Das sind die eigentlichen Fragen der Zeit, auf die ein moderner Staat Antworten finden muss. Ich denke, dass das, was hier zum Thema Staatsmodernisierung in Sachsen gesagt wurde, vollständig an dem vorbeigeht, was man sich eigentlich vornehmen muss.
Aber man will ja nicht ungerecht sein. Wir müssen die Staatsregierung ja nicht an dem messen, was wir in Sachen Staatsmodernisierung für richtig halten, sondern an dem, was sie selbst sich vorgenommen hat. Also schauen wir einmal in den Koalitionsvertrag. Ich will auch hier nicht ungerecht sein und bei den anderen nachschauen. Schauen wir einmal in den Bereich der Justiz. Was nimmt sich der Staatsminister für Justiz vor? – Zügige Verfahren an den Gerichten. Wie sieht es in der Realität aus? – Ich will ein Beispiel nennen, das hier schon häufig Gegenstand der Debatte war. Eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Freistaates hat sich zum Thema alterdiskriminierende Besoldung bei ihrem Arbeitgeber beschwert, weil sie nicht rechtmäßig behandelt werden.
11 000 Widersprüche wurden geschrieben, keinem wurde stattgegeben. Stattdessen lässt man die Leute klagen. Was heißt das für das Thema Bürokratieabbau? Wir haben einmal gefragt: Für eine solche Klage hat ein Richter im Durchschnitt 28 Minuten Zeit. Über 4 000 Klagen sind eingegangen. Ein Richter, 33 Jahre, wäre damit beschäftigt, und für die Vorbereitung und Bearbeitung all dieser Papiersachen muss das Landesamt für Steuern und Finanzen pro Klage 2 Stunden und 17 Blatt Papier aufwenden. Bei 4 000 Klagen ist das ein Kopierpapierpaketstapel von 100 Metern Höhe – und das bei einer kleinen innerorganisatorischen, internen Personalfrage, bei der es diese Staatsregierung nicht schafft, unbürokratisch und gesetzeskonform zu agieren. Uns dann etwas von Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung zu erzählen, ist schon recht vergnüglich.
Zweiter Punkt. Was haben Sie sich im Bereich Justiz – Moderner Strafvollzug – vorgenommen? Sie wollen einen modernen Strafvollzug organisieren, in dem die Resozialisierung und das Thema Übergangsmanagement, Vermeidung von Rückfällen die Hauptrolle spielen. Was haben wir in der Realität? Wir haben bis heute keine neue Justizvollzugsanstalt. Wir haben überlastete Bedienstete, einen Stellenabbau, der weit über das vertretbare Maß hinausgeht. Wir haben überfüllte Anstalten. Die JVA Dresden ist seit Monaten bei 110 bis 115 % Belegung.
Sie nannten das Thema Bürokratieabbau und das Standortegesetz. Dazu ist bereits einiges gesagt worden. Es soll
800 Millionen Euro einsparen. Das stimmt nicht. Der Stellenabbau, den Sie planen, spart 800 Millionen ein, aber eben auch die ganze Palette an Aufgaben, die nicht mehr erfüllt werden können. Sie sagten, ein Aufgaben- und Prozessmanagement sei eingeleitet worden, die Betreuungsverfügungen würden jetzt woanders aufbewahrt als früher, und beim Einkaufen der Kleidung für die Polizisten werde man neue Wege gehen. Das ist alles ganz interessant für die 4 Millionen Sächsinnen und Sachsen, glaube ich – aber eigentlich nicht so richtig. Das sind zum größten Teil Fragen der inneren Organisation Ihrer Verwaltung, das sind keine politischen Themen.
Respekt dafür, dass Sie versuchen, die innere Organisation Ihrer Verwaltung hinzubekommen! Aber das ist Ihr Job, dafür werden Sie bezahlt.
Ein Beispiel zum Thema Innere Organisation der Verwaltung und Bürokratieabbau, auch wieder ein winziges: Sie sagten, 2 800 Vorschriften seien es früher gewesen, 2 000 seien es jetzt. Sie hätten 800 staatliche Vorschriften abgebaut. Eine ist zum Beispiel die Verwaltungsvorschrift Ehrungen. Sie schrieb vor, wie Mitarbeiter in Staatsministerien und staatlichen Behörden, die beispielsweise ein Dienstjubiläum haben, geehrt werden. Diese Verwaltungsvorschrift ist weggefallen.
Super, nicht mehr 2 800, sondern 2 799! Allerdings hat dann sofort das Finanzministerium – denn irgendetwas muss ja geregelt werden – statt der Verwaltungsvorschrift ein Rundschreiben an alle Ressorts verfasst. Darin steht dann, wie die Grundsätze und Verfahren einzuhalten sind. Es heißt nicht mehr Verwaltungsvorschrift, das ist abgebaut. Ein Papier mit einer Regelung ist es trotzdem. Warum? Weil man solche Regelungen auch braucht.
Abschaffung der Vorkaufsrechte, Abschaffung der kommunalen Baumschutzsatzung – all dies wurde bereits erwähnt. Das, was Sie an vermeintlichem Bürokratieabbau betreiben, ist entweder keiner oder es verursacht tatsächlich mehr Probleme, als es löst. Beim Hochwasserschutz für die Kommunen haben wir wirklich ein Problem, dass Vorkaufsrechte nicht mehr ausgeübt werden können.
Aber wo Schatten ist, da ist auch Licht. Ich will die Online-Bohranzeige im Sächsischen Oberbergamt noch einmal hervorheben. 2 000 Online-Bohranzeigen – das ist ein großer Erfolg.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister, selbst wenn man die Regierung an ihren eigenen Zielen misst, ist die Bilanz eher dürftig und kein Grund
zum Beifall, erst recht nicht, wenn es darum geht, was ein moderner Staat eigentlich tun und leisten müsste. Der Trost für Sie, Herr Staatsminister, ist: Sie sind daran nicht allein schuld. Sie sind Teil der Staatsregierung, Teil der Koalitionsfraktionen, die eine solche Regierungsvereinbarung beschlossen haben. Das ist Ihr Trost. Der Trost für alle anderen ist der 31. August 2014, der Termin der nächsten Landtagswahl.
Wir hörten Frau Kollegin Friedel für die SPD-Fraktion. – Herr Kollege Biesok, Sie sprechen nun für die Fraktion der FDP.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen steht vor großen Herausforderungen. Sie betreffen zum einen die finanzielle Ausstattung mit Mitteln aus dem Solidarpakt II und dem Länderfinanzausgleich und zum anderen die Herausforderungen aus dem demografischen Wandel.
Jürgen Martens hat in seiner Rede beide Punkte hervorgehoben, ich möchte aber noch auf einen Aspekt hinweisen, der vielleicht ein wenig in die Tiefe geht. Wir haben nicht nur einen demografischen Wandel, der zu einem partiellen Rückgang der Einwohnerzahlen in einigen Teilen des Freistaates Sachsen führte, sondern wir haben auch einen inneren Wandel in der Gesellschaft. Allein in den Jahren von 1990 bis 2015 ist die Anzahl der Personen im Alter von 65 Jahren und älter von 16 auf 25 % gestiegen. Das sind Personen, die weiterhin Bürger unseres Freistaates sind, die aber nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen und somit auch keinen größeren finanziellen Beitrag über die Einkommensteuer für unser Gemeinwesen erbringen. Diese Leistungen müssen wir ebenfalls mit erbringen.
Das sind Entwicklungen, die wir gerade im finanziellen Bereich im Freistaat Sachsen haben, die uns zum Handeln zwingen. Wir können im Sächsischen Landtag über viele dieser Entwicklungen sehr lange diskutieren. Wir können uns auch einfach hinstellen und diese Entwicklungen auf uns zukommen lassen. Aber wir werden dann eines haben: Wir müssen diese Zeche irgendwann bezahlen. Diese Zeche würde bedeuten, dass wir in eine neue Neuverschuldung hineinlaufen, die wir gerade mit Verfassungsrang für uns ausgeschlossen haben. Um dies nicht zu tun, haben wir uns in der Koalition darangesetzt, eine Staatsmodernisierung durchzuführen, um das Land auch weiterhin zukunftsfähig zu halten.
Wir haben diese Herausforderung angenommen, und ich möchte eines deutlich machen: Die Staatsmodernisierung ist kein reines Kostensenkungsprogramm. Wer schon einmal in einem Unternehmen gearbeitet hat, der weiß, was ein Kostensenkungsprogramm ist, bei dem Unter
nehmensberater kommen und alles auf den Prüfstand stellen und es lediglich darum geht, Kosten einzusparen.
Wir machen mit der Staatsmodernisierung etwas anderes: Wir sparen langfristig Kosten ein und schaffen gleichzeitig die Voraussetzungen für ein weiteres wirtschaftliches Wachstum und eine weitere Leistungsfähigkeit des Freistaates. Deshalb ist es für mich richtig, diese Regierungserklärung unter den Titel zu stellen: „Für ein starkes Sachsen – Staat modernisieren, Bürokratie abbauen“.
Meine Damen und Herren, wir erleben gerade in einem Land, das nur wenige Autostunden vom Freistaat Sachsen entfernt liegt, wie staatliche Strukturen zerbrechen und die öffentliche Verwaltung handlungsunfähig wird. In einem solchen Moment sollten wir auch daran denken, welch hohes Gut eine funktionierende Verwaltung und die von ihr ausgeübte Staatsgewalt tatsächlich ist.
Aber eine Staatsverwaltung ist kein Selbstzweck. Es ist daher die Aufgabe jeder Regierung, das Verhältnis von notwendiger Verwaltung und einer größtmöglichen Freiheit für den Bürger in allen Unternehmen gegeneinander abzuwägen und zu schauen: Wo kann man mehr Freiheit für Bürger und Unternehmen geben, und wo begrenzt sie Erfordernisse der Staatsgewalt und schafft eine Notwendigkeit, staatliches Verwaltungshandeln
Nach dem Aufbau rechtsstaatlicher Verwaltungsstrukturen in Sachsen nach der Wende und einer Phase der Etablierung der Verwaltung sind wir jetzt an einem Punkt, wo wir uns anschauen müssen: Sind wir in einem Teil der Verwaltung zu weit gegangen und passen diese Strukturen, die man in den Neunzigerjahren geschaffen und im letzten Jahrzehnt gehalten hat, auch weiterhin zur Bevölkerung im Freistaat Sachsen und zu den Aufgaben?
Im Freistaat Sachsen ist die Verwaltung so aufzustellen, dass sie mit schlanken Strukturen einen internen Service bietet, der bürgernah und flexibel in allen Landesteilen vorhanden ist. Dieser Aufgabe hat sich die Staatsregierung mit dem Projekt der Staatsmodernisierung angenommen, und meines Erachtens hat sie diese Aufgabe auch erfüllt.
So haben wir zum Beispiel im Bereich der Strukturveränderungen die ehemaligen Regierungspräsidien zu einer einheitlichen Landesdirektion Sachsen zusammengelegt, und im Gegensatz zur alten SPD/CDU-Koalition haben wir nicht nur die Namensschilder ausgetauscht und aus Regierungspräsidien eine Landesdirektion gemacht, sondern wir haben die Prozesse verschlankt und die Voraussetzungen geschaffen, dass es eine schlanke Behörde wird, die sehr bürgernah agiert und versucht, ihre Aufgaben konzentriert an jeweils einem Standort wahrzunehmen.
Dies schafft die Möglichkeit, dass eine solche Landesdirektion die ureigensten Verwaltungsaufgaben erfüllt und entsprechend auch für den Bürger da ist.
Wir haben noch einiges getan: Es ist nicht nur ein Zusammenlegen von Akten, sondern wir haben in der Regierungskoalition darauf geachtet, dass dort die Vorgänge elektronisch basiert ablaufen und wir moderne Verwaltungsstrukturen bekommen, damit die Kosten, die diese Behörden verursachen, in einem angemessenen Verhältnis zu dem stehen, was an notwendigen Verwaltungsleistungen erbracht wird.
Das Standortegesetz wurde schon häufig erwähnt. Meines Erachtens ist es ein ganz zentraler Punkt der Staatsmodernisierung. Wir haben eine grundlegende Neukonzeption der Verwaltungs- und Justizstandorte im Freistaat Sachsen vorgenommen. Wir sind auf effiziente und leistungsfähige und somit auch auf wesentliche Bereiche konzentrierte Behörden und Standorte angewiesen, wenn wir auch in Zukunft unseren Bürgern moderne Dienstleistungen anbieten möchten.
Daher finde ich es konsequent und richtig, ein „Zielfoto“ zu haben, wie die Behörden- und Justizlandschaft in den nächsten Jahren, bis zum Jahr 2020, aussehen soll. Es ist nämlich gerade nicht das einzelne Agieren an Einzelstandorten, wo man bei jedem Einzelstandort darüber diskutiert, ob er erhalten werden soll, wo man bei jedem Einzelstandort darüber diskutiert, ob diese Leistung erbracht werden muss, sondern man macht einmal ein großes Konzept über den gesamten Freistaat Sachsen, um sich dann entsprechend neu aufzustellen und eine notwendige Verwaltungsstruktur für die nächste Zeit zu schaffen.
Meines Erachtens hat man nur in einem solchen Prozess die politische Möglichkeit zu steuern. Wir haben zum Beispiel Wert darauf gelegt, dass es zu einer ausgewogenen Verteilung der Verwaltungs- und Behördenstandorte in ganz Sachsen kommt. Es wäre einfach gewesen, alles in Dresden und Leipzig zu konzentrieren. Es bedarf aber Mutes und Durchsetzungsvermögens, es anders zu machen und dabei auch Widerstände zu überwinden. Wir haben das bei dem Gesetzesvorhaben erlebt.
Aber ich bin auch weiterhin überzeugt: Es ist den Mitarbeitern des Sächsischen Rechnungshofes zumutbar, ihre Arbeit auch in der verkehrsmäßig günstig erreichbaren Kreisstadt Döbeln zu leisten. Es ist den Richtern in Bautzen auch zumutbar, in einer Außenstelle des Landgerichtes Görlitz die gleiche Arbeit zu erledigen, die sie bisher gemacht haben, und es ist keine Frage einer nationalen Minderheit, ob dransteht, dass es eine Außenstelle ist oder ein eigenständiges Gericht. Das sind alles Vorwände gewesen, um einen notwendigen Prozess der Strukturveränderung zu blockieren.
Auch den Anforderungen der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft hat sich die Staatsregierung zugewandt. Allen Bürgern und Unternehmen muss es möglich sein, Verwaltungsangelegenheiten auch auf elektronischem Wege zu erledigen. Für Gewerbetreibende haben
wir das Online-Verfahren eingeführt, damit sie nicht wegen jeder Gewerbean- und -ummeldung zum Amt gehen müssen, sondern damit sie es online erledigen können.
Wir werden dieses Vorhaben auf weitere Verfahren ausweiten, und es ist für mich fest das strategische Ziel: Alles das, was ein Bürger mit seiner Verwaltung zu tun hat, muss er online machen können, damit er nicht papiergebunden etwas zu Hause eingibt, dort ausdruckt, zur Behörde bringt, und dort wird es wieder erfasst und anschließend bearbeitet. Das muss medienbruchfrei erfolgen, und da ist die Staatsregierung auf einem guten Weg.
Gerade im Bereich der Justiz ist der Freistaat Sachsen hier ein großes Stück vorangekommen. Seit Dezember 2012 ist es möglich, Klagen, Anträge und Schriftstücke rechtsverbindlich bei sämtlichen sächsischen Gerichten auch elektronisch einzureichen. Dort gibt es bereits eine elektronische Vorgangsbearbeitung.
Frau Friedel, Sie haben eigentlich das beste Beispiel gebracht. Gerade die elektronische Vorgangsbearbeitung über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach ermöglicht es nämlich gerade in verwaltungsrechtlichen Verfahren, die Verfahren, die bei den Behörden sind, in das Gerichtsverfahren zu übernehmen, dort elektronisch zu bearbeiten und so genau diese Kopien zu vermeiden, die Sie hier gerade angesprochen haben.
Das ist ein langer Weg. Da muss man die Prozesse anpassen. Aber die richtigen Voraussetzungen werden dafür geschaffen, und dann geht es deutlich schneller.
Und noch eins, Frau Friedel: Wenn man sich auch einmal mit Justiz beschäftigen würde in der praktischen Arbeit vor Ort, was wir in der Zivilgerichtsbarkeit für Verfahrenszeiten haben – davon träumen andere Bundesländer.