Protocol of the Session on May 15, 2013

Die von Ihnen zu diesem Thema leider gewählte hoch populistische bzw. hoch polemische Argumentationsweise, die Sie heute wieder einmal nach dem Prinzip „Wünsch dir was!“ vorlegen, gefährdet unseren Sozialstaat und solidarisch geprägten Staat. Wissen Sie, warum das so ist? Das ist Sozialismus pur,

(Lachen bei den LINKEN – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Niemals!)

und der hat gnadenlos versagt, indem er gerade im Gesundheitsbereich seine Bürgerinnen und Bürger vernachlässigt hat. Das konnten wir doch alle in den letzten Tagen zur Genüge lesen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Was?)

Das passiert hier nicht. Jeder, der eine medizinische – –

(Widerspruch bei den LINKEN)

Warum regen Sie sich denn so auf? Selbst der ehemalige Minister der DDR hat in Papieren hinterlassen, dass er schon 1983 verzweifelt war, weil die Krankenhäuser völlig am Ende waren.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Jetzt ist doch alles besser geworden!)

Dort hat es an den einfachsten Mitteln gefehlt. Aber ich komme jetzt zu unserem internationalen – –

(Zurufe von den LINKEN)

Wissen Sie was? Eigentlich habe ich jetzt Ihren Nerv getroffen. So wie Sie jetzt diskutieren, zeigt mir, dass Sie genau wissen, dass ich recht habe.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Was?)

Ich bin froh, dass die Wende kam. Ich bin froh, dass wir in Sachsen eine der modernsten Krankenhauslandschaften in ganz Deutschland haben, um die wir beneidet werden.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Christine Clauß)

Geben Sie das doch endlich einmal zu! – Ich komme zurück zum Thema.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Investitionsstau!)

Ja, wir haben einen Sozialstaat, um den wir international beneidet werden. Wir haben ein Rentensystem, das es in dieser Form nirgendwo gibt. Wir haben eine Arbeitslosenversicherung – –

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: In welcher Welt leben Sie eigentlich? – Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Ach, Herr Dr. Pellmann, regen Sie sich ab!

Wir haben eine Pflegeversicherung, an deren Verbesserung man derzeit arbeitet, und wir haben unser solidarisch geprägtes Krankenversicherungssystem. 85 % der Bevölkerung sind im System der gesetzlichen Krankenversicherung versichert.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Und?)

Jetzt hören Sie mir bitte genau zu! 52,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind Mitglied der GKV. 17,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind beitragsfrei in der GKV versichert. Davon ist ein Großteil Familienangehörige und Kinder. Diese Zahlen sollten immer wieder genannt werden, damit man sieht, was mit diesen Sozialsystemen gestemmt wird.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Die GKV stemmt jedes Jahr eine dreistellige Milliardensumme.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Doch wir sprechen nicht nur von Solidarität, sondern auch die Subsidiarität müssen wir wieder klar in den Fokus rücken. Was heißt eigentlich Subsidiarität? Gesunde Menschen tragen kranke Menschen, Menschen mit höherem Einkommen tragen Menschen mit geringerem Einkommen und jüngere Menschen tragen ältere Menschen. Gerade Letzteres gefährden Sie.

Die jüngeren Menschen fragen sich: Haben wir künftig auch noch ein solches System, wenn die Älteren das System überziehen? Politische Verantwortung heißt, auch in die Zukunft zu schauen und ein System zu sichern, damit es künftig solidarisch auch noch funktioniert.

Es gehört deshalb zu unserer gesellschaftlichen und vor allem zu unserer moralischen Verantwortung, die Menschen für mehr Selbstverantwortung zu sensibilisieren, damit sie mehr Selbstverantwortung entwickeln. Solidarität funktioniert nur durch Subsidiarität.

Meine Damen und Herren! Unser Sozialstaat ist auf lange Sicht gefährdet, wenn das Gefühl und die Verantwortung der Subsidiarität nicht geschärft werden und Sie solche fadenscheinigen Anträge – die Sie von Ihren Berliner Kollegen abgekupfert haben und die dort alle abgelehnt wurden – auf die Tagesordnung setzen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Das ist ja nicht zum Aushalten!)

Dann müssen Sie rausgehen!

Sehr geehrte Abgeordnete! Lassen Sie mich einige Fakten nennen. Im Jahr 2011 hat jeder Bundesbürger laut Statistischem Bundesamt exakt 3 590 Euro für die Gesundheit ausgegeben. Das sind insgesamt 294 Milliarden Euro, die gezahlt wurden. Die Gesundheitsausgaben betrugen somit 11,3 % des Bruttoinlandsprodukts.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wie viel haben die Pharmakonzerne verdient?)

Werden Sie doch nicht unsachlich! Ich sage Ihnen gleich, warum.

(Lachen bei den LINKEN)

Von 294 Milliarden Euro hatte die gesetzliche Krankenversicherung den größten Anteil, und zwar 57 %. Das entspricht 168 Milliarden Euro.

Ich nenne Ihnen einmal die laut GKV-Spitzenverband aufgeführten Vergleichsdaten der Jahre 2011 und 2012, in denen es eine Steigerung gab. Als Vergleich dienen die Quartale I bis IV der Jahre 2011 und 2012. Erstens. Die Krankenhausbehandlungen im Jahr 2011 betrugen 60 Milliarden Euro, im Jahr 2012 betrugen sie 61,79 Milliarden Euro. Zweitens. Die Arzneimittelausgaben im Jahr 2011 betrugen 29 Milliarden Euro, im Jahr 2012 betrugen sie 29,41 Milliarden Euro.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Kennen wir doch alles!)

Auch wenn Sie es kennen, aber vielleicht sollten die Zahlen auch von anderen begriffen werden.

Drittens. Die Ausgaben für Heilmittel im Jahr 2011 betrugen 4,89 Milliarden Euro, im Jahr 2012 betrugen sie 4,99 Milliarden Euro. – Das alles ist nur einmal beispielhaft angeführt.

Lassen Sie mich auf den vorliegenden Antrag zurückkommen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das wurde auch Zeit!)

Herr Dr. Pellmann, Ihre schrägen Bemerkungen sind manchmal extrem belastend.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Die Versicherten der GKV haben sich an den Kosten bestimmter Leistungen zu beteiligen. Das begrüßen auch die Kassen. Hätten Sie doch einmal mit der AOK gesprochen. Damit soll unter anderem jeder Versicherte dazu bewegt werden, auf eine kostenbewusste und verantwortungsvolle Inanspruchnahme der Leistungen Wert zu legen. Ich habe Ihnen gerade gesagt, welche Budgets dafür jährlich ausgegeben werden. Es dient nicht nur der Entwicklung und Stärkung einer Eigenverantwortung, sondern es soll gerade damit auch ein Beitrag für die Sicherung unserer solidarischen Versorgung geleistet und der gute Leistungskatalog abgesichert werden.

Gleichzeitig können so einerseits die wirklich sehr umfassenden zuzahlungsbefreiten Leistungsangebote gehalten werden, wie Früherkennungsmaßnahmen, alle Krebsvorsorgen – ob Darmkrebs, Prostata- oder Brustkrebs –, Schutzimpfungen – ich denke allein an die Grippeschutzimpfung –, Angebote der Gesundheitsförderung, Kleinkindberatung und Schwangerschaftsuntersuchung. All diese Untersuchungen, die kostenfrei sind, gilt es zu halten, und dazu dient auch diese Eigenbeteiligung.

Es muss auch ein Anreiz dafür entstehen, dass man eben diese medizinischen Vorleistungen in Anspruch nimmt. Es ist nicht alles zum Nulltarif zu haben, und es kann nicht alles staatlich geleitet werden. Eine Eigenverantwortung ist von jedem Bürger mit Recht und auch Pflicht zu fordern.

Außerdem gibt es einen Überlastungsschutz, der gesetzlich geregelt ist. Es wurde schon gesagt: Chroniker haben jährlich bis zu 1 % der Bruttoeinnahmen zuzuzahlen. Bei Sozialhilfeempfängern wird der Regelsatz angesetzt – auch hier wird wieder unterteilt nach Chronikern oder Nichtchronikern –: 1 % und 2 %. Warum Zuzahlung notwendig ist, habe ich bereits begründet.

Ich möchte noch einmal kurz auf Ihre Bemerkung zurückkommen, was Pharma anbelangt – Herr Dr. Hahn, ein Thema, das mir viel zu ernst ist. Wissen Sie, dass zu DDR-Zeiten ein Kind, das mit dem genetischen Defekt der Mukoviszidose geboren wurde, so gut wie überhaupt

keine Chancen hat, ein Lebensalter zu erreichen, wie es jemand hatte, der nach 1990 geboren wurde? Ich kenne junge Menschen, die heute mit 20, 22 oder auch 30 Jahren dieses Lebensalter erreichen, eben weil die Pharma forscht, weil man glücklich ist, dass jetzt der GBA ein neues Medikament zugelassen hat, dessen Behandlung nur ein Teil der Mukoviszidosepatienten wenigstens das Leben verlängert und die Qualität verbessert. Und das ist gut. Das hat es früher nicht gegeben. Die Kinder sind ja nicht mal drei oder vier Jahre alt geworden.