Der Kompromiss, den Sie jetzt als zustimmungsfähig bezeichnen, enthält jedoch noch die große Mehrzahl jener Punkte, die auch von Fachleuten außerordentlich kritisch angesehen wird, zum Beispiel die Frage der Unbestimmtheit der Eingriffsvoraussetzung für das Bundeskriminal
amt. Was ist internationaler Terrorismus? Dieser Begriff ist in seiner Unschärfe, in seiner rechtsstaatlichen Unbestimmtheit kaum zu überbieten, aber er ist Grundlage für Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern, die an Eingriffstiefe, außer dem Freiheitsentzug, kaum zu überbieten sind.
Wer in solch fahrlässiger Weise die Voraussetzung für schwerste Eingriffe in Grundrechte formuliert, muss sich gefallen lassen, dass man ihm mangelndes Grundrechtsverständnis vorwirft.
Der Richtervorbehalt bei der Online-Durchsuchung nach § 20k wurde in den Entwurf hineingenommen, aber der Vorbehalt fehlt bei sämtlichen anderen Befugnissen, die das Bundeskriminalamt haben soll: Im § 20e zum Beispiel werden erkennungsdienstliche Maßnahmen dem Amt zugesprochen, als ob sich Terroristen zur Abnahme von Fingerabdrücken vorladen ließen. Wir haben in § 20g die Videoüberwachung, das Abhören, wir haben den Lauschangriff. Wir haben auch den Spähangriff in Wohnungen bei Gefahr im Verzug, auf Anordnung des Präsidenten des Bundeskriminalamtes. § 20i sieht die Rasterfahndung vor, § 20l g die Telefonüberwachung, § 20m die Telefonverkehrsdatenerfassung, und das alles bei Gefahr im Verzug ohne richterliche Mitwirkung.
Dieser Katalog geht so weiter. Im § 20 steht zum Schluss unter „x“ Gefahr im Verzug – lassen Sie mich das sagen: Gefahr im Verzug ist immer. Das zeigen die Begründungen von Durchsuchungsbeschlüssen im normalen Geschäft der Staatsanwaltschaft. Wer hier entscheiden soll, das ist nicht irgendein hoch spezialisierter Richter, sondern ein einfacher Ermittlungsrichter am Sitz des Bundeskriminalamtes. Das wird in der Regel möglicherweise sogar ein Proberichter beim Amtsgericht Wiesbaden sein. Wie der dann eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern bei solchen Maßnahmen beschützen soll, bleibt ein Rätsel, meine Damen und Herren.
Die Trennung der Aufgaben zwischen Nachrichtendiensten und Polizei ist völlig unzureichend. In Sachsen wird allerdings diese Trennung aus historischer Erfahrung in Artikel 83 Abs. 3 ausdrücklich mit Verfassungsrang versehen. Die Sächsische Verfassung verlangt zwingend die Trennung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Arbeit, und die Staatsregierung sollte sich eigentlich an die Vorgaben der Verfassung gebunden fühlen; aber, so scheint es, dies ist im Moment nicht der Fall.
Das Bundeskriminalamt hat erhebliche neue Befugnisse , und sie gehen eben über das hinaus, was Herr Bandmann gesagt hat: Es hätte nur die Befugnisse wie alle Polizeibehörden. Nein, das hat es nicht in dieser Massierung, in dieser Unbestimmtheit der Eingriffsvoraussetzungen gegeben. In dieser fehlenden parlamentarischen Kontrolle schafft das Bundeskriminalamt in der Tat eine völlig neue
Wenn hier davon gesprochen wird, der Staat brauche die notwendigen Instrumente zur Gefahrenabwehr, dann ist dem zuzustimmen. Allerdings, der Zweck heiligt nicht die Mittel und nicht alles, was für notwendig erachtet wird, lässt sich mit dem Grundgesetz vereinbaren. Als Liberaler muss ich eindeutig sagen, die rote Linie sind die Grundrechte und die Freiheitsrechte der Bürger. Da können Sie noch so viel mit Notwendigkeit im Kampf gegen den Terrorismus herumargumentieren. Es gibt eine rote Linie, Sie sind nur nicht bereit, sie zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bin nicht bereit, die Grundrechte der Bürger in Deutschland einzuschränken oder in Bereichen außer Kraft zu setzen, nur weil es Terrorcamps in Pakistan gibt.
Wenn Sie sagen, wir müssten uns bei der OnlineDurchsuchung nur mit den neuen Techniken anfreunden oder besser die Abhörmaßnahmen der neuen Technik anpassen, dann zeigt das, dass Sie von dem Wesen, von dem rechtlichen Gehalt, vom Inhalt der OnlineDurchsuchung nichts verstanden haben.
Es ist richtig, man kann beispielsweise über Skype online telefonieren. Kommunikation wird über Computer abgewickelt. Es ist auch so, dass wir bisher Kommunikation im Rahmen der Telefon- oder der Postüberwachung abfangen und mitlesen konnten, sofern die Voraussetzungen gegeben sind und ein Richter dies angeordnet hat. Aber es geht wohlgemerkt in diesen Fällen um Kommunikation, um ein nach außen gerichtetes Verhalten, bei dem der Absender weiß, dass er etwas versendet, von dem er will, dass es zu einem anderen gelangt, dass er eine Nachricht übermittelt. Das nennt man Kommunikation.
Aber mit der Online-Durchsuchung greifen Sie nicht nur in Kommunikation ein, sondern Sie gelangen auch an Daten, die der Betroffene nicht versenden will, die er ausdrücklich nur für sich angelegt hat, die er auch sonst niemandem offenbaren möchte, beispielsweise ein Liebesgedicht, unabgeschickt, einen Testamententwurf oder Kontobelege oder auch Tagebücher. Hier übernimmt der Computer nicht mehr die Funktion des Kommunikationsgerätes, des Telefonapparates oder des Briefes, sondern hier wird der Computer tatsächlich gleichsam zur Nachttischschublade. Es ist ein Unterschied, ob ich Kommunikation als nach außen gerichtetes Verhalten kontrolliere oder ob ich heimlich von Staats wegen anfange, dem Bürger unter seinem Kopfkissen oder im Nachttisch herumzufummeln.
Das ist dann der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, den jeder hat und der den Staat nichts angeht. Es fällt auch manchem schwer, das zu akzeptieren. Aber das ist das Wesen dieser Grundrechte.
Dieses BKA-Gesetz steht in unrühmlicher Reihe von Gesetzen der letzten acht Jahre, mit denen immer mehr Bürger möglicherweise auf einen immer größeren Teil ihrer Bewegungsfreiheit verzichten, ohne es zu merken. Das waren die Gesetze zur Terrorismusbekämpfung mit ihrer erheblichen Strafausweitung und prozessualen Maßnahmen. Das war das Luftsicherheitsgesetz, das vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Das ist die Telefonvorratsdatenspeicherung, die jeden betrifft, egal, wie nah oder wie weit er angeblich am internationalen Terrorismus oder sonst was ist. Die Daten von jedem von uns werden gespeichert. Das waren die Regelungen über den Lauschangriff, und ich könnte weiter fortfahren.
Meine Damen und Herren! Freiheit stirbt zentimeterweise. Das ist das Perfide daran, dass sie nicht auf einmal abgeschafft wird, sondern unter zahlreichen wohlfeilen Gründen und Vorwänden. Wegen des Terrorismus, – –
– des internationalen Terrorismus, der Organisierten Kriminalität wird sie immer wieder infrage gestellt und leise zurückgedrängt. Wer sich dagegen wehrt, der wird dann auch noch diffamiert, er würde am liebsten Terroristen Vorschub leisten.
Herr Kollege Martens, Sie haben auf das technische Know-how und die technischen Möglichkeiten hingewiesen. Das, was Sie als Sorge formuliert haben, ist ja im Kern durchaus berechtigt. Das ist überhaupt nicht strittig. Die Frage, über die wir allerdings zu entscheiden haben, ist, dass dieser technische Zugriff von Kriminellen ja bereits jetzt genutzt wird. Das heißt, das gleiche Instrument, das der Kriminelle nutzt, soll aber dem Staat unter bestimmter Normierung zur Gefahrenabwehr ausdrücklich verweigert werden.
Darin stimme ich Ihnen vollkommen zu. Meine Meinung ist unmissverständlich klar: Der Staat darf sich niemals auf eine Stufe mit den
Herr Bandmann, das haben Sie noch nicht verstanden, ich merke es gerade. Das ist das Wesen des Rechtsstaates. Das macht seine Stärke aus. Genau das ist es, was den Rechtsstaat gegenüber den Diktaturen so überlegen macht: dass er sich weigert, zur Verteidigung seiner Freiheit diese Freiheit aufzugeben, einzuschränken oder sich gar der Mittel seiner Feinde zu bedienen. Das ist das, was den Rechtsstaat ausmacht.
Wer so wie Sie argumentiert, zeigt, dass er dieses Wesen nicht verinnerlicht hat. Ich sage Ihnen: Wer so wie Sie argumentiert, wer den Rechtsstaat nicht anerkennt, der wird ihn auch nicht verteidigen und nicht schützen können. Das gilt auch für die Freiheit seiner Bürger.
Ich wiederhole jetzt noch einmal meine Frage: Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist dringend erforderlich, dass das Bundeskriminalamt die nötigen Befugnisse erhält, um internationalen Terrorismus zu bekämpfen
Ich stimme Ihnen zu, dass es eine Definition „Internationaler Terrorismus“ in dieser Form nicht gibt. Aber auch wenn es diese Definition nicht gibt, müssen wir uns über die Ergebnisse sehr wohl ein klares Bild machen, ob das in New York, in London oder in Madrid war, zum Glück eben noch nicht in Deutschland.
Lassen Sie mich noch einmal die aktuelle Lage darstellen. Der weltweit operierende islamistische Terrorismus hat sich in der Tat in den letzten Jahren zur großen Bedrohung für die innere Sicherheit entwickelt. Verbindet man die Orte, in denen seit dem 11. September 2001 Terroris