Protocol of the Session on February 6, 2024

Darum braucht es unsere Rechtsvorschriften, unsere Gesetze und unsere Verwaltungsregeln. Sie sind das Rüstzeug für eine gute Verwaltung. Wir sind nicht bereit, dieses Rüstzeug auf dem Altar einer erträumten Verwaltungsvereinfachung zu opfern. Wenn eine Fraktion unsinnige Normen ausmacht und dies begründet, statt mit einem Globalantrag von einer abstrakten erdrückenden Bürokratie zu reden, dann sind wir gerne bereit, diese konkreten Vorschläge zu prüfen. Wenn uns allerdings keine konkreten Normen vorgelegt werden, die Aufhebung abstrakt in den Raum gestellt wird, ohne dass wir es konkretisiert vor uns haben und diskutieren können, sind wir nicht bereit, einem solchen Antrag zu folgen. Deshalb lehnen wir den Antrag der AfD-Fraktion ab. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der SPD.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich habe noch eine Wortmeldung erhalten. - Ich erteile nunmehr Herrn Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr für die AfD-Fraktion das Wort.

Herr Zehner, Ihre Meinung in allen Ehren. Ich respektiere sie natürlich, obwohl sie nicht meiner Meinung entspricht. Es ist nämlich gerade das, worunter wir wahrscheinlich leiden. Es ist jedoch Ihre Meinung und diese können Sie selbstverständlich ausdrücken. Sie haben allerdings gesagt, dass wir noch nie etwas Konkretes

(Abg. Zehner (CDU) )

gebracht hätten. Das stimmt nicht, denn ich habe schon bei vielen Anlässen punktuell darauf hingewiesen, Bürokratie abzubauen. Ich habe nur noch eine Minute Redezeit beziehungsweise jetzt nur noch eine halbe.

Zu dem Beitrag von Frau Quinten muss ich sagen, dass ich immer von den Anstrengungen höre, die unternommen werden. Das gilt auch für andere Dinge, für Begabtenförderung und so weiter, Anstrengungen hier, Anstrengungen dort. Das ist alles gut und ehrenwert. Die Leute meinen es auch gut und investieren vielleicht viel Arbeit. Für mich zählen am Schluss allerdings die Ergebnisse. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Das Problem ist schon zig Jahre alt. Es gab bereits Minister, die es durchforsten wollten und so weiter. Sie sind stecken geblieben. Nach zig Jahren ist das Ergebnis, dass die Bürokratie ausufert, statt beschnitten zu werden. Deshalb stellen wir unseren Antrag. Es ist kein Antrag, der etwas Bestimmtes fordert. Es ist einfach nur eine Aufforderung an die Ministerpräsidentin und die Regierung, dieses Problem ins Auge zu fassen und etwas Handfestes zu machen, bei dem Ergebnisse herauskommen. Darum geht es in dem Antrag, um nichts anderes, also nicht um einzelne Maßnahmen. Damit wären wir zudem überfordert. Wir sind keine Regierung, wir haben auch nicht so viel Zeit, dass ich das hier vortragen könnte.

(Beifall von der AfD.)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/746. Wer für die Annahme der Drucksache 17/746 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 17/746 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfD-Landtagsfraktion, dagegen gestimmt haben die SPDLandtagsfraktion und die CDU-Landtagsfraktion.

Wir kommen zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Sprachförderung als Schlüssel für Bildungsgerechtigkeit (Drucksa- che 17/781)

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Grundstein Deutsch - der Schlüssel zum Bildungserfolg: Eine Qualitätsoffensive zur Sprachförderung jetzt (Drucksache 17/668)

Zur Begründung des Antrags der SPD-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Sevim Ka ya-Karadağ das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! In einem Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, sind wir uns einig: Sprachförderung ist und bleibt ein zentrales Thema im gesamten Bildungsbereich, von der frühkindlichen Bildung über die Grundschule, die weiterführenden und berufsbildenden Schulen, die Hochschulen bis hinein ins Berufsleben. Allerdings haben wir unterschiedliche Auffassungen darüber, wie dieses gemeinsame Ziel bestmöglich erreicht werden kann.

Schaut man sich die aktuellen Studien im schulischen Bereich an, zum Beispiel den IQB-Bildungstrend oder die IGLU-Studie, so ist unstrittig, dass Unterstützung gerade im Kernfach Deutsch notwendiger denn je ist. Deutschlandweit ist verstärkt Unterstützung bei den basalen Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Mathematik notwendig, damit wieder mehr Schülerinnen und Schüler die Mindeststandards erreichen. Diese ernüchternden Ergebnisse betreffen auch unsere Schülerinnen und Schüler im Saarland. Gut, dass unsere Landesregierung - insbesondere das Bildungsministerium mit unserer Ministerin Christine Streichert-Clivot - dieses Thema anpackt.

(Beifall von der SPD.)

Am 10. Oktober vergangenen Jahres ist das Programm „BASIS - Basale Kompetenzen an saarländischen Schulen individuell stärken“ mit einer Kick-off-Veranstaltung für Schulleitungen an Grundschulen gestartet. Das Programm legt den Fokus neben der Vermittlung von Rechnen auf die Kompetenzen Lesen und Schreiben. Es unterstützt Schulgemeinschaften, dient zum Teilen von Best-Practice-Beispielen und zum Vernetzen. Besonders freut mich auch, dass unsere Ministerin als KMK-Präsidentin das Startchancen-Programm mit auf den Weg gebracht hat.

(Beifall von der SPD.)

Davon profitieren 50 Schulen bei uns im Land. Vom Bund kommen in den nächsten zehn Jahren jeweils 12 Millionen Euro pro Jahr, also 120 Millionen für mehr Bildungsgerechtigkeit in unserem Land. Wir kämpfen jeden Tag dafür, dass nicht mehr der Geldbeutel der Eltern darüber entscheidet, wie erfolgreich Kinder in der Schule sind. Uns allen ist klar, dass der Schulerfolg auch von Sprachkompetenzen abhängt. Deshalb wurde die Sprachförderung zu Beginn des Schuljahres 2022/2023 massiv aufgestockt. Die Lehrerwochenstunden zur Sprachförderung

(Abg. Dörr (AfD) )

wurden von 4.000 auf 6.000 deutlich erhöht. Für das laufende Schuljahr wurden zudem 121 Planstellen für Sprachförderlehrkräfte geschaffen und 64 weitere Beschäftigungsverhältnisse fortgeführt. Im letzten Jahr hat sich die Landesregierung außerdem vehement für die Fortführung der Sprach-Kitas eingesetzt. Das Bundesförderprogramm endete im Juni, doch das Land hat für die Weiterfinanzierung der Sprach-Kitas gesorgt. Dies zeigt wieder einmal, wie wichtig uns die bedarfsgerechte Unterstützung in diesem Bereich ist. Sie sehen also, meine Damen und Herren Kollegen: In den letzten Jahren wurde bereits viel getan.

Die Sprachförderung in den Grundschulen wurde bis zur Klassenstufe 4 ausgeweitet. Sprachförderangebote sind jetzt also durchgängig und konstant für Grundschülerinnen und Grundschüler zugänglich. Es gibt keine Begrenzung auf maximal ein Jahr wie beim Programm „Früh Deutsch lernen“. Ich finde, das ist ein großer Fortschritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD.)

Kommen wir nun zur Umsetzung der Sprachförderung. Sie findet integrativ im Rahmen des Regelunterrichts statt, zum Beispiel im Tandemunterricht mit zwei gemeinsam unterrichtenden Lehrkräften, und additiv als zusätzliches Förderangebot. Doch nicht nur in Schulen werden die sprachlichen Kompetenzen durch unterschiedliche Maßnahmen gefördert. Sprachförderung beginnt bereits bei den Kleinsten in unseren Kitas. Im frühkindlichen Bereich existiert bereits ein verpflichtendes Sprachangebot in deutscher Sprache: das Bildungsprogramm für saarländische Krippen und Kindergärten. In der Kita tauchen die Kinder in ein sogenanntes Sprachbad ein.

Was genau heißt das? - Das bedeutet, sie erleben Sprache in ihrem gewohnten natürlichen Umfeld in alltäglichen Situationen. So lernen sie die Sprache quasi nebenbei, ohne Grammatikregeln und Vokabeln zu pauken. Durch das Lernen im Sprachbad lernen die Kinder die Sprache unbewusst und spielerisch. Dies führt dazu, dass sie dem ganzen Lernprozess motivierter und offener gegenüberstehen. Konkrete Kommunikationssituationen ermöglichen den Kindern, das Gelernte in ähnlichen Situationen leichter anzuwenden und sich mithilfe von Gestik und Mimik zu verständigen. Mit Sprache als lebendigem Alltagserlebnis erfahren unsere Kleinen Selbstwirksamkeit, was wiederum ihre Persönlichkeit festigt. Das, meine Damen und Herren, wünschen wir uns doch für jedes unserer Kinder!

(Beifall von der SPD.)

Diese Auffassung von Spracherwerb in einem Sprachbad steht der Auffassung des Sprachlernens in festen Strukturen und separaten Lerngruppen entgegen. Letzteres findet in Program

men wie „Früh Deutsch lernen“ oder in sogenannten Willkommensklassen statt. Wir sind der Auffassung, dass Sprachförderung innerhalb des Systems in jeder einzelnen Einrichtung verankert und verstetigt werden muss. Denn dadurch wird das ermöglicht, was wir brauchen: eine gelungene Integration.

(Beifall von der SPD.)

Angesichts der Forderung nach Willkommensklassen muss ich daran zurückdenken, wie ich mich anfangs in der Schule gefühlt habe. Denn spricht man von Willkommensklassen, Klassen also, in die nur Kinder gehen, die noch kein oder nur wenig Deutsch können, spricht man von Kindern, wie auch ich einmal eines war. Ich lehne Willkommensklassen ab, weil sie die Ausgrenzung und Diskriminierung zugewanderter Kinder fördern.

Die Schule ist ein Bereich des sozialen Lebens von Kindern und Jugendlichen, in dem Ausgrenzung eine besonders große Rolle spielt. Das wissen wir.

(Kurzer Beifall des Abgeordneten Com- merçon (SPD).)

Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Ich kann nur sagen: Ausgrenzung tut niemandem gut. Sie macht krank und sie macht unglücklich. Soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung sind besonders für Kinder und Jugendliche sehr belastend und können schwerwiegende Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit nach sich ziehen. Das können wir nicht wollen.

(Erneut kurzer Beifall des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Der gemeinsame Alltag mit Kindern aus unterschiedlichen Nationen fördert bei Kindern ein stärkeres Bewusstsein und Verständnis für andere Kulturen, ihre Lebensweisen und Werte. Dann kann man jetzt eine Brücke schlagen -

(Abg. Schmitt-Lang (CDU) : Jetzt müsst ihr anfangen zu klatschen! - Heiterkeit. - Beifall von der SPD.)

Sie können gerne mitklatschen, Frau Kollegin.

(Abg. Schmitt-Lang (CDU) : Nein, so weit geht es dann doch nicht.)

Okay. Ich wollte die Brücke zu ‑ ‑

(Amüsierter Austausch der Abgeordne- ten Commerçon (SPD) und Schmitt

Lang (CDU). - Abg. Commerçon (SPD): Es macht halt jeder das, was er gut kann. - Abg. Schmitt-Lang (CDU): Genau. Ich bin halt Schulpädagogin. - Heiterkeit.)

(Abg. Kaya-Karadağ (SPD) )

Das Wort hat die Frau Abgeordnete.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte die Brücke schlagen: Für unsere Gesellschaft ist es von großer Bedeutung - und nie war es wichtiger als jetzt -, dass unsere Kinder wichtige soziale Kompetenzen, etwa den respektvollen und wertschätzenden Umgang, voneinander lernen, dass sie das Miteinander als etwas Positives erfahren. Die sogenannten Willkommensklassen aber fokussieren auf Kinder, deren Muttersprache eine andere Sprache als Deutsch ist. Diese dauerhafte Separierung von Kindern mit Sprachförderbedarfen widerspricht dem Inklusionsgedanken, lässt außer Acht, dass sprachliche und soziale Integration zusammenhängen. Wir wollen doch, dass sich Kinder und ihre Familien in Deutschland integrieren, wir müssen ihnen das aber auch ermöglichen! - Jetzt können Sie gerne klatschen, Herr Commerçon.

(Beifall von der SPD. - Amüsierter Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass integrative Modelle den Spracherwerb sinnvoll unterstützen können und dass Programme wie „Früh Deutsch lernen“ nicht mehr auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand sind. Für „Früh Deutsch lernen“ wurden Kinder mehrmals in der Woche aus ihrem gewohnten Kindergartenumfeld herausgenommen, in Schulen gebracht, um dort separiert von den anderen Kindern ihrer Kindergartengruppe Deutsch zu lernen. Hinzu kam, dass das Programm nicht alle Kinder erreichte, sondern ausschließlich Kindergartenkinder. Für die Eltern dieser Kinder wurde zudem zusätzlicher Aufwand durch die Abhol- und Bringsituation geschaffen. Uns erscheint das nicht als gute Lösung. Gut, dass man „Früh Deutsch lernen“ abgeschafft hat, so ist mehr Platz für neue, zeitgemäße Konzepte.

(Beifall von der SPD.)

Neue Konzepte wurden nun auch durch die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie erforderlich, denn diese Pandemie hat teils gravierende Folgen für die sprachliche Entwicklung der Kinder mit sich gebracht. Doch auch darum kümmert sich die Landesregierung: Das Sprachförderkonzept wird gestärkt und weiterentwickelt. Es soll ein Konzept einer landesweit alltagsintegrierten und ganzheitlichen sprachlichen Bildung und Förderung aller Kinder in Kitas geben. Hierzu ist geplant, ab nächstem Jahr in einen strukturierten Prozess einzutreten, der alle Beteiligten einschließt.

Sie sehen, dass eine Qualitätsoffensive zur Sprachförderung bereits in vollem Gange ist. Sie wird regelmäßig weiterentwickelt und an aktuel

le Gegebenheiten angepasst. Es ist wichtig, dass alle, die hier aufwachsen, die deutsche Sprache lernen und beherrschen. Damit meine ich nicht nur diejenigen Kinder, die erst seit kurzer Zeit bei uns sind und die die deutsche Sprache von Grund auf erlernen müssen, sondern auch Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist. Sie alle haben das Recht auf eine sprachliche Förderung, die sich an ihren Fähigkeiten und Bedarfen orientiert.