Protocol of the Session on March 16, 2007

Ich habe am Dienstag mit Lehrern der Grundschule Engelsdorf gesprochen und dort erfahren, dass 75 % der Viertklässler im kommenden Jahr aufs Gymnasium gehen. Engelsdorf hat keine Mittelschule mehr.

Herr Flath, auf der einen Seite Bedingungen zu ändern und auf der anderen Seite die Bedingungen nicht zu ändern halten wir für einen falschen Weg.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Schaffen Sie endlich klare und deutliche Bedingungen, damit das Schulnetz der Mittelschulen erhalten bleibt und einzügige Klassenstufen bzw. Mittelschulen im Freistaat Sachsen möglich sind!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Der Koalitionsvertrag hat dazu 2004 in Aussicht gestellt, eine Regelung zu treffen, die das Schulnetz insbesondere im dünn besiedelten Raum stabilisiert. Diese Verwaltungsvorschrift liegt nach meinem Kenntnisstand bis heute nicht vor.

Herr Dulig, auch Ihr Änderungsantrag zu unserem Antrag „Unverzügliche Aussetzung und Überprüfung der Mitwirkungsentzüge für Schulen“ vom Juni 2005 – denn wir beschäftigen uns ja jedes Jahr mit dem Thema – hat nicht dazu geführt, dass Schulschließungen und Mitwirkungsentzüge seit 2005 endlich ein Ende haben. Ich will Ihnen zugute halten, dass es weniger geworden sind; aber es hat nicht dazu geführt, dass die Bedingungen insgesamt besser geworden sind.

Die Schülerzahlen an den Grundschulen steigen seit dem Jahr 2002. An den Gymnasien steigen die Schülerzahlen in den 5. Klassen. Herr Staatsminister, Sie werden deshalb auch im kommenden Schuljahr Lehrer von den Mittelschulen an die Gymnasien versetzen müssen, um dort den Unterricht absichern zu können.

Lassen Sie einzügige Mittelschulen im Freistaat Sachsen zu! Aus pädagogischen Gesichtspunkten gibt es keine Bedenken. Schauen Sie sich die wenigen Beispiele an, die wir im Freistaat Sachsen haben, und Sie werden feststellen: Dort funktioniert das Schulleben sehr gut und es gibt hervorragende Bedingungen.

Außerdem möchte ich deutlich sagen, dass die Mittelschulen, die nach Ihren Überlegungen das Kernstück dieses Bildungssystems sind, in der unmittelbaren Zukunft nicht nur Ganztagsangebote brauchen, sondern zu Ganztagsschulen umgestaltet werden müssen, weil wir dort die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern in ganz hohem Maße benötigen. Man braucht

aber Platz und Zeit, um diese Forderungen wirklich durchzusetzen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir fordern Sie deshalb heute auf, entweder zu erklären, dass Sie wirklich keine Schulschließungen mehr vorhaben – das wäre wunderbar –, oder diesen Antrag anzunehmen und damit einzügige Mittelschulen zuzulassen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion hat das Wort. Herr Colditz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt keinen Anlass, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wer sagt das?)

Frau Kollegin Falken, Sie sollten sich vor allen Dingen erst einmal vergegenwärtigen, was eine Mittelschule überhaupt ist. Eine Mittelschule ist eine Schulart, die zwei Bildungsgänge, nämlich den Hauptschulbildungsgang und den Realschulbildungsgang, unter einem Dach vereint. Wenn Sie davon sprechen, dass es dafür keiner pädagogischen Konsequenzen bedarf, um dies auch organisatorisch vorhalten zu können, dann ist das schlichtweg eine falsche Darstellung. Selbstverständlich müssen auch organisatorische Rahmenbedingungen vorhanden sein, damit diese beiden Bildungsgänge in einer Schule vereinigt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kollegin Falken! Wenn Sie sich die Presselage anschauen, dann ist es zurzeit so, dass das sächsische Schulsystem deutschlandweit kopiert wird, weil es erfolgreich ist und weil man einsieht, dass es eine vernünftige Alternative sowohl zum Gesamtschulsystem als auch zum bisherigen konservativen dreigliedrigen Schulsystem darstellt. Wir sind nicht bereit, auch angesichts der demografischen Entwicklung – die Probleme sehen wir dabei genauso wie Sie –, eine bewährte Schulart derart infrage zu stellen, wie Sie dies hier wollen. Das ist nämlich Ihre eigentliche Absicht.

(Beifall bei der CDU)

Sagen Sie doch den Leuten ehrlich ins Gesicht, was Sie wirklich wollen. Ihnen geht es doch gar nicht darum, einzelne Schulstandorte zu retten. Ihnen geht es darum, die gegenwärtige Schulstruktur zu unterlaufen und infrage zu stellen. Das ist Ihr eigentlicher Ansatz.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dazu ist Ihnen jedes Mittel recht. Dazu starten Sie Aktionswochen und stellen solche unsinnigen Anträge.

Bitte schön, Frau Günther-Schmidt.

Bitte, Frau GüntherSchmidt.

Herr Colditz, verstehe ich Ihre Äußerung richtig, dass Sie mehrzügige Mittelschulen benötigen, weil Sie Ihr bildungspolitisches Konzept so ausgelegt haben, dass Sie mindestens eine Klasse abspalten und zum Hauptschulabschluss führen werden, das heißt, dass Sie mit einem so schlechten Unterricht einen so schlechten Abschluss anbieten wollen und deshalb auch die Mehrzügigkeit brauchen?

Frau Günther-Schmidt, was Sie hier fragen, hat mit einer sachlichen Diskussion nichts zu tun. Sie unterstellen – möglicherweise gestützt auf Erfahrungen, die Sie gesammelt haben –, dass eine Hauptschule von vornherein eine negative Schulart ist. Schauen Sie doch einmal nach Bayern, um zu sehen, wie erfolgreich sich dort die Hauptschule in den letzten Jahren entwickelt hat.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion.PDS)

Selbstverständlich ist es richtig, Frau Günther-Schmidt – das habe ich gerade dargestellt und kann es nur nachdrücklich bekräftigen –, dass die Mittelschule zwei Schularten unter einem Dach vereint und es demnach auch sinnvoll ist, mindestens zwei Züge zu haben, um an der Mittelschule einen Hauptschul- und einen Realschulbildungsgang vorzuhalten. Es geht aber nicht darum – wie Sie es jetzt darstellen –, Schüler zu selektieren oder zu benachteiligen und zu einem schlechten Abschluss zu führen, sondern darum, den unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen optimal gerecht zu werden. Das ist der Sinn der Mittelschule.

Sie versuchen das seit 16 Jahren zu leugnen. Das wird Ihnen aber auch in Zukunft nicht gelingen, weil wir einfach daran festhalten. Dieses System hat sich in Sachsen bewährt, und es wird anderswo kopiert.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch eine Frage.

Bitte schön.

Herr Colditz, Sie haben das Stichwort Bayern gebracht. Deshalb möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen das interne CSU-Papier bekannt, wonach es in Bayern, in der CSU, Bestrebungen gibt, die Hauptschule abzuschaffen, weil die Abschlüsse nicht mehr zeitgemäß sind und die Absolventen tatsächlich ins berufliche Abseits stellen?

Frau Günther-Schmidt, mir ist es bekannt, dass es in Bayern Überlegungen gibt, den Hauptschulbildungsgang in Anlehnung an das sächsische Schulsystem so zu organisieren, wie wir das in Sachsen tun. Ob der Hauptschulgang Erfolg hat, hängt letztendlich von der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Bildungsganges ab. Meines Erachtens sind wir dabei auf einem guten Weg, praktisch veranlagte Schüler im Hauptschulbildungsgang zu beschulen und ihnen einen Abschluss zu ermöglichen, der in der Wirtschaft anerkannt wird.

Selbstverständlich haben wir zurzeit eine gewisse Inflation, was Abschlüsse betrifft. Es ist für mich eine Notfallsituation, dass nach wie vor von der Wirtschaft Abschlüsse verlangt werden, die gewissermaßen dem Abitur gleichzustellen sind. Das ist natürlich eine unsinnige Entwicklung. Es ist davon auszugehen, wenn man es sachlich herunterbricht, dass ein Hauptschulbildungsgang durchaus zu einer Beschäftigung im Handwerk oder in der Wirtschaft führen kann. Dies war in der Vergangenheit auch der Fall. Ich denke, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung Schüler mit einem Hauptschulabschluss eine andere, neue Wertigkeit bei Bewerbungen bekommen werden, als es bisher der Fall war.

Danke schön.

Meine Damen und Herren! Ich hatte soeben gesagt, es sind gewisse Voraussetzungen notwendig, um die Mittelschule realisieren zu können. An fünf Punkten möchte ich begründen, warum das so notwendig ist und warum die Zweizügigkeit eine Voraussetzung für entsprechende qualitative Gegebenheiten darstellt.

Es ist erstens erforderlich, dass abschluss- und leistungsorientierte Differenzierung an den Mittelschulen stattfindet, die letztlich effizient und pädagogisch wirksam ausgebaut und gestaltet werden muss – und sei es durch die Bildung eigenständiger Klassen oder Gruppen.

Der zweite Aspekt ist, dass an Mittelschulen ein differenziertes Angebot im Wahlpflichtbereich notwendig und damit ein gewisses Profilangebot verbunden ist. Auch das ist ein Markenzeichen unserer Mittelschulen, das wir nicht leichtfertig infrage stellen können, das jedoch letztlich bei zu wenigen Schülern infrage gestellt ist.

Es besteht drittens die Notwendigkeit – auch das ist gesetzlich verankert –, dass die Abschlüsse, die an den Mittelschulen erworben werden können – sowohl der Hauptschulabschluss als auch der Realschulabschluss –, möglichst an jeder Schule erworben werden können. Wenn wir einzügige Mittelschulen dauerhaft und in der Fläche zulassen, haben wir das Problem, dass diese Abschlüsse nicht mehr zu realisieren sind.

Ein vierter Punkt. Sicherlich sind damit auch sächliche und personelle Voraussetzungen verbunden, die es effektiv zu nutzen gilt. Wenn wir davon ausgehen, dass es in Sachsen zukünftig zwei- oder einzügige Mittelschulen in der Fläche bzw. auf Dauer gibt, sind damit sächliche und

personelle Mehraufwendungen verbunden, die dann, bitte schön, ehrlicherweise im Rahmen der Haushaltsdiskussion und nicht im Rahmen eines solchen Antrages besprochen werden sollten.

Schließlich geht es darum – auch das war eine Intention, die von Ihnen zumindest mitgetragen worden ist –, dass außerschulische Angebote bereitgestellt werden sollen, zum Beispiel Ganztagsangebote. Auch dabei ist es sinnvoll und notwendig, dass eine entsprechende Schülerzahl vorhanden ist, um diese Angebote in einer gewissen Breite und Flexibilität anbieten und realisieren zu können.

Anhand dieser fünf Punkte sehen Sie, Frau Falken, es sind pädagogische Voraussetzungen oder zumindest pädagogische Aspekte, die die Mehrzügigkeit der Mittelschulen notwendig machen.

Sie haben die Bildungsempfehlungen am Gymnasium angesprochen, Frau Falken. Da werfe ich Ihnen einfach eine schizophrene Darstellung vor. Sie sind auf der einen Seite dafür, dass die Abiturientenquote in Sachsen weiter steigt. Ihre Vorstellungen – wenn ich es richtig in Erinnerung habe – liegen bei 70 %. Im gleichen Atemzug sagen Sie aber, dass das Kernstück in Sachsens Bildungslandschaft, nämlich die Mittelschule, möglichst erhalten bleiben soll. Also bitte schön, das ist natürlich nicht machbar. Wenn der Zulauf zum Gymnasium derartig einseitig erfolgt, ist das natürlich ein Problem. Das sehe ich genauso wie Sie. Die Mittelschule wird damit in ihrer Ausgestaltung geschwächt.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion.PDS)

Aber lassen Sie uns das bitte an der Stelle diskutieren, wo es hingehört, nämlich bei der Bildungsempfehlung fürs Gymnasium. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das, was zurzeit läuft, sowohl für die Gymnasien als auch für die Mittelschulen nicht gerade günstig ist.