Protocol of the Session on July 20, 2006

Ressourcen im Haushalt von Land und Kommunen, und bei einer Steuerdeckungsquote von 50 % sind diese bei ihren Einnahmen zur anderen Hälfte auf Transferleistungen aus dem Westen angewiesen, die in den nächsten Jahren stark zurückgehen.

Geben wir nun in diesem Hohen Hause noch rund 15 Milliarden Euro – manchmal auch mehr – im Landeshaushalt aus, so wird dies bis 2020 deutlich weniger sein. Deshalb möchten wir die Neuverschuldung im nächsten Doppelhaushalt auf null zurückführen, um unsere politische Gestaltungsfähigkeit zu erhalten. Denn, meine Damen und Herren, Generationengerechtigkeit verlangt nicht einfach eine Beendigung der Verschuldung auf Kosten unserer Nachkommen. Dies tun wir. Wir müssen jedoch in Zukunft darüber nachdenken, wie wir den Schuldenberg abbauen und Schulden tilgen.

Leider können die Ausgaben nicht im selben Umfang gesenkt werden, wie die Bevölkerung abnimmt. Der Mantel unserer Infrastruktur ist, am Anfang der neunziger Jahre beginnend, bis in die jüngste Zeit hinein viel zu groß für den kleiner werdenden Körper der sächsischen Bevölkerung geschneidert worden.

(Beifall und Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Selbst wenn weniger Verbraucher weniger Wasser verbrauchen und weniger Abwasser einleiten, bleiben die laufenden Kosten für die Anlagen gleich und steigen pro Kopf im selben Umfang, wie der Verbrauch abnimmt. Manchmal wird es sogar noch teurer – durch Rückbaumaßnahmen, Durchspülen von Abwasserleitungen und Ähnliches. Wir müssen also – und das ist richtig und vernünftig – an manchen Stellen Infrastrukturen zurückbauen, und wir müssen leer stehenden Wohnraum abreißen. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Entwicklung der Siedlungsdichte brauchen wir differenzierte Lösungen und unterschiedliche Standards in Infrastruktur, Verwaltung und anderen Bereichen.

Wir werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Unterschieden in den verschiedenen Regionen leben müssen – nicht nur in der viel zitierten Daseinsvorsorge. Wir müssen Lebensqualität unterschiedlich definieren. Sie ist in einer Großstadt eben anders als im ländlichen Raum. Vernünftige Lösungen findet man am besten vor Ort – dezentral und subsidiär. Weil wir uns dieser Entwicklung stellen müssen und nicht nur lamentieren und Weltuntergangsstimmung verbreiten dürfen, steht in Sachsen eine umfassende Funktional- und Verwaltungsreform auf der Tagesordnung; Eigeninitiative von Kommunen und Privatpersonen ersetzt zentrales Handeln aus Dresden oder Berlin. Eine gleichwertige Versorgung mit öffentlichen Gütern wird nicht mehr überall möglich sein. Chancengleichheit muss auf neue und andere Weise hergestellt werden.

In der Enquete-Kommission definieren wir deshalb vier Modellregionen, in denen die Entwicklung ganz unterschiedlich verläuft: Die Lausitz und das Westerzgebirge

stehen für alternde Regionen mit stark zurückgehender Bevölkerung. Demgegenüber schwimmt die Wachstumsregion Dresden in den nächsten Jahrzehnten gleichsam in einem Umfeld – man muss es so sagen – von Schrumpfung und Alterung, und der Muldentalkreis wird uns als Beispiel für eine sich konsolidierende Region im Umfeld des Wachstumspols Leipzig dienen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Fragen Sie mal, wer wo wohnt! Sie wohnen im Raum Dresden und ich wohne im Muldentalkreis!)

Ja, das ist wahr, Herr Porsch, aber das Wichtigste ist: Wer Menschen in Sachsen halten will, muss Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Der starke Rückgang der Erwerbsfähigen führt zu einem zunehmenden Fachkräftemangel, wie wir ihn uns momentan noch gar nicht vorstellen können. Allerdings bleibt die strukturelle Arbeitslosigkeit der gering Qualifizierten auch in den nächsten Jahren hoch. Durch Abwanderung von Leistungseliten und die schon zitierte Entbürgerlichung wird das Humankapital an Fachkräften, an Existenzgründern und anderen im Osten besonders knapp. Gegenstrategien dazu sind die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Einbeziehung der Frauen in einen familienfreundlichen Arbeitsmarkt, das Hinausschieben des Renteneintrittsalters, das lebenslange Lernen und möglicherweise ein staatlich subventionierter Niedriglohnsektor und die gezielte Zuwanderung dringend benötigter Fachkräfte nach Sachsen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Die veränderte Altersstruktur verschiebt nicht nur die Nachfrage nach öffentlichen Gütern wie Kindergarten und Schule, Altersheimen und Krankenhäusern. Der Binnenmarkt verändert sich in der alternden Gesellschaft. Ihre Nachfragestruktur ist ganz anders als jetzt. Möglicherweise schrumpft unser Binnenmarkt sogar durch eine steigende Altersarmut. Die Anzahl der Patienten verringert sich trotz des Bevölkerungsrückgangs nicht. Der Anteil der alten Patienten wird dramatisch steigen und die Kosten und Strukturen im Gesundheitswesen und im Pflegebereich vollständig verändern. Gleichzeitig verändern sich die Rentnerbiografien in Ostdeutschland dramatisch.

Meine Damen und Herren! Prägte bisher die doppelte Rentnerbiografie mit mehr Rentenjahren als im Westen das gängige Bild, so treten jetzt die so genannten Wendeverlierer nach jahrelanger Arbeitslosigkeit in das Rentenalter ein. Deren Kinder sind möglicherweise zum Teil abgewandert. Mit weniger Alterseinkommen und mit weniger jungen Menschen müssen tragfähige und solidarische Strukturen entwickelt werden, die möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik in Sachsen stärkt exportorientierte Wachstumspole in Chemnitz, in Dresden und in Leipzig, die mit ihrer Vernetzung von Wissen

schaft, von Kultur und von Wirtschaft im Bereich des Fahrzeugbaus, der Mikroelektronik und der Biotechnologie bereits erste Bereiche eines selbsttragenden Aufschwungs geschaffen haben. Den brauchen wir in diesem Land!

Ob man es wahrhaben will oder nicht: Wir brauchen diesen selbsttragenden Aufschwung. Den müssen wir mit aller Kraft erreichen.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

Diese Wachstumspole müssen mit einer leistungsfähigen Infrastruktur in den peripheren ländlichen Regionen verbunden werden,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

die von Abwanderung betroffen sind. Neben den Regionen im Westen und im Südwesten Deutschlands, die von der Abwanderung aus Sachsen profitieren, erzielen vor allen Dingen Leipzig und Dresden Zuwanderungsgewinne. Man muss an dieser Stelle sagen, dass wir von diesen Wachstumspolen in Leipzig, in Dresden und in Chemnitz, diesen Ballungsräumen, dieselbe Bereitschaft zur Solidarität mit anderen Regionen des Freistaates erwarten, die der Osten Deutschlands seit dem Jahre 1990 aus dem Westen erfährt.

Genau wie im Westen Deutschlands profitieren Dresden und Leipzig von der Abwanderung hoch qualifizierter, leistungsbereiter junger Menschen aus den strukturschwachen Regionen. Damit ist übrigens nicht nur zwischen Ost und West jede Transferleistung, die wir dankbar entgegennehmen, teuer bezahlt.

(Karl Nolle, SPD: Zu welchem Thema sprechen Sie hier eigentlich? Sprechen Sie zum NPD-Antrag oder was? – Zuruf des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS)

Herr Kollege, hören Sie doch erst einmal zu, dabei können Sie etwas lernen!

(Zurufe von der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Diesem Ausbluten ganzer Regionen in Deutschland und in Europa müssen wir politisch entgegenwirken.

Meine Damen und Herren! Die Gesellschaft braucht über das Wirtschaftliche hinaus einen grundlegenden Einstellungswandel zu Kindern und zum Alter.

(Beifall bei der NPD)

Kinder sind das größte Geschenk und ein unverzichtbarer Wert für unsere Gesellschaft, nicht Kostenfaktor oder bloße Investition in Humankapital.

(Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion.PDS: Jetzt haben Sie endlich Ihren Beifall bekommen! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Kinder sollten aufwachsen verbunden mit der aktiven Generation ihrer Eltern, Großeltern und in Zukunft auch Urgroßeltern.

(Zurufe von der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Starre Altersgrenzen lösen sich zugunsten einer längeren Aktivität im Erwerbsleben auf. Natürlich brauchen wir eine funktionierende Bürgergesellschaft. Die Gestaltung der alternden Gesellschaft und ihre Stabilisierung sind nur möglich – dazu nehme ich ein Wort unseres Fraktionsvorsitzenden auf –, wenn es möglich wird, dass man über die eigene Lebensspanne hinausdenkt.

Wir haben uns in der Enquete-Kommission – in der die Fraktionen dieses Landtages übrigens sehr gut zusammenwirken – vorgenommen, dass wir für Sachsen Perspektiven einer demokratietauglichen, das heißt nachhaltigen Politik entwickeln.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Für die Linksfraktion.PDS spricht Frau Abg. Lay.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es an dieser Stelle schon einmal erwähnt: Der Sächsische Landtag hat die Enquete-Kommission zum demografischen Wandel genau aus dem Grunde eingerichtet, damit uns die Plattitüden der NPD-Fraktion erspart bleiben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist in höchstem Maße unseriös, was Sie machen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass einer der Abgeordneten der NPD-Fraktion in dieser Enquete-Kommission jemals ein Sterbenswörtchen zum Thema gesagt hätte.

(Holger Apfel, NPD: Wie bitte? Dann fragen Sie mal Herrn Eggert! – Jürgen Gansel, NPD: Die Protokolle lesen!)

Einzig Mitarbeiter Aae kämpft dort erfolglos für eine aktive Bevölkerungspolitik in Sachsen. Aber von den Abgeordneten kommt in dieser Enquete-Kommission nichts, gar nichts.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Holger Apfel, NPD: Sie lügen, lesen Sie die Protokolle!)

Hier spucken Sie große Töne.

(Zuruf von der NPD)

Entschuldigen Sie, Herr Rößler, aber auf dieser windigen Grundlage einer Großen Anfrage der NPD-Fraktion bin ich deshalb nicht bereit, sachlich zum Thema des demografischen Wandels zu sprechen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Dazu können Sie auch gar nichts sagen!)

Aber Sie können von mir erwarten, dass ich mich mit der Ideologie der NPD-Fraktion auseinander setzen werde – das werde ich auch tun.

Sie malen nämlich die Katastrophe an die Wand. Haben doch die Nazis einst den Vernichtungsfeldzug gen Osteuropa

(Widerspruch bei der NPD – Zuruf von der NPD: Was hat das damit zu tun?)