Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auf die Aussagen von Herrn Hamburger und Herrn Fröhlich reagieren.
Es ist vollkommen richtig: Natürlich müssen wir jetzt die Privaten an die Hand nehmen und überlegen, wie wir sie mit Aufwertungsmaßnahmen unterstützen können.
Ich gebe Ihnen ja vollkommen recht, Herr Hamburger, dass es Einzelne gibt, die durch einen Abriss von der Last befreit werden; aber das sind Einzelfälle. Wir müssen hier das Thema Aufwertung ernst nehmen und es ist mühevoll, dies mit den Privaten zu tun, weil es eben eine sehr heterogene Struktur ist. Aber wir müssen uns die Mühe machen, es mit den Privaten zu versuchen, weil die großen Abrissprojekte, die großen Entwicklungsprojekte Geschichte sind. Man muss sich jetzt die Mühe machen, auf die Kleinen zuzugehen, auch wenn es richtig schwerfällt.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann Herr Staatsminister Dr. Buttolo, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Sorge, ich halte nicht die Rede, die mir vorbereitet wurde, sondern ich möchte sehr gern auf eine ganze Reihe von Punkten eingehen, die in der Debatte angesprochen wurden.
In der Tat bemühe ich mich seit Jahren darum, beim Bund Einsehen dafür zu gewinnen, dass wir nicht separat über den städtebaulichen Denkmalschutz, die städtebauliche Erneuerung und den Stadtumbau reden sollten. Herr Fröhlich, Sie haben es formuliert und Herr Hamburger hat es Ihnen bestätigt: Wir brauchen eine einzige Überschrift – ob sie nun Siedlungsentwicklung oder Stadtentwicklung heißt, wäre mir egal –; aber wir müssen weg von dieser partiellen Betrachtungsweise.
Damit sind wir schon bei etwas anderen Zahlen. Wir haben in den letzten Jahren in diesem Bereich über 3 Milliarden Euro Finanzhilfen ausgezahlt – Bundesgeld und Landesgeld. Über 90 % dieses Geldes flossen aber in die Aufwertung der Gebiete, in die Aufwertung des öffentlichen Raumes und in die Aufwertung von Gebäuden. 10 % des Gesamtvolumens könnte man bei einer entsprechenden Betrachtungsweise dem Stadtumbau, Teil Rückbau, zurechnen.
Wir sprechen nicht über eine Verwerfung, sondern über einen vernünftigen Ansatz, das ganze Thema so anzupassen, wie es sich in der Wirklichkeit darstellt.
Wir haben als Freistaat Sachsen – Herr Dr. Gerstenberg, danke für Ihre freundlichen Worte zu meiner früheren Tätigkeit – beim Bund Anfang dieses Jahrhunderts dafür geworben, Veränderungen vorzunehmen. Bevor der Bund mit seinem Stadtumbauprogramm kam, waren wir mit unserem Rückbauprogramm schon zwei Jahre lang auf dem Markt, weil wir erkannt hatten, dass wir etwas gegen diese demografischen Auswirkungen tun müssen. Es waren aber nicht nur demografische Auswirkungen, sondern wir hatten auch Städte wie Görlitz, in denen
neben der Demografie auch das Vernachlässigen der Altbausubstanz und der Ersatzbau durch industriell gefertigte Gebäude das Problem geschaffen haben.
Wir hatten uns deshalb entschlossen abzubrechen, aber keineswegs irgendwelche städtischen Quartiere kaputt zu machen. Ich darf Sie daran erinnern, dass die historisch wertvollen Kerne im Freistaat Sachsen einen hohen Schutz genießen und dass über jede Maßnahme, die nicht verhindert werden kann, wenn sie im Abbruchbereich liegt, in den Kommunen sehr intensiv gestritten wird.
Wir haben es auch geschafft, vom Freistaat Sachsen aus Sorge dafür zu tragen, dass Entwicklungskonzepte der Kommunen vorliegen, damit ein wilder Abbruch, ein wildes Agieren verhindert wird. Die Kommunen sind gegenwärtig dabei, diese integrierten Stadtentwicklungskonzepte zu überarbeiten. Ich bin mir im Klaren darüber: Es ist keine letzte Aktion einer Überarbeitung – das muss von den Kommunen in den nächsten Jahren permanent durchgeführt werden –, denn wir sprechen über Aussagen bis zum Jahr 2020 und keiner ist so unfehlbar, dass es ihm gelingt, diese Aussage komplett richtig zu treffen.
Wo stehen wir gegenwärtig? Ich bin der felsenfesten Überzeugung: Wir brauchen jetzt einen Neuantritt – durchaus von Sachsen ausgehend –, was den Stadtumbau anbelangt; denn 77 000 abgebrochene Gebäude waren mit erheblichen Anstrengungen der Wohnungswirtschaft verbunden.
An dieser Stelle, Herr Dr. Schmalfuß, darf ich auf eine kleine Unkorrektheit in Ihrem Beitrag hinweisen: Sie sprachen mehrfach von kommunalen Wohnungsgenossenschaften. Diese gibt es schlichtweg nicht. Wir haben kommunale Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften. Es stehen völlig unterschiedliche Eigentümerstrukturen dahinter und ich bitte Sie, dies in der Argumentation künftig nicht mehr zu verwenden. Die Genossenschaften fühlen sich als Private, während die kommunalen Gesellschaften Töchter der Kommunen sind.
Was wir brauchen, ist eine wirkliche Neuausrichtung. Wir müssen Verschiedenes tun: zum einen natürlich die historischen Kerne, die eigentlichen Innenstädte, sichern und erhalten.
Wir müssen uns aber auch klar dazu bekennen, dass wir in dem Entwicklungsringen um die Städte aus der Gründerzeit Veränderungen vornehmen müssen – in zweierlei Hinsicht; ich komme noch darauf –; Veränderungen, damit wir Rückbauten wieder möglich machen – nicht nur in diesen Gebieten, sondern eben auch in der Platte –, indem wir aus diesem Bereich wieder in innerstädtische Quartiere lenken.
Ich habe in meinem Hause gegenwärtig den Entwurf einer Verwaltungsvorschrift in Arbeit. – Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben sich auf einen Entwurf bezogen, der auf keinen
Fall dem neuesten Stand entspricht. Ich werde diesen derzeitigen Entwurf am Montag mit Vertretern von „Haus und Grund“ diskutieren – nicht mit dem Verband, sondern mit den Haus-und-Grund-Vertretern aus unseren Großstädten, aus unseren Mittelstädten von Sachsen.
Was soll dabei herauskommen? Ich möchte klarmachen, dass wir eine einzige Verwaltungsvorschrift für den gesamten Bereich der Stadtentwicklung brauchen, bei der der Rückbau eine Position ist, aber auch die Aufwertung in den verschiedenen Programmteilen im Zentrum steht. Die Vorschläge in dieser neuen Verwaltungsvorschrift, die wir gegenwärtig in der Diskussion und in der Anhörung haben, basieren darauf, dass wir Private verstärkt in dieses Geschäft einbeziehen müssen. Ich möchte, dass die Kommunen mehr Verantwortung bekommen; dass die Kommunen beim Ausreichen der Fördermittel mehr Verantwortung in der Form übernehmen, dass sie die Verwendungsnachweise für die ausgereichten Mittel an Private und Drittnehmer selbst auf Richtigkeit zu prüfen haben.
In dem Entwurf dieser Verwaltungsvorschrift steht geschrieben, dass wir uns sehr wohl an die Privaten wenden, indem wir nämlich wieder über die normale Städtebauförderung in die Substanz gehen wollen und im Normalfall bis zu 40 % der Kosten als Pauschalbetrag als Zuschuss übernehmen wollen; denn der Private ist nicht in der Lage, das Haus zu sanieren. Er hat wenig Eigenkapital und findet auf keinen Fall eine Bank, die ihm diese Sanierung ermöglicht, weil die Banken gegenwärtig zu Recht sehr zurückhaltend mit der Vergabe von Darlehen sind, die in die Wohnsubstanz gehen sollen.
Wir setzen noch eines drauf, nämlich dass dieser Pauschbetrag um bis zu 25 % erhöht werden kann, wenn es sich um ein Denkmal handelt. Herr Dr. Gerstenberg, mir geht es nicht darum, dass wir Denkmale vernichten, sondern ich möchte, dass wir mit den auf der vorläufigen Denkmalliste stehenden Gebäuden sorgsam umgehen;
dass sich die Kommunen selbst in die Auseinandersetzung darüber einbringen müssen, welches wirklich ein Denkmal ist, das wir zum Erhalt eines lebenswerten Quartiers brauchen, und welches Gebäude langfristig vielleicht verzichtbar ist.
Ich glaube schon, dass wir dann, wenn wir diesen Entwurf der Verwaltungsvorschrift zu Ende diskutiert haben, sehr wohl einen beachtenswerten Neuansatz für den Städtebau von Sachsen aus legen können.
Warum bin ich gegen die Altersbegrenzung 1948, die Herr Tiefensee plötzlich erkannt hat? Es ist für mich nicht nachvollziehbar, und noch mehr nehme ich es Herrn Lütke Daldrup übel, den ich persönlich sehr schätze, aber in diesem Punkt können wir uns nicht einigen. Wieso hat die Stadt Leipzig – Herr Tiefensee selbst – ihr Stadtgebiet in einzelne Quartiere eingeteilt und beispielsweise beim Leipziger Osten klar gesagt, hier muss man abreißen,
auch wenn es Gründerzeitbauten sind? Wenn ich das Jahr 1948 nehme, fällt dies alles aus. Ich frage mich, woher diese neue Erkenntnis bei Herrn Lütke Daldrup und Herrn Tiefensee kommt.
Vielleicht noch ein Punkt. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass eine Sicherung stattfinden muss, wenn in überschaubarer Zeit tatsächlich die Chance für eine Nutzung besteht. Ich habe aus diesem Grund entgegen unserer früheren Auslegung einer Sicherung, bei der das Dach beispielsweise nur provisorisch dicht gemacht wurde, in die Diskussion eingebracht, dass man als Sicherung sehr wohl eine vernünftige Dachsanierung – also Dachstuhl und Dachaufbauten – vornehmen sollte, wenn ein Nutzungskonzept in Aussicht steht.
Herr Minister, ich muss ein Stück in Ihrer Rede zurückgehen. Sie sprachen von einer für mich als einem kommunal engagierten Menschen interessanten Verwaltungsvorschrift zur Unterstützung der von Ihnen angesprochenen Maßnahmen. Wann ist denn mit dem Erscheinen dieser Verwaltungsvorschrift zu rechnen?
Frau Simon, ich hatte ausgeführt, dass sich der Entwurf dieser Verwaltungsvorschrift in der Diskussion befindet. Ich gehe davon aus, dass er in drei bis vier Monaten zu Ende diskutiert ist. Ich habe gestern Abend mit dem Verband der kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften diskutiert und klar gesagt, dass es mir bei dieser Neuausrichtung um Qualität geht. Lieber lasse ich einen Monat länger diskutieren als einen Monat zu wenig. Das bedeutet im Klartext, dass die Programme für 2008 nach der alten Verwaltungsvorschrift ausgeschrieben werden.
Darf ich eine Nachfrage stellen? – Würde das bedeuten, dass die Verwaltungsvorschrift inklusive einer qualitativ hochwertigen und ausreichenden Diskussion zumindest in fünf bis sechs Monaten vorgelegt wird?
Ich hätte die Verwaltungsvorschrift nicht in Arbeit gegeben, wenn ich nicht vorhätte, sie in absehbarer Zeit vorzulegen.
An dieser Stelle noch ein Wort, Herr Dr. Schmalfuß, zu Ihren intakten Straßenzügen, die ich angeblich riskiere. Intakte Straßenzüge sind für mich nicht Straßenzüge aus unsanierten, ruinösen Häusern und zwischendurch einigen sanierten. Das sind in meinen Augen keine intakten Straßenzüge. Dem Eigentümer des sanierten Hauses leisten Sie keinen Freundesdienst, wenn Sie das bereits als intakten Straßenzug bezeichnen, denn dieser funktioniert nicht. Sie werden bei dieser Marktsituation kaum jemanden finden, der sich in eine derartige Situation einmieten will.
Ich würde mir an dieser Stelle auch noch einen Vorschlag erlauben, weil Sie bezüglich unserer Städtebaupolitik, Herr Dr. Schmalfuß, so polemisch vorgegangen sind. Wir haben eine Reihe von sehr guten FDP-Bürgermeistern im Freistaat Sachsen, die sehr aktiv im Stadtumbau sind. Ich würde Ihnen empfehlen, mit denen zu sprechen. Ich würde es in dieser Runde nicht öffentlich machen, bin aber gern im Vieraugengespräch bereit, Ihnen einige Namen zu nennen, wo es lohnenswert wäre, sich vor Ort zu erkundigen, wie es tatsächlich läuft und wie diese Kommunalpolitiker die Situation einschätzen.
Die Neuausrichtung des Förderprogramms halte ich für zwingend notwendig. Ich glaube, Herr Dr. Gerstenberg, mit einem derartigen Antritt werden wir es schaffen, wieder Bewegung im Rückbau, aber nicht zulasten guter Substanz, hinzubekommen, sodass wir im gleichen Atemzug gute Substanz sanieren und an der Stelle, wo es vernünftig und richtig ist, den Kommunen auch die finanzielle Hilfe geben, wenn sie ihre Eigentümer beim Rückbau unterstützen wollen. Natürlich muss man in der Diskussion mit den Privaten auch das Angebot machen, dass der einzelne Private durchaus die Möglichkeit haben soll, sich am Rückbau zu beteiligen.
Herr Morlok, Ihre Bedenken teile ich nicht. Der Private hat häufig schon verstanden, dass das, was er als ver
meintliches Vermögen hat, sich zwar in seinem Eigentum befindet, aber der Vermögenswert sehr, sehr niedrig ist. Wir haben an vielen Stellen die Situation, dass die Eigentümer nicht einmal mehr ihre Grundsteuer bezahlen können. Natürlich werden wir diese Diskussion mit den privaten Eigentümern führen müssen. Ich entsinne mich, als wir grundsätzlich mit dem Rückbau begannen, hatten auch die Vertreter der kommunalen Wohnungsgesellschaften und der Wohnungsgenossenschaften ähnliche Positionen vertreten, dass wir ihr Eigentum vernichten würden, ihre Werte reduzieren. Letztendlich hat die Wirklichkeit sich anders dargestellt.
Ich würde mich freuen, wenn wir diese sehr interessante Diskussion zur Ausrichtung der Stadtentwicklungsförderung vertiefen könnten. Vielleicht haben wir in einer der Ausschusssitzungen die Möglichkeit, uns noch einmal sehr intensiv mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Ich zumindest bedanke mich bei Ihnen sehr für diese Diskussion, weil sie mir gezeigt hat, dass wir als Innenministerium an diesem Thema dran sind. Bitte haben Sie so viel Verständnis: Nicht jede Passage in einem früheren Entwurf wird sich auch in der endgültigen Fassung der Verwaltungsvorschrift wiederfinden. Wir müssen ausstreiten, was wir tatsächlich drinhaben müssen. Wir brauchen einen Neuansatz, ansonsten erleiden wir Schiffbruch mit der Stadtentwicklung, aber auch, wenn die nächste Leerstandswelle kommt.