Protocol of the Session on June 26, 2009

Weiter führte Herr Bartl damals aus: „Die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der strikten Bindung von Exekutive und Justiz an Verfassung und Recht galten für die Handelnden nicht. Für sie galt: Über uns ist nur der Himmel.“

So weit Klaus Bartl am 5. Juni 2007.

(Zurufe der Abg. Karl Nolle, SPD, und Cornelia Falken, Linksfraktion)

Ich kann ja nachvollziehen, dass es schwerfällt, sich von dieser vorgefassten Meinung zu lösen. Allerdings muss man sich dann auch immer vor Augen führen, dass mit dem Skandal um den vermeintlichen Sachsensumpf das Ansehen des gesamten Freistaates Sachsen Schaden genommen hat. Von der Verletzung der Persönlichkeitsrechte Einzelner, die zu Unrecht mit erheblichen Vorwürfen strafrechtlich relevanten Verhaltens überzogen wurden, will ich dabei noch nicht mal sprechen. Sehr aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist der Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ über das, was mit Herrn Niemeyer, einem damaligen Richter am Landgericht Leipzig, passiert ist, nachdem die gesamten Vorwürfe in der Welt gewesen sind. Mein Kollege Prof. Schneider wird darauf noch einmal eingehen.

Meine Damen und Herren! Das Fieber des Frühsommers 2007 findet sich auch im Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses wieder. Auch wenn die Opposition der Staatsregierung und den Koalitionsfraktionen immer wieder Verzögerung vorgeworfen hat, will ich an dieser Stelle klipp und klar sagen, dass eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Einsetzungsbeschlusses dringend notwendig war. Immerhin hat der Verfassungsgerichtshof drei der acht Hauptanstriche des Einsetzungsbegehrens für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil des Verfassungsgerichts hat also bei beiden Seiten für Klarheit gesorgt.

Meine Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss sah sich auch einer anderen Problematik ausgesetzt: Wichtige Zeugen standen dem Ausschuss entweder gar nicht zur Verfügung oder haben nur selektiv ausgesagt. So

konnte der Ausschuss nicht den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Rainer Stock, vernehmen. Dieser kam mehrmaligen Ladungen aus gesundheitlichen Gründen nicht nach.

(Jürgen Gansel, NPD: Angeblich!)

Es wäre sehr wichtig gewesen, von ihm zu erfahren, inwieweit er tatsächlich über die Arbeit des OK-Referats informiert gewesen ist und ob er tatsächlich direkte Weisungen an die Referatsleiterin gegeben hat. Dies hat jedenfalls Frau Henneck immer wieder behauptet.

Frau Henneck ließ sich sehr umfangreich vor dem Ausschuss ein. Allerdings endete ihre Redseligkeit dort, wo es wirklich wichtig wurde. Als es darum ging, was sie mit dem Polizeibeamten Georg Wehling besprochen hat und vor allem, wann diese Gespräche stattgefunden haben, verweigerte sie die Aussage.

Ebenso war dies bei der Zeugin aus dem ehemaligen Kinderbordell „Jasmin“, die unter dem Pseudonym „Sarah“ vom Ausschuss vernommen wurde. Sie schilderte detailliert ihre damaligen Erlebnisse und stellte wiederholt die Behauptung auf, dass sie bei der Gerichtsverhandlung damals bekannte Gesichter der Freier wiedererkannt habe. Auf die konkrete Nachfrage aber, um wen es sich dabei gehandelt habe, berief auch sie sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

All das hat den Untersuchungsausschuss nicht vorangebracht. Im Gegenteil, dadurch blieben wieder Behauptungen im Raum, für die der Beweis nicht erbracht wurde. Eine Konstellation, die dem gesamten Untersuchungsgegenstand offenbar eigen ist und die die Legende vom Sachsensumpf erst entstehen lassen konnte.

Meine Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss hat sich vor allem darauf konzentriert, die Arbeitsweise des damaligen OK-Referats im Landesamt für Verfassungsschutz und die Aufsicht darüber zu untersuchen.

Von besonderem Interesse war dabei natürlich der Fallkomplex Abseits III rund um vermeintliche Vorgänge in und um Leipzig. Er hatte medial die größte Aufmerksamkeit erfahren und war am ehesten zum Skandal geeignet, weil hier ein kriminelles Zusammenspiel von Justiz, Politik und Immobilienwirtschaft konstruiert wurde. Schon ein Blick in die Akten machte deutlich, mit welcher Qualität von Ermittlungen wir es hier zu tun hatten. Es sind eben keine Akten von Strafverfolgungsbehörden, in denen Sachverhalte als ermittelt dargestellt sind.

(Stefan Brangs, SPD: Ist auch nie behauptet worden!)

Stattdessen handelt es sich meist um Gerüchte, Überlieferungen vom Hörensagen und andere unbewiesene Behauptungen. Es blieb nahezu alles im Eventualbereich. Redewendungen wie „Derjenige habe etwas getan“ oder „Ein anderer solle das oder jenes getan haben“ finden sich oft.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Teilweise waren die Mitarbeiter des OK-Referats nicht in der Lage, Namen richtig zu schreiben oder diese mit bekannten Namen abzugleichen. In vielen Fällen bestand noch nicht mal ein wie auch immer gearteter Hinweis auf begangene Straftaten. Es schien vieles nach dem Motto abzulaufen „Nichts Genaues weiß man nicht. Aber das schreiben wir erst mal auf.“

Die Faktenlage war gerade im Fallkomplex Abseits III äußert dürftig. Nicht umsonst wurden die Akten, obwohl die Bearbeitung schon im Sommer 2005 begann, nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Die Quellen- und Hinweisgeber hatten einfach keine konkreteren Angaben machen können, die auch nur in irgendeiner Weise belastbar waren. Umso spannender ist in diesem Zusammenhang das Auftauchen der Auskunftsperson „Gemag“. Spannend vor allem deshalb, weil an diesem Beispiel deutlich wird, welche Fehler im OK-Referat gemacht wurden und wie vergiftet die Akten dadurch sind.

Frau Henneck selbst hat sich am 24.05.2006, also nur sieben Tage vor Beendigung der Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz, mit „Gemag“ getroffen. Bei „Gemag“ handelt es sich zweifelsfrei um den Polizisten Georg Wehling. Wehling hat in dem Gespräch detailliert Angaben zu verschiedenen Sachverhalten gemacht. Welche es genau sind, wollte Herr Wehling dem Ausschuss nicht mitteilen. Aus dem entsprechenden Vermerk von Frau Henneck zu diesem Gespräch wird aber deutlich, was alles Gegenstand der Besprechung war. Es waren nahezu alle Themenkomplexe im Komplex Leipzig, die irgendwann einmal in den Akten aufgetaucht sind. Frau Henneck selbst wurde in diesem Gespräch als Beschaffer und gleichzeitig als nachträglicher Auswerter der Daten tätig. Eine Kontrolle der erlangten Informationen im Sinne des Vieraugenprinzips fand nicht statt. Das ist der erste Fehler.

Der Vermerk zum Gespräch mit Wehling findet sich wenige Monate später nahezu eins zu eins in Form eines Abgabedossiers von Frau Henneck an die Staatsanwaltschaft wieder. Es ist genau das Dossier, das knapp ein Jahr später den Medien zugespielt wird und die Legende vom Sachsensumpf entstehen lässt. Mit den Angaben von Wehling glaubte Frau Henneck nun, genügend Fakten gesammelt zu haben, um die bislang unsicheren Gerüchte bestätigen zu können. Sie verschweigt dabei die dienstliche Stellung Wehlings. Somit wird nicht deutlich, dass Wehling möglicherweise seine eigenen Erkenntnisse nochmals bestätigt hat. Das ist der zweite Fehler.

Wehling selbst hat sich von zahlreichen Aussagen aus dem damaligen Vermerk distanziert. Vor allem hat er der Angabe Hennecks widersprochen, dass er sich schon im April/Mai 2005 mit ihr zum selben Gesprächsgegenstand getroffen habe. So steht es aber in der Akte. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder sagt Wehling nicht die Wahrheit oder Frau Henneck hat etwas Falsches in die Akte geschrieben. Doch warum sollte sie im Vermerk ein Treffen von bereits einem Jahr zuvor aufführen, das davor

keinen Niederschlag in den Akten gefunden hat? Ein Grund ergäbe sich aus der bekannt gewordenen Weisung des damaligen Präsidenten Stock, dass im Bereich der OK nur noch Daten verarbeitet werden dürfen, die vor dem Urteil des Verfassungsgerichts vom Juli 2005 erhoben wurden. Frau Henneck brauchte also eine Legitimation, um die im Mai 2006, also fast ein Jahr später erhobenen Daten trotzdem in die Akte zu nehmen. Das wäre dann ein weiterer Fehler.

Meine Damen und Herren! Wenn die Opposition der Staatsregierung vorwirft, sie habe Wehling zum Hauptinformanten und Sündenbock aufgebaut, dann ist dieser Vorwurf falsch.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Nicht die Staatsregierung, sondern die Referatsleiterin Henneck hat die meisten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes Wehling zugeschrieben, warum auch immer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Beispiel zeigt, dass im ehemaligen OK-Referat des Landesamtes für Verfassungsschutz einiges schiefgelaufen ist.

(Karl Nolle, SPD: Wer hat die politische Verantwortung dafür?)

Der besondere Eifer der Referatsleiterin bei der Erhebung von Daten kurz vor Toresschluss ist dabei ein Aspekt. Allerdings war auch die interne Aufsicht im Verfassungsschutz nicht hinreichend gewährleistet. Der damalige Präsident war häufig krank, sein Vertreter als Abteilungsleiter stark gebunden. Auch der für die Aufsicht über das OK-Referat zuständige Abteilungsleiter war mit der Leitung seines eigenen Referates mehr als ausgelastet.

Wenn nun Frau Henneck angibt, dass sie viele Angelegenheiten direkt mit Präsident Stock besprochen habe, dann muss die Frage erlaubt sein, wie dieser trotz seiner Abwesenheitszeiten die Aufsicht über das Referat geführt haben will. Zweifel hieran sind erlaubt und leider konnten wir Präsident Stock nicht dazu befragen.

(Jürgen Gansel, NPD: Ja, ist wirklich schade!)

Ich habe mich beispielhaft am Fallkomplex Abseits III orientiert. Sicherlich hat es in anderen Fallkomplexen mehr Ergebnisse der Arbeit gegeben. Trotzdem bleibt kritisch zu hinterfragen, warum nur die wenigsten Mitarbeiter des OK-Referats über eine nachrichtendienstliche Ausbildung verfügen. Darüber hinaus ist es sicherlich nicht zielführend, dass Mitarbeiter, die die ausländische OK beobachten sollten, kein Wort der jeweiligen Sprache beherrschen. Fehler und Ungenauigkeiten sind da vorprogrammiert.

Meine Damen und Herren! Staatsminister Albrecht Buttolo hat richtig reagiert, indem er Umstrukturierungen innerhalb seines Hauses und Personalveränderungen im Landesamt für Verfassungsschutz vornahm. Der neu eingesetzt Präsident des Landesamtes Boos hat dann auch sehr zügig die der gesamten Geschichte zugrunde liegen

den Ungereimtheiten in der Aktenführung des OKReferats aufgedeckt.

Es ist darüber hinaus auch falsch, wenn der Eindruck erweckt wird, man hätte nicht zur Aufklärung beigetragen. Von der Staatsregierung wurden zwei Kommissionen mit der Aufklärung der Vorgänge eingesetzt,

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Ein Mitarbeiter!)

im Bereich des Landesamtes für Verfassungsschutz die Beyer/Irrgang-Kommission und im Bereich der Polizei und des LKA die Kommission von Weitemeier.

(Karl Nolle, SPD: Wie viel Zeugen haben sie gehört?)

Dieses entschlossene Handeln des Innenministers war richtig und notwendig; denn wir brauchen im Freistaat Sachsen einen effektiv und rechtsstaatlich einwandfrei arbeitenden Verfassungsschutz, gerade auch mit Blick auf die Bekämpfung des politischen Extremismus.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Caren Lay, Linksfraktion: Sie wissen auch, warum!)

Sehr geehrte Damen und Herren, trotz aller Versuche, die Skandalgeschichte vom Sachsensumpf aufrechtzuerhalten, ist es der Opposition nicht gelungen, noch Fleisch an die Knochen zu bekommen. Stattdessen wurden zunehmend Nebensächlichkeiten thematisiert und skandalisiert, sodass man sich schnell an die Worte des ExFußballprofis Rolf Rüssmann erinnert fühlt, der einmal den Satz prägte: „Wenn wir hier schon nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt“.

Das letzte Beispiel hierfür war der Versuch, aus der Weiterbeobachtung einiger Teilbereiche der Organisierten Kriminalität einen Vorwurf gegen den damaligen Innenminister Thomas de Maizière zu konstruieren. Dabei wurde gerade dieses Vorgehen von der Parlamentarischen Kontrollkommission gebilligt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sachsensumpf war und ist eine Legende. Von korruptiven und kriminellen Netzwerken in Justiz, Politik und Verwaltung kann keine Rede sein. Dafür sind aber im Landesamt für Verfassungsschutz einige Defizite zutage getreten. Diese taugen aber bei Weitem nicht für eine medienwirksame Skandalkampagne. Deshalb ist die Opposition auch nicht wirklich in der Lage, die Nichtexistenz des Sachsensumpfes erleichtert zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn ich den Abschlussbericht des Ausschusses und die Minderheitsvoten der anderen Fraktionen gegenüberstelle, wird sehr schnell deutlich, dass eine sachliche Aufarbeitung der Beweisthemen und der diesbezüglichen Aktenlage sowie der Zeugenaussagen nicht das wirkliche Anliegen der Opposition ist. Das spricht dann auch für sich.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die NPD bekommt das Wort. Herr Abg. Nolle, bitte.

(Gitta Schüßler, NPD: Ist der endlich gewechselt? – Jürgen Gansel, NPD: Nein, er gehört nicht zu uns! Oder steht ein Parteiwechsel bevor?)