Seit knapp drei Jahren haben wir einen Finanzminister in diesem Land, der sagt, dass die feuchten Keller der Kommunen nicht seine Zuständigkeit wären. Das ist der Unterschied!
Wo die Union regiert, geht es den Kommunen besser. Und wo Sie regieren, zeigen Sie nur mit dem Finger auf andere. Über was reden wir eigentlich? Ich finde es ja ganz spannend, Sie haben gerade von einem Gesetzentwurf gesprochen. Blöd ist nur, es gibt keinen. Über was reden wir eigentlich? Wir reden über die Ankündigung des Bundeskanzlers, dass er bereit ist, etwas in Sachen Altschulden für die Kommunen zu tun. Wenn wir jeden Satz, den Herr Scholz vom Teleprompter abliest, zum Anlass für eine Aktuelle Stunde nehmen würden, dann müssten wir hier permanent tagen. Das ist doch selbst in Wahlkampfzeiten unseriös. Das ist doch nicht Ihr Ernst, wenn es um eine existenzielle Frage für das Land geht!
Das Zweite, was ich Sie fragen will: Wo waren Sie eigentlich in den vergangenen drei Jahren? Im Übrigen ist das sogar ein Verdienst eines Mitglieds der Landesregierung von heute. Der heutige Finanzstaatssekretär, der geschätzte Kollege Förster, hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein Gutachten vorgelegt und einen Weg aufgezeigt, wie eine einfachgesetzliche Lösung möglich wäre, um den Kommunen zu helfen. Eine einfachgesetzliche Mehrheit hatten Sie. Hier sitzt die stellvertretende Bundesvorsitzende der größten Regierungsfraktion; im Parlament stellen Sie die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin. Sie klopfen sich regelmäßig auf die Schultern, wie groß doch der Einfluss der Saar-SPD ist. Wo ist denn der Beweis dafür, was Sie für die Kommunen gemacht haben?
Ich kann Ihnen sagen, welche Erfahrungen die Kommunen im Saarland mit der roten Ampel gemacht haben. Ich kann Ihnen sagen, was die Bürgermeister von Ihnen denken, im Übrigen nicht nur unsere. Die Ergebnisse der roten Ampel für die Kommunen im Saarland ist die Mehrbelastung durch überbordende Bürokratie, alleingelassen im Umgang mit den Flüchtlingen und bei der Hochwasserhilfe. Versprochen und gebrochen. Sie sind unglaubwürdig. Das ist unseriös. Das haben die Kommunen im Saarland nicht verdient. Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wer im Schaufenster sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Theis. - Ich erteile nun für die SPD-Landtagsfraktion das Wort Frau Abgeordneter Kira Braun.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute Morgen gehört. Die Lage in den saarländischen Kommunen ist prekär. 6.100 Euro sagt das Statistische Bundesamt für die Pro-KopfVerschuldung. Im Saarland sind das 2.000 Euro mehr als im Bund. Das muss man sich einmal vor Augen halten. Als Saarbrückerin möchte ich ganz besonders auf die Lage in der Landeshauptstadt eingehen. 1,1 Milliarden Euro Schul den, davon 360 Millionen Euro nur für Kassen kredite. Damit sind wir in Saarbrücken eine der höchstverschuldeten Kommunen überhaupt.
Ich möchte anhand der Zinslast ganz deutlich machen, was das bedeutet. Im Jahr 2025, im nächsten Jahr, werden wir 7,4 Millionen Euro nur für Zinsen der Kassenkredite bezahlen. Und im Jahr 2028 sind es dann schon 55 Prozent mehr, nämlich 11,5 Millionen Euro. Ja, das sind große Zahlen, mit denen man vielleicht nichts anfangen kann. Deswegen als Beispiel: Wir werden 2028 ganz konkret dreimal so viele Zinsen bezahlen, wie wir heute in Saarbrücken für unsere Gemeinwesenarbeit ausgeben, die Gemeinwesenarbeit, die der Kitt in dieser Gesellschaft ist, die eine Anlaufstelle ist für Menschen, die vielleicht am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig haben, die sich keine warme Mahlzeit mehr leisten können. Das ist doch ein Ungleichgewicht!
Die Schuldenlast schränkt die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen ein. An jeder Ecke und an jedem Ende fehlen die Mittel, ob es um die Renovierung von Straßen geht, ob um die Sanierung der Schule oder um die Unterstützung der Kitas vor Ort. Den Vorstoß von Scholz, der jetzt seinen Finanzminister beauftragt hat, endlich einen Gesetzentwurf vorzulegen, nachdem Christian Lindner drei Jahre alle Vorhaben blockiert hat, innerhalb von wenigen Wochen diesen wichtigen Auftrag zu erteilen, mögen Sie, liebe Herrschaften der CDU, vielleicht nicht anerkennen, die Kommunen tun es aber und sie sind dankbar dafür.
Was ist die Auswirkung einer solchen Altschuldenlösung für uns im Saarland? Sie haben eben den Saarlandpakt angesprochen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ich erinnere mich, dass zwei Vorschläge für den Saarlandpakt auf dem Tisch gelegen haben. Sie haben darauf
hingewiesen, wie schön die CDU-geführte Regierung das vorangetrieben hat. Wenn ich mich erinnere, gab es einen CDU-Vorschlag, der den Kommunen nicht so wirklich geholfen hätte, und einen SPD-Vorschlag, der tatsächlich hilfreich war und der es am Ende auch geworden ist. Also da vielleicht einmal eine Nummer kleiner!
Was bedeutet die Altschuldenlösung für Saarbrücken? Das möchte ich deutlich machen. 370 Millionen Euro hat das Land übernommen. 370 Millionen Euro würde der Bund überneh men. Und damit wären mit einem Schlag drei Viertel der Schulden der Landeshauptstadt weg. Stellen Sie sich vor, welche Möglichkeiten dadurch eröffnet werden würden!
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich spreche Sie ganz konkret darauf an. Sie sagen, es sei Wahlkampfgetöse der SPD. Wie nennen Sie das denn, wenn der Oberbürgermeister Conradt in der gestrigen Sitzung des Stadtrats ankündigt, dass er sich unbedingt für eine Altschuldenlösung einsetzt, dass er nach Berlin fahren will, um mit Kanzler Scholz über die Dringlichkeit zu beraten? Ist das dann auch Wahlkampfgetöse? Sprechen Sie noch mit Ihren Rathauschefs?
Ein Wahlkampfmanöver ist ein Wahlkampfmanöver, wenn man nur im Wahlkampf darüber spricht. Die SPD wirbt seit drei Jahren bei der CDU für eine gemeinsame Lösung. Wir werben dafür, dass sie endlich den Weg dafür frei machen, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse bekommen.
Das ist auch ein Auftrag aus unserer Verfassung. Ich rufe Artikel 72 ins Gedächtnis. Ja, es macht einen Unterschied, ob man in Bayern oder in Baden-Württemberg lebt oder ob man hier in Saarbrücken lebt, wo man vielleicht nicht mehr eigene Gelder hat, um diese Städte zu entsiegeln, um die Städte zu begrünen, um in unseren Klimaschutz zu investieren. Ohne passendes Förderprogramm ist die Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt. Das ist keine Generationengerechtigkeit, das ist kein nachhaltiges Wirtschaften und das ist nicht das, was wir unseren nachfolgenden Generationen hinterlassen sollten. Schuldenberge sind Schuldenberge; die müssen aufgelöst werden. Aber wenn wir Klimaschulden hinterlassen, dann ist das eine schwere Hypothek für unsere Kinder. Und da müssen wir endlich ran!
Machen Sie den Weg frei. Machen Sie den Weg dafür frei, dass wir dieses Zeitfenster nutzen, bis zur Bundestagswahl eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat zu bekommen. Ihr Kanzlerkandidat Merz muss sich endlich bewegen. Und Sie setzen sich bitte dafür ein! Nicht immer nur Anke Rehlinger in die Verpflichtung nehmen und sagen, sie würde sich nicht bei Scholz durchsetzen können oder sonstige Ansprachen, wenn Sie es nicht einmal schaffen, Ihre eigene Partei zu überzeugen. Deswegen bitte ich Sie: Machen Sie den Weg frei!
Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Braun. Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. - Ich erteile nun für die Regierung das Wort dem Minister für Inneres, Bauen und Sport, Herrn Reinhold Jost.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zentrale Säule unserer Demokratie, und das wird von niemandem bestritten, sind funktionierende Städte, Gemeinden und Kreise. Kommunen sind die staatliche Ebene, die die Menschen in ihrem Alltag am unmittelbarsten erleben durch Entscheidungen über Kindergärten, über Schulen, über Bibliotheken, Parkanlagen, Spielplätze, Straßen und andere Infrastruktur. Sie haben einen direkten Einfluss auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Daher gilt es, mit allen Kräften die Funktionsfähigkeit und Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene bestmöglich zu stärken. Ich denke, dagegen gibt es keinen Widerspruch, auch nicht in diesem Parlament, auch nicht in dieser Debatte.
Die kommunale Handlungsfähigkeit ist stark abhängig von der finanziellen Handlungsfähigkeit und die große Last der kommunalen Altschulden schränkt diese oftmals ein. Zur Lösung des Altschuldenproblems auf kommunaler Ebene ist ein gesamtstaatliches Herangehen notwendig und deswegen ist es an dieser Stelle wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir mit dieser gesamtstaatlichen Aufgabe auch ein gesamtstaatliches Problem haben. Zu glauben, immer nur auf andere verweisen zu können, ist dabei genauso falsch wie zu glauben, dass man selbst keinen eigenen Einfluss auf dieses Geschehen hat.
Es war daher richtig und wichtig, mit dem Saarlandpakt den ersten großen Schritt hin zur kommunalen Entschuldung zu gehen. Hierbei ist das Saarland an die Grenzen des Machbaren und darüber hinaus gegangen. Ich stelle das für alle fest: Wir als Land haben unsere Hausaufgaben gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die kommunalen Liquiditätskredite hatten im Saarland mit rund 2 Milliarden Euro eine mehr als kritische Höhe erreicht. Deshalb hatte 2020 die damalige Landesregierung von den saarländischen Gemeinden insgesamt Liquiditätskredite in Höhe von 1 Milliarde Euro übernommen - ein Weg, der damals heftig umstritten und mit Blick auf Erwartungshaltungen versehen war, bei dem es auch um den richtigen Ansatz ging. Ich bin der festen Überzeugung, es war richtig, da eher mehr als weniger zu überlegen, eher mehr als weniger in der damaligen Landesregierung über den richtigen Weg zu streiten, weil das, was wir dabei erreicht haben, am Ende den Kommunen in diesem ersten, aber wichtigen Schritt tatsächlich die Lösung aufgezeigt hat, die wir für richtig erachtet haben und die Perspektiven aufgezeigt hat.
Es war auch richtig, parallel dazu die Kommunen bei der Einhaltung des Saarlandpaktes, also auch bei der Rückführung der verbleibenden Schulden, mit 20 Millionen Euro jährlich durch Investitionszuweisungen zu unterstützen.
Nunmehr geht es aber an den zweiten Schritt, die Übernahme der zweiten Hälfte der Altschulden durch den Bund. Die Ampelparteien haben sich damals im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Bundesländern bei der Schuldenproblematik zu helfen, denn das betrifft in erster Linie nicht nur das Saarland, sondern auch Länder wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen. Wir alle, und damit meine ich alle demokratischen Kräfte auch in diesem Hause, müssen gemeinsam für diese Lösung, für die Übernahme der verbleibenden Altschulden durch den Bund, kämpfen. Wer das aus dem Blick verliert, der gibt auch die Kommunen auf.
Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Scholz und Bundesfinanzminister Kukies stellen eine zeitnahe Lösung in Aussicht. Sie wird zurzeit erarbeitet und wir müssen alle unseren Einfluss in den jeweiligen politischen Gremien, ganz gleich auf welcher Ebene und in welcher demokratischen Partei, nutzen, um unseren Kommunen eine finanzielle Handlungsfähigkeit zu sichern. Dass das nicht irgendetwas ist, sondern ein wirklich maßvoller Beitrag, der am Ende den Städten und Gemeinden die Luft zum Atmen gibt, die sie brauchen, sieht man daran, dass damit direkt und indirekt in einer Größenordnung von 30 bis 50 Millionen Euro den Städten und Gemeinden im Land zusätzlicher Spielraum gegeben wird. Rund 250 Euro pro Kopf ist die Investitionssumme, die in den saarländischen Städten und Gemeinden zur Verfügung steht. 500 Euro pro Kopf ist der Bundesdurchschnitt. In Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt die Investitionsstärke bei 750 Euro pro Kopf.
Das hat nichts mehr mit der Gleichheit der Lebensverhältnisse zu tun, das ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel und das muss man beenden! Wir wollen die gleichen Verhältnisse wie in anderen Bundesländern und das geht nur mit der entsprechenden Altschuldenlösung!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will an der Stelle gar keine persönlichen Schuldzuweisungen machen, sondern ich will einfach nur mal zitieren, was auf der Wegstrecke, zum Beispiel im vergangenen Jahr in der WELT vom 9. Juni 2023 dazu geschrieben wurde. Da könn te man wegen der Diktion schon fast meinen, es handele sich um ein sozialdemokratisches Sprachrohr. Ich zitiere: „Doch eineinhalb Jahre nach Übernahme der Regierungsgeschäfte durch SPD, GRÜNE und FDP ist die Wahrscheinlichkeit geringer denn je, dass es tatsächlich noch zur versprochenen Altschuldenübernahme durch den Bund kommt. Denn immer neue politische Hürden stehen im Weg. Mehr und mehr setzt sich der Eindruck durch, dass es nur noch darum geht, wer am Ende die Schuld am Scheitern trägt. Die neueste Hürde“ - ich zitiere aus der WELT, meine sehr geehrten Damen und Herren - „kommt von CDU und CSU. Die Union will die Zustimmung zur Grundgesetzänderung in Bundestag und Bundesrat, die für die Altschuldenübernahme des Bundes notwendig ist, nur unter der Bedingung geben, dass in allen Landesverfassungen eine kommunale Schuldenbremse fest verankert wird.“ - Das sozialdemokratische Kampf- und Presseorgan DIE WELT vom 9. Juni 2023.
Ich will es mir dabei gar nicht so leicht machen. Ich will auch gar nicht verhehlen, dass es auch in der Ampelkoalition Bedenken dazu gab. Aber diese Bedenken führen nicht dazu, dass unsere Forderung, dass das, was wir an Grundlagen bereits in der vergangenen Legislaturperiode und in den vorvergangenen Legislaturperioden auf den Weg gebracht haben, falsch ist. Es bleibt richtig und wichtig, diese Altschuldenregelung durch den Bund einzufordern, und jeder hat seine Verantwortung an dieser Stelle!
Es ist nicht neu, es ist nicht falsch, es ist Hilfe zur Selbsthilfe. Ich sage, mit dem, was wir zusätzlich geleistet haben, haben wir alles versucht und auf den Weg gebracht, um unseren Städten und Gemeinden trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen Möglichkeiten der Weiterentwicklung zu geben, in der vorangegangenen Legislatur, aber auch in der laufenden Legislatur. Es war beispielsweise nur mit dem CappuccinoPrinzip möglich, Bundes- und Landesmittel so hochzufahren, dass wir 90-Prozent-Zuschüsse geben konnten, damit überhaupt noch irgend
welche Maßnahmen und Investitionen möglich wurden. Dass es uns gelungen ist, über den entsprechenden Verteilmechanismus der europäischen Mittel für den ländlichen Raum deutlich mehr Geld ins Land zu holen, hat uns dabei genauso geholfen wie ein Prinzip, Landesmittel für kommunale Aufgaben zu aktivieren. Ich erinnere an das Bausteinprogramm mit 150 Millionen Euro.
Wir haben unsere Städte und Gemeinden nicht alleingelassen. Das tun wir auch an dieser Stelle nicht und ich sage mit voller Überzeugung: Das gilt auch in Zukunft! Wir wollen weiterhin alles unternehmen, damit den Städten und Gemeinden im Saarland eine Perspektive wie in den anderen Bundesländern gegeben wird, nämlich gleichwertige Lebensverhältnisse!