Protocol of the Session on July 11, 2008

Natürlich können wir auf EU-Ebene nicht völlig auf Normen verzichten. Manche sind zwar auf den ersten Blick seltsam, aber auf den zweiten Blick doch vernünftig. Manche sind aber auch zum Schmunzeln. Ein kleines Beispiel:

Als die europäische Norm für Kondome festgelegt wurde, wurde gesagt, dass das EU-Verhüterli 18 Liter Luft fassen und mindestens 16 Zentimeter lang sein muss. Es sollte 4,4 Zentimeter Durchmesser haben und seine Wandstärke 4,0 Millimeter nicht unterschreiten.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Dass sich daraufhin Italiener bzw. auch die Briten gegen diese Norm gewehrt haben, weil sie sich von dieser allzu sehr beengt gefühlt hätten, ist allerdings keine Fantasie.

(Heiterkeit bei der CDU)

In diesem Zusammenhang finde ich es auch beruhigend, dass der Staatssekretär Lindemann zur Kritik der EU, Deutschland blockiere den Bürokratieabbau im Bereich Obst und Gemüse, in seiner Pressemitteilung am 26. Juni 2008 geäußert hat: „Wir verteidigen schon gar nicht die Beibehaltung von Normen zur Gurkenkrümmung.“

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine erholsame Sommerpause.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Danke schön, Frau Kollegin Deicke. – Die NPD-Fraktion, Herr Despang, bitte.

(Karl Nolle, SPD: Die deutsche Gurke!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der GRÜNEN, der sich mit Handelsklassen und Qualitätsnormen auseinandersetzt, besteht aus einer undurchsichtigen Gemengelage von Forderungen. Im Wesentlichen spricht sich die Fraktion GRÜNE darin für die komplette Abschaffung der deutschen Handelsklassen im Agrarbereich und für eine Streichung eines Großteils der Qualitätsnormen in der EU aus. Begründet werden diese Forderungen mit dem auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbaren Argument, man könne Lebensmittel, also Naturprodukte, nicht in Handelsklassen zwingen. Stattdessen soll der Verbraucher entscheiden, welches Obst und welches Gemüse er kauft.

Wenn man wie die GRÜNEN die Qualitätsnormierung der Handelsklassen nur rein auf den Verbraucherfokus reduziert, dann werden wesentliche Vorteile der Einteilung in Handelsklassen und Qualitätsnormen ausgeblendet.

Handelsklassen, beispielsweise bei Obst und Gemüse, wurden schließlich nicht als bloße Laune von Politikern oder als Arbeitsbeschaffung für die Verwaltung eingeführt, sie bieten natürlich auch Vorteile, insbesondere für den Handel. Das kritisieren die GRÜNEN, obwohl diese Vorteile für den Handel aber letztlich auch dem Verbraucher zugute kommen würden.

Wenn ein Gemüsehändler heute bei einem Produzenten Spargel der Güteklasse I bestellt, dann kann er sich auch darauf verlassen, welche Ware er geliefert bekommt. Er kann telefonisch bestellen und die Ware steht am nächsten Morgen abgepackt auf seinem Hof. Wenn es keine Klasseneinteilung gäbe, müsste der Händler zwangsläufig die Ware vorher besichtigen, um zu erfahren, welche Qualität er für sein Geld bekommt. Letztlich müsste er dann in seinem Auto zum Produzenten fahren. Die Folge wäre dann ein höherer Aufwand mit höheren Kosten und vor allem ein Zeitverzug. Die Waren wären dann eben nicht frisch am nächsten Morgen beim Verbraucher.

Ein Ergebnis der Forderung der GRÜNEN ist letztlich, dass der Verbraucher mehr Geld für wenig frischere Ware bezahlen müsste. Das kann aber nicht Ziel einer vernünftigen Politik sein.

Dem Argument, die Wahlfreiheit der Verbraucher wäre durch die Klasseneinteilung erheblich eingeschränkt, kann unsere Fraktion auch nicht ganz folgen. Der Verbraucher hat sehr wohl jetzt schon die Möglichkeit, Produkte der Klasse II zu kaufen, die in ihrer Qualität bei Lebensmitteln bessere Waren hat als die Klasse I. Entscheiden kann er aber jetzt schon selbst. Fraglich bleibt, ob er das auch immer kann, denn manchmal sind Qualitätsunterschiede äußerlich nicht erkennbar.

Die Vertreter der GRÜNEN können gern einmal testen, ob sie beispielsweise den Verholzungsgrad von Spargel von außen immer erkennen.

Die beantragte Abschaffung der deutschen Handelsklassen, die zu unserem Leidwesen bereits zu Beginn des letzten Jahres weggefallen sind, wird von der NPDFraktion natürlich abgelehnt. Diese deutschen Handelsklassen galten nur für deutsche Produkte und waren damit ein Alleinstellungsmerkmal für einheimische Produkte. Dieses Alleinstellungsmerkmal wurde zugunsten der Globalisierung geopfert und der grenzenlose Handel mit Lebensmitteln über den ganzen Erdball weiter gefördert. Dies kann doch eigentlich auch nicht im Sinne der GRÜNEN sein.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir von der NPDFraktion wenigstens die verbindliche Kennzeichnung des Ursprungslandes. Damit wird dem Verbraucher ermöglicht, die Herkunft seiner Lebensmittel zu erkennen. Er kann dann entscheiden, ob er Äpfel aus Sachsen oder aus Neuseeland kaufen will.

Aus einem ähnlichen Grund lehnen wir auch den geforderten Verzicht auf die Normen ab, die bei einigen Produkten den Marktzugang beschränken. Für uns als deutsche Politiker ist es eine unserer ureigensten Pflichten, dass wir die Märkte für einheimische Produkte schützen. Dass dies nicht für Südfrüchte gelten kann, dürfte da jedem klar sein. Meine Fraktion hat aber kein Problem damit, den Zugang zum deutschen Markt für Agrarprodukte zu beschränken, die auch in unserer Heimat angebaut werden können.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung. Auch für meine Fraktion ist es fraglich, ob der maximale Krümmungsgrad einer Gurke per Verordnung auf 10 Millimeter genau festgelegt werden soll.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Die deutsche Gurke steht stramm!)

Das rechtfertigt aber nicht, die Normierung einfach kurzerhand zu streichen. Eine angemessene Normierung ist aus unserer Sicht auch für Agrarprodukte sinnvoll. Den vorliegenden Antrag lehnt meine Fraktion natürlich ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke schön. – Zum Abschluss der Debatte Herr Günther, FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sagen Sie mir nach dem vorherigen Redebeitrag, ob es auch hohle Gurken gibt.

Liebe Freunde! Fragt man heute einen Mann oder eine Frau auf der Straße, was er/sie in erster Linie mit der EU verbindet, so sind dies nicht die großartigen Erfolge, wie Frieden, Freiheit und Wohlstand, sondern Fehlentwicklungen, wie mangelnde Transparenz und Bürokratie. Das irische Nein zum EU-Vertrag geht sicher auch auf diese Haltung zurück, obwohl der neue Vertrag ein guter Vertrag ist und die Institutionen und Entscheidungsprozesse

transparenter macht. Konkrete Beispiele über zu viele Regelungen gibt es zur Genüge, seien es komplizierte Vorgaben zur Beantragung von Fördermitteln, umfangreiche statistische Anforderungen auch für kleine und mittlere Unternehmen oder Ähnliches mehr.

Die EU wird als bürokratisches Monstrum empfunden mit undurchschaubaren Strukturen und Verfahren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Und leicht gekrümmt!)

Diese Wahrnehmung prägt nun für viele Menschen das Bild der EU insgesamt. Dass dies keine Übertreibungen sind, zeigt eine aktuelle Umfrage in Deutschland.

Auf die Frage: Wenn Sie morgen in der Zeitung lesen würden, die Europäische Kommission wird abgeschafft; würden Sie das begrüßen, bedauern oder wäre es Ihnen egal?

(Zuruf von der NPD: Begrüßen!)

Im Mai 2008 antworteten 12 %, sie würden es begrüßen; 43 % meinten, sie würden es bedauern, und 45 % sagten, das wäre ihnen egal. Oder sie äußerten sich unentschieden.

Das ist bezeichnend. Die Klage über die überbordende Bürokratie in Europa ist dabei zum festen Bestandteil des Meinungsbildes geworden. Wir müssen darüber hinaus auch noch die nationalen Regierungen beim EUBürokratieabbau einbeziehen. Denn oft sind es die Mitgliedsstaaten, die den Umweg über Brüssel nehmen, um Regelungen, die sie innenpolitisch nicht durchsetzen können, doch noch einzuführen. Ich denke zum Beispiel an das Rauchverbot.

Oder die Mitgliedsstaaten setzen zur Vereinheitlichung von Qualitätsstandards europäische Vorgaben durch. Ein klassisches Beispiel ist die Festlegung – wie heute schon oft gesagt – des Krümmungsgrades der Gurken. Damit sind wir beim vorliegenden Antrag.

In der Marktordnung für Gemüse und Obst sind Mindestgewicht und Mindestgröße und im Fall der Gurke auch die maximale Krümmung festgelegt. Wir sprachen schon darüber. Die Verordnung 1677/88 besagt: Leicht gebogene Gurken können eine maximale Krümmung von 20 Millimetern auf 10 Zentimetern Länge der Gurke aufweisen.

Dies wird schon lange als Beispiel – auch hier – für zügellose europäische Bürokratie angeführt. In einem bekannten Popsong heißt es sozialkritisch dazu: „Zwanzig Zentimeter, nie im Leben, kleiner Peter.“

Die Bürger wollen diese Entwicklung nicht länger hinnehmen und so sollten wir dieses auch beschließen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Bürokratieabbau dazu beitragen kann, die notwendige Akzeptanz der EU in der Bevölkerung zu verbessern; denn der überbordende Bürokratismus untergräbt auf Dauer das Fundament der europäischen Einigung. Wenn dieser Akzeptanzverlust von den politischen Entscheidungsträgern nicht ernst

genommen wird, wird die Beteiligung an den Europawahlen 2009 noch weiter in den Keller gehen; und die Gurken sind schuld.

Nun schlägt EU-Agrarkommissarin Fischer-Boel im Zuge von Vereinfachungsbemühungen die Abschaffung dieser Vorschriften vor. Und siehe da: Zahlreiche Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland, fordern nun im Namen des Verbraucherschutzes und einheitlicher Standards für die Händler die Beibehaltung dieser Norm.

Ich nenne einmal ein Beispiel, das zeigt, dass Bürokratieabbau in Europa und in den Mitgliedsstaaten nur gelingen kann, wenn ihm grundsätzlich Vorrang vor einzelnen Fachinteressen eingeräumt wird.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Damit zu Punkt 2: Abschaffung der deutschen Handelsnormen. Die Handelsklassen spiegeln nur die unterschiedlichen Größen wider. Aber die Unterteilung in 1 und 2 suggeriert dem Verbraucher – und das ist aus Verbraucherschutzsicht ärgerlich – einen Qualitätsunterschied, den es praktisch nicht gibt. Denn grundsätzlich kann Ware der Handelsklasse 2 höherwertiger sein als die der Handelsklasse 1. Das ist ein Eingriff in den Markt, den wir nicht wollen. So zielt der vorliegende Antrag in die richtige Richtung.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Dass er von den GRÜNEN kommt, ist nur konsequent.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Denn die lieben Kollegen der GRÜNEN werden manchmal liebevoll bei uns „unsere grüne Gurkentruppe“ genannt.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Was war das denn?!)

Wie Sie es mit den Krümmungen insgesamt halten, weiß ich nicht. Aber zumindest weiß ich, dass der Kollege Lichdi meine Redebeiträge manchmal „krumm“ nimmt. Um diesem Missstand abzuhelfen, werden wir aber Ihrem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.