Protocol of the Session on May 15, 2013

Aber stopp! Wieso fehlen für diese konkreten Veränderungen die entsprechenden Begründungen? Herr Hartmann, die stehen nicht drin. Genau das ist das Problem. Weder im Innenausschuss noch im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss konnten die Vertreter der Staatsregierung darauf antworten. In 17 Fällen folgte die Staatsregierung nicht den Empfehlungen der Wahlkreiskommission. Warum? Dieses Warum wurde nicht beantwortet. Die Aussage im Innenausschuss stattdessen, dass die Wahlkreiskommission nur rechnerisch an die Sache herangegangen sei, kann ich persönlich nur als Unterstellung werten.

Die Wahlkreiskommission hat ihre Arbeit getan. Dafür gebührt ihr Dank, den ich hiermit seitens der Fraktion DIE LINKE zum Ausdruck bringen möchte.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Es gebührt ihr Dank und keine Unterstellung.

Eine Diskussion mit der Leiterin der Wahlkreiskommission genau zu diesen Veränderungen war nicht möglich. Frau Prof. Dr. Schneider-Böttcher, die Präsidentin des Landesamtes für Statistik und Leiterin der Wahlkreiskommission, hätte nämlich nur als Privatperson in der Anhörung des Innenausschusses als Sachverständige zur Verfügung gestanden, aber eben nicht als Leiterin der Wahlkreiskommission. So kann zumindest ein Schreiben des Innenministeriums verstanden werden. Das ist ein mehr als unglücklicher Vorgang.

Fragen sind somit offen geblieben. So bleiben auch Gerüchte im Raum. In Dresden – so ein Gerücht – wurde ein Wahlkreis für Markus Ulbig geschaffen. Ganz ehrlich, nach seinem Auftritt als Innenminister vor dem Untersuchungsausschuss letzte Woche scheint das auch dringend notwendig zu sein, um seine persönliche Zukunft abzusichern.

(Zuruf von der CDU: Na, na, na!)

Meine Damen und Herren! In der Anhörung führten die Sachverständigen aus, dass sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken hätten. Aber man sollte auch die Anlagen des Protokolls lesen, insbesondere die schriftlichen Stellungnahmen von nicht anwesenden Sachverständigen, zum Beispiel von Herrn Hardraht, Innenminister a. D. Okay, vielleicht haben Sie sie doch gelesen und sich gefreut, dass es dort heißt – ich zitiere –: „Zur Kritik der Opposition an der Wahlkreiseinteilung des Regierungsentwurfes ist unter rechtlichen Gesichtspunkten festzuhalten,“ – jetzt kommt es – „dass die Gesetzesbegründung bei der Neueinteilung der Wahlkreise keine Anhaltspunkte für eine bewusste Benachteiligung der Opposition erkennen lässt.“ Es wäre ja zu schön, wenn Sie das auch noch hineingeschrieben hätten. Aber vor diesem Lob an Sie heißt es bei Herrn Hardraht sehr deutlich: „Einzig in Bezug auf solche Wahlkreise, die Abweichungen von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße von mehr als 15 % nach oben oder unten aufweisen, sollte der Gesetzentwurf um eine ausführlichere Begründung ergänzt werden.“

Ich frage Sie: Warum haben Sie das nicht getan? Stattdessen legen Sie von FDP und CDU uns kurzfristig einen Änderungsantrag auf den Tisch und wollen sich plötzlich um den Wahltermin ab 2019 kümmern. Durchschaubares Manöver und dann noch schlampig bearbeitet.

(Zuruf von der FDP: Na, na, na!)

Das ist mehr als schlampig. Ich erkläre es Ihnen gern noch einmal.

Aktuell heißt es im Gesetz: Die Wahlen finden zwischen dem ersten Tag des 57. Monats und dem letzten Tag des 59. Monats statt. Sie wollten die Verschiebung auf den Zeitraum zwischen dem 58. und dem 60. Monat. Eingereicht haben Sie, schlampig wie Sie waren, eine Kurzfassung, und da steht nun drin, dass die Wahlen zwischen dem 58. und dem 60. Monat stattfinden sollen. Dazwischen liegt nur der 59. Monat.

Ich kann Ihnen wirklich dankbar sein, dass Sie meine Anregung aufgenommen und diesen Schwachsinn zurückgezogen haben.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Zum Schluss möchte ich für meine Fraktion erklären, dass wir den heutigen Gesetzentwurf der Staatsregierung ablehnen werden. Wir können Ihnen von CDU und FDP nur mit auf den Weg geben: Hören Sie auf, die Leute mit Ihren Spielchen um Wahltermine, um die Größe des Landtages und um die Einteilung der Wahlkreise für dumm zu halten. Nehmen Sie die Demokratie in allen ihren Facetten endlich ernst und trauen Sie den Wählerinnen und Wählern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Peter Schowtka, CDU: Das muss die Richtige sagen!)

Wir fahren in der Rednerreihenfolge fort. Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist Herr Panter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Anfang meiner Rede einen kurzen Ausflug in die Geschichte machen, genauer gesagt in die amerikanische Geschichte. Es geht zurück ins ausgehende 18. Jahrhundert, Anfang des 19. Jahrhunderts. Damals gab es einen Mann mit Namen Elbridge Thomas Gerry. Er lebte im schönen Neuengland, wurde 1744 in Massachusetts geboren und ist 1814 in Washington D.C. als amtierender Vizepräsident der USA gestorben. Es war ein sehr honoriger und umtriebiger Mann. Er hat in Harvard studiert, seinen Abschluss gemacht, war ein respektierter Kaufmann, dann Diplomat, Gouverneur von Massachusetts und bis zu seinem Tod Vizepräsident der USA.

Nun fragen sich sicherlich einige: Warum erzählt der Panter das hier vorn?

(Zuruf von der CDU: Ja, richtig!)

Dazu komme ich gleich. Neben seinen vielfältigen Ämtern ist Elbridge Gerry auch für die politisch motivierte Ziehung von Wahlkreisen in die Geschichte eingegangen. Er hat sogar seinen Namen dem Fachbegriff, der dafür mittlerweile geläufig ist, entlehnt, das heißt heute „Gerrymandering“ – ein schöner englischer Begriff. Dieser Begriff kommt daher, dass er in Massachusetts einen Wahlkreis so gezogen hat, dass er aussah wie ein Salamander. Aus dem Namen „Gerry“ und „Salamander“ wurde dann „Gerrymandering“. Der Begriff gilt bis heute fort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, insofern ist diese politisch motivierte Wahlkreiseinteilung nichts Neues. Sie gibt es schon sehr lange. Das macht sie aber nicht besser, weil sie zutiefst undemokratisch ist.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Herr Patt, zu Ihnen komme ich gleich noch, eine Sekunde bitte.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Von meinen Vorrednern ist schon angesprochen worden, dass es während der Entstehung der Gesetzesvorlage Veränderungen gab. Es gab eine politisch unabhängige Wahlkreiskommission, die aus meiner Sicht sachlich und fachlich fundiert Vorschläge vorgelegt hat. Die Regierung bzw. die Koalition hat sich das dann angeschaut und plötzlich Gefahren für ihre Machtbasis gesehen. Oh, oh, oh!, da müssen wir vorsichtig sein. Tja, da haben wir eben mal die 60 Wahlkreisvorschläge, die von der Wahlkreiskommission gemacht wurden, in sage und schreibe 29 Fällen abgeändert. Darunter sind auch 17 Wahlkreise aus kreisfreien Städten. Es sind zufällig alle Wahlkreise in kreisfreien Städten.

Ich denke mal, Respekt vor der Arbeit einer unabhängigen Wahlkreiskommission sieht eindeutig anders aus.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Dass Anpassungsbedarf bestand, ist überhaupt keine Frage. Ich selbst habe es am eigenen Leib erfahren. Ich habe im Wahlkreis 28 in Leipzig IV kandidiert, der eine Bevölkerungszahl von ungefähr 90 000 Menschen hat. Im Wahlkreis Niederschlesische Oberlausitz gibt es nur 45 000 Einwohner, also die Hälfte. Dass man da irgendwann etwas anpassen muss, ist klar.

(Zuruf des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Aber dass dieser Anpassungsbedarf dazu genutzt wird, um die CDU-Machtbasis noch deutlicher zu untermauern, das ist zutiefst unanständig.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Selbstverständlich hatte Leipzig IV über 90 000 Einwohner, Frau Clauß. Schauen Sie es sich an, es ist verändert worden – in der Tat.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE)

Jetzt komme ich zu einigen konkreten Beispielen. Fangen wir mit Chemnitz an. Zufällig fällt dort – es geht ja nicht anders – der Wahlkreis des Kollegen Zais weg. Das tut uns sehr leid, weil Kollege Zais den Wahlkreis für die Linkspartei direkt gewonnen hat. Aber genauso zufällig werden jetzt wichtige Teile seines Wahlkreises noch mit einkommensstarken Vorortbezirken verbunden.

Ein anderes Beispiel. Der Wahlkreis von Herrn Patt, zu dem ich auch noch kommen wollte, hat sein Bürgerbüro leider Gottes in Schloßchemnitz, das bisher nicht in seinem Wahlkreis lag. Aber kein Problem, das kann die Koalition ändern. Jetzt ist Schloßchemnitz Bestandteil seines Wahlkreises.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Super! Gut gemacht!

Genauso geht es aber auch einem dritten Wahlkreis in Chemnitz. In Teilen dieses Wahlkreises hat auch Klaus Bartl schon ein Direktmandat gewonnen.

(Zurufe von der CDU)

Um das in Zukunft auszuschließen, hat man Teile dieses Wahlkreises – –

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: In Teilen!)

Genau, in Teilen des Wahlkreises! Zuhören würde helfen! – Dem wurden jetzt auch weitere beschauliche Vorortbezirke zugeschlagen, in denen gern CDU gewählt wird. Damit ist zumindest ausgeschlossen, dass dort ein Direktmandat für DIE LINKE errungen werden kann.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Sie können doch gleich reden, Herr Piwarz, wenn Sie wollen – es ist alles gut. Ich komme zu Dresden.

(Gespräche zwischen Christian Piwarz, CDU, und Abgeordneten der LINKEN)

Entschuldigung, ich will den Dialog gern zulassen.

Herr Panter, Sie können mit Ihrer Rede fortfahren.

Na, ich will doch den Dialog nicht unterbrechen.