Punkt 1.3 ist gegenstandslos, denn der Inhalt bezieht sich auf einen Antrag der CDU und SPD zur Europäischen Migrationsagenda und zur gerechten Verteilung der Flüchtlinge in Europa, der vor fast genau einem Jahr hier beschlossen wurde. Dazu wurde bereits von der Staatsregierung Stellung genommen.
Der Punkt 1.2 ist uns nicht konkret genug. Er stellt uns vor viele Fragen. Was bedeutet bei Ihnen „regionale Ebene“? Sind das die Bundesländer, Landkreise und Kommunen Deutschlands oder ist der Blick hier auf das europäische Ausland gerichtet? Dann hätte die Feststellung durch den Sächsischen Landtag einen schwachen Empfehlungscharakter.
Was meinen Sie mit dem Begriffspaar „solidarische und gerechte Verteilung“? Was ist hier der Maßstab? Sind das individuelle Interessen der Asylbewerber oder wirtschaftliche und verwaltungsmäßige Möglichkeiten der EUStaaten und ihrer Regionen?
Die Antragstellerin hat offensichtlich selbst bemerkt, dass die Zuständigkeit für die Umsetzung des EU-Umsiedlungsprogramms auf der Bundesebene angesiedelt ist. Der Freistaat hat hier, wie bereits erwähnt wurde, keine direkten Möglichkeiten der rechtlichen Einflussnahme, und er kann auch nicht am Bundesinnenministerium vorbei Menschen aus anderen Staaten nach Sachsen holen. Hier haben wir als Landtag tatsächlich keine Zuständigkeit.
So weit DIE LINKE die Sächsische Staatsregierung mit der Einleitung von Bundesratsinitiativen oder Entschließungen beauftragen will, stellt sich die Frage, ob sie nicht über wirksamere Mittel als eine Aufforderung durch den Sächsischen Landtag verfügt; schließlich stellt sie doch mit Bodo Ramelow mittelbar einen eigenen Vertreter im Bundesrat. Außerdem sind Sie als Oppositionsfraktion im Bundestag vertreten. Das möchte ich nur als Erinnerung dafür erwähnen, wenn wir Anträge stellen, die eigentlich im Bund bearbeitet werden müssen. Vielleicht überlegen Sie sich Ihre Kritik das nächste Mal etwas genauer.
Die Forderung, Deutschland solle sinngemäß endlich 26 437 Kontingentflüchtlinge aufnehmen, enthält den völlig haltlosen Vorwurf, Deutschland würde sich bisher seiner Verantwortung entziehen, haben wir doch laut EASY-Registrierung 2015 fast 1,1 Millionen Menschen und 2016 immer noch circa 320 000 Menschen mittelbar aus Griechenland und Italien aufgenommen.
Noch etwas Grundsätzliches: Solange Abertausende überführte Straftäter, die als vermeintliche Flüchtlinge gekommen sind, nicht rechtmäßig abgeschoben werden, stimmen wir überhaupt keiner neuen Aufnahme zu. Solange Abertausende nicht anerkannte Flüchtlinge nicht abgeschoben werden, weil dies in rechtsstaatlichen Verfahren so entschieden wurde, stimmen wir ebenfalls keiner neuen Aufnahme zu.
Darüber hinaus beachtet die Linksfraktion nicht, dass Migranten nur dann am Relocation-Verfahren der EU teilnehmen dürfen, wenn sie aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von mindestens 75 % im EUDurchschnitt stammen. Dies dürfte zumindest auf die in den italienischen Lagern befindlichen Boatpeople regelmäßig nicht zutreffen. Der Antrag der Linksfraktion vereinfacht hier in unzulässiger Weise und zielt wieder einmal auf die Schaffung vollendeter Tatsachen ab, so wie der Kollege heute von den fast zwangsmäßigen Folgen von Migration gesprochen hat, Herr Stange, und völlig außer Acht gelassen hat, dass diese Migration an sich schon illegal und gegen den Rechtsstaat gerichtet war.
Wir gehen davon aus, dass die Linksfraktion selbst um die Gegenstandslosigkeit weiter Teile ihres Antrages weiß.
Die eigentliche Zielstellung wird erst im Punkt 2.4 klar. Der dort geforderte Maßnahmenplan ist quasi der einzige Aspekt der Aufforderung an die Staatsregierung, der verhältnismäßig zügig und überprüfbar umgesetzt werden könnte. Das bedeutet, dass der Maßnahmenplan bei Annahme des Antrages wohl auch dessen einziges Ergebnis wäre.
Was ist nun der eigentliche Kerninhalt Ihres Maßnahmenplans? DIE LINKE fordert von der Staatsregierung nicht weniger als ein definitives Bekenntnis der Zusammenarbeit von – so möchte ich sagen – zweifelhaften Nichtregierungsorganisationen, die nur von sich selbst behaupten, Flüchtlinge sachgerecht zu unterstützen. Ebenso verlangt die LINKE ein Bekenntnis der Staatsregierung zur finanziellen und materiellen Unterstützung genau solcher Organisationen.
Es ist offenkundig, dass der geforderte Maßnahmenplan damit eine faktische Wirkung entfalten würde, selbst wenn am Ende gar keine Kontingentflüchtlinge nach Deutschland und Sachsen kämen. Wir alle wissen, dass die von der Linksfraktion angesprochenen Netzwerke der Flüchtlingshilfe allesamt Vorfeldorganisationen linker Parteien sind und nicht zuletzt Versorgungsposten sogenannter No-Border-No-Nation-Extremisten bereithalten.
DIE LINKE versucht, unter dem Deckmantel der Sorge um hilfebedürftige Menschen eine politische Statuserhöhung für ihre eigene Klientel und eine Umleitung von Haushaltsmitteln des Freistaates de facto in die eigene Tasche zu erreichen.
Dergleichen können wir keinesfalls mittragen, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag selbstverständlich ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Antrag der LINKEN zielt auf humanitäre Hilfe, auf einen humanitären Akt. Dass Sie, Frau Petry, das schwer verstehen und nachvollziehen können, das kann ich wiederum sehr gut nachvollziehen.
Ja, die Situation in Europas Flüchtlingslagern ist dramatisch, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. Vor Kurzem erhielt ich dazu folgenden Brief einer Leipzigerin: „Seit Tagen und auch gerade heute Abend zur ‚Tagesschau‘ wurden schreckliche Bilder aus Südosteuropa gesendet, mit Massen an Schnee und Tiefsttemperaturen. Es gab auch schreckliche Berichte aus Lesbos, wo Menschen ohne Heizung, ohne warmes Wasser, bei Schnee in Zelten übernachten. Bei uns werden gerade Erstaufnah
meeinrichtungen, obwohl vorbereitet, geschlossen, weil kein Bedarf ist. Ich fühle mich hilflos, Frau Zais, und schrecklich angesichts meiner warmen Wohnung. Wir müssten doch ganz schnell aufschreien, um den bedrohten Menschen Hilfe anzubieten.“ So weit der Brief der Leipzigerin.
Ja, die Situation in Griechenland, Serbien und Bulgarien ist dramatisch. „Allein auf Lesbos kampieren derzeit 15 000 Menschen unter inakzeptablen und erbärmlichen Bedingungen. Die zynische Gleichgültigkeit der europäischen Politik, die eisigen Temperaturen und die mangelhafte Vorbereitung auf den Winter haben eine schon unerträgliche Situation für Tausende Männer, Frauen und Kinder noch verschlimmert“, schrieb „Die Zeit“ am 17. Januar 2017.
Was tun wir? Haben wir als Sächsischer Landtag die Möglichkeit, humanitäre Hilfe zu leisten? Auch ich erinnere, wie Kollegin Nagel, an die Beschlussfassung am 3. Februar – fast exakt ein Tag vor einem Jahr – hier im Sächsischen Landtag zum Beschlussantrag der Koalition zur Umsetzung der Europäischen Integrationsagenda. Dabei ging es nicht nur um Registrierzentren, den Abbau der Schleuserkriminalität und den Schutz der europäischen Außengrenzen. Es ging in diesem Antrag auch um einen solidarischen und verbindlichen Verteilschlüssel, um die Sicherung fairer Asylverfahren in der Europäischen Union und um vergleichbare Standards bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Es ging auch um humanitäre Hilfe für Menschen in Not. Das war der Grund, warum wir diesem Antrag, der im Übrigen die deutliche Handschrift der SPD trug – das haben wir damals auch betont –, zugestimmt haben.
Was ist davon geblieben? Statt einer solidarischen und auf Humanität setzenden Flüchtlingspolitik passiert das ganze Gegenteil: eine Rückkehr zur Politik der Abschottung. Dafür steht zum einen das neue Frontex-Mandat seit Spätherbst letzten Jahres mit dem klaren Ziel: Schutz Europas vor den Flüchtlingen. Nach Auffassung von uns GRÜNEN ist das ganz klar ein rechtswidriges Handeln.
Zum anderen haben wir den EU-Türkei-Deal, der gerade heute mit dem Besuch der Bundeskanzlerin wieder neu aufgewärmt werden soll, ebenfalls mit dem klaren Ziel, den Weg Geflüchteter von den griechischen Inseln aufs Festland zu verhindern. Die gleichfalls beschlossene Umsiedelung der 160 000 Geflüchteten aus Griechenland und Italien in die EU wird jedoch nicht umgesetzt. Darauf hat Kollegin Nagel bereits verwiesen. Bis jetzt wurden nur 6,4 % – das sind circa 8 000 Menschen – auf die anderen Mitgliedsstaaten verteilt. Das ist aus unserer Perspektive nicht nur inakzeptabel, sondern es ist zutiefst inhuman.
Auch auf die Umsetzung des Relocation-Programms zu drängen, wie im Antrag der LINKEN gefordert, ist aus unserer Perspektive eine absolute Minimalforderung. Auch wir GRÜNEN haben über das Instrument des Aufnahmeprogramms in diesem Jahr zur Debatte um den
Ja – um noch einmal auf den Brief der Leipzigerin zurückzukommen –, wir haben die Möglichkeit, ganz konkret humanitäre Hilfe für Menschen in Not zu leisten, nicht abstrakt, sondern ganz konkret.
Der vorliegende Antrag der LINKEN entspricht diesem Anspruch. Er ist wichtig und dringlich. Die Zustimmung, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wäre auch ein Signal an die Menschen in Sachsen, die dieses Bekenntnis zur Humanität von uns Politikern erwarten. Wir werden dem Antrag zustimmen.
Gibt es noch Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Ulbig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Auch zu diesem Antrag will ich aus Sicht der Staatsregierung sprechen. Im Wesentlichen sind es zwei Dinge, die ich ansprechen will.
Zuerst, Frau Nagel, frage ich Sie: Wie kommen Sie denn darauf? Wer zeigt sich denn seit mehr als zwei Jahren bei der Aufnahme von Flüchtlingen so solidarisch wie Deutschland und damit auch Sachsen? Die Antwort kennt jeder. Der Vorwurf, Deutschland würde sich zu wenig engagieren und zu wenige Flüchtlinge aufnehmen, ist vor dem Hintergrund, was in den letzten eineinhalb Jahren geleistet worden ist, geradezu absurd.
Dies verdeutlichen auch die Zahlen – selbst wenn sie schon häufig genannt worden sind, so kann Wiederholung gelegentlich nicht schaden und festigt vielleicht auch ein wenig –: Allein im III. Quartal 2016 haben wir mehr Schutzsuchende aufgenommen als die übrigen Mitgliedsstaaten der EU zusammen. Von fast einer Million Asylanträgen in der EU entfielen in diesem Zeitraum über 650 000 auf Deutschland. Sachsen leistet hierzu seinen Beitrag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bekennen uns zu 100 % zu unseren humanitären Verpflichtungen und unserer Verantwortung und setzen uns selbstverständlich im Bund nicht nur dafür ein, dass Asylbewerber und Flüchtlinge bei uns vernünftig untergebracht und eingegliedert werden, sondern auch dafür, dass das Asylrecht in der Bundesrepublik hochgehalten wird. Dazu gehört im Übrigen auch eine konsequente Umsetzung von rechtsstaatlichen Festlegungen.
Wer einen Anspruch auf Asyl hat, der soll bei uns Schutz finden. Aber wer keinen Asylanspruch hat, der muss unser Land wieder verlassen. Es wäre schön, wenn auch die
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt, der mir beim vorliegenden Antrag wichtig ist, ist das sogenannte Relocation-Programm. Natürlich sind der Bundesregierung die Themen, die im Antrag benannt worden sind, also die humanitären Probleme in den Aufnahmeeinrichtungen Griechenlands und Italiens,
bekannt. Aber nicht zuletzt deshalb hat sich Deutschland im September 2015 verpflichtet, sich an der Umverteilung, eben der Relocation, von 16 000 Asylsuchenden aus Griechenland und Italien zu beteiligen.
Aber an der Stelle möchte ich sagen: Bitte an Europa, so wie vereinbart und jeder zu seinen Teilen. Auch dabei hat Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten der EU bisher wieder einen besonderen Beitrag geleistet. Nach aktuellen Informationen wurden über 7 000 Migranten allein aus griechischen Lagern in europäische Staaten umverteilt; davon 644 Personen nach Deutschland, davon 66 Personen nach Sachsen. Aus Italien kamen noch einmal 455 Personen nach Deutschland.
Nach der ersten pilotweisenden Umsiedlung bietet Deutschland seit September 2016 sowohl Italien als auch Griechenland monatlich jeweils 500 Umsiedlungsplätze an. Damit sollen dieses strukturierte Verfahren etabliert und künftig Umsiedlungen von 250 Personen pro Woche erreicht werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst am 24. Januar dieses Jahres ist ein weiterer Relocation-Flug mit 250 Personen aus Griechenland angekommen. 15 Personen davon wurden einen Tag später nach Sachsen verteilt. Das Relocation-Programm ist damit nicht, wie im vorliegenden Antrag formuliert, gescheitert, sondern es wird vielmehr ausgebaut. Diese Sprache spricht auch der EU-Ratsbeschluss vom 29. September 2016. Damit
können die festgelegten Aufnahmequoten zum Teil auch durch die Aufnahme von syrischen Staatsangehörigen und Staatenlosen aus der Türkei erfüllt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung empfiehlt, aus den genannten Gründen den vorliegenden Antrag abzulehnen.