Mann selbst getötet. Er war psychisch labil, laut Facharzt nicht reisefähig, aber ein Amtsarzt hat die Diagnose korrigiert. Seine wortwörtlich letzte Station war die Abschiebehaft.
Wir wissen auch, dass in der Vergangenheit 85 bis 90 % der Haftbeschlüsse von Amtsgerichten, die dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung vorgelegt wurden, fehlerhaft waren – unter anderem, weil sie rechtsstaatliche Garantien
der Betroffenen verletzten – und dies bei so einem sensiblen Thema wie dem Freiheitsentzug, wohlgemerkt: ohne Straftat! Der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch sagt dazu: „Jeder Zweite sitzt zu Unrecht in Abschiebehaft. Beträfe dies deutsche Eierdiebe, würden das die Verantwortlichen politisch nicht überleben. Aber diese Gefangenen in Abschiebehaft haben überhaupt keine Lobby.“
Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen heraus verwehren wir uns als LINKE – das will ich hier klar sagen – einer gestaltenden Einflussnahme auf die Vollzugsgestaltung über den parlamentarischen Weg. Wir verwahren uns gegen diesen inhumanen Unfug, der zudem auch noch ganz schlecht umgesetzt ist.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle auf zentrale Kritikpunkte des vorliegenden Gesetzentwurfes eingehen, die auch in der Anhörung im März von einer großen Zahl Sachverständiger moniert wurden. Zwar hat die Koalition, wie schon angesprochen, versucht, einige Kritikpunkte aufzunehmen, mögliche Verbesserungen stellen sich damit allerdings nicht ein. Dazu wäre erstens der geplante Vollzug von Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft in der Hamburger Straße zu nennen. Der Deutsche Anwaltsverein hat in seiner umfangreichen Stellungnahme ganz klar darauf hingewiesen, dass diese Praxis unzulässig ist. Denn Ausreisegewahrsam muss nach Wortlaut seiner gesetzlichen Grundlage im Aufenthaltsgesetz im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft erfolgen und darf eben nicht aus einem Gefängnis heraus vollzogen werden. Da nutzen auch die implementierten Klarstellungen im Änderungsantrag zur freiwilligen Ausreise nichts.
Zweitens wird dem Grundsatz, nach dem Abschiebehaft vollzogen werden soll, nämlich „normales Leben minus Freiheit“, weiterhin nicht Rechnung getragen. Die Bewegungsfreiheit in der Einrichtung sowie in den Außenbereichen wird trotz Änderung weiterhin über Gebühr reglementiert. Sie haben nur einer begrifflichen Änderung einer minimalen Untergrenze in § 7 Ausdruck verliehen. Das reicht jedoch nicht aus; das ist nicht klar.
Zudem dürfen die baulichen Gegebenheiten des Abschiebegefängnisses nicht über Bewegungsfreiheit entscheiden, sondern das Gefängnis muss so gebaut werden, dass maximale Bewegungsfreiheit ermöglicht wird. Man kann dieses Thema noch weiterführen. Beispielsweise bleiben die Besuchszeiten weiterhin ohne Grundlage reglementiert. Warum? Das entspricht nicht dem Abstandsgebot gegenüber dem Strafvollzug.
Ebenso bleibt der Zugang zu Informationen eingeschränkt. Wie im Strafvollzug ist kein WLAN vorgesehen – anders als in anderen Bundesländern, die Abschiebehaft vollziehen. Auf Anregung aus der Anhörung sollen jetzt zwar Mobilfunk-Endgeräte ohne Kamerafunktion zugelassen werden. Dass die Inhaftierten sich diese jetzt allerdings selbst kaufen müssen angesichts ihrer Einkommenssituation, kann nicht ernst gemeint sein. Das wird definitiv zu Konflikten und Ungleichbehandlungssituationen in der Einrichtung führen.
Unverändert geblieben – das ist sogar noch drastischer – ist trotz Kritik der Sachverständigen des Sächsischen Flüchtlingsrates Jörg Eichler, des DAV sowie des Rechtsanwalts Volker Gerloff, der bereits zitiert wurde, die Beschränkung der Gesundheitsversorgung auf die
Schmerz- und Akutbehandlung nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Dies genügt dem Grundrecht auf eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung nicht, so Herr Gerloff in seiner Stellungnahme. Auch der DAV kritisiert, dass die freie Arztwahl weiterhin eingeschränkt bleibt. Nicht zuletzt soll die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfen auf eigene Kosten erfolgen. Ich habe bereits auf den Suizid in Büren hingewiesen; genau das war auch dort der Hintergrund, nämlich die psychische Situation des Betroffenen. Hinzu kommt außerdem – da kann man sicherlich unterschiedlich interpretieren –, dass die Koalition die gesundheitliche Versorgung nun mit der Einfügung eines Passus „bei Bedarf“ scheinbar auch noch weitere Einschränkungen oder Reglementierungen vornehmen will.
Kommen wir nun zum sensiblen Thema der Schutzbedürftigen inklusive der Minderjährigen: Das Minimum wäre gewesen, diese vulnerablen Gruppen von der Abschiebehaft auszunehmen. Dass es nur um ein Screening auf Schutzbedürftigkeit bei der Aufnahme in das Abschiebegefängnis geht, versteht sich eigentlich von selbst. Das ist jetzt nachgebessert worden. Hier wäre allerdings in § 3 eine Ausdifferenzierung der Definition, was Schutzbedürftige sind – nämlich nach Artikel 21 EUAufnahmerichtlinie auch zur Klarstellung für diejenigen, die das dann vollziehen –, wichtig gewesen. Wir wissen, dass die Gruppen vielfältig sind und weit über Minderjährige und Kranke hinausgehen. Für uns gilt aber auch hier grundsätzlich: Wer schutzbedürftig ist, darf nicht inhaftiert werden.
Als positiv erachten wir die Veränderungen bei der schon angesprochenen unbeaufsichtigten Besuchsmöglichkeit durch NGOs und den verbesserten Zugang zum Recht für die Inhaftierten. Darauf hat selbst der Vertreter des Bundesinnenministeriums in der Anhörung hingewiesen. Wir empfehlen hinsichtlich der Rechtsberatung, der Empfehlung des DAV zu folgen und proaktiv eine regelmäßige, durch den Freistaat finanzierte Rechtsberatung bzw. Sprechstunde auch in der Abschiebevollzugsanstalt anzubieten. Dies gebietet schon die hohe Zahl der erwähnten rechtswidrigen Haftanordnungen.
Als schwierig und das Trennungsgebot zwischen Strafvollzug und Abschiebehaft missachtend klassifizieren wir weiterhin auch nach dem Änderungsantrag die im gesamten Gesetzentwurf enthaltenen Grundrechtseingriffe, etwa in das Post- und Fernmeldegeheimnis sowie in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die umfassenden Überwachungsmaßnahmen sind aus Sicht mehrerer Experten nicht hinreichend begründet, weil sie auch nicht begründbar sind – jedenfalls nicht so pauschal, wie es im Gesetzentwurf gemacht wird. Die inhaftierten Geflüchteten sind eben keine Straftäterinnen und Straftäter.
Last but not least kommt zum Ende hin noch ein weiterer großer Hammer, den einige vielleicht übersehen oder bewusst durchgelassen haben: Mit dem Änderungsantrag im Innenausschuss hat die Koalition den vorgesehenen Beirat, der in das vorige Gesetz zum Ausreisegewahrsamsvollzug erst eingefügt wurde, im Nachhinein erheblich beschnitten. Trotz der veränderten Besetzung, die jetzt vorgesehen ist, bleiben staatliche, offizielle Akteure in der Überzahl. Was noch schwerer wiegt, ist die Beschneidung der Möglichkeiten der einzelnen Beiratsmitglieder. Deren autonomes Agieren wird mit der neuen Formulierung in § 40 der Boden unter den Füßen weggezogen. Damit fallen die Kompetenzen der Beiratsmitglieder selbst hinter die der JVA-Beiräte zurück. Das können Sie im Strafvollzugsgesetz nachlesen.
Die Zielrichtung dürfte relativ klar sein: Es geht darum, Kritik mundtot zu machen, um dies mit einer gesicherten Mehrheit staatlicher Akteure im Beirat wegzustimmen. Das zeigt wohl auch, wie viel Angst der größere Teil der Regierungskoalition vor diesem doch eigentlich zahnlosen Gremium hat.
Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Schluss noch einmal etwas Grundsätzliches. Abschiebungshaft ist ja kein neues Instrument. 2008 wurde sie in der EURückführungsrichtlinie EU-weit normiert. Diese Richtlinie wurde von lateinamerikanischen Staatschefs damals zu Recht als „Richtlinie der Schande“ bezeichnet.
Die EU-Rückführungsrichtlinie – ich weise zum wiederholten Male darauf hin – legt zwar die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für den Vollzug von Abschiebehaft fest und will das europaweit sozusagen angleichen. Sie zwingt die Mitgliedsstaaten aber keineswegs, dieses Instrument auch anzuwenden. Der einzig sinnvolle politische Schritt wäre es, die §§ 62 ff. im Aufenthaltsgesetz einfach abzuschaffen und auf das Instrument der Abschiebungshaft zu verzichten. Wir brauchen das nicht, wir müssen das nicht anwenden.
An die SPD gerichtet wiederhole ich das, was ich auch im letzten Jahr hier formuliert habe: Dass Sie der Wiedererrichtung eines eigenen Abschiebeknastes in Sachsen auf den Weg verhelfen werden, finde ich besonders bitter. Vor wenigen Jahren waren es SPD-regierte oder SPDmitregierte Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Schleswig-Hostein, Niedersachsen und Baden-Württemberg, die die Abschiebehaft grundsätzlich abschaffen wollten, die Bundesratsinitiativen starten wollten oder gestartet haben. In diesem Sinne: Versagen Sie diesem Gesetz der Schande Ihre Zustimmung!
klarstellen, Frau Kollegin Nagel, dass der bei Ihnen gewonnene Eindruck, dass es uns darum gehe, 11 700 Menschen zu inhaftieren, völlig am Thema vorbeigeht. Unser Ziel ist es, für jene, die sich bis zum Zeitpunkt nach Abschluss eines umfassenden rechtsstaatlichen Verfahrens einer freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet entzogen haben und sich damit rechtswidrig auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaats Sachsen, aufhalten und durch mangelnde Mitwirkung und Bereitschaft, hier den rechtsförmlichen Zustand herzustellen, als Ultima Ratio für den konkret anstehenden Vollzug der Ausreise, nämlich zur Vollstreckung der Ausreisepflicht, in eine Ausreisegewahrsams- respektive Abschiebehaftanstalt gebracht werden – für den beschränkten Zeitraum des Vollzuges der Vollstreckung.
Ich möchte noch einmal klarstellen: Wir reden über eine Abschiebehaftanstalt oder eine Ausreisegewahrsamseinrichtung und nicht über einen Abschiebeknast. Das ist dem Thema nicht angemessen.