(Torsten Herbst, FDP: Das ist kein Problem! – Holger Zastrow, FDP: Das kann man uns nicht verbieten, Herr Kind!)
Sie möchten doch wenigstens im Bundestag dabei sein. Wenn Sie hier im Landtag die Große Koalition noch ein Jahr mitführen, möchten Sie doch im Bundestag nicht schon ausgeschieden sein. Das ist Ihr Thema.
Was auf Bundesebene bereits angekommen ist, ist bei Herrn Zastrow noch nicht unbedingt angekommen. Herr Zastrow ist der lauteste Durchhalter der reinen Lehre der FDP, die besagt, dass der Mindestlohn Teufelszeug wäre.
Ja, er benötigt die Unterstützung. Wie lange das auf Bundesebene halten wird, werden wir sehen. Schreien Sie weiter so. Sie haben die Betroffenheit im Land scheinbar noch nicht erkannt. Nach meiner Hochrechnung ist die Zahl der Höchstverdiener und Leistungsträger – im Sinne von Wiederfinden der hohen Leistungen im Gehalt – in Sachsen sehr begrenzt. Nicht begrenzt ist die Anzahl der Betroffenen, die für ihre Arbeit weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen und mit nach Hause nehmen. Das sind über 25 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen, die es betrifft. Das ist eine erhebliche Zahl. Genau für dieses Klientel und diese Gruppe möchten wir etwas tun.
Das ist genau der Punkt, den Kollege Dulig ansprach. Man muss von seiner Arbeit leben können. Man darf nicht auf verdeckte Kombilohnmodelle angewiesen sein. Es dürfen keine versteckten Subventionen notwendig sein. Jemand, dessen Arbeit ihm Spaß macht und Erfüllung gibt, muss auch nach der Arbeit die Erfüllung haben, von seiner Arbeit leben, seine Familie ernähren, seine Kinder großziehen und am gesellschaftlichen Vermögen teilnehmen zu können. Dafür benötigt man ein Einkommen, mit dem man zumindest über die Runden kommen kann. Deshalb benötigen wir den Mindestlohn.
Wir verwenden eine andere Berechnungsgrundlage. Wir sagen, dass 60 % des durchschnittlichen Einkommens nötig sind. Das wären 10 Euro. Deswegen sagen wir auf Bundesebene nach wie vor, dass 10 Euro Mindestlohn nötig sind. Wir haben aber Folgendes erkannt: Wenn wir die Möglichkeit haben, den Mindestlohn umzusetzen, einzuführen und ihn auf Landesebene in Zusammenarbeit mit der SPD 8,50 Euro durch eine Initiative im Bundesrat einzubringen, ist das ein erster Schritt, der uns auf den Weg bringen kann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Martin Dulig hat gestern in der Aktuellen Debatte davor gewarnt, hier im Plenum Wahlkampf zu betreiben. Dieser Auftritt von Martin Dulig hat natürlich gar nichts mit Wahlkampf zu tun. Man sieht wieder einmal, wie sehr man die Sozialdemokraten beim Wort nehmen kann.
Sie gehen wieder einmal mit der SPD-typischen Einstellung von Sozialneid und Populismus auf Stimmenfang. Wenn man sich das einmal anschaut, halten diese der Realität nicht stand. Die Löhne in Sachsen sinken nicht, sondern sie steigen.
Sie werden auch in diesem Jahr weiter steigen. Die Zahl der Aufstocker steigt nicht an, sondern sie sinkt. Meine Damen und Herren! Seit dem Jahr 2009 haben wir 10 % weniger Aufstocker in Sachsen zu verzeichnen.
Der Anteil geringfügig Beschäftigter steigt nicht, wie Sie behaupten. Er fällt, auch in Sachsen, meine Damen und Herren. Nehmen Sie die Realität einmal zur Kenntnis.
Wir können gern einmal vergleichen, wo wir in Deutschland im europäischen Vergleich stehen, wenn man auf die Arbeitsmarktentwicklung schaut. Nahezu alle Länder Europas sind auf die deutsche Arbeitsmarktentwicklung neidisch. Meine Damen und Herren! Wenn wir uns einmal den Aufbau von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen anschauen, sind wir in Sachsen noch besser als der Bundesdurchschnitt aufgestellt. Das ist die Erfolgsgeschichte, die wir in den letzten Jahren geschrieben haben. Leute, die auf dem Arbeitsmarkt vorher keine Chance hatten, kommen jetzt endlich wieder in ein Beschäftigungsverhältnis hinein.
Was mir immer besonders gefällt, ist eine gewisse sozialdemokratische Vergesslichkeit. Können Sie sich noch daran erinnern, als Sie im Bund regiert haben? Es waren damals fünf Millionen Arbeitslose deutschlandweit. Jeden Monat gingen Jobs verloren. Deutschland war der kranke Mann Europas mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung.
Ging es damals gerechter zu? Waren die Menschen weniger arm? Meine Damen und Herren! Sie distanzieren sich selbst von den kleinen Reformen, die Sie damals eingeleitet haben. Dieses Land steht besser da. Es geht gerechter zu. Es gibt weniger Armut, wenn die Zahl der Arbeitslosen unter drei Millionen und nicht mehr bei fünf Millionen liegt, meine Damen und Herren.
Im Übrigen ruhen wir uns darauf nicht aus. Ist irgendjemandem einmal aufgefallen, an wie vielen Stellen in Martin Duligs Rede das Wort Arbeitslosigkeit vorkam? An wie vielen Stellen mahnte er an, dass man vielleicht etwas tut, um denjenigen, die keine Einstiegschancen haben, Einstiegschancen zu verschaffen? Null! Sozialde
mokraten interessieren sich nicht mehr für die Arbeitslosigkeit, weil es ihnen nicht mehr en vogue erscheint, in diesem Wahlkampf auf Stimmenfang zu gehen.
Sie postulieren immer Folgendes: Es gibt die gute und ganz schlechte Arbeit. Gute Arbeit bei Ihnen bedeutet, dass man mehr als 8,50 Euro Stundenlohn erhält. Bringt man es einmal auf den Punkt: Es ist Ihnen lieber, dass jemand arbeitslos ist, als dass er 8,30 Euro brutto Stundenlohn erhält. Meine Damen und Herren, das ist Zynismus pur!
Ich möchte auch dazu sagen, dass Mindestlöhne nicht per se Jobs vernichten müssen. Wenn darüber auf Parteitagen und im Wahlkampf entschieden wird, bin ich mir ziemlich sicher, dass Jobs verloren gehen, meine Damen und Herren. Das wollen wir verhindern.
Den Preis für Ihren Einheitsmindestlohn bundesweit ohne Rücksicht auf die verschiedenen Kaufkraftniveaus in den Regionen zahlen nicht die gut qualifizierten Facharbeiter in diesem Land. Für sie ist 8,50 Euro kein Thema. Den Preis zahlen diejenigen, die keinen Abschluss haben und schlecht qualifiziert sind. Den Preis zahlen die jungen Leute, die den Berufseinstieg brauchen oder Leute, die irgendwann einmal gescheitert sind und den Einstieg versuchen.
Meine Damen und Herren! Wenn wir uns einmal anschauen, wer dem Armutsrisiko unterliegt, können wir Folgendes erkennen: Es sind nicht in erster Linie diejenigen, die Verdienste unter 8,50 Euro erhalten. Das Armutsrisiko bei Arbeitslosigkeit ist über viermal so hoch für Leute, die keinen Job haben, als wenn sie beschäftigt sind. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren! Wir wollen ebenfalls, dass die Löhne in diesem Land steigen. Wir glauben jedoch nicht, dass man darüber auf Parteitagen entscheiden kann. Wir möchten, dass Unternehmen in diesem Land wachsen und Gewinne machen können. Wir möchten Arbeitnehmer qualifizieren. Damit schaffen wir es, dass jeder Arbeitnehmer in diesem Land einen fairen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg bekommt. Die Löhne entstehen am Arbeitsmarkt.
Wenn sie dort entstehen, vernichten sie auch keine Arbeitsplätze. Planwirtschaft und zentrale staatliche Lohnfestlegungen sind schon einmal gescheitert. Meine Damen und Herren! Das wollen wir in diesem Land kein zweites Mal.
Das war Kollege Herbst für die FDP-Fraktion. Für die Fraktion GRÜNE spricht nun Herr Abg. Jennerjahn.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beitrag des Kollegen Herbst war ein Musterbeispiel für selektive Wahrnehmung. Die rot-grüne Bundesregierung hat in den Jahren von 1998 bis 2005 Reformen in Angriff genommen, zu denen die Kohl-Regierung vorher schlichtweg keinen Mut hatte.
Wir haben dafür einen verdammt hohen Preis bezahlt. Wir haben dabei auch Fehler gemacht, ohne Frage. Sie stellen sich jetzt hierher und feiern die Erfolge, für die wir die Grundlage gelegt haben. Das ist unanständig. Die FDP hat dazu nichts beigetragen – nichts, aber auch null Komma gar nichts.
Ich habe mich wie bei der letzten Debatte im Plenum zum Thema Mindestlohn schon gefragt, ob die Debatte einen Wert hat. Der Redebeitrag von Herrn Herbst hat gezeigt, dass wir die Debatte noch einmal brauchten.
Wir haben im März auf Antrag der LINKEN über das Thema diskutiert. Herr Kollege Brangs hatte damals die Hoffnung geäußert, dass beständiges Wiederholen bei diesem Thema auch einen Lernfortschritt mit sich bringen würde und ein pädagogischer Wert enthalten wäre. Insofern kann man Folgendes sagen: Die heutige Debatte ist folgerichtig so eine Art Lernfortschrittskontrolle.
Wenn man sich das anschaut, kommt man zu einem sehr gemischten Ergebnis. Die FDP hat auf Bundesebene gerade versucht, sich mit viel Getöse dieses Themas anzunehmen und auch einen Beschluss gefasst, der irgendwie ganz entfernt etwas mit dem Thema Mindestlohn zu tun haben könnte. Wenn man es in Schulnoten ausdrücken will, gibt es eine Verbesserung von ungenügend auf mangelhaft – das reicht aber immer noch nicht. Immerhin konnte sich die FDP durchringen, sich für weitere Lohnuntergrenzen mit Dumpinglöhnen auszusprechen. Dafür sollen wohl die gesetzlichen Instrumente überarbeitet werden, mit denen auch in der Vergangenheit bereits Mindestlöhne vereinbart wurden. Ich gehe davon aus, dass damit das Arbeitnehmerentsendegesetz und das Mindestarbeitsbedingungsgesetz gemeint sein sollen. Eine Kommission soll Branche für Branche und regional differenziert Löhne festlegen, aber der gesetzliche Mindestlohn wird weiterhin abgelehnt. So weit – so unklar.
Ich muss sagen, es ist mir auch schwergefallen zu rekonstruieren, was die FDP da eigentlich beschlossen hat. Vielleicht können Sie mich im zweiten Durchgang darüber noch einmal aufklären. Ich habe gestern versucht, auf der Homepage der FDP-Bundespartei den Beschluss
zu finden. Den gab es schlichtweg nicht. Es gibt ein Antragsheft, in dem ein schmaler Antrag des Bundesvorstandes niedergelegt ist, nicht einmal eine Seite lang, in dem aber auch nichts Konkretes steht.