Protocol of the Session on February 1, 2017

Wenn sich die kommunalen Spitzenverbände auf einen Anrechnungsmodus einigen sollten, dann werden wir dem grundsätzlich nicht im Wege stehen. Aber die Spitzenverbände wurden ja nicht einmal gefragt. Für nicht sachgerecht halten wir allerdings eine Eins-zu-eins-Anrechnung, wie sie von Ihrer Seite vorgesehen ist. Denn man muss berücksichtigen, dass die Aufgaben und Belastungen, die eine Erstaufnahmeeinrichtung für eine Kommune verursacht, gegenüber der kommunalen Unterbringung deutlich geringer sind – schon deshalb, weil der Freistaat allein für die Betreibung einer EAE zuständig ist.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Die Folge einer Eins-zu-eins-Anrechnung der EAE-Plätze wäre eine Verschiebung der Lasten der kommunalen Unterbringung und der Integration in den ländlichen Raum. Das ist mit uns nicht zu machen, meine Damen und Herren!

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist klar, davor haben Sie Angst! – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Landkreise durch Satzung oder öffentlichen Vertrag eine eigene Verteilquote festlegen können. Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, was glauben Sie denn, was die Landkreise die ganze Zeit getan haben? Sie haben unter Mitwirkung der Gemeinden mit Hochdruck nach geeigneten Immobilien für Gemeinschaftsunterkünfte und nach Wohnungen gesucht, und sie haben sich dabei im Rahmen des Möglichen um eine gerechte Verteilung auf die Gemeinden bemüht. Aber eine landkreisinterne feste Verteilquote läuft in der Praxis wegen der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten komplett ins Leere. Das, was Sie vorschlagen, ist ein zahnloser Papiertiger.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: In Mittelsachsen!)

Ich will in Erinnerung rufen: Die Landkreise sind untere Unterbringungsbehörden, die Gemeinden lediglich zur Mitwirkung verpflichtet. Das bedeutet: Mit einer solchen Quote würden sich die Landkreise bei der Suche nach Unterbringungskapazitäten lediglich selbst binden. Es zeigt sich einmal mehr, dass Sie keine Ahnung von den kommunalen Strukturen außerhalb der großen Städte haben. Sie haben keine Ahnung von der Praxis, meine Damen und Herren von der Linkspartei. Außer gescheit reden und Luftschlösser bauen haben Sie als Fraktion zur Bewältigung der Flüchtlingskrise doch bis zum heutigen Tage nichts Brauchbares beigetragen.

(Zuruf der Abg. Anja Klotzbücher, DIE LINKE)

Kommen wir zu dem, womit sich DIE LINKE auskennt – so etwas gibt es ja auch –, sozusagen zu Ihrer Königsdisziplin, der Erhöhung aller möglichen sozialen Standards auf Kosten der Steuerzahler. Dazu enthält der Gesetzentwurf eine ganze Menge. So ist die Änderung des Betreuungsschlüssels für die Flüchtlingssozialarbeit auf 1 : 80, bei dezentraler Unterbringung auf 1 : 40 in Gemeinschaftsunterkünften vorgesehen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja!)

Unabhängig davon, dass diese Zahlen offenbar völlig willkürlich in den Raum gestellt sind, zeigt die Ungleichbehandlung beim Betreuungsschlüssel zuungunsten der dezentralen Unterbringung erneut, dass Ihnen jegliches Verständnis für den ländlichen Raum fehlt.

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Berücksichtigt man die zum Teil erheblichen Fahrtzeiten der Sozialbetreuer und die Tatsache, dass kein Heimleiter vor Ort ist, dann müsste der Betreuungsschlüssel, wenn man überhaupt differenzieren will, eher zugunsten der

dezentralen Unterbringung verbessert werden statt umgekehrt. Frau Klotzbücher, Sie haben es gesagt: Bei der durchschnittlichen Wohn- und Schlaffläche je Unterbringungsplatz wollen Sie den derzeitigen Standard von 6 auf 12 Quadratmeter glatt verdoppeln.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie reden wie der Blinde von der Farbe!)

Zudem sollen Gemeinschaftsunterkünfte nur noch mit höchstens 60 Personen belegt werden dürfen. Lediglich mit Genehmigung der höheren Unterbringungsbehörde soll eine Belegung mit maximal 100 Personen zulässig sein. Weiterhin wollen Sie die Pflicht, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, auf längstens zwölf Monate beschränken, auch, wenn über den Asylantrag – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht abschließend entschieden worden ist.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wenn die Behörden nicht in der Lage sind!)

Und es wird noch verrückter: Mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über einen Asylantrag – also auch, wenn dieser abgelehnt wurde – soll gleichzeitig die Pflicht enden, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Das heißt, die untere Unterbringungsbehörde soll dann für einen abgelehnten ausreisepflichtigen Asylbewerber nach einer Wohnung suchen. Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, wer sich so etwas ausdenkt, sollte mal zum Arzt gehen.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei den LINKEN)

In Wahrheit ist doch Ihr Ziel, Abschiebungen und damit den Vollzug von Recht und Gesetz zu erschweren bzw. zu verhindern.

(Anja Klotzbücher, DIE LINKE: So ein Schwachsinn!)

Lassen Sie mich an einem praktischen Beispiel den Wahnsinn noch einmal zusammenfassen, den Sie in Gestalt des Gesetzentwurfes zu Papier gebracht haben: Ein Landkreis betreibt eine Gemeinschaftsunterkunft mit einer Kapazität von 120 Plätzen und einer durchschnittlichen Wohn- und Schlaffläche von 6 Quadratmetern je Bewohner. Wenn wir Ihrem Gesetzentwurf zustimmen würden, wäre in dieser Einrichtung nur noch die Unterbringung von maximal 60 Personen zulässig. Wo die anderen 60 untergebracht werden sollen, bleibt Ihr Geheimnis. Mit diesem Problem lassen Sie die kommunale Ebene allein. Wer dann konkret die Einrichtung verlässt und wer bleibt, das dürfte eine schwierige Entscheidung werden; denn nach ihrem Gesetzentwurf sind dabei die Wünsche der Migranten angemessen zu berücksichtigen.

(Anja Klotzbücher, DIE LINKE: Ja!)

Die Kosten für den Betrieb der Unterkunft, den Heimleiter, das Sicherheitspersonal, die Heizung usw. verdoppeln sich je Platz. Aber es kommt noch besser: Trotz der Halbierung der Plätze in dieser Gemeinschaftsunterkunft

müssen dort künftig statt einem Sozialbetreuer zwei arbeiten. Der Betreuungsschlüssel wird also vervierfacht. Die Sozialbetreuer haben dann aber zumindest ausreichend Zeit, für die zur Ausreise anstehenden Migranten noch schnell eine Wohnung zu suchen – sehr sinnvoll! –, und all die Mehrkosten würden nicht etwa vom Bund mitfinanziert, sondern wären allein vom sächsischen Steuerzahler zu zahlen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den LINKEN, das ist gegenüber dem sächsischen Steuerzahler eine bodenlose Frechheit!

(Beifall bei der CDU)

Aber für diejenigen, die unser Gemeinwesen finanzieren, hatten Sie ja noch nie etwas übrig.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Eine Aufblähung der Standards für Asylbewerber ist mit der CDU in Sachsen nicht zu machen, darauf können Sie sich verlassen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Hören Sie auf! Ihre Denkwelt ist etwas kleiner!)

Wir werden den Gesetzentwurf selbstverständlich ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

So, meine Damen und Herren, ich habe mich jetzt wieder gefasst.

(Christian Piwarz, CDU: Es gibt auch eine unterschiedliche Schmerzschwelle!)

So ist es, Herr Piwarz. – Wir kommen zur SPDFraktion. Herr Abg. Pallas; bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht gelingt es uns, wieder eine etwas andere Tonalität in die Debatte zu bringen, die durchaus auch ernsthaft geführt werden kann. Ich denke, bei diesem „Gesetzentwurf zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme im Freistaat Sachsen und zur Änderung weiterer Vorschriften“ der Fraktion DIE LINKE ist es wichtig, zwischen allgemeinen Zielstellungen einerseits und deren konkreter Umsetzung im Gesetzentwurf andererseits zu unterscheiden. So kann es sinnvoll sein, die bislang in diversen Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen in ein einheitliches Gesetz zu überführen. Eine ähnliche Debatte gibt es seit Längerem zum Thema Zuwanderungs- bzw. Einwanderungsgesetz. Auch die Höhe der Erstattungsleistungen an die Kommunen nach dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz hat uns in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt, und ich finde es zumindest nachvollziehbar, dass der Gesetzentwurf diesen Punkt aufgreift.

Aber leider unterscheiden sich diese allgemeinen Ziele, zu denen auch in der Einbringungsrede von Frau Klotzbücher einiges gesagt wurde, von der tatsächlichen Umsetzung im Gesetzentwurf. Ich möchte einige Beispiele nennen, um das zu untermauern.

Sie schlagen beispielsweise die Abkehr von dem bisher praktizierten Pauschalensystem bei der Erstattung der Unterbringungskosten an die Landkreise und kreisfreien Städte vor. Ihre Alternative: ein Vollkostenerstattungsanspruch der Kommunen gegen Kostennachweis. Aber fordern Sie das wirklich im Interesse der kommunalen Ebene?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das haben Sie schon gesagt!)

Zwar wurde das Thema der Vollkostenerstattung bereits im Rahmen der letzten Anhebung der früheren Pauschalen thematisiert, und auf den ersten Blick erscheint eine Vollkostenerstattung auch gerechter.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: So sieht es aus!)

Aber: Man darf nicht unterschätzen, welch personellen und finanziellen Aufwand dieses System im Gegensatz zur Pauschale mit sich bringen würde, sowohl für die Kommunen selbst als auch für den Freistaat Sachsen und externe Leistungserbringer.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Die Kommunen kriegen doch die Rechnung auf den Tisch!)

Jetzt schalten Sie auch mal eine Nummer runter, bitte! – Deshalb sind wir nicht von den vermeintlichen Vorteilen der Spitzabrechnung überzeugt. Aus unserer Sicht überwiegen die Nachteile enorm.

Wichtig war es vielmehr, die konkreten Pauschalbeträge anzuheben, was die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU mit der Verabschiedung des Haushaltsbegleitgesetzes getan haben. Im Übrigen basiert diese Anhebung auf der auch schon erwähnten Einigung der Staatsregierung mit der kommunalen Ebene. Das unterstreicht unsere Zweifel an Ihrem Vorschlag.

Ein zweites Beispiel für die schlechte Umsetzung der guten Ziele in Ihrem Gesetzentwurf ist: Sie wollen die Zuständigkeit als oberste Aufnahmebehörde vom Innenministerium zum Geschäftsbereich der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration überführen. Sie hatten moniert, Frau Klotzbücher, dass Sie keine wirklichen Argumente gegen Ihren Vorschlag gehört haben. Ich denke, dass ich jetzt Abhilfe schaffen kann. Aber auch Ihre Forderung steht gewissermaßen im luftleeren Raum; denn der Gesetzentwurf sagt überhaupt nichts darüber aus, welche massiven personellen und sachlichen Aufstockungen oder Umschichtungen zwischen den beiden Ressorts notwendig wären.

Ich bin auch nicht Ihrer Ansicht, dass es ausreicht, in der Gesetzesbegründung auf das durch die Staatsregierung entsprechend anzupassende Binnenrecht zu verweisen. Hier geht es nicht mehr und nicht weniger als um eine massive Änderung von Stellenplänen und Verschiebung von Personalkosten zwischen unterschiedlichen Einzelplänen des sächsischen Landeshaushaltes. Hier ist aber der Haushaltsgesetzgeber, also der Landtag, am Zug. Mit Ihrem Vorschlag beschneiden Sie das Verfassungsorgan Sächsischer Landtag in seinem bedeutendsten Recht. Dies

ist ein weiterer Grund, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bezüglich den Vorgaben zur Unterbringung, zur Sozialbetreuung, zu Sprachkursen, zu Gewaltschutz und zur Verteilung der Asylsuchenden, beschränkt sich die Fraktion DIE LINKE in ihrem Gesetzentwurf eher auf programmatische Festlegungen. Aber auf die Frage der tatsächlichen Machbarkeit der einzelnen Vorgaben gehen Sie überhaupt nicht ein.

Zur Debatte gehört auch, dass wir alle anerkennen sollten, dass sich durch das Wirken der Staatsregierung in den Bereichen Inneres und Gleichstellung und Integration gerade bei der Unterbringung von Geflüchteten in Landes- oder kommunalen Einrichtungen sehr, sehr viel zum Guten verändert hat, insbesondere im letzten Jahr, meine Damen und Herren.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Kann man noch besser machen!)