Protocol of the Session on August 31, 2016

Drittens. Blinde, Taube und andere Behinderte werden auch regelmäßig beitragsverpflichtet. Auf Antrag wird gegebenenfalls Minderung oder Beitragsbefreiung gewährt.

Viertens. Man muss zahlen, auch wenn man die Angebote der begünstigten Anstalten weder empfangen kann noch sehen will.

Fünftens. Die Programme entsprechen inhaltlich nicht der Verpflichtung zur ausgewogenen Berichterstattung.

Sechstens. Es handelt sich um eine verkappte Besteuerung, über deren Verwendung die Parlamente aber verfassungswidrig keine Verfügungshoheit haben.

Siebentens. Beiträge werden erhoben, aber nicht verursachergerecht abgerechnet.

(Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und Patrick Schreiber, CDU)

Achtens. Es widerspricht dem Rechtsbewusstsein vieler Bürger, für etwas zahlen zu sollen, das man nicht bestellt hat.

Neuntens. Der technische Fortschritt erlaubt heute eine exakte Erfassung und Abrechnung jeglichen Empfangs usw.

Wem diese Argumente zu wenig wissenschaftlich erscheinen, der kann sich beim Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums und der einschlägigen juristischen Literatur vertiefende Einsichten verschaffen.

All diesen Eingaben konnte im betreffenden Jahr 2015 und kann bis heute nach der geltenden Gesetzeslage nicht abgeholfen werden. Also bewerte ich sie mit der Feststellung, dass dies nur bei geändertem politischem Willen möglich sei – diese Bemerkung verweigert mir dann der Ausschuss mit Stimmenmehrheit – genauso wie das Parlament bisher einem Gespräch mit Betroffenen, die sich in Bürgerinitiativen organisiert haben, systematisch ausweicht. Das muss sich ändern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war der Beitrag von Frau Abg. Wilke zur Unterrichtung des Petitionsausschusses. Nun rufe ich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. Frau Abg. Schubert, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Jahresbericht des Petitionsausschusses ist immer eine gute Gelegenheit, um Bilanz über die Arbeit des vergangenen Jahres und ihrer Ergebnisse zu ziehen, aber auch darüber, welche Unterstützung man auf diesem Weg hatte. Deshalb möchte auch ich zunächst Danke sagen an die Mitarbeite

rinnen und Mitarbeiter des Petitionsausschusses. Ich habe im vergangenen Jahr viele Anliegen gehabt. Worauf ich mich immer verlassen konnte und was ich sehr zu schätzen gelernt habe, war die geduldige und schnelle Hilfe der Frauen und Männer in der Petitionsverwaltung. Dafür gebührt ihnen nicht nur mein Dank, sondern der Dank des ganzen Hauses.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Zum Jahresbericht. Wenn ich mir die reinen Zahlen anschaue – Sie dürfen es mir nicht verübeln, ich bin auch Finanzerin –, zeichnet sich zunächst kein besonders positiv auffälliges Bild heraus: 453 behandelte Petitionen bei 4 Millionen Einwohnern in Sachsen. Vor zwei Jahren waren das noch 721 Petitionen. Jeder Mensch kann sich an den Petitionsausschuss wenden, nicht nur sächsische Bürgerinnen und Bürger. Geht man also von der reinen Zahl aus, könnte man hier ein Indiz dafür sehen, dass wir hier möglicherweise ein Problem haben. Dieses Problem nennt sich Vertrauensverlust in die Wirksamkeit des Petitionswesens und damit verbunden der Glaube daran, dass politische Institutionen bei Problemen Abhilfe schaffen können, welche die Menschen bewegen. Diese Probleme sind nicht weniger geworden, aber die Form, sie zu artikulieren, scheint im Jahr 2015 weniger in Form einer Petition gesehen worden zu sein. Es wird unsere Aufgabe bleiben, die Arbeit des Petitionsausschusses in die Öffentlichkeit zu tragen und immer wieder auf die Möglichkeit hinzuweisen, diese Form wählen zu können.

Ich möchte aber noch eine andere Seite ansprechen, die ich auch aus den reinen Zahlen herauslese; vielleicht erleben wir momentan nämlich eine Trendwende – weg von den klassischen Einzelpetitionen, hin zu den Sammelpetitionen. Immerhin haben – und diese Zahl ist beachtlich – 46 000 Menschen ihre Unterschrift unter eine der vielen Sammelpetitionen gesetzt. Wir müssen uns darauf einstellen, dass zusehends modernere Instrumente der Bürgerbeteiligung, zum Beispiel open petition, eine immer größere Rolle spielen werden. Andere Länder gehen da voran. Litauen zum Beispiel erlaubt schon reine online-Petitionen, bei denen man aber auch jederzeit online überprüfen kann, welchen Bearbeitungsstand die eigene Petition erreicht hat. Da haben wir in Sachsen noch einiges vor uns.

Ich denke, dass es keinen Ausschuss im Sächsischen Landtag gibt, der sich so unmittelbar mit der Lebenswelt der Menschen auseinandersetzt. Zu beinahe jeder denkbaren, manchmal auch undenkbaren gesellschaftlichen Frage wenden sich Petenten an den Sächsischen Landtag. Auf diese Weise bekommen wir Abgeordnete Kenntnis von Sachverhalten und Problemen, die es vielleicht ohne das Instrument der Petition nie in den Landtag geschafft hätten. Bekanntlich kann nur das, was als Thema erkannt wird, auch parlamentarisch behandelt werden.

Was meine politische Arbeit ungemein bereichert, sind die Lerneffekte. Durch die Arbeit mit den Petitionen setzen sich die Berichterstatter mit Themen und Menschen

auseinander, denen sie so vielleicht nicht ohne Weiteres begegnet wären. Ich halte an der Überzeugung fest, dass gutes politisches Handeln sich daran messen lassen muss, wie es den Realitäten begegnet und die Themen der Menschen begreift. Erst dann wird politisches Handeln für mich authentisch und ehrlich. Das, meine Damen und Herren, ist vertrauensbildend, und daran müssen wir alle mit großer Kraft arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Man darf nicht vergessen, dass sich hinter jeder dieser 453 Petitionen eine ganz eigene Geschichte verbirgt. Fast jeder Fall ist anders. Die Palette an Themen ist bunt. Die Petitionen, an denen ich zum Beispiel gearbeitet habe, reichen vom Abwasser über Hochschulthemen bis hin zu den sächsischen Sparkassen.

Bei Petitionen geht es selten um das große Ganze. Es geht meist um rechtliche Details und komplizierte gesetzliche Zusammenhänge, die eine intensive Einarbeitung verlangen. Das ist auch einer der Gründe für die lange Bearbeitungszeit von Petitionen. Der Jahresbericht gibt für den größten Teil der Petitionen sechs bis zwölf Monate Bearbeitungszeit an. Das ist eine Zeitspanne, bei der man bei Ministerien oder Behörden langsam über eine Untätigkeitsklage nachdenken würde. Aber bei Petitionen liegt das in der Natur der Sache. Als Berichterstatter sucht man nämlich immer Wege, um dem Anliegen der Petenten möglichst abhelfen zu können. Da wird das persönliche Gespräch gesucht, werden Briefe über Briefe an die Staatsregierung verfasst, Ortstermine abgehalten oder auch Vertreter der Staatsregierung vor den Ausschuss geladen. Das alles geschieht, um ein möglichst umfassendes Bild der Lage zu erhalten.

Bei der Bearbeitungszeit von Petitionen gilt der Grundsatz von Qualität vor Schnelligkeit. So muss es auch sein. Kritisch anzumerken ist, dass der Ausschuss – das hatte Frau Lauterbach schon gesagt – heute noch Petitionen aus den letzten Legislaturperioden mit sich herumschleppt. Das kann man eigentlich fast niemandem mehr vermitteln. Dieser Missstand muss im Rahmen unserer Möglichkeiten schleunigst behoben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beim Lesen des Petitionsjahresberichtes – und ich gehe davon aus, dass ihn alle gelesen haben oder noch lesen werden – werden Sie merken, mit welchen Themen sich die Menschen an den Landtag wenden. Hierzu ein paar Beispiele. Das Thema Bildung treibt die Menschen im Land weiter um. Besonders bei den Sammelpetitionen spielte Bildung eine wichtige Rolle, sei es die Verbesserung des Kita-Personalschlüssels, die Hortbetreuung oder die Integration.

Vor dem Hintergrund der vielen Diskussionen, die wir im vergangenen Jahr und bis heute zum Thema Asyl in seinen vielen Facetten führen, hat mich eine Tatsache besonders staunen lassen. Die Sammelpetition mit den meisten Unterschriften war im Jahr 2015 ausgerechnet

die, die sich für einen Winterabschiebestopp eingesetzt hat. 11 500 Menschen haben unterschrieben. Das ist für mich ein sehr deutliches Zeichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieser Petition konnte vom Landtag leider nicht abgeholfen werden.

Auch der Umwelt-, Natur- und Tierschutz liegt den Petenten besonders am Herzen. Fast 14 000 Menschen haben sich zu diesem Thema an den Petitionsausschuss gewandt, sei es bezüglich des umstrittenen Baum-abGesetzes von 2011, für eine Rücknahme der Erlaubnis von Mäusegift oder zum Thema Rotwild im Erzgebirge. Das zeigt, wie sehr die Menschen diese Themen bewegen.

453 Petitionen waren es 2015. 318 davon konnte nicht abgeholfen werden. Nur bei 24 Petitionen wurde am Ende das Votum „Wird abgeholfen“ vergeben. Abgeholfen ist einer Petition dann – das können Sie auf Seite 39 des Jahresberichtes nachlesen –, wenn durch das Petitionsverfahren eine Entscheidung im Sinne der Petenten befördert wird. Dazu kommen noch 66 Petitionen, die sich erledigt haben, und 19, die der Staatsregierung zugeleitet wurden. Geschieht Letzteres, nämlich die Zuleitung an die Staatsregierung, dann erfahren wir als Berichterstatter in den allerseltensten Fällen, welche Auswirkungen das auf Verwaltungshandeln oder auch Regierungshandeln hat.

Die Erfolgszahlen klingen für sich genommen vielleicht nicht auffällig positiv. Wenn man aber genauer hinsieht, heißt das, dass jede fünfte Petition in irgend einer Art und Weise Erfolg hatte. Das zeigt, dass es allemal besser ist, sich mit einer Eingabe an den Landtag zu wenden, anstatt den Missstand einfach zu ertragen.

Es passiert auch mal, dass eine Petition durch Medienberichterstattung an die Öffentlichkeit gelangt. Auch das hilft manchmal, etwas zu bewegen.

Ich würde mich freuen, wenn wir öfter hier im Plenum einzelne Petitionen aus der Sammeldrucksache herausziehen, um sie gemeinsam zu besprechen. Schaden kann das nicht.

Der Jahresbericht des Petitionsausschusses hält dem Petitionswesen in Sachsen den Spiegel vor und zeigt deutlich dessen Licht- und Schattenseiten auf. Wir Parlamentarier müssen uns alle überlegen, wie wir das Petitionswesen weiter stärken und attraktiver machen können. Aber auch ein Petitionswesen muss sich weiterentwickeln. Die Möglichkeiten, moderne Onlinemedien stärker zu nutzen und einfacher zugänglich zu machen, habe ich schon angesprochen. Auch sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, die Entscheidungsfindung im Ausschuss transparenter zu machen und die Sitzungen in diesem Ausschuss für die Öffentlichkeit zu öffnen.

Es bleibt für mich unbestritten, dass das Recht jedes Menschen, sein Anliegen an den Gesetzgeber heranzutragen und darin ernst genommen zu werden, eines unserer besten Instrumente gegen Politikverdrossenheit, schwin

dendes Vertrauen in politische Institutionen und populistische Blenderei ist.

In diesem Sinne: Machen wir gemeinsam weiter!

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine weitere Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Die Staatsregierung brauche ich nicht zu fragen; sie ist nicht anwesend.

(Christian Piwarz, CDU: Doch, sie ist anwesend. Der Chef der Staatskanzlei ist anwesend, Herr Präsident!)

Entschuldigung. Herr Chef der Staatskanzlei, möchten Sie sprechen? – Das ist nicht der Fall. Mein Schriftführer ist so groß, da konnte ich ihn nicht sehen. Ich bitte um Nachsicht. Herr Piwarz, vielen Dank, dass Sie das richtiggestellt haben. Das hätte sonst ein schlechtes Bild auf die Staatsregierung geworfen.

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, die Unterrichtung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Unterrichtung des Petitionsausschusses, Drucksache 6/5900, zur Kenntnis genommen worden.

Meine Damen und Herren! Ich darf noch daran erinnern, dass sich der Sächsische Landtag in jeder ersten Sitzung der Plenarwoche mit den Berichten des Petitionsausschusses befasst. Ob er dann Öffentlichkeit erlangt, liegt ganz bei Ihnen, Frau Ausschussvorsitzende Lauterbach. Für die geleistete Arbeit des Petitionsausschusses und des ihn betreuenden Referats darf ich mich im Namen aller Abgeordneten des Sächsischen Landtags sehr herzlich bedanken.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Verbraucherberatung und Verbraucherbildung für