Protocol of the Session on September 16, 2015

(Beifall bei der CDU)

Ausbaustandards sind aus meiner Sicht deutlich zu hinterfragen. Kompetente Entscheidungen vor Ort wieder mehr zu ermöglichen und zuzulassen wäre eine Alternative dazu, meine Damen und Herren.

Um es gleich zu sagen: Ich rede hier nicht der Regellosigkeit das Wort, wohl aber Maß und Vernunft. Grundsätzlich gilt das Prinzip der Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen und der Bundesvorgaben. Daran wird sich auch die Staatsregierung messen lassen müssen.

Zum Schluss komme ich noch auf die angesprochenen tarifvertraglichen Vereinbarungen. Der theoretische

Ansatz von Staatsminister Dulig ist aus meiner Sicht begrüßenswert. Nur stellt sich für mich die Frage, warum sich gerade in Sachsen auffallend viele Unternehmer dem verweigern. Hier sehe ich die Tarifpartner in einer hohen Verantwortung, die sächsischen Gegebenheiten und deren Leistungskraft deutlich mehr zu berücksichtigen. Wenn dies stärker beachtet wird, haben wir auch starke Tarifpartnerschaften, die gleichberechtigt die Wirtschaftskraft Sachsens widerspiegeln. Wir brauchen für das Wirtschaftsland Sachsen erfolgreiche Unternehmer und Arbeitnehmer, die mit ihrem Fleiß, ihrem Können und ihrer Qualifizierung diesen Weg weiter kraftvoll mitgestalten und davon am Ende auch partizipieren. Das ist Sachsen, und wir stehen für ein modernes Sachsen zur Verfügung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wird von der SPD das Wort gewünscht? – Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wir schaffen das moderne Sachsen“ – so lautet der Titel der Fachregierungserklärung von Staatsminister Martin Dulig, und er ist richtig. Sachsen steht in seiner Entwicklung an einem wichtigen Punkt. Es geht darum, die Fragen zu klären, welche Entscheidungen, welche Weichen wir heute stellen müssen, damit wir morgen und übermorgen in Wohlstand leben können.

Neben der Bildungspolitik, einer soliden Haushaltspolitik und Investitionen in Infrastruktur müssen wir ein Thema in den Mittelpunkt stellen, das der Minister angesprochen hat. Das ist das Thema „gute Arbeit für Sachsen“. Dabei können wir grundsätzlich einen positiven Blick auf die Zahlen werfen. Die Arbeitslosigkeit in Sachsen sinkt. Aktuell liegt die Zahl bei 7,9 %. Das ist der niedrigste Wert seit 1990. Das ist nicht nur das Ergebnis einer demografischen Entwicklung. Es zeigt, dass gleichzeitig die Beschäftigungsrate in Sachsen gestiegen ist.

Das ist ein gemeinsamer Erfolg. Er bedeutet aber nicht, dass wir in Sachsen keine Herausforderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik mehr zu bewältigen hätten. Wir stehen nach wie vor vor großen Herausforderungen. Es geht nicht nur darum, die 168 000 Menschen in Arbeit zu bringen, sondern auch darum, sich noch einmal die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt anzuschauen.

Neben der richtigerweise von Martin Dulig betonten Initiative zur Erhöhung der Tarifbindung sehe ich drei zentrale Herausforderungen:

Erstens. In keinem anderen Bundesland ist der Anteil der Beschäftigten, die den von uns eingeführten Mindestlohn erhalten, so groß wie in Sachsen. Besonders besorgniserregend ist der Anteil der sächsischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Berufsausbildung und Hochschulabschluss unter den Mindestlohnempfängern. Das zeigt, dass der sächsische Arbeitsmarkt auch von einem großen Niedriglohnsektor geprägt ist. Niedriglöhne sind aber in einer Situation des Fachkräftebedarfs kein Wettbewerbsvorteil, sondern ein Wettbewerbsnachteil. Deshalb ist es richtig, dass die Regierungspolitik entschieden hat, die Niedriglohnstrategie in Sachsen zu beenden.

Zweitens. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist trotz positiver Entwicklung am Arbeitsmarkt nahezu konstant. Aktuell sind 39,6 % der Arbeitslosen bereits länger als ein Jahr arbeitslos. Angesichts der positiven Situation auf dem Arbeitsmarkt muss hier ein Schwerpunkt unserer Anstrengungen liegen. Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig. Das eröffnet uns enorme Chancen auch bei der Reduzierung der Langzeitarbeitslosen. Diese Menschen brauchen dazu allerdings unsere besondere Unterstützung. Das regelt nicht der Markt, auch nicht der Arbeitsmarkt. Um die Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen, brauchen wir in Sachsen eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Deshalb danke ich dem Staatsminister ausdrücklich für die begonnenen Anstrengungen. Die Ansätze sind richtig. Wir in Sachsen investieren in Zukunft in die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit benachteiligter Menschen, anstatt deren Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

Eine dritte Herausforderung sind die atypischen Beschäftigungen von Frauen. Die Spaltung des Arbeitsmarkts verläuft in Sachsen auch zwischen Männern und Frauen. 52 % der Frauen am sächsischen Arbeitsmarkt sind atypisch beschäftigt. Deshalb wollen wir die Arbeitsmarktförderung stärker an den Bedürfnissen der Frauen und Familien und aufgrund ihrer häufig unterbrochenen

Erwerbsbiografien ausrichten. Dabei liegt der Ball aber nicht nur im Feld der Politik. Es darf nicht darum gehen, nur die Kinderbetreuung für den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Wir müssen bei den Unternehmern auch dafür werben, dass diese mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse von Familien nehmen.

Wir sehen: Die Tendenz in Sachsen stimmt, aber es sind noch viele weitere Schritte nötig. Natürlich geht es uns als SPD dabei um Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Wenn wir über gute Arbeit sprechen, sprechen wir vor allem auch über Zukunft. Ein Arbeitsmarkt, der auf Niedriglöhne und befristete Arbeitsverhältnisse setzt, ist nicht nur nicht gerecht, er hat vor allem auch keine Zukunft. Ein Arbeitsmarkt, der Beruf und Familie nicht miteinander vereinbart, ist nicht nur nicht gerecht, sondern er hat auch keine Zukunft. Ein Arbeitsmarkt, der nicht jedem jungen Menschen eine Perspektive eröffnet, ist nicht nur nicht gerecht, sondern er schafft auch keine Perspektive für Sachsen. Deshalb ist die Initiative von Staatsminister Martin Dulig an dieser Stelle zu begrüßen und hat die ausdrückliche Unterstützung der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte aber noch einmal einen kurzen Satz zu Herrn Brünler sagen. Ihr Redebeitrag hat mich etwas verwundert. Sie werfen dem Minister Worthülsen vor und schwafeln hier vorn selbst über Opern. Sie beklagen mangelnde Ergebnisse. Aber Ihre Fraktion sitzt selbst in den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen zu ÖPNV, zu „gute Arbeit“

und Digitalisierung. Das heißt, auch Sie selbst schaffen keine Ergebnisse.

Die Wahrheit ist, dass Herr Dulig die Probleme klar angesprochen hat. Ihre Konstruktion der Probleme allerdings geht an der Realität vorbei.

Letzter Satz: Eine neue politische Kultur ist an dieser Stelle keine Einbahnstraße. Staatsminister Dulig bezieht nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Opposition ausdrücklich ein.

Ein Satz, haben Sie gesagt.

Jede Idee ist willkommen. Aber es gehört eben auch dazu, wenn man mit dabei sitzt, hier vorn differenzierte Redebeiträge zu leisten. Ihre Kollegin hat Ihnen das meiner Meinung nach vorgemacht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wird von der AfD noch einmal das Wort gewünscht? Frau Dr. Petry? – Fraktion GRÜNE? – Gibt es jetzt weitere Wünsche aus den Fraktionen, hier vorn zu reden? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache zur Fachregierungserklärung beendet. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Nationale Aufgabe Asyl gemeinsam meistern –

Europäische Migrationsagenda voranbringen

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

2. Aktuelle Debatte: Alle Jahre wieder:

Das Märchen vom reibungslosen Start ins neue Schuljahr

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Wir beginnen mit

1. Aktuelle Debatte

Nationale Aufgabe Asyl gemeinsam meistern

Europäische Migrationsagenda voranbringen

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; Herr Hartmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die „Natio

nale Aufgabe Asyl gemeinsam meistern – Europäische Migrationsagenda gemeinsam gestalten“ – das ist die Herausforderung, vor der wir letzten Endes in diesem

Land stehen. Lassen Sie mich an den aktuellen Zahlen deutlich machen, was die Herausforderung ist.

2008 kamen 226 000 Asylsuchende in die Europäische Union, davon 26 945 nach Deutschland. Das heißt, circa 12 % aller Asylsuchenden in der Europäischen Union haben in unserem Land Aufnahme gefunden. Im Jahr 2015 wird derzeit prognostiziert, dass 800 000 Asylsuchende nach Deutschland kommen – bei 1,9 Millionen, die Aufnahme in der Europäischen Union finden. Das sind nunmehr 42 % aller Asylsuchenden, die in die Europäische Union kommen. Da, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht schon die Europäische Migrationsagenda auf der Tagesordnung. Außerdem geht es um die Frage, ob die Europäische Union eine Solidargemeinschaft oder eine Gemeinbedarfschaft ist. Insoweit ist diese Frage in den Mittelpunkt zu setzen.

Gleichwohl steht auch die Frage: Welcher Verantwortung stellen wir uns hier in unserem Land, in Deutschland? Ein großer Zustrom von Asylsuchenden, von Flüchtlingen, kommt in unser Land, ein großer Teil aus Regionen, in denen Bürgerkrieg herrscht, wie Syrien, aus staatlichen Verfallsstrukturen, aus Bürgerkriegsstrukturen wie Eritrea oder Südsudan, aber eben auch aus Regionen wie Afghanistan, in denen es durch Banden, Mafia und Warlords geprägte Strukturen gibt. Diese Menschen brauchen unsere Hilfe, sie brauchen unsere Unterstützung und haben unser Mitgefühl.

Auf der anderen Seite müssen wir uns auch denen stellen, die wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen versuchen, aus ihren Heimatländern zu gehen und hier eine neue Perspektive zu finden. Dafür müssen wir Maßstäbe definieren. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Verantwortung, die die Politik zu tragen hat. Wir brauchen Lösungen für die anstehenden Aufgaben. Wir brauchen klare Regeln. Wir brauchen Strukturen und die Solidarität der Gesellschaft zur Politik, aber eben auch die Solidarität zwischen Kommunen, Ländern, Bund und – damit schließt sich meine Einleitung – vor allen Dingen auch der Europäischen Union.

Regeln müssen definieren, wer kommen darf und soll. Es muss geklärt werden, wie die Integration, die Einbindung in unsere Gesellschaft erfolgt. Zur Integration gehört dabei auch die Frage einer Regel- und Wertevermittlung. Es geht nicht um Assimilation. Es geht auch darum, dass Menschen, die hierher kommen, ihre eigene Kultur leben können. Aber es gilt der Grundsatz, zu Gast zu sein. Da hat man auch die Spielregeln zu beachten.

(Beifall des Abg. André Barth, AfD)