Protocol of the Session on July 9, 2014

Dass es so anders ist, hat sehr viel mit der Regierungsbeteiligung der FDP zu tun. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche. Es klingt für viele Menschen in Sachsen gut, wenn Sie von einem Politiker hören: „Ich verspreche, den Sitz eines DAX-Unternehmens nach Sachsen zu holen.“ Toi, toi, toi! Viel Glück! Das meine ich ganz ernst. Sollte es gelingen, freuen wir uns alle. Liebe Sozialdemokraten, wenn ich helfen kann – sofort! Das gilt auch für den Ministerpräsidenten und sicherlich für uns alle.

Aber schenken wir den Menschen doch bitte reinen Wein ein. Es ist nun einmal so: Der weitere Aufstieg Sachsens, der Weg zum deutschen Meister, wie Steffen Flath es formuliert hat, wird kaum über immer neue Großansiedlungen führen. Das ist vorbei, das werden wir nicht schaffen. Wir werden den Subventionswettlauf mit Asien und Amerika wohl nicht gewinnen können.

Eines muss uns klar sein: Wenn wir wachsen wollen, dann muss das Wachstum aus unserer eigenen Kraft entspringen. Unsere Unternehmen, unser Mittelstand müssen diese Kraft entwickeln.

Lieber Martin Dulig, ich träume ein Stück weit mit, dass vielleicht doch ein DAX-Unternehmen hierherkommt. Wir sollten aber realistisch bleiben und alles dafür tun – dafür kämpfen wir auch wirtschaftspolitisch –, dass es der eine oder andere sächsische Mittelständler schafft, in absehbarer Zeit selbst zu den führenden DAX-Unternehmen zu gehören. Das ist weitaus realistischer, und dafür kämpfen wir.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Sachsen ist unter Schwarz-Gelb selbstbewusster geworden. Das sieht man daran, dass wir sehr oft in Berlin unsere eigenen Positionen vertreten. Das geht der CDU genauso wie der FDP. Uns eint oft eine sächsische Sicht auf die Dinge, die nicht immer von den jeweiligen Mutterparteien so gern gesehen worden ist. Wir haben als FDP dafür in Berlin einen hohen Preis gezahlt. Hätte man das eine oder andere Mal auf uns gehört, wäre es besser gewesen. Nun gut, jetzt müssen wir halt den Wiederaufstieg der FDP am 31. August hier in Dresden beginnen. Das mache ich doch gern.

Aber wir wissen natürlich, dass ein staatlich festgelegter Mindestlohn Gift für unser Land ist. Wir wissen, dass er Jobs, Existenzen und Chancen kostet, und deswegen wehren wir uns auch dagegen. Jetzt sollen 1 600 neue Kontrolleure und Fahnder eingestellt werden, die in den Backstuben, in den Drechselwerkstätten, in den Küchen der Unternehmen stehen. Aber vor chinesischen Plagiaten wird das Erzgebirge nicht geschützt. Ich finde das schäbig. Und dann gibt es Ausnahmen für die Zeitungsverlage der SPD. Ich frage ernsthaft: Was für eine Bananenrepublik schaffen Sie da gerade in Berlin, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP)

Gott sei Dank ist das hier in Sachsen anders.

Ihre Redezeit geht zu Ende.

Ich komme zum Schluss.

Meine Damen und Herren, wir gehen einen sächsischen Weg. Er unterscheidet sich maßgeblich von anderen und ist geprägt durch Schwarz-Gelb. Uns war es eine große Ehre, in dieser Koalition mit Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, mit dir, lieber Steffen Flath, liebe Kollegen von der CDU, für dieses Land zu arbeiten. Es war eine große Erfahrung, eine große Erfüllung und persönlich sehr angenehm. Das kann ich so sagen. Schwarz-Gelb passt zu Land und Leuten, passt zu Sachsen. Gott sei Dank ist Sachsen nicht Berlin. Das ist auch gut so, und so wird es auch bleiben. Sachsen ist nicht Berlin, wir machen das hier anders, wir machen es besser.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion war das Herr Kollege Zastrow. Es geht weiter in der Aussprache. Das Wort ergreift jetzt für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Sie, Herr Ministerpräsident, haben gestern mit Stolz in der Stimme gesagt: Wir leben nicht über unsere Verhältnisse. – Ja, das ist richtig, und das unterstützen wir auch. Das haben wir auch getan. Aber wir leben erkennbar unter unseren Möglichkeiten,

und das ruft Bündnisgrüne natürlich kritisch auf den Plan. Wir sind eine Konzeptpartei, wir denken neue Wege vor, bringen sie zur Diskussion, versuchen dann auch aus der Opposition heraus, die Koalition zu treiben. Und wir müssen hier über verpasste Chancen sprechen. Das ist schon meine Meinung.

Da hilft es nicht, Schwarz-Gelb zu beschwören, als wäre das eine Lösung. Das führt in die Isolation. Es gibt in Deutschland weder im Bundesrat noch im Bundestag noch irgendeinen Ansprechpartner mit irgendwelcher Macht, der für ein schwarz-gelbes Bündnis hilfreich wäre. Das ist drohender Machtverlust für Sachsen und Isolation.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich würde Sachsen nie schlechtreden. Sie haben doch versucht, das so abzubiegen, wenn man Kritik äußern wollte. Aber ich leiste mir schon den Luxus eines eigenen Kopfes. Und wenn ich mir die Realitäten betrachte, dann gibt es hier eine Staatsregierung, die so manches schlecht gemacht hat. Das ist so. Das hat mit Reden nichts zu tun, auch mit Sachsen nichts zu tun, sondern es geht um die Staatsregierung.

Die nächsten fünf Jahre werden nicht so sein, wie die letzten fünf es gewesen sind. Stillstand können wir uns da nicht mehr erlauben. Wir stehen vor einer Legislaturperiode von Veränderungen, in der man vieles anders anpacken muss als bisher, damit Gutes Bestand hat und Schlechtes sich nicht verschlimmert. Da ist eine Stillstandskoalition nicht gefragt, aber vielleicht ein Stanislaw Tillich. Und dann ist die Frage: Wer sind Sie?

Sie haben, wie ich finde, das Erbe Georg Milbradts in der Finanzpolitik in der Grundlinie solide weitergeführt, fast überängstlich, könnte man sagen. Das kostet auch Kraft. Das ist mir klar. Aber Sie hatten auch Unterstützung. Dieses Parlament hat Sie unterstützt und gemeinsam parteiübergreifend eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert. Das ist also nicht Ihre eigene Leistung.

Die Sächsische Staatsregierung kann seit vielen Jahren für sich in Anspruch nehmen, nicht auf den Kapitalmärkten überschuldet zu sein. Aber sie ist es inzwischen im Land, bei den Bürgern. Sie steht bei den Schulen in freier Trägerschaft mit über einer halben Milliarde Euro in der Kreide. Das haben Sie über Jahre durch eine falsche Politik angehäuft. Sie ist bei den Eltern in der Kreide, was die Personalausstattung der Kitas und der Schulen betrifft – auch eine falsche Politik.

Die Lehrermisere haben Sie nicht allein zu verantworten. Das würde ich gern konzedieren. Da haben damals die SPD und heute die FDP ihre Verantwortung mitzutragen. Aber Fehler sollte man zugeben. Das haben Sie immer nur so ein bisschen hintenherum gemacht. Ich fand es befremdlich, der Opposition vorzuwerfen, es sei Aktionismus, wenn sie auf einem fundierten Personalentwicklungskonzept für die Schulen besteht. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Sie sind bei vielen Bürgern verschuldet, denen der Zugang zu einem guten öffentlichen Nahverkehr verwehrt oder zumindest erschwert wird. Sie sind bei den Demokraten im Lande verschuldet, die seit vielen Jahren gegen Rechtsradikale vor Ort kämpfen, oft auch durch die Staatsregierung behindert oder hinterfragt. Sie beginnen diese Schulden abzutragen, weil nach dem NSU-Skandal die Einsicht eingekehrt ist, dass die Regierung mehr tun muss. Aber das ist mühsam erfochten.

Soziale Verschuldung frisst genauso die Zukunft auf, wie es ökologische Verschuldung oder der Raubbau an der Natur tun oder wie es eben auch die Kapitalmarktverschuldung tut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die größte ökologische Verschuldung dieser Staatsregierung ist die schlechte Energiepolitik. Darüber haben Sie heute kein einziges Wort verloren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort „Energie“ ist heute in Ihrer Erklärung nicht gefallen. Umweltzerstörung, Heimatfraß, Investitionsvernichtung, Innovationsverzicht – das summiert sich zu einer sehr großen Last für zukünftige Generationen, und Sie haben kein Wort dazu verloren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich verstehe, dass Sie hier nicht unbedingt die EEGNovelle des Bundestages von vergangener Woche vortragen wollten, weil man da peinlich berührt sein kann. Das kann ich nachvollziehen, zumal dieses Teil schon wieder im Trockendock ist. Aber Sachsen wird die Ausbauziele bei erneuerbaren Energien ohne Hilfe der Staatsregierung 2016 erreichen, die die Staatsregierung für 2025 vorgibt. Also, wenn Sie eine treibende Kraft sind, dann frage ich, wohin Sie rudern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Parforceritt durch die Staatsfinanzen 2010 bis 2012 war kaufmännisch nicht durchdacht und sozial sehr kalt. Die letzten fünf Jahre habe ich oft so wahrgenommen: Schnöselig, zynisch, Ellenbogenmentalität, Gleichgültigkeit – all das kam bei Akteuren dieser Koalition immer wieder vor. Herr Milbradt war ein Raubein. Wir erinnern uns alle. Sie sind das ausdrücklich nicht. Aber Sie haben eine sehr raubeinige Koalition geführt, das muss man schon sagen, und das ist auch nicht gerade sehr sächsisch.

Ich habe mit Interesse verfolgt, wie Sie, Herr Tillich, Ansiedlungs- und Industriepolitik betreiben. Ich schätze Ihr starkes Engagement in dieser Frage. Sie haben da für Sachsen viel erreicht, auch im Bereich der Mikroelektronik, der Forschungsinstitute. Das muss man anerkennen. Das finde ich wichtig.

Aber ich möchte eines betonen, ohne Sie anzugreifen: Wir sind vier Millionen Sachsen, und diese vier Millionen

Sachsen sind keine wandelnden Standortfaktoren, sondern wir bilden eine vielfältige Gesellschaft, über Kultur, Bildung, Naturverbundenheit, Landwirtschaft, Vereinsleben und Solidarität. Damals, als Sie das Amt von Herrn Milbradt übernahmen, waren Sie in Ihrer ersten Regierungserklärung sehr erpicht darauf, das Wort „Solidarität“ mehrfach hervorzuheben und zu erläutern, was Sie darunter verstehen. Das kam dann später nicht mehr vor, und seit 2009 eigentlich gar nicht mehr. Da war dann bei der Sozialpolitik die Rede von Feuerwehrstützpunkten im ländlichen Raum und davon, dass die Ärzte schnell genug bei den älteren Leuten sein müssen, wenn diese krank sind. Das ist nicht Solidarität, sondern darunter verstehen wir schon etwas mehr.

Energie, Umwelt, ich habe schon darauf hingewiesen: Wir könnten in Sachsen Chancen nutzen, wenn wir den Wärmemarkt erschlössen, wenn wir endlich anfangen würden, das Handwerk nicht nur ständig die Dämmung auf Lattung nageln zu lassen, sondern zum Beispiel einmal über die Anlagentechnik in den Gebäuden nachdächten und damit der Industrie neue Aufträge verschafften.

Natürlich geht es auch um Verbundinitiativen und Regionalbudgets. Man kann – das ist ein Grundsatz, den auch ich teile – auf Dauer nur das ausgeben, was man hat. Das stimmt. Man muss aber auch dafür sorgen, dass man etwas hat, was man ausgeben kann. Da, finde ich, geht deutlich mehr, als bisher erreicht worden ist. Ich habe gesehen, dass sich Forschung und Entwicklung bei den KMUs verbessert hat, aber die Fragen des Größenwachstums der Unternehmen oder der Zahl der Fachkräfte sind weiterhin offen. Technologietransfer, Verbundinitiativen, überhaupt die wirtschaftliche Dynamik sind noch viel zu gering.

Sie haben völlig zu Recht dargestellt, dass die wichtigste Weichenstellung in den nächsten Jahren sein wird, wie die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich und zum Solidarpakt verlaufen. Ich bin nicht die Einzige, sondern die GRÜNEN im Osten insgesamt sind der Auffassung, dass der Solidarpakt 2020 auch wirklich als Ostkrücke zu enden hat. Wir teilen diese Auffassung.

Der Westen Deutschlands sortiert sich schon durch, und Nord und Süd im Westen versuchen schon einmal herauszufinden, ob sie ohne Ostdeutschland über Altschuldenhilfefonds und Zahlungsentlastungen diskutieren können. Der Bund ist mit der Schuldenbremse konfrontiert. Schön, dass Herr Schäuble 2015 einen ausgeglichenen Haushalt ansteuert. Er hat historisch niedrige Zinsen. Noch werden die Rentenentscheidungen nicht über die Steuern bezahlt, aber das kommt noch. Und er hat außerordentlich gute Steuereinnahmen. In Sachsen würde so ein Haushalt nicht als solide durchgehen – das muss ich einmal so deutlich sagen –, es sei denn, es würden mehr Rücklagen gebildet werden.

Es ist eine schwierige Verhandlungssituation, vor der Sachsen da steht. Das ist so.

Ich komme noch auf den Punkt ländliche Räume. Wir unterstützen das Ziel, den ländlichen Raum lebenswert und alternativ zu gestalten. Aber im Kulturbereich wurden 2010 die Ellbogen ausgefahren. Jetzt bekommen sie wieder ein bisschen Geld zurück. Sie heilen das Vorkommnis mit den Landesbühnen einigermaßen. Aber für die Entwicklung der ländlichen Kulturräume wird etwas mehr getan werden müssen.

Der ÖPNV ist ein Stiefkind dieser Regierung geworden, und beim Breitbandausbau bin ich froh, dass jetzt endlich einmal Summen fließen, die relevant sind. Aber das wurde auch durch die EU erstens einmal motiviert und dann auch kofinanziert – muss man ehrlicherweise hinzufügen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben ein zweites Thema, über das Sie kein Wort verloren haben, was ich schade finde: Das ist die Frage der Zuwanderung. Wurde ausgelassen. Ich glaube, dass wir, wenn wir wirklich ein Deutschlandmeister werden wollen unter den Bundesländern, eine völlig neue Zuwanderungsstrategie in diesem Land brauchen. Das ist meine feste Überzeugung.

(Zurufe von der NPD: Genau! – Zuwanderungsweltmeister! – Deutschland abschaffen!)

Ihre Reaktion gibt mir völlig recht. Das wird viel Mut erfordern.

(Weitere Zurufe von der NPD)

Die letzten 25 Jahre waren in Sachsen in der Politik davon geprägt, den Mut aufzubringen, finanzpolitisch solide zu arbeiten. Das war mutig. Der nächste Mut, vor dem wir sächsischen Politiker stehen, ist der,