Der Mitarbeiter steht also vor der Frage: Nehme ich jetzt zwei Jobtickets oder nehme ich eines und kaufe in dem anderen Verbund noch etwas hinzu oder verzichte ich ganz auf den Nahverkehr oder wähle ich das DBJobticket? Für den Arbeitgeberanteil gilt dann das Gleiche. Nun sind wir beim Jobticket aber nicht beim Schach, wo es mit vielen Optionen gerade reizvoll ist – einfach muss es sein. Insofern ist der Ansatz des GRÜNENAntrages, sage ich offen, gar nicht so verkehrt, aber die Umsetzung, die Sie dafür vorschlagen, haut so nicht hin.
Außerdem ist ja noch unklar, warum manche Angebote in den einzelnen Verbünden funktionieren – siehe MDV – und in anderen eher nicht angenommen werden. Da halte ich es dann schon mit dem Ministerium: Es ist sinnvoll, diese Angebote zu evaluieren; denn nicht immer ist der fehlende Arbeitgeberanteil der Punkt, der dem Jobticket das Bein stellt. Die Pendler reisen ja nicht im luftleeren Raum; sie brauchen attraktive Angebote. Fahrplanlagen, Verkehrsinfrastruktur, Taktung – all das spielt eine Rolle. Im MDV ist es nach aktuellen Zahlen beim Jobticket am besten. Aber warum ist das so? Liegt das ausschließlich am Arbeitgeberanteil oder daran, dass das Netz dort so dicht ist oder dass die Transferstrecken günstig liegen oder die Fahrpläne stimmen? Das ist alles noch nicht hinreichend untersucht.
Und warum ist es im Vogtland wohl so dünn? Dafür gibt es zumindest ein Indiz, das Sie verschwiegen haben. Natürlich gab es bisher dort kein Jobticket, aber seit 2014 bietet der VVV es an. Schon deswegen war es flächendeckend bisher gar nicht möglich, eines für die sächsischen Landesbediensteten einzuführen. Derzeit ist aber das SMWA nach meiner Kenntnis mit dem VVV in Gesprächen und eine ordentliche Evaluierung kann nach einem
halben Jahr auch noch nicht erfolgt sein. Insofern ist es nicht ganz so einfach, wie Sie es hier darstellen.
Was Sie, liebe Frau Kollegin Jähnigen, hier beantragen, ist wieder einmal der dritte Schritt vor dem ersten. Schauen wir uns das Verfahren zwischen dem SMWA und dem VVO einmal an: Dort wurde der Arbeitgeberanteil vereinbart und nach angemessener Zeit evaluiert. Im Anschluss gab es einen Rahmenvertrag. Genauso und nur so sollte man es machen, auch in den anderen Verbünden, und nicht heute ins Blaue hinein irgendetwas beschließen.
Wladimir Iljitsch Uljanow sagte weiland 1920: „Wenn ich weiß, dass ich wenig weiß, dann werde ich danach trachten, mehr zu wissen.“
Sie wissen heute nicht so richtig viel darüber, warum Jobtickets angenommen werden oder nicht – und trotzdem wollen Sie einfach schon mal das Geld ausgeben. Das ist ziemlich typisch. Das mit dem einfachen Geldausgeben haben Sie ja mit dem Genossen Lenin an der Stelle gemein.
Das SMWA hat beim Jobticket für die Staatsregierung eine Vorreiterrolle eingenommen und Erfahrungen gesammelt. Mit dem VVV geht das erst seit Kurzem. Wir sollten das also auswerten, dann sollten wir es uns anschauen und der gesamten Staatsregierung diese Erkenntnisse zur Verfügung stellen. Es gilt wie bei der Rettung Ertrinkender: Hast schadet.
Natürlich, liebe Frau Jähnigen, ist das Jobticket auch ein Thema für die ÖPNV-Strukturkommission. Ich habe vorhin schon berichtet, dass es offenbar sogar innerhalb des Ministeriums noch Optimierungspotenziale gibt, und die Akzeptanz eines landesweiten Jobtickets ist abhängig von einem attraktiven Nahverkehr. Es geht um die vernetzten Angebote – Takt, Infrastruktur usw. – und um die Finanzierung mit dem Arbeitgeberanteil. Das muss alles gut untersucht werden; Schnellschüsse nach dem Motto „Wünsch dir was!“ verbieten sich deswegen.
Weil es hier im Hohen Hause recht en vogue ist, mit einem Zitat zu schließen, habe ich auch eines herausgesucht. Es stammt von Christian Wilhelm Friedrich Jacobs – er war Philologe und Oberbibliothekar in Weimar im beginnenden 19. Jahrhundert – und passt ganz gut zu den eiligen Anträgen, die uns die GRÜNEN in Sachen Verkehr immer mal wieder vorlegen, bevor die Anliegen inhaltlich entscheidungsreif sind. Er hat gesagt: „Geduld ist die Pforte zur Freude“. Da wir eine fröhliche Koalition sind, lehnen wir den GRÜNEN-Antrag ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Nowak, wenn Sie jetzt einen Thüringer zitiert haben, wo R2G regiert, dann freut mich das, denn dort wird das wahrscheinlich mit dem Jobticket schneller passieren als in Sachsen, vielleicht auch schon mit dem fahrscheinfreien ÖPNV.
Zur Sache. Um den CO2-Ausstoß in Sachsen zu senken, ist es nicht nur nötig, erneuerbare Energien zu stärken und perspektivisch auf Kohlestrom zu verzichten, sondern auch im Verkehrsbereich effizient unterwegs zu sein. Zwar sinkt der CO2-Ausstoß bei Fahrzeugen kontinuierlich, doch dieser Gewinn wird leider wieder aufgefressen durch immer mehr Verkehr. Nun ist die Frage, wie sich dieses Problem lösen lässt – indem man den öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel attraktiver und kostengünstiger macht.
Der Antrag der GRÜNEN kommt zu dem Punkt, dass es für einige Menschen in diesem Land kostengünstiger sein könnte, mit dem ÖPNV zu fahren – genauer gesagt für über hunderttausend Menschen, die beim Freistaat Sachsen beschäftigt sind. Deswegen lohnt es sich, eine Debatte darüber zu führen, wie man zu einem kostengünstigeren ÖPNV zumindest für diese Gruppe von Menschen kommen kann. Der ÖPNV wird nämlich für jeden Einzelnen kostengünstiger, wenn immer mehr Menschen ihn gemeinsam nutzen. Daher diskutieren wir in der LINKEN schon länger über verschiedene Modelle des fahrscheinfreien ÖPNV, der allen zugute kommt und für den alle Menschen – nicht nur die, die ihn nutzen – einen Finanzierungsbeitrag leisten.
Das Ganze kann man nicht von heute auf morgen, sondern nur Schritt für Schritt umsetzen. Ein Schritt kann ein Jobticket sein. Einen Schritt – genauer: einen Schritt davor – sind die Studierenden in Sachsen gegangen: Sie haben sich zusammengeschlossen und durch die pure Größe der Studierendenschaft den Verkehrsverbünden eine große Zahl an neuen Kunden gebracht. Daher konnten die Verkehrsverbünde der Kundschaft hohe Rabatte gewähren.
Ähnlich wollen Sie, die Koalition, es mit den Schülertickets machen. Aber angesichts der Fantasielosigkeit von Herrn Nowak, die ich gerade erlebt habe, dürfte das sehr schwierig für Sie werden, wenn schon eine Vereinbarung mit den fünf Verkehrsverbünden ein Problem darstellt. Das Problem werden Sie mit den Schülertickets haben, Herr Nowak.
Ist Ihnen bekannt, dass die Studierenden das nicht ganz freiwillig gemacht haben, sondern dass es sich um ein Zwangsangebot der verfassten Studierendenschaften handelt?
Ja, das ist mir bekannt. Dazu komme ich auch noch in meiner Rede. Man könnte natürlich auch überlegen, ob das in Sachsen nicht auf andere Weise lösbar ist, etwa durch Modellversuche. Darüber möchte ich weiter reden. Ich weiß nämlich, dass es nicht so einfach ist, die Studierenden mit den Beschäftigten des Landes Sachsen zu vergleichen. Aber mit ein bisschen mehr Fantasie – ich habe gerade erlebt, dass Sie es damit anscheinend nicht so haben – könnte man das Problem lösen. Man könnte sich zum Beispiel mit Vertretern der Verkehrsverbünde zusammensetzen, um die Frage zu klären: Was wäre denn überhaupt der Preis, wenn ich mit meinen 100 000 Beschäftigten zu Ihnen komme und ein sachsenweites ÖPNV-Ticket haben möchte? Welchen Rabatt könnte ich denn bekommen? – Dann würde mir der Verkehrsverbund einen viel höheren Rabatt nennen als derzeit bei den Jobtickets oder den Semestertickets.
Aber nicht mit 100 000 Menschen auf einmal, sondern nur mit den 5 000 aus Ihrem Ministerium. Mit unserem Vorschlag würden wir den Verkehrsverbünden eine ganz andere Größenordnung an neuen Kunden bringen.
Hinzu kommt natürlich noch der Arbeitgeberanteil. Dieser könnte übrigens viel höher sein als heute und bei 20 oder 30 % liegen. Dann läuft das ein bisschen anders, und es wird für die Beschäftigten günstiger, ein Ticket zu kaufen.
Nun können Sie – das hat Herr Nowak richtig gesagt – die Beschäftigten nicht zwingen, ein landesweites ÖPNVTicket zu erwerben, weshalb die Verhandlungsposition für den Freistaat in der Tat ein bisschen schwieriger wäre als für die verfasste Studierendenschaft. Aber man könnte, wie gesagt, versuchen, durch ein Modellprojekt den Verkehrsverbünden 100 000 Kunden zu garantieren, das heißt, ihnen „virtuelle Tickets“ zuzusichern. In den ersten paar Jahren würde das vielleicht ein paar Millionen Euro kosten; das gebe ich zu. Doch wenn die Tickets für jeden Einzelnen erheblich günstiger sind – bei 20 bis 30 Euro pro Person –, dann würden die Beschäftigten in Sachsen diese Tickets auch kaufen und somit den Anteil, den das Land übernehmen müsste, reduzieren. Man hätte aber ein neues System geschaffen, das erheblich niedrigere Preise der Monatskarten für jeden Einzelnen ermöglichen würde. Der Freistaat Sachsen und die Umwelt hätten auch etwas davon, weil die Beschäftigten mit Bus und Bahn fahren würden.
Der Antrag der GRÜNEN ist ein Schritt in die von mir beschriebene Richtung eines landesweiten ÖPNV-Tickets für alle, zunächst für die 100 000 Beschäftigten, die es viel günstiger haben könnten. Ich finde, dass man einen höheren Arbeitgeberanteil ansetzen müsste, nicht nur 10 %, sondern 20 oder 30 %. Es ist auch nicht zu begreifen, warum die Leute im Vogtland diese Möglichkeit bisher überhaupt nicht hatten. Das Land hätte aber auch
mehr Druck auf die Verkehrsverbünde ausüben können; denn in den Aufsichtsräten sitzen auch Vertreter der entsprechenden Behörden.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Lehrerin im Vogtland kein Jobticket haben kann, die Lehrerin in Dresden aber eines bekommt. Hier werden ihr 20 % des Preises bezahlt, in Leipzig wären es nur 10 %. Diese Unterschiede sind nicht nachvollziehbar. Deswegen ist es richtig, wenn die GRÜNEN in ihrem Antrag eine einheitliche Regelung für Jobtickets fordern.
Deshalb sollten Sie von der Koalition wenigstens diesen kleinen Vorschlag, den die GRÜNEN einbringen, mittragen, wenn Sie schon nicht die von mir vorgetragene „revolutionäre“ Forderung aufgreifen und allen Beschäftigten in Sachsen die Möglichkeit geben, ein Jobticket zu erwerben.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will gar nicht drumherum reden: Ja, liebe GRÜNE, Sie haben recht mit Ihrem Antrag. Sie haben recht, dass Jobtickets einen Beitrag zur umweltfreundlichen Fortbewegung darstellen und Städte von weiterem Autoverkehr entlasten können.
Sie haben recht, dass Jobtickets, wenn sie in einem größeren Umfang genutzt werden, auch positiven Einfluss auf die Umwelteinwirkungen Feinstaub und Lärm haben können.
Und ja, Sie haben zum Dritten recht, dass Jobtickets nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angeboten werden sollten, die im Gebiet des VVO ihren Wohn- und Arbeitsort haben, sondern allen Landesbediensteten in ganz Sachsen. Wir sind uns im Ziel einig. Lassen Sie mich dessen ungeachtet ein paar wenige Anmerkungen dazu machen, warum wir Ihren Antrag trotzdem ablehnen werden.
Im Jahre 2009 – lange, bevor ich in den Landtag eingezogen bin – hatte Thomas Jurk als damaliger Wirtschafts- und Verkehrsminister in seinem Haus als erstem Ministerium den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Jobticket angeboten. Dies war der Startschuss für ein Angebot, das mit der Zeit immer mehr ausgeweitet und von immer mehr Bediensteten des Freistaates in Anspruch genommen wurde. Es dauerte allerdings bis 2012 – immerhin drei Jahre! –, bis das Kabinett den Beschluss fasste, das Jobticket auf alle Ministerien auszuweiten, und das Finanzministerium beauftragte, einen Rahmenvertrag mit dem VVO auszuhandeln.
Schon damals hatten wir als SPD nicht verstanden, warum das Angebot nur für den VVO und nicht für ganz Sachsen gelten sollte. Schon damals hatten wir die Staatsregierung aufgefordert, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Freistaates in dieser Sache gleichzustellen. Alle sollten das Angebot für ein Jobticket erhalten, egal, wo sie wohnen und arbeiten, ob in Dresden, Görlitz, Leipzig oder Plauen.
Wiederum war das SMWA Vorreiter; denn bis heute ist es das einzige Ministerium, das allen seinen Bediensteten ein solches Angebot macht.
Es ist auch das SMWA, das seine Ansätze für das Jobticket in dem gestern verabschiedeten Haushalt am stärksten erhöht hat, nämlich um satte 157 %, meine Damen und Herren. Das konnte ich übrigens Ihrer Kleinen Anfrage entnehmen. Vielen Dank dafür! Dieser Anfrage kann man auch entnehmen, dass die – zusammengerechnet für alle Ministerien – zur Verfügung stehenden Mittel für Jobtickets im neuen Doppelhaushalt um rund 44 % steigen werden.
Die Voraussetzungen sind also günstig. Das SMWA verfügt bereits über Erfahrungen, wie man ein Jobticket für alle Landesbediensteten in allen sächsischen Landesteilen anbieten kann. Daher ist es nur folgerichtig, wenn das SMWA Ende des Jahres seine Ergebnisse im Rahmen einer Evaluierung auch den anderen Ministerien zur Verfügung stellt. Mittlerweile bieten nämlich auch alle Verkehrsverbünde ein Jobticket an.
So ergibt es Sinn, dass noch dieses Jahr geprüft werden kann, welche Möglichkeiten es für die Aushandlung eines neuen Rahmenvertrages gibt; denn wir wollen, dass alle Bediensteten im Freistaat in den Genuss eines Jobtickets kommen können.
Sie sehen, liebe GRÜNE-Fraktion: Im Ziel sind wir uns einig. Nur Ihrem Plan, bis zum 1. Juli 2015, also innerhalb von nur zwei Monaten, einen Rahmenvertrag für alle Ministerien zu verhandeln, können wir nun wahrlich nicht zustimmen. Das würde unnötigen Druck erzeugen und die Evaluierung sowie eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösung am Ende verhindern.
Frau Kollegin Jähnigen, Sie haben uns vorhin gebeten, über unseren Schatten zu springen. Meines Wissens – wenn man den Worten eines Comic-Autors Glauben schenken darf – kann das nur einer, nämlich Lucky Luke, der schneller zieht als sein Schatten. Für uns geht aber auch an dieser Stelle Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Deswegen bitte ich Sie, dem Vorschlag des SMWA zu folgen. Lassen Sie bitte den Austausch der Erfahrungen mit den anderen Ministerien zu, verbunden mit dem Auftrag, ein Jobticket für alle Landesbediensteten in ganz Sachsen einzuführen.