Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Michael Weichert für seine Vorrede und auch für seine bildhafte Darstellung am Beispiel des Plauener Rathauses, um zu zeigen, wie das neue Vergabe- und Tariftreuegesetz wirken könnte.
Mit der Beratung über den heute vorliegenden Gesetzentwurf möchten wir einen Beitrag leisten, der Sachsen wieder in den Reigen der Bundesländer einreihen lässt, die durch das Handeln der öffentlichen Auftraggeber einen Impuls für eine moderne soziale Marktwirtschaft geben. Deshalb haben wir schon im Titel eine Abweichung zum Titel des Koalitionsentwurfs, den wir hier vor kurzer Zeit beschlossen haben; denn wir nennen unseren Entwurf: „Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und fairem Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe im Freistaat Sachsen“.
Lieber Michael Weichert, wir sind mittlerweile schon das Schlusslicht, weil Baden-Württemberg als drittletztes Land in Deutschland ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat. Es sind also nur noch Sachsen und Bayern übrig, die sich außerhalb der Regelungen aller übrigen bundesdeutschen Länder bewegen. Wir sollten nicht das letzte Schlusslicht bleiben. Bauen wir dem Auto das eine Schlusslicht ab! Das könnte Sachsen sein. Dann bliebe nur noch eine „Heckleuchte“: Bayern. Das wäre ein Ansporn für uns; Sie wollen doch sonst immer gern vorneweg laufen.
Das alte sächsische Vergabegesetz von 2002 – genauso wie das kürzlich hier beschlossene Vergabegesetz der Koalition – wird dem Anspruch, den ich vorhin erwähnte, nicht gerecht. Das zeigt auch ein Vergleich mit den in jüngster Vergangenheit in Kraft getretenen Vergabegesetzen anderer Bundesländer: In der Mehrheit der Länder wurden Regelungen getroffen, die sich auch in unserem Vorschlag wiederfinden.
Wir streben mit der Neuausrichtung der gesetzlichen Regelung zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen folgende Ziele an: Zum einen soll eine Bewertung von Angeboten erreicht werden, sodass es öffentlichen Auftraggebern möglich wird, das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen – unter Berücksichtigung von sozialen und innovativen Zielstellungen sowie von Aspekten der Umweltverträglichkeit und der Energieeffizienz. Dabei möchten wir ein Höchstmaß an Transparenz und Rechtssicherheit für alle am Verfahren Beteiligten erreichen.
Des Weiteren zielt unser Vorschlag auf eine besondere Förderung des sächsischen Mittelstandes. Das Gesetz geht von einem einheitlichen Schwellenwert von 10 000 Euro aus und stellt im Weiteren auf die entsprechenden Regelungen der VOL und VOB ab.
Auf die besondere soziale Verantwortung der öffentlichen Auftraggeber stellen die Regelungen in den §§ 5 und 6 ab. Hier liegt mit Sicherheit der größte Widerspruch zu den Vorstellungen der Koalition. Wir möchten gesetzlich
regeln, dass bei öffentlichen Aufträgen zwingend tarifliche Regelungen eingehalten werden, und wo diese nicht greifen, muss ein Stundenmindestentgelt von 8,50 Euro durchgesetzt werden.
Entsprechende Angebote sollen auch so kalkuliert sein. Das ist gerade für Sachsen zwingend notwendig. Durch die jahrelang verfolgte Politik einer Niedriglohnstrategie gibt es doch gerade hier in Sachsen eine immer größere Zahl – ein Viertel aller Arbeitnehmer –, die unter 8,50 Euro verdienen und damit zum Teil mit ihrem Arbeitseinkommen nicht auskommen und dieses Arbeitseinkommen durch Sozialleistungen vom Staat ergänzen müssen.
Auf der anderen Seite sollen diese Regelungen – Herr Heidan, für Sie – auch Kleinunternehmen helfen, nicht weiter im ruinösen Wettbewerb unterzugehen. Wer eine faire Leistung anbietet, soll auch eine faire Chance erhalten, bei öffentlichen Aufträgen einen Zuschlag bekommen zu können.
Darüber hinaus soll es Auftraggebern möglich sein – und nicht zwingend in unserem Gesetz –, besondere soziale, umweltbezogene, innovative Anforderungen im Rahmen der Leistungsbeschreibung formulieren zu können. Das soll den Auftraggebern völlig freigestellt werden. Wem das wichtig ist im Kreis, in der Kommune oder auch auf Landesebene, der kann das in der Leistungsbeschreibung formulieren. Deswegen schreiben wir „die Möglichkeit“, aber rechtlich sicher an dieser Stelle.
Zur speziellen Förderung des sächsischen Mittelstandes haben wir eine Reihe von Vorschlägen gemacht, zum Beispiel die gezielte Aufforderung der Angebotsabgabe bei beschränkten oder freiwilligen Aufgaben oder die Finanzierung von Lehrgängen für die Prüfung der Requalifizierung. Dort wollen wir mit dem Gesetz unterstützend eingreifen.
Ebenfalls finden sich in unserer Gesetzesvorlage Regelungsvorschläge für die Verfahrensweise bei einer Weitergabe von öffentlichen Aufträgen an Nach- bzw. Subunternehmer. Auch hier soll das Ziel angestrebt werden, mehr Rechtssicherheit und Transparenz herzustellen.
Die von uns vorgelegten Regelungen haben wir in den letzten beiden Jahren mit vielen gesellschaftlichen Akteuren besprochen und kritisch diskutiert. Gerade vor Ort in den Kommunen unter vielen kleinen Handwerkern und Beschäftigten haben wir große Unterstützung und gute Anregungen für diese Gesetzesinitiative erfahren. An dieser Stelle kann ich dem DGB Sachsen nur recht geben, der eine öffentliche Kampagne unter dem Motto „Billig kommt teuer“ geführt hat. Wer öffentliche Aufträge nur nach dem Prinzip „immer schön billig“ umsetzen will, hat sich von der Niedriglohnstrategie immer noch nicht verabschiedet und wird seinem gesellschaftlichen, zukunftsorientierten und nachhaltigen Gestaltungsauftrag in diesem Land nicht gerecht.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kind, eine Frage: In unserem Sächsischen Vergabegesetz, das in diesem Haus erst vor wenigen Wochen bestätigt wurde, steht, der wirtschaftlichste Anbieter hat den Zuschlag zu bekommen. Kennen Sie den Unterschied zwischen billigstem und wirtschaftlichstem?
Herr Heidan, ich kenne sehr wohl den Unterschied zwischen wirtschaftlichstem und billigsten, aber die jetzigen Regelungen sind so weich und auslegungsfähig, dass in aller Regel die billigsten Anbieter genommen werden, sodass besondere Anforderungen wie Ortskenntnis, besondere Angebotssituation und Serviceleistungen in der Region nicht berücksichtigt werden können. Es bleibt eine ungeklärte und intransparente Verfahrensweise, wenn vor Ort so entschieden wird. Wir wollen klarstellen, dass per Gesetz die Möglichkeit eröffnet wird, solche Anforderungen vor Ort zu formulieren, in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, um dann in der Bewertung entsprechend rechtssicher urteilen zu können.
Letzter Satz: Da kann es auch kein Wertmaßstab sein, wie der Wirtschaftsminister Morlok gern darstellt, dass sein Gesetz nur wenige zehn Paragrafen hat. Wir haben ein zukunftsfähiges, wirtschaftsfreundliches, soziales, umweltorientiertes, innovatives Gesetz vorgelegt und bitten um Ihre Zustimmung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Heidan, wenn auch die Mehrheit dieses Landtages im Januar ein Gesetz verabschiedet hat, das nach Ihrer Auffassung den Anforderungen eines modernen Vergabegesetzes Rechnung trägt, muss ich Ihnen sagen, dass nach unserer Auffassung genau das Gegenteil der Fall ist. Deshalb ist das, was wir hier machen, nur konsequent.
Wir haben bereits in der Debatte um Ihren Gesetzentwurf Kritik geäußert. Wir haben gemeinsam mit einer breit angelegten Kampagne, bei der wir uns mit Vertretern der
kommunalen Seite, Vertretern von Gewerkschaften unterhalten haben, wie ein modernes Vergabegesetz aussehen soll, entschieden, dass wir Ihnen jetzt die Alternative dazu anbieten und Sie die Möglichkeit haben, tatsächlich die Standards in ein Gesetz aufzunehmen, die sinnvoll und notwendig sind, damit wir diesen ruinösen Billigwettbewerb auf den Schultern der Beschäftigten endlich beenden können.
Dass das notwendig ist, zeigt doch allein die Zahl von 1,3 Millionen Ergänzern. Das sind Menschen, die arbeiten und von ihrem Lohn nicht leben können. Es gibt nach wie vor im Rahmen der Vergabe gerade öffentlicher Leistungen nach meiner Auffassung und der Auffassung meiner Fraktion die Notwendigkeit einer Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes. Wenn wir es nicht schaffen, dort, wo die öffentliche Hand die Vergabe vornimmt, eine Vorbildfunktion zu erreichen, dann können wir im Gegensatz der freien Wirtschaft nicht vorwerfen, dass sie Löhne zahlen, die nicht ausreichen, um zu leben, sondern da müssen wir doch schauen, dass der Gesetzgeber handeln kann. Da müssen wir genau das Thema, dass billig teuer kommt, zum Gegenstand eines Gesetzentwurfes machen.
Die Erfolge, die auf kommunaler Ebene erreicht worden sind, bestärken mich zumindest in der Hoffnung, dass wir nach und nach auch den letzten Kritiker überzeugen können. Wenn das hier im Sächsischen Landtag nicht möglich ist, dann glaube ich, dass wir das aber über die Landkreise und die Kommunalpolitiker erreichen. Anders ist es doch nicht zu erklären, dass immer mehr CDUFraktionen in den Kreistagen Regelungen zustimmen, bei denen es darum geht, bestimmte Kriterien bei der Vergabe, also Sozialkriterien und Standards, mit aufzunehmen. Ich kann mich auch gut daran erinnern, dass eine Reihe von Kreistagsfraktionen bei der Ausschreibung des Rettungsdienstes gerade bei der Frage Übernahme durch Träger das Thema Tariftreue auch in den Mittelpunkt gestellt hat. Es gab sogar einen Sachverständigen der CDU im Ausschuss, der extra bestätigt hat, dass das eine sinnvolle und richtige Maßnahme sein kann.
Was mein Problem mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition war, ist, dass die Koalition ignoriert hat, wie sie eine Antwort auf den gesellschaftlichen Kontext geben will, dass wir einen Billiglohnwettbewerb haben, dass Sachsen das Niedriglohnland Nummer 1 ist und dass der Ministerpräsident und die Marketinggesellschaft auch noch damit werben und dass wir doch endlich einmal erfahren wollen, wie Sie unseren Mittelstand vor der Billigkonkurrenz schützen. Das tun Sie nämlich in Ihrem Gesetz nicht. Deshalb haben wir hier einen Vorschlag gemacht, wie das nach unserer Auffassung möglich ist. Wir haben das auch deshalb gemacht, weil wir natürlich nicht wollen, dass die Folgen der verfehlten Vergabepolitik darin sichtbar werden, dass die Aufträge im Nachgang immer teurer werden als das eigentliche Angebot, weil im
Nachgang nämlich immer wieder nachgebessert werden muss, weil eben billig am Ende tatsächlich teuer wird.
Insofern geht es darum, dass wir hier noch einmal darstellen, wo Ihre Irrtümer mit dem bestehenden Vergabegesetz liegen.
Es ist das Einfachste, wenn ich Kollegen Pohle hier als Beispiel nehme mit seinem viel zitierten Artikel im „Sachsenland-Kurier“. Dort sagt Kollege Pohle: „Koalitionsgesetz schafft die wirtschaftliche Basis und darüber entstehen Arbeit und soziale Sicherheit.“ Genau das Gegenteil ist mit dem Gesetz, das momentan existiert, der Fall. Genau die Vergabepraxis, die jetzt existiert, schafft genau diese soziale Sicherheit nicht, sondern sie begünstigt Lohndumping, weil Sie zu der Frage der Lohnhöhe – im Gegensatz zu anderen 13 Bundesländern – eben keine Aussage getroffen haben.
Es geht noch weiter. Kollege Pohle sagt, der Verzicht auf Regelungen zur Entlohnung ist völlig ideologiefrei. Er stellt keine Positionierung zur Einführung oder Nichteinführung von Mindestlöhnen oder Lohnuntergrenzen dar, schon gar nicht zu deren höheren Ausgestaltung. Wenn das keine Komplettverweigerung des Themas ist, dann weiß ich nicht, ob das nicht auch etwas mit Ideologie zu tun hat.
Beim Thema Lohn und Sozialpolitik wird gern von vergabefremden Kriterien gesprochen. Auch da ist Kollege Pohle heute der erste Mann, der immer zitiert wird: „Das wäre so, als würde man in der Straßenverkehrszulassungsordnung aufnehmen, dass nur noch Lkws zugelassen werden dürfen, deren Fahrer einen von uns bestimmten Mindestlohn erhalten. Hinzu kommt, dass solche Regelungen ohnehin nur einen Teil der Arbeitnehmerschaft erreichen würden, nämlich jene, die in Unternehmen tätig sind, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.“ Sagen Sie mal, ist das noch nachvollziehbar, was Sie uns da erzählen wollen?
Diese Konstruktion ist ja so wirr, da fehlen mir die Worte – was selten der Fall ist. Noch viel schwieriger dabei ist, dass Sie irgendeine Personengruppe aufgreifen, dann einen Fall konstruieren, der gar nicht in einem Gesetz geregelt wird. Das ist Ihnen wahrscheinlich gerade eingefallen und Sie fanden es so gut, dass Sie es hier eingebracht haben. Damit erklären Sie aber nicht das Thema Lohn- und Sozialpolitik bei vergabefremden Kriterien.
Beim Thema fairer Handel und ökologische Kriterien sagen Sie, lieber Kollege Pohle, dass die Vergabestelle nicht die Umweltbedingungen einschätzen kann, unter denen das Öl gefördert wurde, das im Bitumen in unseren Straßen steckt oder im Sprit für unsere Schulbusse. Natürlich kann sie das nicht, aber das ist auch nicht die Frage. Die Frage ist doch: Stellen wir uns weiter dumm und tun so, als gäbe es keine Kinderarbeit und keine menschenunwürdigen Produktionsbedingungen, oder
Ich will auch keine Teeranalyse haben, sondern ich will beenden, dass es Produkte gibt, die ohne Sozialstandards hergestellt worden sind und die die öffentliche Hand auch noch bezahlt. Ich will nicht, dass es zukünftig Standard ist, dass in Mazedonien für 100 Euro im Monat unsere Polizeiuniformen genäht werden und wir sagen: Ist doch wunderbar, Hauptsache, die sind schön und schick! Genau das will ich nicht.
Das Fazit ist: Wir wollen in diesem Gesetzentwurf Tariftreue. Wir wollen einen fairen Wettbewerb. Wir sind der Auffassung, dass wir damit Arbeitnehmer und Unternehmer vor Lohndumping und Wettbewerbsverzerrung schützen. Wir wollen damit auch einen Schutz gegenüber dem sächsischen Handwerk, den Kleinbetrieben und Mittelständlern. Wir wollen Sie vor Billigkonkurrenz schützen und mit unserem Gesetzentwurf von SPD, GRÜNEN und LINKEN ein klares Signal setzen. Wir wollen Tariftreue und fairen Wettbewerb und dass Arbeit fair bezahlt wird. Wir wollen, dass billig nicht länger teuer ist. Stimmen Sie deshalb unserem Gesetzentwurf zu!