Die Reihenfolge in der ersten Runde: Linksfraktion, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Linksfraktion, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Studien belegen, dass die Bildungschancen im Freistaat Sachsen ungleich verteilt sind. Schauen Sie sich die PISA-Studie noch einmal an. Auch im Freistaat Sachsen ist das der Fall, das betone ich bewusst.
In sogenannten sozialen Brennpunkten kommt es zu einer Häufung negativer Effekte für die Schülerinnen und Schüler. Diese Situation wirkt sich nachteilig auf das Niveau der erreichten Abschlüsse aus. Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss – diese gibt es im Freistaat Sachsen genügend – und Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss – auch diese haben wir im Freistaat Sachsen – haben in dieser Gesellschaft keine Chance.
In der Stadt Leipzig – das ist nur ein Beispiel – gibt es einen hohen Anteil an Kinderarmut. Zu diesem Thema werden wir morgen noch ausführlich sprechen. Jedes dritte Kind unter 15 Jahren lebt von Sozialgeld bzw. ALG II. Schon allein diese Zahlen sind erschreckend genug und diese Zahlen steigen weiter an. Hinzu kommt im Freistaat Sachsen die territoriale Konzentration von Kindern und Jugendlichen, die in sozialer Not leben.
In der Stadt Leipzig – ich habe dieses Beispiel bereits genannt und kenne mich dort sehr gut aus – haben wir inzwischen Stadtgebiete – das betrifft nicht nur die Stadt
Gerade in den Schulen, die in diesem Territorium liegen, ist es notwendig, den Schülerinnen und Schülern einen Umgang mit sozialer und kultureller Vielfalt zu ermöglichen. Nach unserer Auffassung bieten die Gemeinschaftsschulen viele Möglichkeiten und Potenziale für die positive Entwicklung von Schülerinnen und Schülern. Ich selbst habe an einer Schule im sozialen Brennpunkt gearbeitet. Daher weiß ich aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, gerade hier Veränderungen zu schaffen.
Wir haben das Thema der Gemeinschaftsschulen in diesem Landtag bereits sehr häufig besprochen. Sie sehen, es müssen Veränderungen her. Aber die Gemeinschaftsschulen, die wir bisher im Freistaat Sachsen haben, befinden sich nicht an sozialen Brennpunkten. Wir sind der Auffassung, dass gerade dort diese Gemeinschaftsschulen eingerichtet werden sollen. In einer Stadt – in ein und derselben Stadt! – gibt es eine Grundschule, an der 75 % der Schüler(innen) von der Grundschule nach der 4. Klasse aufs Gymnasium gehen. Wenige Kilometer weiter, Herr Colditz, haben wir eine Grundschule, an der nur ein einziges Kind von zwei 4. Klassen auf ein Gymnasium geht.
Das ist ein klares Signal, dass der Freistaat Sachsen handeln muss und sollte. Alle Potenzen, die wir haben, müssen ausgeschöpft werden. Ich kann es zumindest nicht anders sehen, Herr Flath. Sie wissen offensichtlich überhaupt nicht, wie eine Gemeinschaftsschule arbeitet;
denn sowohl Ihre Presseäußerungen als auch Ihre Stellungnahme zu diesem Antrag zeigen mir, dass Sie sich entweder nicht mit diesem Thema beschäftigen wollen oder total uninteressiert sind. Ich lade Sie daher noch einmal sehr herzlich ein, unsere gestern eröffnete Ausstellung zum längeren gemeinsamen Lernen anzuschauen.
Dort haben wir praktische Beispiele von Gemeinschaftsschulen, die bereits in Sachsen gegründet bzw. von Ihnen genehmigt wurden, dargestellt, und wir können sehr viele positive Ergebnisse benennen. Diese Vielfalt, die sich ergibt, möchten wir ganz besonders den Schülerinnen und Schülern in sozialen Brennpunkten zukommen lassen. Sicher werden Sie mir sagen – entweder Herr Colditz oder auch Sie, Herr Flath –: Kein Problem, die Schulträger können doch die Anträge stellen. Das ist doch gar keine Hürde, das können sie ja machen. – Ja, selbstverständlich können sie das machen; aber hier hat der Freistaat Sachsen eine Verantwortung. Der Bildungsbereich ist Ländersache.
Demzufolge liegt die Verantwortung ganz klar beim Land. Wir wollen Sie mit unserem Antrag auffordern, die Verantwortung im Bildungsbereich auf Länderebene wahrzunehmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Falken, Schulpolitik ist tatsächlich Ländersache. Gott sei Dank ist sie Ländersache, und Gott sei Dank trägt die CDU in diesem Land seit Langem die Verantwortung. Deshalb sind wir im Schulbereich so gut. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.
Meine Damen und Herren! Zum wiederholten Male – Frau Falken führte es gerade aus – initiieren die Antragsteller eine Debatte zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. Die Argumente hierzu sind ausgetauscht und der Weg ist klar definiert.
Daran werden aus unserer Sicht auch noch so viele Debatten nichts ändern. Neu ist lediglich der Aufhänger für den vorliegenden Antrag, wobei die Diskussionslage so neu auch wieder nicht ist. Sie wird von Behauptungen und Unterstellungen gespickt, die jeglicher realen Grund
lage entbehren, und ich empfehle Ihnen, Frau Falken: Lesen Sie den PISA-Bericht, darin werden Sie andere Antworten bekommen, als Sie sie hier zusammenkonstruiert haben.
Dieses Feindbild wird beharrlich bedient. Integrierende Systeme heben demgegenüber diese scheinbare und unterstellte soziale Ungleichbehandlung auf und tragen so scheinbar zur sozialen Befriedung im Land bei. – Das ist Ihre Sichtweise. Da macht es aus Sicht der Befürworter natürlich fast gar nichts aus, dass das Gesamtschulsystem in Deutschland kläglich gescheitert ist.
Diesem kleinen Makel, den man mittlerweile auch seitens der Linksfraktion akzeptieren muss, kann man natürlich problemlos mit einem neuen Etikett begegnen. Wir nennen das Ganze eben nicht mehr „Gesamtschule“, sondern „Gemeinschaftsschule“.
Das klingt freundlicher. Wer kann auch etwas gegen Gemeinschaft sagen? Die inhaltliche Konzeption sowie die tragende ideologische Grundposition bleiben die gleichen: Gleichheit für alle – weg mit differenzierten Leistungsanforderungen! Wer fragt denn in dieser Gesellschaft auch nach Leistung? Was nicht alle leisten können, darf keiner leisten. Das als sozial ausgewiesene längere gemeinsame Lernen bewirkt keine Leistungssteigerung, sondern Nivellierung auf niedrigem Niveau.
Bei dieser Diskreditierung schulischer Leistungsanforderungen muss am Schluss natürlich auch – nicht nur in den Neunzigerjahren, sondern auch heute noch – die Faschismuskeule herhalten. Differenzierte Leistungsanforderungen sind aus dieser Sichtweise etwas zutiefst Selektives, etwas Zynisches, etwas Menschenverachtendes. Auch diese Aussagen sind bereits von der linken Seite gekommen.
Ich lasse keine Zwischenfragen zu. Wir haben oft genug über dieses Thema gesprochen, Herr Porsch, und auf Ihre Anmerkungen kann ich verzichten.
Genauso demagogisch und verlogen, meine Damen und Herren, stellt sich die Debatte seitens einer ideologisch sehr einseitig vorgeprägten Schulpolitik und -pädagogik in der Auseinandersetzung mit dem differenzierten und leistungsorientierten Schulsystem dar. In Sachsen hat man noch das besondere Problem, dass sich das Schulsystem national und international bewährt hat.
Die Fakten der PISA-Studie und der PISA-E-Studie geben darüber deutlich Auskunft. Das passt ja nun gar nicht in die vorgefasste Meinung und Vorstellung von einer Egalisierung schulischer Strukturen und Ansprüche.
Meine Damen und Herren von links, lassen Sie es sich noch einmal gesagt sein: Mit Schule kann man keine Sozialpolitik machen. Mit der gemeinschaftlichen, leistungsindifferenten Beschulung von Kindern in sozialen Brennpunkten – wobei auch einmal etwas näher definiert sein sollte, was man darunter versteht, wie Sie es formulieren – wird dort keine Arbeitslosigkeit beseitigt und man führt auch Menschen nicht aus Hartz IV in Beschäftigung.
Das ist einfach eine Lüge gegenüber den Menschen, die Sie angeblich mit Ihren Vorstellungen erreichen wollen.