Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir fordern in unserem Antrag die Staatsregierung auf, die Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen zur Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich zu unterstützen. Sieben Bundesländer – von 16 – wollen den Ausbau der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden im Bildungsbereich.
Es stehen im Bildungsbereich große Herausforderungen vor uns. Wir haben in den letzten Tagen, Wochen und Monaten sehr intensiv hier im Parlament und darüber hinaus über das Thema Lehrermangel diskutiert. Das ist ein großes Thema bei uns im Freistaat Sachsen. Aber wir haben im Freistaat Sachsen noch wesentlich mehr und andere Probleme, die wir lösen müssen, weshalb eine Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen aus unserer Sicht zwingend notwendig ist.
Ich will einige nur aufzählen und einige kurz benennen. – Es geht um die Herausforderungen in der frühkindlichen Bildung; denn – wir alle wissen es – auf den Anfang kommt es an. Die frühkindliche Bildung spielt im Freistaat Sachsen noch nicht die Rolle, die sie eigentlich spielen müsste, um gute und vernünftige Grundlagen zu legen.
Wir haben in der letzten Woche vom neuen Ministerpräsidenten gehört – sicherlich nicht nur, weil sein Kind noch in den Kindergarten geht, sondern weil er als Ministerpräsident natürlich das ganze Land im Blick hat –, dass auch er dafür ist, dass es dort eine Verbesserung, eine Steigerung gibt. Allerdings reicht es nicht aus, darüber zu reden, sondern man muss handeln und auch in diesem Bereich Umsetzungen durchführen. Das bietet Ihnen unser heutiger Antrag.
Es geht des Weiteren im Freistaat Sachsen natürlich um das Thema inklusive Bildung, um die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf und auch der behinderten Kinder und Jugendlichen. Insoweit stagnieren wir im Freistaat Sachsen vollständig. Von Inklusion kann in Sachsen noch keine Rede sein.
Wir sind immer noch im Status der Integration und bei der derzeitigen Situation sehe ich auch nicht die Möglichkeit, dass wir wirklich zur Inklusion kommen, wenn es nicht zusätzliche Unterstützung gibt. Es geht um räumliche, finanzielle und personelle Ausstattung in allen Bereichen: Kita, Schule, Hochschule, ja, auch in der Weiterbildung. Es geht um Mittel für den Schulhausbau. Es geht um die Mittel für den Kita-Ausbau und natürlich auch für die Sanierung und den Ausbau von Hochschulen. Wir brauchen für die Ausbildung und für die Bezahlung des pädagogischen Personals mehr Mittel und Geld. Darüber haben wir in den letzten Tagen ausführlich diskutiert in unterschiedlichen Varianten. Wir schauen mal, welche Vorschläge uns das Gremium vielleicht Ende Januar machen wird.
Wir brauchen aber auch eine Weiterentwicklung beim Thema Ganztagsangebote zu Ganztagsschulen. Da geht es um Quantität, aber vor allen Dingen um Qualität – ich will das jetzt nicht ausbauen –, wir haben im letzten Plenarmonat ausführlich hier im Parlament zum Thema Ganztagsangebote und Ganztagsschulen gesprochen. Es geht ganz klar, keine Frage, um den Ausbau der digitalen Bildung, aber nicht nur darum, sondern auch um die Medienkompetenz. Das ist für uns als Fraktion DIE LINKE ein besonderer Schwerpunkt, weil wir dort für die Schülerinnen und Schüler sehr, sehr viel zu tun haben. Allerdings gehört dazu natürlich auch die Grundausstattung mit entsprechender Technik an den Schulen. Wenn man sich für den beruflichen gymnasialen Bereich, Berufsschulzentren mit gymnasialer Ausbildung, streiten muss, ob sie nun diesen Taschenrechner oder jenen nehmen dürfen, weil angeblich laut Kultusministerium der einfache ausreicht und damit auch die Prüfung erfüllt werden kann, ist das eine Ebene, über die wir eigentlich nicht diskutieren müssen, sondern wir müssen es tun, wir müssen dafür handeln.
Das Thema, das ich jetzt anspreche, ist zwingend notwendig, weil es um die Sicherung und den Ausbau der Schulsozialarbeit geht. Darüber haben wir hier im Parlament lange diskutiert. Die Mittel, die wir zurzeit im Haushalt haben, werden nur ausreichen, um die Mittelschulen auszustatten. Das heißt, es ist zwingend notwendig, eigentlich schon zur Mitte des nächsten Schuljahres, hier wesentlich mehr Geld in die Hand zu nehmen, und jedes Beispiel, das wir hier benennen, zeigt, dass dort zusätzlicher Ausbau notwendig ist. Wir halten es für zwingend notwendig, dass die Gewährleistung des Rechts auf Bildung auch für geflüchtete Kinder und Jugendliche ausgebaut werden muss. Die Integration von Kindern und
Jugendlichen muss wesentlich ausgebaut werden. Es kann nicht sein, dass wir immer noch Jugendliche über 18 Jahre nicht in eine vernünftige Ausbildung bekommen. Bei den Beispielen will ich es belassen, aber es gibt noch wesentlich mehr.
Herr Staatsminister, ich lese die Stellungnahme, die Ihr Haus geschrieben hat, und stelle fest, dass wir gar keine weitere Unterstützung aus Bundesmitteln brauchen, weil wir das allein lösen können. Ich dachte, träume ich jetzt? Sie sollten einmal Ihren Mitarbeitern im Haus erklären, dass jetzt im Freistaat Sachsen ein anderer Wind weht. Oder ist es gar nicht so? Ist es nur durch den neuen Ministerpräsidenten benannt worden?
Habe ich das falsch verstanden? Die Stellungnahme zu diesem Antrag zeigt aus meiner Sicht ganz deutlich, dass sie überhaupt noch nicht verstanden haben, worum es hier eigentlich geht. Und, Herr Haubitz, Sie unterschreiben diese Stellungnahme auch noch. Das war für mich sehr, sehr erschreckend.
Ich will nicht verschweigen, dass es aus Bundesmitteln bereits verschiedene Projekte im Freistaat Sachsen gibt. Ich möchte mich auf zwei kurz beschränken, um es nicht zu lang zu machen. Es geht erstens um die BAföGReform, die auf Bundesebene mit den Ländern durchgeführt wurde. Allerdings bringt das eine Entlastung für die Länder, die eher ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wir waren damals sehr froh und haben das unterstützt, dass Frau Eva-Maria Stange als zuständige Ministerin dafür gesorgt hat, dass diese Mittel wenigstens im Bildungsbereich geblieben und nicht irgendwo anders hingekommen sind. Insgesamt ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Aufstockung der Mittel für die Schulhaussanierung von 3,5 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro bei einem Sanierungsstau bundesweit von 34 Milliarden Euro wird hinten und vorn nicht reichen. Hier muss es zwingend zusätzliche Mittel geben. Nach unserer Auffassung werden wir diese ganzen Aufgaben im Bildungsbereich nicht allein mit Landes- und Kommunalmitteln erfüllen können.
Am 22.11.2017 hat es im Bundestag eine Debatte zum Thema „Kooperationsverbot in der Bildung vollständig aufheben“ gegeben, ein Antrag der LINKEN-Bundestagsfraktion. Die Mehrheit der Fraktionen im Bundestag hat sich für diesen Antrag ausgesprochen: die Fraktion DIE LINKE, die Fraktion der SPD, die Fraktion der GRÜNEN und die Fraktion der FDP. Das ist eine Mehrheit. Man sollte die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag derzeit nutzen – noch keine Koalition –, um diesen Antrag umzusetzen. Auch die Bundesratsinitiative, die ich vorhin genannt habe, wurde vorwiegend von SPD- bzw. von den LINKEN regierten Ländern eingebracht. Das heißt, hier gibt es eine große Zustimmung aus den entsprechenden Parteien und Fraktionen. Ich glaube, das ist sehr sinnvoll.
Stimmen Sie bitte heute unserem Antrag zu für eine gute und moderne Bildung in Kita, Schule und Hochschule.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn der Diskussion möchte ich ein paar kurze Gedanken zu meinem Demokratieverständnis äußern. Eine wichtige Legitimationstheorie der Demokratie gründet sich bekanntermaßen auf das Ideal einer Volksherrschaft, die auf der Zustimmung der Mehrheit der Bürger beruhen solle. Kant stellt dazu fest: „…für den Bereich des Staates und des Rechts zu dem demokratischen Anspruch, dass alle in einem freien Wettbewerb der Überzeugungen auch über die Fragen des Rechts und der Gerechtigkeit mitbestimmen und mitentscheiden sollten.“
Das heißt für diesen Antrag: Ja, wir können und wollen in einer Demokratie über alles inhaltlich reden und dann darüber diskutieren. Man sollte aber auch bei allen Diskussionsinhalten und Ansichten die Mehrheiten akzeptieren. Da fordert der Antragsteller DIE LINKE die Staatsregierung auf, die Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen – meine Kollegin Frau Falken sagte es gerade – zur Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich in den Fachausschüssen zu unterstützen. Da machen sich sieben Länder auf den Weg. Das sind eben nur 44 % der deutschen Länder,
das Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufzuheben. Da können Sie nachrechnen, es stimmt sogar. Mal abgesehen davon, dass der Kulturausschuss den Entschließungsantrag am 16.10.2017 abgelehnt hat und eine Befassung im Bundesratsplenum noch nicht absehbar ist, das heißt, diese Diskussion heute eigentlich nicht notwendig und zielführend ist, möchte ich trotzdem nachfolgend diesen Antrag inhaltlich beleuchten. Den rechtlichen Aspekt beschreibt in der zweiten Runde mein Kollege Prof. Günther Schneider.
Eingangs möchte ich aus der Bundesinitiative in der Drucksache 621/17 zitieren, auf die sich der vorliegende Antrag bezieht: „Daher ist es aus Sicht der Ländergemeinschaft erforderlich, mit der Bundesregierung Gespräche aufzunehmen, um die Rahmenbedingungen für eine finanzielle Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des Bildungssystems festzulegen.“
Ich, nein, wir sagen dazu, das ist eine ganz klare Rosinenpickerei. Der Bund soll Geld geben, aber sich inhaltlich und fachlich nicht einmischen. Ich denke, Sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht, meine lieben Kollegen
der LINKEN. Es tut mir herzlich leid, meine Damen und Herren, mit uns wird dies nicht passieren. Es wird Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein: Kooperationsmöglichkeiten – ich werde gleich welche nennen – sind bereits jetzt schon vorhanden.
Zweifelsohne gibt es große bildungspolitische Herausforderungen – meine Kollegin sagte es gerade – wie zum Beispiel die digitale Bildung oder die Schulsozialarbeit. Auch der Zustand und die Ausstattung der Schulen lassen zum Teil zu wünschen übrig.
Genau bei diesem Punkt gibt es bereits Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern, die auch genutzt werden. So wird es mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz des Bundes Finanzmittel in Höhe von circa 178 Millionen Euro für den Freistaat Sachsen geben, die an Investitionen in die Schulinfrastruktur gebunden werden. Das Land wird natürlich auch Landesmittel dazugeben.
Ein weiteres Beispiel ist der von Frau Bundesministerin Prof. Dr. Wanka vorgeschlagene Digitalpakt Schule, auch wenn dessen finanzielle Umsetzung zugegebenermaßen noch ein wenig hapert.
Diese zwei Beispiele zeigen, ein Kooperationsverbot im weitesten Sinne, wie es der Antrag suggeriert, gibt es gar nicht. Und weiter – sicher ist Ihnen dies ebenfalls bekannt –: Auf inhaltlicher Ebene wurden entsprechende Vorarbeiten zwischen dem Bund, also dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, und den Ländervertretern, vertreten durch die KMK, bereits erarbeitet und die Eckpunkte einer Bund-Länder-Vereinbarung wurden bereits im Sommer verabschiedet.
Ich möchte aber natürlich ernsthaft über eine Neustrukturierung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern nachdenken. Dabei soll es hauptsächlich um Bildungsqualität gehen. Man braucht nicht zwangsläufig eine Verlagerung der Kompetenzen auf den Bund, sondern man braucht verbindlichere Absprachen zwischen den Ländern, als sie durch die Kultusministerkonferenz momentan eigentlich möglich sind.
Ich möchte daran erinnern, dass es Anfang des Jahres 2013 eine Initiative der Bundesländer Bayern, Niedersachsen und Sachsen für einen neuen Bildungsstaatsvertrag gab. Darin sollten einheitliche und verbindliche Standards für alle Schularten festgelegt werden. Der Staatsvertrag hätte Gesetzeskraft und würde alle Bundesländer verpflichten, dann auch wirklich für Vergleichbarkeit zu sorgen.
Damit würde es beispielsweise viel eher gelingen, dafür zu sorgen, dass Familien bei einem Umzug von einem Bundesland in ein anderes keine Nachteile mehr erleiden, weil die Leistungsansprüche und Qualitätsniveaus so unterschiedlich sind. Dieser Vorschlag wurde von anderen Bundesländern abgelehnt. Warum eigentlich?
Schauen wir uns doch einmal die Leistungsfähigkeit von existierenden Bildungssystemen an. Im Sinne einer Debatte über die Schulqualität könnte ich es als Argument verstehen, wenn man sagt, dass einheitliche, zentralistische Bildungssysteme deutlich bessere Schülerleistungen erbringen als föderalistische Systeme.
Schauen wir uns die Schulsysteme der Welt einmal an, so ist die Mehrheit in der Tat einheitlich organisiert und auch vergleichbar. Es stellt sich die Frage, welche Länder in der Welt noch föderalistische Bildungssysteme haben.
Ich beantworte die Frage gleich selbst: Das sind neben der Schweiz beispielsweise die USA, Kanada oder Australien. Übrigens belegte Kanada bei den naturwissenschaftlichen Kompetenzen bei PISA 2015 Platz 4. Die Schweiz liegt bei den mathematischen Kompetenzen auf Platz 3. Kanada belegt bei der Lesekompetenz sogar Platz 1.
Auch bei anderen internationalen Vergleichstests wie IGLU, der die Lesekompetenz beinhaltet, oder TIMSS zur mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenz erzielen föderalistische Bildungssysteme gute und sehr gute Ergebnisse. Was ich damit sagen will: Es gibt keinen Beleg dafür, um eine qualitative Überlegenheit einheitlicher Bildungssysteme in der Welt zu beschreiben.
Ziel muss es sein, die Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit zwischen den Bundesländern zu erhöhen, um die Qualität zu verbessern. Den Weg dahin habe ich aus meiner Sicht soeben skizziert.
und selbst für meine vorgeschlagene Lösung, verbindliche Staatsverträge auf den Weg zu bringen, noch nicht reif ist, möchte ich an zwei praktischen Beispielen belegen. Selbst wenn die Finanzierung vom Bund geklärt wäre, bliebe die Frage, wie hoch wir die inhaltliche Latte legen, welche Qualitätsanforderungen bzw. Qualitätskriterien wir
Nun die zwei Beispiele. In meiner Tätigkeit als Lehrervertreter bei der PAL – PAL erstellt die Prüfungsaufgaben und Lehrmittel bei der IHK in Stuttgart – habe ich dort mit Vertretern aus anderen Bundesländern die zentralen deutschlandweiten Prüfungen für den Beruf Elektroniker für Betriebstechnik unter dem Dach der IHK erstellt. Ja, ich habe dort mit je einem Kollegen Lehrer aus NRW, Bayern und Berlin zusammengearbeitet. Wir haben sehr oft über die inhaltliche Umsetzung bzw. Lesart der Lehrpläne diskutiert. Wir konnten uns recht selten einigen. Neben politischen Ansätzen spielten dabei natürlich auch fachliche Argumentationen eine Rolle. Wir waren nur vier. Stellen Sie es sich einmal vor, wenn in einem Gremium von 16 Bundesländern inhaltlich diskutiert und abgestimmt werden soll.
Ein zweites Beispiel – damit komme ich zum Schluss meiner Rede –: Letzten Samstag unterhielt ich mich mit
einem Unternehmer, der bis vor zwei Jahren in Rothenburg tätig war und jetzt in NRW arbeitet. Ich fragte natürlich gleich, wie seine Tochter am neuen Gymnasium klarkomme. Seine Antwort: Sie sei aufgrund der guten Schulbildung in Sachsen an der Klassenspitze. Was sie und ihre Mitschüler nicht verstünden, so sagte er, sei dieses politische Hickhack um G8, G9, G achteinhalb.
Die Meinung der Tochter war, die Schüler würden lieber in acht Jahren das Abitur ablegen, ein soziales Jahr machen oder gleich zum Studium gehen, um nicht, wie es sich die politischen Profilierer im Land wünschen und es das Wunschdenken der Eltern ist, noch ein Jahr länger im Schulsystem zu bleiben. Also auch dort schon keine Einigkeit.
Werden sich 16 Bundesländer einigen können, Bundesländer mit verschiedenen Leistungsansprüchen und Umsetzungsvorstellungen von Bildung, Bundesländer mit verschiedenen politischen Ansätzen? – Ich glaube nicht. Die Zeit dafür ist noch nicht reif. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.