Gibt es jetzt noch von den Fraktionen Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Wir kommen zum neuen
Hochschulreform offen und demokratisch gestalten – Sächsisches Hochschulgesetz gemeinsam mit den Studierenden und Beschäftigten weiterentwickeln
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnen in der ersten Runde die Einreicherinnen Linksfraktion und GRÜNE. Es folgen CDU, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringung des Antrages durch GRÜNE und LINKE – ich gebe es zu – war anfangs als ein formaler Akt gedacht. Lange Zeit gingen nämlich die in Sachsen an Hochschulen interessierten Menschen davon aus, dass das seit drei Jahren von der Koalition angekündigte Hochschulgesetz spätestens im Herbst im parlamentarischen Gang sei. Deshalb wolle man sich unter anderem mit der Kundgebung in die Debatte einbringen.
Studierende und Beschäftigte beschlossen, sich gemeinsam für ein demokratisches und die Arbeitnehmerrechte achtendes Hochschulgesetz einzubringen, sich gegenseitig zu unterstützen, und wählten den heutigen Tag dazu aus. Ja, diese Aktion drohte zu scheitern, weil sich dieses Gesetz wider Erwarten immer noch nicht im parlamentarischen Gang befindet und die Hausordnung nur landtagsthemenbezogene Kundgebungen zulässt.
Unsere beiden Fraktionen – GRÜNE und LINKE – entschlossen sich, die Hochschulmitglieder mit einem Antrag zu unterstützen. Aber schon bald zeigte sich, wie notwendig der heutige Antrag auch inhaltlich und formal tatsächlich ist. Unserer Forderung zu entsprechen, Hochschulen offen und demokratisch zu gestalten und das Sächsische Hochschulgesetz gemeinsam mit Studierenden und Beschäftigten weiterzuentwickeln, hat nämlich nicht nur wirklich nicht stattgefunden, nein, es soll tatsächlich auch noch weiter eingeschränkt werden.
Die Geschichte der Erarbeitung des Sächsischen Hochschulgesetzes ist – und ich fürchte, sie bleibt es – eine Geschichte von Erpressung, Geheimniskrämerei, Machtspielen, Kräftemessen und Profilierungssucht. Lassen Sie mich das kurz erklären.
Vor gut drei Jahren gab es einen Koalitionsvertrag, der im Bereich Hochschule so allgemein, dehnbar und unkonkret abgefasst war, dass man alles hätte herauslesen können. Da, muss man sagen, hat sich wohl die SPD das erste Mal über den Tisch ziehen lassen.
Es gab dann ein geheimes Eckpunktepapier der damaligen Staatsministerin Frau Ludwig; geheim, wie gesagt. Dem Ausschuss wollte sie es auf keinen Fall zur Kenntnis
geben. Sie ließ es durch das CHE bewerten. Auch das Ergebnis blieb leider geheim. Das CHE hat uns dann einmal dieses Eckpunktepapier zugeschickt, als wir ihnen nämlich unser eigenes Gesetz zur Bewertung zugesandt hatten.
Spannend war, dass drei Wochen, nachdem es dieses CHE-Eckpunktepapier gab, auch ein Textentwurf vorlag, der allerdings wiederum geheim war. Später wurde ein weiterer Entwurf verschickt, auch geheim. Es durften sich maximal Rektoren dazu äußern.
Währenddessen wurde aber der Ministerpräsident nicht müde, jegliche Absagen der SPD-Wissenschaftsministerin Ludwig bezüglich Studiengebühren in Zweifel zu stellen. Ob im Landtag, im Interview oder in Reden zu Festveranstaltungen usw. forderte er immer wieder Studiengebühren ein. Er hätte sich vielleicht lieber um andere Dinge kümmern sollen.
Die permanente Brüskierung des SPD-Koalitionspartners wurde endlich Inhalt eines Koalitionsausschusses. Dem damaligen Entwurf half das allerdings nichts mehr.
Denn es ist klar: Wenn sich eine SPD-Wissenschaftsministerin vom alten CDU-Ministeriumsapparat ein Hochschulgesetz schreiben lässt, nur Rektoren bei der Bearbeitung einbezieht, dies vom neoliberalen CHE bewerten lässt, dann kommt es dazu, dass man ein Gesetz hat, bei dem man feststellen konnte, dass es entdemokratisierend, entautonomisierend und trivial ökonomisch bewertet wird, zumindest von einigen Fakultäten von Hochschulen.
Nachdem dieser Verriss in der Öffentlichkeit war, hieß es plötzlich: Das sei nur noch ein Null-Entwurf, man würde nun die vielen Stellungnahmen aufnehmen und einen wirklichen Arbeitsentwurf vorlegen.
Die Ergebnisse aus dieser Zeit waren natürlich für die Beteiligten sehr enttäuschend. Es gab eine große Not an den Hochschulen. Sie wissen, damals begann die Diskussion um Stiftungsuniversitäten usw., weil die Hochschulen in ihrer Not auch nicht mehr weiter wussten.
Wir haben immer wieder versucht, im Landtag oder im Ausschuss eine Diskussion dazu zu bekommen: zu Zielen von Hochschulpolitik, zu Methoden, zu einer gemeinsamen Verständigung oder auch zu einem Kompromiss oder einer Konsensfindung. Aber das war vonseiten der Koalition und der Regierung nicht gewollt. Wir wurden stattdessen immer wieder vertröstet, wir sollten das neue Gesetz nur abwarten. Wenn es dann im parlamentarischen
Gang sei, gebe es genug Möglichkeiten der Diskussion und Mitsprache, und natürlich ließen sich in diesem Prozess auch noch Änderungen einbringen.
Aber seien Sie ehrlich: Wie oft haben wir es schon erlebt, dass ein Entwurf der Staatsregierung tatsächlich noch grundlegend verändert worden ist?
Wir hatten plötzlich eine neue Wissenschaftsministerin, die nun mit einem weitgehend im Koalitionsausschuss abgesegneten Hochschulgesetz weiter arbeiten musste. Wir sehen durchaus ein, Frau Ministerin Stange, dass es Ihnen durch die CDU nicht einfacher gemacht wurde. Während Sie versuchten, mit anderen Menschen zu reden und zu diskutieren – auch das wollen wir wohlwollend feststellen –, ließ die CDU nichts unversucht, um die wenigen aus unserer Sicht noch guten sozialdemokratischen Ansätze zu streichen.
Bei der Abschaffung der akademischen Selbstverwaltung hatte die SPD ja schon klein beigegeben. Nun nahm sich die CDU noch die verbliebenen Arbeitnehmerrechte an den Hochschulen vor. Die Vorschläge der Studierenden und Beschäftigten dagegen fanden aber kaum Berücksichtigung.
Frau Ministerin Stange, Sie haben vorhin gesagt, Sie haben viel gesprochen. Das stimmt. Aber die Frage ist, inwiefern die Empfehlungen, Vorschläge, Befürchtungen usw. tatsächlich auch ins Hochschulgesetz einfließen. Wir haben bis jetzt von Ihnen noch nichts Neues gehört. Wir kennen keinen wirklichen Entwurf, nur die Leitpunkte, und die hatten aus unserer Sicht nichts Neues zu präsentieren.
Man hat feststellen können, dass auch der nächste Gesetzentwurf nur noch Geschichte war. Es gab noch einen dritten, vierten Entwurf. Sie wurden dann wieder zu NullEntwürfen. Am Ende verständigte sich die Koalition vor den Sommerferien zu dem von mir gerade benannten Eckpunktepapier. Vorher mussten sie allerdings noch ihren Fraktionsvorsitzenden opfern, denn es wurde der letzte verbliebene sozialdemokratische Ansatz auch noch durch die Koalition versenkt.
Doch selbst dieses Eckpunktepapier blieb nun weiter geheim. Einiges wurde zwar in einer Pressekonferenz vorgestellt, aber einer Diskussion beispielsweise im Ausschuss stellten Sie sich nicht. Stattdessen wurden wir wieder auf den Diskussionsprozess, der irgendwann ansteht, und die möglichen Änderungen verwiesen. Wenn das Gesetz in der außerparlamentarischen Anhörungsphase sei, dann sei Zeit und Möglichkeit.
Meine Damen und Herren! Es geht hier um eines der wichtigsten landespolitischen Gesetze. Angesichts dieser Geheimniskrämerei gibt es nun wiederum die seltsamsten Gerüchte. Die meisten davon schüren Ängste. Ich muss
sagen, ich habe aber auch ein Lieblingsgerücht. Das besteht darin: Es wurde gesagt, dass der Entwurf vor allem deshalb so lange auf sich warten ließ, weil er sich so lange im Normenkontrollausschuss befand. Als ein Kritikpunkt soll wohl benannt worden sein, dass man mehr Demokratie in das Gesetz hineinschreiben soll.
Das wundert mich nicht. Denn alles, was akademische Selbstverwaltung an Hochschulen ausmacht, haben Sie geopfert. Sie pressen nun die Hochschulen in eine Klammer zwischen Rektorat, Externen und vor allem von Wirtschaftsmenschen besetztem Hochschulrat und dem Ministerium. Damit sind die Hochschulen weder demokratisch noch autonom.
Aber wir wollen nach vorn schauen. Es wird irgendwann ein Gesetz vorgelegt werden. Dieser Tage soll es wohl im Kabinett verabschiedet werden. Die Frage ist nun für uns, wie die außerparlamentarische Anhörungsphase organisiert wird. Darauf bezieht sich Teil 2 unseres Antrages.
Meine Damen und Herren der Koalition und der Regierung, was auf gar keinen Fall geht, ist, den Weg des geringsten Widerstandes zu organisieren. Das wäre nicht nur undemokratisch, sondern zeugte auch von sehr wenig Größe und würde der Bedeutung des Gesetzes nicht gerecht. Jetzt kommt der Jahreswechsel. Danach beginnt die Prüfungszeit an den Hochschulen. Im Februar ist vorlesungsfreie Zeit.
Ich weiß, es gibt einige unter Ihnen, die am liebsten die Anhörungsphase ganz umgehen oder so kurz wie möglich halten würden, um vor all diesen Menschen da draußen Ruhe zu haben. Heute waren es 12 000, die hier demonstriert haben.
(Stefan Brangs, SPD: Ich war selbst draußen! – Weitere Zurufe von der SPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Mach weiter!)
Wir können uns gern um ein- oder zweitausend streiten. Aber das ist mir echt schnuppe. Ich denke, wahrscheinlich haben Sie schon ein bisschen Angst vor den Leuten da draußen; deshalb müssen Sie jetzt über die Zahlen streiten.
Ich finde das fahrlässig. Sie schaden damit nämlich nicht nur den Hochschulen, sondern auch der Demokratie. Sie schaden dem Gesetz und damit langfristig den Hochschulen. Gerade im Bereich der Hochschulen ist die Durchsetzung einer Organisationsform unabdingbar an die Bereitschaft der Hochschulen gebunden, in diesen Strukturen auch mitzuwirken. Eine Struktur, die eben nicht von der Mehrheit der Studierenden, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie der anderen Beschäftigten getragen
Denn Hochschulen sind keine Unternehmen. Hochschulen leben von der Initiative, der Kreativität, dem Bildungshunger der Menschen, die dort eben lehren, lernen, forschen und arbeiten. Wir können von diesem intellektuellen Potenzial nur profitieren. Es stünde dem Landtag gut zu Gesicht, die weitere öffentliche Diskussion entsprechend mit diesen Menschen zu organisieren. Diese sollte bereits vor dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren beginnen, um alle außerparlamentarischen Möglichkeiten einer Konsensfindung mit den Hochschulen auszuschöpfen.
Wir fordern, den Hochschulen, den Fakultäten und Vertretungen von Studierenden und Beschäftigten ausreichend Zeit und Raum für eine intensive Beschäftigung mit dem Hochschulreformvorhaben und dem entsprechenden Referentenentwurf sowie für die Abgabe einer fundierten Stellungnahme zu ermöglichen.
Die lange Zeit im Normenkontrollausschuss und die aufgezeigten Kritikpunkte sind Ergebnisse der komplexen Regelungsmaterie. Deswegen scheint uns die Begutachtung des Referentenentwurfs durch zwei unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen der Hochschulforschung dringend geboten. Den Abschluss sollte aus unserer Sicht ein Sächsischer Hochschulkonvent bilden. Hier soll unter Beteiligung der sächsischen Hochschulen und ihrer Mitgliedergruppen der Gesetzentwurf in einer öffentlichen Fachdebatte abschließend diskutiert und sollen Empfehlungen für eine moderne Hochschulreform verabschiedet werden.
Frau Ministerin, Sie haben einmal gesagt, dass Ihnen noch niemand erklären konnte, warum es gut sein soll, dass Gremien paritätisch besetzt sind. Wenn Sie heute auf den Platz geschaut haben, haben Sie die vielen tausend Menschen gesehen. Das sind die Menschen, die die Hochschule ausmachen, alle gemeinsam, und die auch nur gemeinsam Hochschulen demokratisch und offen gestalten können. Genau diese Menschen sind der Garant dafür. Wir sollten sie in unsere Diskussion einbeziehen. Ich bin sehr froh, dass die vielen tausend Menschen heute da waren und ihre Rechte eingefordert haben.
Sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Linksfraktion vorgeschlagene Weg, gemeinsam mit Studierenden und Beschäftigten das Hochschulgesetz weiterzuentwickeln, um Hochschulen offen und demokratisch zu gestalten, der einzig richtige Weg einer aufgeklärten Bürgergesellschaft sein kann.