Protocol of the Session on December 12, 2006

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Das Dritte. Wie reagiert der Haushalt auf das herangereifte Problem der zunehmend schwierigeren ambulanten medizinischen Versorgung? Frau Staatsministerin, ich bin regelrecht entzückt darüber,

(Staatsministerin Helma Orosz: Wie stellt sich denn das dar?)

dass Sie nach fünf Jahren – – Ich habe vor fünf Jahren – ich habe noch einmal nachgeschaut – sechs sehr konstruktive Vorschläge gemacht, wie man dem Ärztemangel in diesem Land zu Leibe rücken muss. Inzwischen geben Sie fast jede Woche eine Presseerklärung heraus, in der Sie, wenn auch sehr spät – aber ich bin sehr froh, dass Sie es überhaupt tun –, bestimmte Vorschläge, die ich damals schon gemacht habe, aufgreifen.

(Staatsministerin Helma Orosz: Ich kenne Ihre Vorschläge nicht!)

Das ist ja noch schlimmer, dass Sie meine Vorschläge nicht kennen.

(Staatsministerin Helma Orosz: Weil ich damals noch nicht hier war!)

Herr Geisler, Ihr Vorvorgänger, hat sich immer sehr intensiv mit meinen Vorschlägen befasst;

(Staatsministerin Helma Orosz: Ich war ja damals auch noch nicht im Amt!)

er hat sie nur nicht umgesetzt.

Was ich Ihnen allerdings vorwerfe, ist etwas völlig anderes. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie viel zu spät reagiert haben und dass Sie im Wesentlichen zu einseitig reagieren. Ich werfe Ihnen auch vor, dass Sie der Auffassung sind, dass all das, was Sie dort inzwischen durchaus zu Recht anmahnen, lediglich von den gesetzlich Krankenversicherten durch die Beiträge zu bezahlen ist. Das reicht nicht aus. Der Freistaat ist auch in der Verantwortung für gesundheitliche Daseinsvorsorge und muss das finanziell untersetzen. Dazu finden wir im Haushalt nichts. Auch deshalb unsere Änderungsanträge.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Das Vierte. Wie sieht es mit der Krankenhauslandschaft aus? – Da werden Sie mir bzw. denen, die den Haushalt nicht kennen, sagen: Wir legen kräftig zu, um 150 Millionen Euro allein im nächsten Jahr. – Aber jeder weiß natürlich, dass das lediglich eine Bringschuld aus den Vorjahren ist, weil die Krankenhäuser in Vorkasse gegangen sind.

(Staatsministerin Helma Orosz: Das stimmt nicht!)

Ich verkenne nicht, dass es insbesondere in der Krankenhauslandschaft im Freistaat Sachsen außerordentlich große Fortschritte gibt.

(Staatsministerin Helma Orosz: Na bitte!)

Sehen Sie! – Aber können wir dabei stehen bleiben?

(Staatsministerin Helma Orosz: Machen wir ja nicht!)

Eben doch! – Wie reagiert der Haushalt darauf? – Wir haben kein Konzept, kein Perspektivkonzept, was die Krankenhauslandschaft betrifft.

(Staatsministerin Helma Orosz: Stimmt doch gar nicht!)

Sie können es ja dann widerlegen. – Lediglich auf die Karte der Privatisierung zu setzen, wie es in Sachsen als Vorreiter gemeinsam mit Thüringen seit Jahr und Tag getan wird, das wird auch künftig auf unseren Widerstand treffen. Wir müssen uns zugleich überlegen, welchen Beitrag der Freistaat unmittelbar, beispielsweise zur Ersatzbeschaffung in den Krankenhäusern, leisten kann und leisten muss.

Fünftens. Wir müssen auch die Frage stellen, welches Verhältnis der Haushalt zur Daseinsvorsorge auf sozialem Gebiet zwischen Kommunen und Freistaat ausdrückt. Mein Fraktionsvorsitzender hat gestern bereits vieles dazu

gesagt. Ich will ihn in Folgendem ergänzen: Wir haben eine Situation, und die setzt sich mit diesem Haushalt fort, dass immer mehr Soziallasten auf die Kommunen übertragen werden. Das machen wir nicht mit und das wissen Sie auch. Anstatt die 600 Millionen Euro, die Sie zusätzlich plötzlich hatten, in stärkerem Maße auch zur Abfederung sozialer Lasten in den Kommunen einzusetzen, wird das insbesondere für die Beamten und deren Perspektive eingesetzt. Das halten wir nicht für zukunftsgerecht.

Es sei Ihnen nochmals deutlich gesagt: Ich habe große Sorge – offenbar geht es nicht ganz so schnell mit der Verwaltungs- und Funktionsreform –, dass erneut eine Situation entsteht, in der weitere Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt werden, und zwar unter der großen These der Selbstverwaltung der Kommunen.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Die Selbstverwaltung unterstütze ich. Aber ich warne heute davor – vielleicht greifen Sie den Vorschlag dann auch erst in fünf Jahren auf –, dass wir künftig bestimmte soziale Standards in den Kommunen nur noch nach der Kassenlage der jeweiligen Kommune haben. Dagegen werden wir uns wehren.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS)

Der vorliegende Einzelplan 08 setzt fort, was bisher war. Er enthält keinerlei Kreativität, keine neuen Ideen und ist auch nicht ausreichend auf das fixiert, was in Zukunft nötig ist, um den sozialen Ausgleich im Freistaat Sachsen zu gewährleisten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort. Frau Dr. Schwarz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Rundumschlag, Herr Kollege Pellmann, trifft, glaube ich, nicht die Realität dieses Haushaltes. Ich will auf ein Thema, das Sie angesprochen haben, eingehen, weil ich denke, dass es sehr wichtig ist: das Thema Armut. Das kann ein Landeshaushalt allein nicht lösen.

(Staatsministerin Helma Orosz: Genauso ist es!)

Es ist durch den Armuts- und Reichtumsbericht der letzten Bundesregierung erstmals deutlich auf den Tisch gelegt worden. Wir reagieren in gewisser Weise vorbeugend darauf.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Wie?)

Ich komme darauf noch zurück.

Im Bereich Kita haben die Koalitionsfraktionen deutliche Veränderungen gegenüber dem Entwurf vorgenommen. Sie sagten gestern, dass wir gegenüber der Staatsregierung unterwürfig seien. Ich glaube, gerade an diesem Haushalt können Sie sehen, dass die Koalitionsfraktionen durchaus nicht unterwürfig sind, sondern gemeinsam mit

den verantwortlichen Ministerien zu Veränderungen bereit sind.

Wir tragen den gestiegenen Ansprüchen an die frühkindliche Bildung Rechnung und führen fort – meine Kollegin sagte es schon –, was wir, im Koalitionsvertrag begründet, schon 2005 und 2006 fortgeführt haben und mit diesem Doppelhaushalt weiter fortführen. Wir wollen eine Qualitätsoffensive für unsere sächsischen Kitas, und zwar gerade wegen der Bedeutung der frühkindlichen Bildung.

Ich denke, Bildungschancen beugen Armut vor.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Wenn man sie nutzt!)

Das tun wir ja.

Mit unserem Bildungsplan, der auch von Ihnen beschlossen und gelobt wurde, sind wir deutschlandweit führend. Meine Kollegin Nicolaus hat dazu Details ausgeführt. Im gesamten Kindergartenbereich werden jetzt zur Umsetzung des Bildungsplanes mehr Ressourcen bereitgestellt.

Wir sind im Bereich der Sozialpolitik und insbesondere im Bereich der Kindertagesstätten durchaus nicht fantasielos. Wir haben uns nicht vom kostenlosen Besuch des letzten Kindergartenjahres verabschiedet. Wir konnten es aber in diesem Haushalt nicht durchsetzen, weil die Mehrheitsverhältnisse nicht so waren. Aber ich denke, dass Sie gestern die Signale des Ministerpräsidenten gehört haben. Für uns bleibt es nach wie vor ein realistisches Ziel.

Ich war gestern über den Ausspruch Ihres Fraktionsvorsitzenden erstaunt, dass unsere Qualitätsoffensive Qualität für Auserlesene sei. Sie wissen doch, dass es mitnichten so ist. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Wir stärken gerade die Arbeit im letzten Kindergartenjahr, weil wir damit, wie Sie wissen müssten, fast 100 % der Kinder und nicht nur Auserlesene erreichen. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass für ein Drittel der Kinder gerade aus sozial schwachen Familien keine Elternbeiträge bezahlt werden.

Ich möchte die konkreten Maßnahmen kurz anreißen. Zu den drei Stunden für die Erzieherinnen zur Umsetzung des Bildungsplanes im letzten Kindergartenjahr kommt jetzt noch eine Stunde hinzu. Grundschullehrerinnen können statt anderthalb Stunden drei Stunden gemeinsam mit den Erzieherinnen den Übergang zur Grundschule vorbereiten. Ich denke, das ist sehr wichtig.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir stärken die Weiterbildung und die Fachberatung. Wir wollen, dass alle Kinder im letzten Kita-Jahr ganztägig das Bildungsangebot wahrnehmen können. Sie wissen, dass wir keine Zugangskriterien wollen. Wir gehen mit der Entlastung der Kommunen – denn das Land übernimmt die Kosten für die fehlenden Stunden – einen wichtigen ersten Schritt.

Wir erwarten aber auch – und das habe ich hier schon oft gesagt –, dass die Kommunen, die Beschlüsse mit Aus

schlusskriterien für Kinder erwerbsloser Eltern gefasst haben, überprüfen, ob diese Beschlüsse noch zeitgemäß und nicht vielleicht sogar rechtswidrig sind. Das ist auch ein Appell an die Jugendhilfeausschüsse, insbesondere in den Landkreisen und kreisfreien Städten.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD)

Wir tragen der Tatsache Rechnung, dass in den größeren Städten Krippenplätze knapp sind. Wir haben deshalb die Mittel für Investitionen gerade in diesem Bereich aufgestockt, denn wir haben mit der neuen Regelung des Bundeselterngeldes sicher einen erhöhten Bedarf an Kinderkrippenplätzen zu erwarten. Damit werden die finanziellen Grundlagen für die Kommunen verbessert.