Protocol of the Session on February 6, 2024

(Beifall von der SPD.)

Denn Sprache schafft Wirklichkeit. Das ist eigentlich eine Erkenntnis der Linken, und zwar aus der sozialen Bewegung in den Siebzigerjahren, eine Erkenntnis, in deren Folge viele Menschen viel sensibler geworden sind, dass Sprache auch diskriminieren kann, und zwar auch oft ohne, dass man das explizit möchte. Ich frage Sie: Erkennen Sie die fatale Ironie dahinter? Während wir schrille Debatten darüber führen, was man heute noch sagen darf, macht sich die neue Rechte genau diese Strategie gerade zu eigen, und zwar nicht, indem sie mit Sprache versucht, Diskriminierungen abzubauen, sondern ganz umgekehrt. Es geht darum, mit Sprache Hass wieder sagbar zu machen. Die sagen das auch so klipp und klar.

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, will ich zitieren: „Wir wissen, dass Forderungen erst sagbar werden müssen, damit sie einmal machbar sein können.“ So hat es ein Rechtsextremer aus Österreich auf den Punkt gebracht. Es ist übrigens derselbe Rechtsextreme, der in Potsdam zu dem Plan der Remigration referiert hat. Solche Leute verfolgen das Ziel, den Raum des Sagbaren zu erweitern. Sie wollen rechtsextreme Positionen unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Begriffe in die Breite der Gesellschaft tragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind keine normalen politischen Ansichten, das ist Hass, Hass auf Andersdenkende, Hass auf andere Kulturen, Hass auf Menschen mit anderer Hautfarbe.

(Beifall von der SPD.)

Niemals werden wir dulden, dass dieser Hass erneut Deutschland zum Untergang führt.

(Beifall von der SPD.)

Niemals werden wir dulden, dass Menschen ihre Daseinsberechtigung abgesprochen bekommen, Menschen, die hier arbeiten, in der Gastronomie, in der Pflege oder egal wo sonst, Menschen, die unsere Kultur bereichern, die sich einbringen zum Wohle dieses Landes. Diese Menschen gehören so viel mehr zu diesem Land als die vermeintliche Alternative.

(Beifall von der SPD.)

Deshalb ist es so wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger jetzt aufstehen, dass sie Nein sagen, und zwar zu Hunderttausenden in den Großstädten, aber auch dort, wo es vielleicht nicht so leicht ist, sich gegen Rechts zu positionieren, wo man eingeschüchtert wird, wo man gar Nachteile befürchten muss.

(Abg. Toscani (CDU) : Rechtsextrem.)

Gerade dort fassen viele jetzt Mut, weil sie merken, dass die, die für sich in Anspruch nehmen, das Volk zu sein, eben doch eine Minderheit sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Aufstand der Anständigen und er tut wahnsinnig gut!

Es tut gut, dass wir den Bildern der braunen Einfalt Bilder der bunten Vielfalt entgegenstellen von Menschen aus unterschiedlichen Berufen, unterschiedlichen Schichten, von Menschen, die ganz unterschiedlich sind, die wenig gemeinsam haben außer der festen Überzeugung, dass nie wieder nicht irgendwann ist, sondern jetzt. Ich will Danke sagen an alle die, die in den letzten Tagen große Demonstrationen organisiert und auf die Beine gestellt haben, egal, ob das in Homburg, in St. Wendel oder in Saarbrücken war, auch an das Bündnis „Bunt statt Braun“, das am Sonntag ein wunderbares Bild vor der Ludwigskirche gezeichnet hat.

Lieber Timo Ahr, bitte nimm den Dank an und nehme ihn mit in das Orga-Team und die vielen Verbände und Organisationen, die darin organisiert sind. Ihr habt dafür in den letzten Tagen ganz toll mobilisiert und ich hoffe, es wird so weitergehen.

(Beifall von der SPD und der CDU.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Versuch, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, erleben wir auch vom Landesvorsitzenden der sogenannten Alternative in diesem Haus und ehrlicherweise nicht so oft hier am Rednerpult. Darauf liegt nämlich ganz erkennbar nicht der Fokus, aber im Internet, bei Facebook oder mit Copy-and-paste-Schriftsätzen von Twitter, aber auch bei rechtsextremen Medien wie zum Beispiel dem Heimatkurier, sogar mit seiner T‑Shirt‑Wahl.

Ich will nicht, dass Hass und Hetze in das Protokoll dieses Hohen Hauses Einzug finden. Aber ganz ehrlich, ich frage mich, ob das alles überhaupt aus Ihrer Feder stammt oder ob es ein Praktikant bei der Identitären Bewegung ist, der Ihnen das aufschreibt. Hier am Rednerpult vor sich her stammeln, aber in den sozialen Medien den Dicken markieren, das nennt man auf Saarländisch „die Schniss schwade“.

(Beifall von der SPD.)

Hegel hat darauf hingewiesen, dass sich die Geschichte immer zweimal ereignet, einmal als Tragödie und einmal als Farce. Zumindest mit Blick auf die AfD-Fraktion in diesem Haus sage ich: Ich hoffe, er hat recht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zum Schluss auf unsere gemeinsame Verantwortung zu sprechen kommen, die gemeinsame Verantwortung der demokratischen Mitte in diesem

Lande. Ja, es braucht gerade den Unterschied und den Gegensatz zwischen Opposition und Regierung. Ja, Opposition darf und muss zuspitzen. Aber wie immer macht der Ton die Musik, auch hier im Lande, wenngleich ich an dieser Stelle ganz klar sagen möchte, dass es immer noch einen großen Konsens bei den zentralen Herausforderungen in diesem Land gibt. Ich glaube dennoch, gerade auch mit Blick auf die Debatte im Bund, je unversöhnlicher Regierung und Opposition miteinander umgehen, desto leichter macht man es jenen, die wahrlich ein anderes Land haben wollen.

(Beifall von der SPD.)

Ja, es braucht einen Wettbewerb der Ideen, aber es braucht auch die Bereitschaft zum Kompromiss. Das bedeutet, dass man das Tischtuch niemals zerschneiden darf und dass man die Bereitschaft zur Zusammenarbeit nie komplett aufkündigen darf. Dazu gehören auch immer beide.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ein Beispiel dafür nennen, wo die Zusammenarbeit Früchte tragen wird. Wir sind uns einig: „Nie wieder“ bedingt einen starken Rechtsstaat, der insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht repräsentiert wird. Ein Blick in die Welt zeigt doch, dass die Antidemokraten, die an die Macht kommen, sich zuerst an der Unabhängigkeit unserer Justiz vergehen. Deswegen ist es so wichtig, dass die unabhängige Stellung des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz erneut abgesichert werden soll.

Die heutige Berichterstattung, dass der Verfassungsschutz die Junge Alternative als gesichert rechtsextrem einstufen darf, zeigt, wie wichtig es war, dass wir unseren Verfassungsschutz gestärkt haben. Denn von diesen Initiativen geht ein Signal aus: Wir wehren uns gegen die Feinde dieser Demokratie. Wir treten verfassungsfeindlichen Bestrebungen entschieden entgegen!

(Beifall von der SPD.)

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, nämlich die Diskussion darüber, wer mit wem auf die Straße geht. Ja, bei diesen Demos laufen Leute, deren Ansichten ich nicht teile. Es laufen vielleicht sogar Leute mit, deren Ansichten ich gänzlich ablehne. Diese Ambivalenz ist mit Sicherheit da, aber dieser Ambivalenz wird man nicht mit einem Hufeisen gerecht, man wird ihr nicht gerecht, indem man Nazis und Linke gleichsetzt, denn sie sind nicht gleich, weder qualitativ noch quantitativ sind sie das.

(Abg. Schäfer (CDU) : Jeder Extremist ist Mist! - Aufkommende Unruhe.)

Allein im Jahr 2022 stieg die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 320 Prozent. Die Bedrohung unseres Landes geht deutlich von einer Seite aus, und das ist die extrem rechte Seite. Alles

(Abg. Braun (SPD) )

andere ist eine Verharmlosung. Das können wir uns nicht mehr leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von der SPD. - Weitere Zurufe der Abgeordneten Schäfer (CDU) und Toscani (CDU).)

Das hat doch niemand gesagt. - Ich will deshalb mit dem Anfang schließen, mit dem rassistischen Mord an Samuel Yeboah. Jahrelang hat man weggeschaut, beschwichtigt, verleugnet. Wir haben das hier breit und, wie ich finde, in einem sehr guten Stil miteinander diskutiert. Aber es gab damals auch Leute, die hingeschaut haben. Viele von ihnen standen im politischen Spektrum relativ weit links. Diese haben in einem gänzlich unaufgeschlossenen politischen Klima nie aufgehört, nach den wahren Tätern dieses Brandanschlages zu forschen. Sie haben sich nicht einlullen lassen, dass alles vielleicht schlimm sei, aber ganz sicher nichts mit Rechtsextremismus zu tun habe. Wir sollten das nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir jetzt wieder darüber streiten, wer neben uns auf der Demo mitlaufen darf und wer nicht.

(Anhaltender Beifall von der SPD.)

Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Dörr. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Fraktionsvorsitzender.

Abg. Dörr (AfD) mit einer Zwischenbemerkung:

Frau Kollegin Braun, Sie haben so gegen den Hass geredet, dass es schon richtig hasserfüllt war. Sie haben zu uns geschaut, ich denke, dass Sie uns nicht lieben, dass Sie uns vielleicht doch hassen. Es war jedenfalls irgendwie eine hasserfüllte Rede. Das steht Ihnen eigentlich gar nicht so gut.

(Abg. Braun (SPD) : Sie haben nicht zu beur teilen, was mir steht oder nicht!)

Das Zweite ist Folgendes: Sie haben von den Demonstrationen gesprochen. Da sage ich Ihnen eines voraus: Es wird weniger werden, weil diese Demonstrationen von den Verantwortlichen organisiert sind, sie sind gegen das Volk organisiert. Das wird eine Weile mit viel Aufwand und viel Medienbegleitung gehen, aber dann wird es abbröckeln. Sie haben selbst zugegeben, dass nicht nur Erwünschte, sondern auch ein paar Unerwünschte mitlaufen. Ich habe bei der Saarbrücker Zeitung auf dem Foto gesehen, dass auf Plakaten stand: „Gegen Linksextremismus“ und „Gegen Extremismus“ und „Gegen Gewalt“. Das heißt also, das ist gar keine so einförmige Demonstration. Sie haben von Demokratie

und Mitarbeit geredet und Berlin angeführt. Ich muss Ihnen sagen, wenn ich mir eine Bundestagsdebatte anschaue - ich muss gestehen, ich mache das sehr selten -, dann sehe ich, dass der Block, in dem die AfD sitzt, immer besetzt ist und alle anderen Ränge leer sind.

(Unmutsbekundungen bei der SPD. - Zuruf des Abgeordneten Scharf (CDU).)

Ich kenne ja die Ausreden. Da heißt es immer, die sind in Ausschüssen und so weiter. Die Ränge sind jedenfalls leer. Die Bevölkerung sieht das. Das ist auch keine demokratische Haltung. - Herzlichen Dank.

(Abg. Haas (SPD) : Die AfD-Bundestagsfrakti on arbeitet genauso wenig in den Ausschüssen wie Sie hier!)

Frau Kollegin Braun, wünschen Sie das Wort? Sie können erwidern.

Ich muss das gar nicht groß kommentieren, weil Sie in Ihrem Redebeitrag gerade deutlich gemacht haben, wie Ihr Demokratieverständnis funktioniert. Es ist mehr als fragwürdig, es ist gefährlich. Deswegen danke ich Ihnen für diesen Beitrag, der hoffentlich alle Saarländerinnen und Saarländer wachrüttelt, die gerade auf die Straßen gehen, die sich für unsere Demokratie einsetzen. Sie sagen, dass diese Menschen auf die Straße gehen gegen das Volk. Daran mache ich ein ganz großes Fragezeichen. Das entscheiden die Saarländerinnen und Saarländer selbst.

(Beifall von der SPD und vereinzelt bei der CDU.)

Zur Begründung des Antrags der AfD-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Carsten Becker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Saarländer! Es ist mir ein Vergnügen, dass ich heute diesen Antrag mit einbringen darf. Ich möchte auf eines eingehen, was Sie auf die Intervention meines Kollegen, Herrn Dörr, dass das Demonstrationen gegen das Volk sind, geantwortet haben. Bei manch einem geschichtlichen Beobachter kommen schon gewisse Erinnerungen hoch, wenn er an das Ende der DDR denkt, als klar war, dass die SED-Führung sich nicht halten kann. Damals wurde das sowjetische Ehrenmal beschmiert. Das wurde dann den westlichen Neonazis in die Schuhe geschoben, aber wahrscheinlich war es

(Abg. Braun (SPD) )

die Stasi. Man hat zu Kampfdemonstrationen gegen Rechts aufgerufen und hat noch 300.000 oder 400.000 regimetreue SEDler auf die Straße gebracht, die ihre Empörung geäußert haben.

Ich habe mir die Videos von damals angeguckt. Das können Sie vielleicht auch mal machen. Bei dem einen oder anderen kommen gewisse Erinnerungen hoch. Sie sprechen immer von der Zivilgesellschaft, aber es ist ja nicht so, dass das alles unabhängige Leute sind. Schauen Sie sich die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung an. Da kam raus, dass ein Kollege in diesem SPD-Ortsverband sitzt, der andere in jenem, wieder ein anderer Kollege ist bei den GRÜNEN. Das Problem haben wir generell beim öffentlichrechtlichen Rundfunk. Es werden meistens Menschen von linken Organisationen interviewt, der Normalsterbliche oder Otto Normalverbraucher wird nicht interviewt. Das will ich Ihnen mitgeben.

(Unmutsbekundung von der SPD.)