Protocol of the Session on August 31, 2017

Für abhängig Beschäftigte ist zudem die Größe des Betriebes, in dem sie arbeiten, relevant. Mit zunehmenden Betriebsgrößen steigen die Teilnahmequoten an Weiterbildung deutlich an: von 36 % bei abhängig Beschäftigten in Betrieben mit einem bis zehn Beschäftigten bis 69 % bei Erwerbstätigen in Betrieben mit 1 000 oder mehr Beschäftigten.

Dieser Fakt ist für Sachsen insbesondere deshalb wichtig – und wir haben ihn auch in unserem Gesetzentwurf berücksichtigt –, da wir, abgesehen vom öffentlichen Dienst, nur wenige tatsächliche Großunternehmen haben. 90 % aller sächsischen Betriebe gehören stattdessen zu den Kleinstbetrieben mit weniger als zehn Beschäftigten. Die Betriebsgrößen und der Anspruch auf bezahlte Weiterbildung und entsprechenden Lohnausgleich sind auch ein Unterschied zu den Regelungen, die DIE LINKE in ihrem Gesetzentwurf vorgenommen hat.

Weiterbildung in Sachsen ist noch weit entfernt von einem systematischen Ansatz des lebenslangen Lernens. Zwar haben wir mit dem Portal www.bildungsmarktsachsen.de die größte Weiterbildungsdatenbank Sachsens mittels zweijähriger staatlicher Unterstützung entwickelt – an dieser Stelle übrigens noch Glückwunsch für den 1. Platz bei der Stiftung Warentest –, allerdings sind die Barrieren für den gleichberechtigten Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen nach wie vor hoch und müssen abgebaut werden.

Dieses Ziel verfolgt unser Gesetz über den Anspruch auf Bildungsfreistellung im Freistaat Sachsen. Beschäftigte in Sachsen sollen jenseits anderer gesetzlicher und tarifvertraglicher Regelungen einen gesetzlichen Mindestanspruch auf Bildungsfreistellung bei Fortzahlung des Arbeitsentgeltes erhalten.

Die Idee eines sächsischen Bildungsfreistellungsgesetzes hat eine lange Geschichte in diesem Hohen Haus. Bereits im Jahre 1991 brachte die erste GRÜNE-Landtagsfraktion einen ähnlichen Gesetzentwurf im Landtag ein. Es folgte im Jahr 1995 ein Entwurf der LINKEN, und auch SPD

und GRÜNE haben sich im Jahr 2011 bereits mit dem Thema befasst. Neben Bayern – darauf hat Kollegin Junge hingewiesen – ist Sachsen mittlerweile das einzige Bundesland, in dem es trotz dieser Initiativen immer noch kein Bildungsfreistellungsgesetz gibt.

Man sollte meinen, im Zuge des zunehmenden Fachkräftebedarfs wäre jeder Arbeitgeber froh, wenn sich seine Mitarbeiter weiterbilden. Doch gerade in kleinen Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten haben es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht selten auch heute noch schwer, eine Weiterbildung innerhalb der Arbeitszeit genehmigt zu bekommen. Für diese Betriebe ist es in der Realität nicht leicht, auf einen Mitarbeiter zu verzichten und freizustellen. Wir haben sie deshalb in unserem Gesetzentwurf besonders berücksichtigt und unterstützen sie mit einem finanziellen Ausgleich durch einen pauschalierten Zuschuss.

Politische und allgemeine Weiterbildung werden in Sachsen noch stiefmütterlicher behandelt als die berufliche Weiterbildung. Dabei wissen wir alle, dass die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft kein Selbstläufer ist. Die für das öffentliche Leben und die Politik in einer Demokratie notwendigen Fähigkeiten müssen gelernt und demokratisches Handeln stetig eingeübt werden, und dies immer und immer wieder neu; denn Demokratie ist ein unabgeschlossenes Projekt und ein sich kontinuierlich veränderndes Lernfeld.

Politische Bildung zielt auf Kritikfähigkeit und Mündigkeit und ist Teil des Rechts auf Bildung eines jeden Einzelnen in der Demokratie. Sie hat nicht allein die Aufgabe, Informationen und Kenntnisse zu vermitteln, sondern vor allem Fähigkeiten und Kompetenzen zu fördern, die ein tolerantes, weltoffenes, solidarisches und demokratisches Miteinander fördern.

Wir GRÜNEN setzen uns auch mit diesem Gesetzentwurf für politische Bildung ein. Sie gehört nicht nur in die Schule, sondern muss auch im Berufsleben möglich sein. Wir wollen Bürgerinnen und Bürger, die ihre staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wahrnehmen und gesellschaftliche Zusammenhänge beurteilen können. Die gegenwärtige Gefährdung der Demokratie in Deutschland und aktuelle politische Herausforderungen erfordern nach unserer Auffassung mehr denn je die Stärkung der Qualität –

Bitte zum Schluss kommen!

– und Entwicklung der politischen Bildung. Ein sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz ist dazu ein wichtiger Beitrag.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf „Gesetz über den Anspruch auf Bildungsfreistellung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Bildungsfreistellungsge- setz – SächsBFG)“ an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu überweisen. Wer diesem Vorschlag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist dem Vorschlag so entsprochen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Neuordnung

der Schutzgebietsverwaltung im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/9993, Gesetzentwurf der Fraktionen

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es sprechen daher nur die Einreicherinnen, zunächst die Fraktion DIE LINKE und danach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Kagelmann, bitte. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! „Naturschutz ohne Hintergedanken“ titelte die „Sächsische Zeitung“ in Bezug auf unsere gemeinsame Initiative und den vorliegenden Gesetzentwurf. Simpel, aber darum geht es.

Wo „Forstbetrieb“ draufsteht, soll Waldbewirtschaftung drin sein, und wo „Schutzgebiet“ draufsteht, soll Natur

schutz drin sein. Deshalb wollen wir die naturschutzfachlich bedeutenden Großschutzgebiete aus der Verwaltung des wirtschaftlich arbeitenden Staatsbetriebes herausnehmen.

Laut Sächsischem Waldgesetz gilt: „Der Staatswald soll dem Allgemeinwohl im besonderen Maße dienen. Er ist vorbildlich so zu bewirtschaften, dass die nachhaltig höchstmögliche Menge wertvollen Holzes bei gleichzeitiger Erfüllung der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes geliefert wird. Im Rahmen dieser Ziele und Grundsätze führt und verwaltet die obere Forstbehörde

den Produktions- und Dienstleistungsbereich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.“

In Sachsen führt und verwaltet die obere Forstbehörde, der Staatsbetrieb Sachsenforst, seit dem 1. August 2008 – also seit nunmehr neun Jahren – auch die vier großen Naturschutzgebiete mit einer Gesamtgröße von

50 000 Hektar bzw. rund 2,7 % der Landesfläche als Amt für Großschutzgebiete. Bereits seit 2002 ist der Nationalpark Sächsische Schweiz der Forstverwaltung unterstellt.

Auch nach neun bzw. 15 Jahren können wir keine Anzeichen dafür entdecken, dass der Naturschutz in diesen Gebieten große Fortschritte gemacht hätte, im Gegenteil. Indikator ist für uns dabei, dass seit Jahren die mit den FFH-Managementplänen in den frühen 2000er-Jahren festgelegten Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen überwiegend noch nicht einmal zur Hälfte erfüllt sind. Die Strukturreform hat für uns keine greifbaren Verbesserungen gebracht. Kein anderes Bundesland ist solch einen Sonderweg gegangen.

In den bekannten Evaluationen zum Nationalpark Sächsische Schweiz ist das Sonderkonstrukt Sachsenforst als Schutzgebietsverwaltung aus diversen Punkten heraus als schwierig bezeichnet worden. Im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft wurde das Führungspersonal durch Sachsenforst ausgetauscht.

Insgesamt gab es dort eine – sagen wir es freundlich – „unfreundliche Übernahme“.

Wir wünschen uns dagegen eine Schutzgebietsverwaltung ohne Hintergedanken, das heißt, ohne Zwänge in Richtung Holzabsatz und mit einem deutlichen Schwerpunkt in naturschutzfachlicher Kompetenz und erster Linie naturschutzfachlichen Interessen.

Der Gesetzentwurf stellt dar, welche Weichen wie gestellt werden müssen, um die Administration der sächsischen Großschutzgebiete an das Landesamt für Umwelt und Geologie zu übertragen. Genauso ist es beispielsweise seit Jahren in Brandenburg gelöst.

Ich bitte um Unterstützung für das Vorhaben und eine ehrliche und konstruktive Diskussion später im Ausschuss. – Bitte schön, Herr Günther.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dieser gemeinsame Gesetzesantrag fußt einfach darauf, dass wir in Sachsen einen einsamen Sonderweg gegangen sind, und wenn man einen Sonderweg geht, dann muss man sich ja auch irgendeinen Vorteil davon versprechen. Vorteile kann man immer dann nachweisen, wenn man über Evaluierungen genau das dann nachweist, und das blanke Gegenteil ist der Fall.

Das Erste ist, schon allein diese Idee zu bekommen, dass man Naturschutz- bzw. Großschutzgebiete – also dort, wo man wirklich Natur entwickeln kann – ausgerechnet einem Wirtschaftsbetrieb, wenn auch staatlichem Wirtschaftsbetrieb, nämlich einem Forstbetrieb, überträgt, das

ist grundsätzlich erst einmal ein bisschen abenteuerlich und widerspricht Konventionen.

Es gibt bestimmte Qualitätskriterien und Standards für deutsche Nationalparks auf Bundesebene, die international auf Grundkriterien zurückgehen, wie überhaupt solche Großschutzgebiete zu betreiben sind, und jetzt die Ergebnisse. Man hat das über ein paar Jahre Schritt für Schritt an den Sachsenforst übertragen, der seinerseits wieder Evaluierungsprogrammen unterliegt, obwohl es die klare Maßgabe gibt, er solle doch bitte dafür sorgen, dass er insbesondere durch Holzverkauf zu einem besseren Betriebsergebnis für den Landeshaushalt beiträgt.

Das ist die Brille, durch die man schaut. Das soll nicht in Abrede stellen, dass sich auch im Forstbetrieb Menschen für Naturschutz interessieren und versuchen, ihr Bestes zu geben; aber ihr Grundansatz ist eben Forstwirtschaft. Wenn ich ein Großschutzgebiet habe, wo es um Naturschutz geht, dann muss ich dort einen Naturschützer haben, der sich zentral kümmert, und der soll sich natürlich forstwirtschaftlichen Sachverstand dazuholen.

Die Ergebnisse sind klar – Kollegin Kagelmann hat es gerade ja schon angesprochen –: Bei der Evaluierung etwa des Nationalparks oder des Biosphärenreservats ist ja mehr als deutlich, dass das nicht funktioniert. Dort gibt es auch bestimmte Entwicklungsziele, die festgelegt worden sind, die Jahrzehnte warten sollen, bis man dort endlich einmal zu Ergebnissen kommt. So können wir dort nicht weiterkommen.

Ein weiterer Gedanke ist auch noch wichtig: Es soll nicht unbedingt immer nur beim Status quo dieser Schutzgebiete bleiben, sondern man diskutiert auch schon in Sachsen an verschiedenen Stellen, ob man Biosphärenreservate in anderen Ländern, etwa an der Elbe, nach Sachsen erweitert oder ob man im Osterzgebirge ein grenzüberschreitendes Biosphärenreservat einrichtet. Dort bekommt man die klare Rückmeldung von den Fachleuten auch aus den anderen Ländern: Mit euren Strukturen hier in Sachsen haben wir kein Interesse daran; da gäbe es für uns so große Reibungsverluste und so ein Unverständnis gegenseitig, das wollen wir nicht. Das ist ja auch nicht das, wo wir hinwollen.

Das heißt, es ist kein originärer Vorwurf an den Sachsenforst, etwas falsch zu machen; es ist schlichtweg nicht der richtige Ansprechpartner für diese Aufgabe. Deswegen wollen wir, dass dieses gesamte Vorgehen endlich wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Es ist ein Sonderweg quer zu allen Qualitätskriterien und Anlagen, wie man sie bundesweit und international hat. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, und es gibt auch keinerlei Erfolge seitens des Freistaates, die er hier vorweisen kann, dass er sagen könnte, mit unserem Sonderweg haben wir hier wirklich was geleistet.

Das müsste eigentlich ausreichen, auch für die Kollegen von den Koalitionsfraktionen, das wieder herumzudrehen und die Großschutzgebiete der Fachbehörde direkt unter dem Umweltministerium zu übertragen. Das ist ja der Standard. Sie sollen Vollzugsbehörde und Fachbehörde in

einer Hand sein, um in diesen Gebieten überhaupt etwas hinzubekommen, und übertragen es wieder dorthin, damit wir endlich weiterkommen mit der Entwicklung unserer Großschutzgebiete.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Abg. Günther von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch für Ihre Vorstellung des Gesetzentwurfes.

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Neuordnung der Schutzgebietsverwaltung im Freistaat Sachsen an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft zu überweisen. Wer stimmt dem Vorschlag zu? – Vielen Dank. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die Überweisung beschlossen und auch dieser Tagesordnungspunkt beendet.