Protocol of the Session on August 31, 2017

(Zuruf des Abg. Alexander Dierks, CDU)

Sie haben eigentlich noch gar nicht die Gelegenheit gehabt, hierfür eine Ausnahmeregelung zu finden. Dass Sie nur sehr kurz zu diesem Antrag gesprochen und am

Ende auch noch diesen Satz – der Gegenstand unseres Antrages sei hier nicht ausreichend relevant – gesagt haben, hat doch schon offenbart, was Ihnen politische Bildung in diesem Land wert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Dierks, CDU)

Herr Homann, Sie haben gesagt, dass wir es endlich geschafft hätten, dass es eine mehrjährige Förderung gäbe. Das wäre sozusagen grandios. Ja, das ist auch super. Aber das Bundesprogramm ist schon seit vielen Jahren mehrjährig. Diesbezüglich hat Sachsen einfach nachgezogen. Dies war längst überfällig. Aber Sie können jetzt nicht so tun, als ob das ein Sonderfall sei; so ist es definitiv nicht.

Sie sagten auch, Sie hätten viele Briefe von engagierten Vereinen und Verbänden erhalten. Ich habe auch mit vielen gesprochen. Ich wundere mich nur: Wenn Sie so viele Briefe erhalten haben, die auf der einen Seite lobend waren, aber auch diese Entgeltgruppe E 9 angesprochen haben, warum Sie sich dann in Ihrem Ministerium nicht dafür eingesetzt? Das frage ich mich ernsthaft. Wenn wir hier wirklich wollen – ich zitiere Sie dazu auch gern noch

einmal –, dass wir engagierte, lächelnde Gesichter in der Förderlandschaft erhalten sollen, dann bitte ich Sie, doch hier wirklich unserem Antrag zuzustimmen.

Bisher hat es keine Obergrenze gegeben. Wenn das der Regelfall ist, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen müssen, dann fällt doch das ganze System wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es ist völlig unnötig. Bisher hat es das nicht gegeben. Warum soll es das heute geben? – Also, stimmen Sie unserem Antrag zu, diese unsinnige Obergrenze zu streichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die Drucksache 6/10479 – Prioritätenantrag der Fraktion GRÜNE, abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehr keine Stimmenthaltungen. Mit einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz über die Weiterbildung

und das lebenslange Lernen im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/9883, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es wird keine Aussprache dazu geben, sondern es spricht nur die einreichende Fraktion. Ich rufe jetzt Frau Junge auf; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE bringt nach einjähriger Bearbeitung und Diskussion ein neues und modernes Weiterbildungsgesetz in den Sächsischen Landtag ein. Wir haben eine Vielzahl von Anregungen, Wünschen und Vorschlägen von den sächsischen Weiterbildungsträgern aufgenommen und gesetzlich verankert.

Unser Anliegen ist es, die Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen so zu gestalten, dass jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht auf Weiterbildung umsetzen kann. In § 1 wurde das Recht auf Weiterbildung neu aufgenommen. Ich zitiere: „Jede Person hat das Recht, die zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, zur Mitgestaltung von Gesellschaft und Demokratie sowie zur Wahl und zur Ausübung des Berufs erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen zu erwerben. Das Recht auf Weiterbildung steht jeder Person zu.“

Die Aufgaben und Ziele der Weiterbildung haben wir ergänzt und die 20-jährige Weiterentwicklung den Bildungs- und Weiterbildungserfordernissen angepasst. Die

Vielfalt der Weiterbildung soll und muss erhalten bleiben und wird ergänzt durch soziale und interkulturelle Weiterbildung. Das schließt den Erwerb von Schulabschlüssen sowie Eltern- und Familienbildung ein.

Die Volkshochschulen und anerkannte Träger und Einrichtungen der Weiterbildung erhalten das Recht, staatliche Prüfungen zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen durchzuführen. Die derzeitige Regelung, den Hauptschul- oder Realschulabschluss nur an einer Abendschule nachholen zu können, schränkt das Recht auf Weiterbildung erheblich ein. Wir wollen ein flächendeckendes Angebot für den zweiten Bildungsweg und regeln dies in § 18 neu.

Die Gestaltung der Bedingungen zur Aneignung zukunftsgerechter Bildung entscheidet wesentlich über die Verteilung von Lebenschancen. Aufgrund der beschleunigten technischen und wissenschaftlichen Entwicklung ist es dringend notwendig, dass Bildung und Weiterbildung als lebensbegleitender Prozess für alle Menschen gestaltet und flächendeckend ermöglicht wird. Jeder Beschäftigte im Freistaat Sachsen erhält durch das neue Gesetz den Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsveranstaltungen.

§ 5 regelt den Anspruch auf Bildungsfreistellung. Dieser Anspruch umfasst fünf Arbeitstage in einem Kalenderjahr mit vollem Lohnausgleich. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit bis zu 50 Beschäftigten erhalten einen finanziellen Ausgleich. Die Teilnahme an einer Weiterbildungsveranstaltung unterliegt der freien Wahl der Beschäftigten und muss sechs Wochen vor Beginn dem Arbeitgeber mitgeteilt werden.

Mit der Einführung des Rechts auf Bildungsfreistellung zieht der Freistaat Sachsen – wenn auch mit gehöriger Verspätung – mit der Entwicklung in allen anderen Bundesländern – außer Bayern – gleich. In 14 Bundesländern ist dieser Rechtsanspruch auf Bildungsfreistellung umgesetzt, deshalb muss der Freistaat Sachsen die Bildungsfreistellung nun auch hier gesetzlich regeln. Mit dieser Regelung wird berufstätigen Erwachsenen die Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsveranstaltungen ermöglicht und damit ein wichtiger Beitrag für lebenslanges Lernen geleistet.

Des Weiteren wird in unserem Gesetz geregelt, dass Weiterbildung inklusiv gestaltet werden muss, um allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu ermöglichen. Der Freistaat Sachsen ist daher in der Verantwortung, die Entwicklung eines vielfältigen und flächendeckenden Weiterbildungsangebots und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen für alle Menschen zu unterstützen und zu fördern.

Verfassungsrechtlich ist der Freistaat Sachsen aufgefordert, die Weiterbildung zur Erhaltung eines breit gefächerten Bildungsangebotes zu fördern, das durch leistungsfähige Einrichtungen der Weiterbildung abgesichert wird. Das Weiterbildungsgesetz soll und muss diesen Mindestbestand an Weiterbildungsinfrastruktur sichern.

Die sächsischen Volkshochschulen und weitere anerkannte Träger der Weiterbildung sollen ihr Bildungsangebot durch eine verdoppelte Grundförderung flächendeckend und leistungsfähig ausbauen. Sie erhalten zur Absicherung des Förderauftrags Zuschüsse zu Personal- und Betriebskosten in Höhe von mindestens 14 Millionen Euro pro Jahr. Eine Anpassung der Höhe der Grundförderung erfolgt zukünftig alle zwei Jahre. Mit dieser Finanzierungsregelung des § 19 erhalten die anerkannten Einrichtungen der Weiterbildung eine Sicherheit für die jährliche Planung und Ausgestaltung ihrer Weiterbildungsangebote und erstmalig einen Personalkostenzuschuss.

Das Land Sachsen ist nach Maßgabe dieses Gesetzes zur Förderung der Weiterbildung verpflichtet, wie es auch im Weiterbildungsgesetz von Nordrhein-Westfalen verankert ist. Die Errichtung und das Mitspracherecht des Landesbeirates für Weiterbildung werden in den §§ 26 und 27 gesetzlich bestimmt und gestärkt. Der Landesbeirat erhält das Recht auf die Bildung von Unterausschüssen, die sich verstärkt mit Fachthemen befassen. Er ist in die Erarbeitung von Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen und Richtlinien, die Fragen der Weiterbildung berühren, einzubeziehen.

Vor der Anerkennung sowie dem Widerruf der Anerkennung von Einrichtungen und Landesorganisationen der Weiterbildung ist der Landesbeirat anzuhören. Die gleichberechtigte Mitbestimmung von Frauen und Männern im Landesbeirat soll umgesetzt werden.

Durch das neue Weiterbildungsgesetz hat jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht auf Weiterbildung. Das Bildungsangebot wird qualitativ und flexibel ausgebaut. Es umfasst die allgemeine, berufliche, politische, soziale, kulturelle und interkulturelle Weiterbildung und schließt den Erwerb von Schulabschlüssen sowie Eltern- und Familienbildung ein. Das Recht auf Bildungsfreistellung ermöglicht allen Erwachsenen die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen. Damit erhält die Erwachsenenbildung eine Priorität in der Bildungspolitik. Lebenslanges Lernen kann jetzt als Bildungsprozess in Sachsen ganzheitlich gestaltet werden.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte und bitte um Überweisung an den Ausschuss für Schule und Sport.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich lasse nun über die Überweisung des eben eingebrachten Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Schule und Sport abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen – mit Mehrheit zugestimmt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz über den Anspruch

auf Bildungsfreistellung im Freistaat Sachsen

(Sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz – SächsBFG)

Drucksache 6/10397, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auch hierzu wird es keine Aussprache geben. Eingebracht wird der Gesetzentwurf durch Frau Abg. Zais.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über kaum etwas im Bildungsbereich wird heute so viel geschrieben und gesprochen wie darüber, dass Menschen ständig weiterlernen müssen, um nicht zurückzubleiben. Wer dem Trugschluss erliegt, nach Schule und Studium wäre der Lernprozess abgeschlossen, wird es in der heutigen Arbeitswelt schwer haben. Noch vor 50 Jahren wurden Erwachsene, die Weiterbildungsseminare besuchten, mit der Frage konfrontiert: Hast du das nötig? Heute müssen sich Erwachsene, die sich nicht weiterbilden, fragen lassen: Was, du bildest dich nicht weiter?

Lebenslanges Lernen hat sich nicht nur als Idee und Konzept, sondern auch praktisch, sozial und politisch zu einem selbstverständlichen Teil unseres Lebens entwickelt, und das aus gutem Grund, denn das Leben und auch die Arbeitswelt werden immer komplexer. Die Produktivität des Menschen hängt von neuen Technologien ab und erzeugt sie zugleich. Mit der raschen Weiterentwicklung der Technologien, der fortschreitenden Globalisierung und den damit einhergehenden Handels- und Warenbeziehungen verändern sich fortlaufend die Bedingungen, unter denen das eigene Leben gestaltet werden kann und muss.

Lernen ist heute zu einem stetig andauernden Prozess geworden. Während sich vor hundert Jahren, im 18./19. Jahrhundert, das Wissen noch alle hundert Jahre verdoppelte, dauert es heute circa nur noch fünf Jahre. Damit ist die Bedeutung von Bildung als Schlüssel für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit besonders angestiegen. Längst, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist Bildungspolitik auch Standort- und Sozialpolitik.

Lebenslanges Lernen ist natürlich für die Steigerung des eigenen Qualifizierungsniveaus als Nachfragefaktor auf dem Arbeitsmarkt wichtig. Es trägt aber auch zur persönlichen Entwicklung bei, weil es hilft, mit ständig neuen Herausforderungen im eigenen Leben und in der Gesellschaft zurechtzukommen. Wer neue Dinge lernt, der lernt auch automatisch motivierte Menschen kennen, die ebenso Neues lernen möchten. Das ist – diese Erfahrung habe ich selbst ebenfalls gemacht – inspirierend und bringt jeden weiter.

Wie ist nun die Situation in Sachen Weiterbildung mit dem Blick auf Deutschland? Die Wahrnehmung von Weiterbildung hängt maßgeblich von der beruflichen

Stellung ab. Angestellte und Beamte beteiligen sich am häufigsten an Weiterbildungen; es sind circa 64 %. Darauf folgen mit Abstand die Selbstständigen mit 53 % und die Arbeiter mit 44 %. Abhängig Beschäftigte mit höherer beruflicher Position beteiligen sich insgesamt häufiger an Weiterbildung, dabei insbesondere an betrieblicher. Zwei Drittel der Fachkräfte nehmen Weiterbildung wahr. Unter Un- und Angelernten ist die Quote am niedrigsten; sie beträgt dort circa 44 %.

Für abhängig Beschäftigte ist zudem die Größe des Betriebes, in dem sie arbeiten, relevant. Mit zunehmenden Betriebsgrößen steigen die Teilnahmequoten an Weiterbildung deutlich an: von 36 % bei abhängig Beschäftigten in Betrieben mit einem bis zehn Beschäftigten bis 69 % bei Erwerbstätigen in Betrieben mit 1 000 oder mehr Beschäftigten.