Protocol of the Session on April 11, 2017

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Eines sei vorangestellt: Selbstverständlich haben wir als AfD-Fraktion überhaupt nichts für Angriffe auf Menschen, egal wen, übrig. Das verurteilen wir zutiefst, das haben wir auch schon häufiger in diesem Hause gemacht.

(Zurufe von den LINKEN)

Trotzdem erscheint mir Ihr Antrag nicht durchdacht und auch unausgewogen. Möglicherweise könnten wir ihm zustimmen, wenn Sie den Entschließungsteil unter I. etwas weiter fassen würden. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und formuliert, wie man das vielleicht ergänzen sollte:

Die Zahl von Gewaltstraftaten, die durch Asylbewerber begangen werden, steigt seit einiger Zeit deutlich an, auch in Sachsen. Opfer von Gewalttaten von Asylbewerbern

sind Menschen von verschiedener Herkunft. Deutsche trifft eine solche Straftat besonders schwer, da sie den Aufenthalt des Asylbewerbers, Schutzzwecke allgemein, akzeptieren und Hilfsbereitschaft für notwendig halten. Andere Asylbewerber trifft die Tat ebenfalls besonders schwer, weil sie in Deutschland Schutz erwarten.

Die zunehmende Enthemmung bei Worten und Taten gibt Anlass zu größter Sorge. Dem muss Einhalt geboten werden. Fremdenfeindlicher und anderer Hetze sowie Gewalten muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegengetreten werden. Ignoranz, geschweige denn Toleranz, kann es an dieser Stelle nicht geben. Unter diesen Umständen – hätten Sie einen solchen Passus drin gehabt – hätten wir vielleicht dem Punkt I zustimmen können.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Einen solchen Antrag hätten wir nie gestellt!)

Kommen wir zu dem Punkt II, dazu möchte ich nur noch eine grundsätzliche Überlegungen anführen. Zur Rechtslage hat Kollege Hartmann schon deutlich ausgeführt. Wir kennen keine Opfer unterschiedlicher Klassen. Für uns ist jeder Mensch gleichviel wert. Deswegen können wir natürlich auch Opfer von Straftaten rechtsextremer Gewalt nicht privilegieren. Grundsätzlich hat das Strafverfahren, auch das Asylverfahren, keinen Einfluss. Wenn Sie jetzt aber Opfer privilegieren, müssten Sie konsequenterweise auch Straftäter negativ privilegieren. Zu Ende gedacht müsste es in der Umkehrung heißen – auch in Ihrem Antrag: Ausreisepflicht für Straftäter unter Asylbewerbern.

Des Weiteren sehen wir allerdings auch noch einigermaßen praktische Probleme in Ihrem Antrag. Denn welche Taten meinen Sie eigentlich? Sind Beleidigungen dabei, sind auch Diebstähle dabei? Wer prüft denn eigentlich das Vorliegen einer rechtsextremen Straftat? Macht das Ihre RAA oder macht es die Staatsanwaltschaft?

(Zurufe von den LINKEN)

Wie wollen Sie denn letzten Ende Missbrauch wirklich ausschließen, und vor allem, wie lange sollen denn die Menschen dann hierbleiben dafür, dass sie mal beleidigt worden sind? Soll es sich um zwei Jahre handeln oder sollen es im Zweifel auch acht Jahre sein oder länger? Vor allem, wie wollen Sie denn damit umgehen, wenn Menschen Opfer einer Straftat werden? Wenn die einen hier im Zweifel jahrelang Sozialleistungen bekommen, wollen Sie dann den deutschen Opfern einen VW Golf zum Ausgleich schenken? Das funktioniert natürlich nicht. Das ist eine totale Ungleichbehandlung, mit der Sie hier anfangen.

(Zurufe von den LINKEN)

Meine Damen und Herren, Deutschland war sehr großzügig in der Asylgewährung. Aber Ihr Antrag verkennt leider die Realität. Er dient der Idee des Bleiberechts für alle, und das ist eine destruktive linke Utopie, die lehnen wir ab und in Konsequenz natürlich auch Ihren Antrag.

Vielen Dank.

(Zurufe von den LINKEN)

Ziemlich abgedroschen!

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Zais, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Brandenburger Erlass hat auch unsere Fraktion überlegt, gegebenenfalls einen solchen Antrag in den Sächsischen Landtag einzubringen, was schon dafür spricht – das tue ich auch ausdrücklich hiermit kund –, dass wir natürlich große Sympathien für diesen Antrag haben. Vor allem unterstützen wir den Punkt I. Der dramatische Anstieg rechtsextrem motivierter Gewalt muss für uns alle Anlass zu ernsthafter Sorge sein.

Auch der Umstand, den Juliane Nagel hier beschrieben hat, dass tatsächlich Opfer vor Abschluss eines Strafverfahrens abgeschoben wurden, ist nicht hinnehmbar. Die rechtlichen Grundlagen dafür, dass das nicht passiert, haben wir allerdings. Woran es mangelt, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir das hier noch einmal deutlich klarstellen, ist die gegenseitige Information der unterschiedlichen Behörden, die an Strafverfahren oder Asylverfahren usw. beteiligt sind.

Hinsichtlich des Punktes 2 – da bin ich allerdings jetzt schon beim Aber – bin ich als asyl- und migrationspolitische Sprecherin und dann in der Debatte mit meiner Fraktion in der Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass die Zweifel, ob ein Bleiberecht für Opfer rassistisch motivierter Gewalt das richtige Mittel ist, potenzielle Opfer besser zu schützen, für mich überwiegen.

Der Staat – das sage ich hier ausdrücklich – hat die Verantwortung für alle Personen, die seiner Gewalt unterliegen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Wir GRÜNE fordern und erwarten vom Staat zu Recht, dass er die Schutzfunktion wahrnimmt. Dazu gehört zum Beispiel eben auch der Schutz von Unterkünften. Dazu, das müssen wir ganz klar sagen, gibt es nach unserer Auffassung erheblich Luft nach oben. Ein Großteil der Übergriffe findet auf Unterkünfte von Asylsuchenden statt.

Wir fordern und erwarten, dass der Handlungsauftrag an den Staat, nämlich für diesen Schutz der ihm Schutzbefohlenen zu sorgen, ernsthafter als bisher vom Freistaat wahrgenommen wird. Wenn wir dann aber sagen – und das geschieht eben mit diesem Antrag nach meiner Auffassung –: „Wir können nicht für deine Sicherheit sorgen, wir können nicht dafür garantieren, dass du unverletzt bleibst an Leib und Leben, weil wir es nicht schaffen, nicht wollen, aus welchen Gründen auch immer, aber als Ausgleich erhältst du dann dafür, falls du Opfer geworden bist, dieses wirklich groß ersehnte Gut, nämlich das Bleiberecht“, dann, verehrte Kolleginnen und Kollegen, muss ich ganz klar sagen, ist das in meinen Augen die Kapitulation des Staates vor rechtsextrem motivierter

Gewalt. Das bekomme ich nicht in meinen Kopf. Dafür will ich nicht die Hand heben.

Deswegen – klare Ansage und ich spreche dabei auch für meine Fraktion – wünschen wir uns punktweise Abstimmung und werden uns beim Punkt 2 des Antrages enthalten.

Wir GRÜNEN haben uns in der Debatte immer dagegen ausgesprochen, dass das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention mit dem Strafrecht verknüpft werden. Ich habe die Debatten nach dem Motto „Du bist straffällig geworden, damit hast du das Gastrecht verwirkt und musst das Land verlassen“ so sattgehabt, weil sie das Grundrecht auf Asyl mit einem Strafrechtstatbestand verknüpft haben.

(Zuruf von der CDU: Das ist der einzig richtige Weg!)

Auf der anderen Seite kann ich natürlich das gleiche Argument mit umgekehrten Vorzeichen so nicht gelten lassen. Auch das widerspricht meiner Auffassung.

Eine letzte Bemerkung zu dem Thema, das Juliane Nagel im letzten Teil ihrer Ausführungen mit dem Begriff „Generalpräventive Wirkung auf die Täter“ bezeichnet hat. Hier sehe ich das wie Kollege Hartmann.

Sie wissen alle, dass ich viele Jahre im präventiven Bereich als mobile Beraterin gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Gewalt in Sachsen gearbeitet habe. Alles, was mir in Form von Studien oder Gesprächen untergekommen ist, was die Motivationslage von Tätern rechtsextremer Gewalt anbelangt, widerspricht der Annahme, dass ein generelles Bleiberecht für Opfer diese Täter von der Straftat abhalten würde. Was auch dagegen spricht – und das kann man, wenn man bestimmte Berichte über Straftaten liest, sehr gut nachvollziehen –, ist die Situation, aus der solche Straftaten entstehen.

Wir teilen diesen Schluss in der Argumentationskette der LINKEN nicht und werden uns aufgrund des Überwiegens unserer Zweifel bei Punkt 2 des Antrages der Stimme enthalten.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es Redebedarf für eine zweite? – Das vermag ich nicht zu erkennen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte als Vertreter der Staatsregierung zu Beginn der Debatte klar und deutlich sagen: Jedem, der bei uns in Sachsen Opfer einer wie auch immer gearteten rechten Gewalttat wird, gilt unser, gilt mein Mitgefühl. Diskriminierung und Gewalt aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder Religion sind schlimme Erfahrungen, die man

niemandem wünscht. Deswegen sage ich deutlich: Jeder, der sich bei uns mit solchen Taten strafbar macht, wird konsequent verfolgt und entsprechend verurteilt.

Der Kampf gegen diese rechte Gewalt, gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit allgemein ist und bleibt eine Hauptaufgabe in unserem Land, sowohl präventiv als auch repressiv. Jeder, der mich kennt, weiß genau, dass ich diese Aufgabe immer als ganz wichtig angesehen habe.

Auf der anderen Seite ist genauso klar: Opferschutz und der Kampf gegen menschenfeindliche Gewalt dürfen nicht pauschal gegen das geltende Asyl- und Aufenthaltsrecht aufgewogen werden.

Bereits jetzt gibt es in Sachsen ausreichend Möglichkeiten, den Umstand, Opfer einer rechten Straftat geworden zu sein, im Rahmen eines Asylverfahrens einzubringen. Das sieht im Übrigen auch der Bund so. Das sehen die meisten der anderen Bundesländer ebenso. Das Aufenthaltsrecht enthält den notwendigen Spielraum, um für Opfer von Gewalt zu sachgerechten Lösungen im jeweils konkreten Fall zu kommen.

Herr Pallas, an dieser Stelle möchte ich das, was Sie gesagt haben, ausdrücklich aufnehmen und unterstützen. Ich habe Vertrauen in unsere Behörden, dass sie diesen Ermessensspielraum, der ihnen an die Hand gegeben ist, gewissenhaft wahrnehmen. Ich denke dabei zum Beispiel an die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Strafverfahrens, nämlich dann, wenn die vorübergehende Anwesenheit für den Prozess notwendig ist. Zudem kann immer dann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen dafür sprechen. Nicht zu vergessen sind jene Aufenthaltserlaubnisse, die erteilt werden, wenn die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.

Dann gibt es noch die Härtefallkommission. Da bin ich – auch das möchte ich an dieser Stelle sagen – in den letzten Jahren bis auf eine Ausnahme immer den Empfehlungen der Kommission gefolgt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sehen, wir haben ein durchaus ausgewogenes System, das zahlreiche Ermessensspielräume im Umgang mit Asylbewerbern, die Opfer rechter Straftaten geworden sind, bereithält. Aus diesem Grunde, sage ich, braucht es keinen Erlass, mit dem aus Ermessensspielräumen für die jeweiligen Behördenvertreter quasi ein Zwang gemacht werden soll.

Es ist richtig, dass wir hier über ein sensibles, ein emotionales Thema sprechen. Deswegen muss mit der gebotenen Sensibilität, aber nicht mit einem pauschalen Erlass vorgegangen werden. Deshalb empfiehlt die Staatsregierung, den vorliegenden Antrag abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort hat die Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Nagel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Debatte.

Noch ein paar kurze Schlussworte.

Ich sehe es nicht so, dass wir hier eine Verquickung von Aufenthaltsrecht mit dem Strafrecht haben. Durch diesen Antrag wollen wir den Opferschutz ausdehnen. Dass es bereits entsprechende Regelungen im Aufenthaltsgesetz gibt, habe ich erwähnt. Diese gelten für bestimmte andere Opfergruppen, die zum Beispiel von Menschenhandel oder Arbeitskraftausbeutung betroffen sind. Wir wollen diese Regelungen für andere Gruppen auf diese Gruppe ausweiten.

Ich verstehe Ihr Argument nicht so richtig, aber es ist Ihnen unbenommen, sich zu enthalten.

Wir wollen mit unserem Antrag – der Innenminister hat es gerade noch einmal negativ betont – nichts verändern, sondern wir wollen Rechtssicherheit im Sinne des Erlasses aus Brandenburg für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ausländerbehörden schaffen. Wir wollen die unterschiedliche Praxis, die es bei der Ermessensausübung schon gibt – das sieht man in bestimmten anderen Feldern – vereinheitlichen.