Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das mag jetzt lustig klingen, aber ich denke, das ist ein ernstes Thema, über das wir hier sprechen. Was ich zitiert habe, war Bob Dylan, er hat das vor 50 Jahren in seinem bekannten Song „A hard rain‘s a-gonna fall“ so formuliert. Man kann viel in die Lieder von Bob Dylan hineininterpretieren, für mich war es immer ein Weckruf, dass der Klimawandel uns bevorsteht, wenn wir hier nicht handeln. Und ja, ich denke, wir müssen uns alle irgendwann fragen: Wo sind wir gewesen und was haben wir getan, als wir noch die Möglichkeit hatten zu handeln? Und das ist bitterer Ernst, meine sehr geehrten Damen und Herren.
In der nächsten Zeile geht es dann weiter: „Was hast du gehört?“ Ich habe gestern die Nachrichten gehört, und ich habe gehört, dass die neuesten Messwerte des Mauna-Kea-Observatoriums in Hawaii, das seit Jahrzehnten für seine Klimamessungen bekannt ist, die höchsten CO2-Werte gemessen hat, die es jemals gegeben hat, mit 450 CO2-Teilchen pro 1 Million Teilchen Luft. Und der Wert ist
nicht nur der höchste, sondern die Entwicklung beschleunigt sich, der Anstieg ist nahezu exponentiell.
Ich hätte eigentlich erwartet, dass wieder die typischen Argumentationslinien kommen, die wir hier in der Sache immer hören, aber das wurde außen vor gelassen. Die erste ist immer: Das war immer schon so in der Erdgeschichte, es gab immer schon Schwankungen. Die zweite ist: Der Klimawandel ist gar nicht menschengemacht. Herr Müller, ich sehe, Sie nicken, das ist voll Ihre Überzeugung. Ich will kurz darauf eingehen. Ja, es gab immer Schwankungen in der Erdgeschichte, aber sie waren nie so dramatisch wie jetzt, und sie sind niemals so schnell vonstattengegangen, und das ist sehr gut dokumentiert über Millionen von Jahren. Und auch, dass wir Menschen die Verursacher des Klimawandels sind, wird eigentlich von der Mehrheit aller, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen, belegt. Ja, es ist auch richtig, nur 3 Prozent des CO2-Ausstoßes sind vom Menschen gemacht, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind eben die 3 Prozent, die den Unterschied machen, und die 3 Prozent, die das Fass auf Dauer zum Überlaufen bringen und die es schaffen, dass wir hier nach wie vor aus dem Gleichgewicht herausfallen.
Was kann man dagegen tun? Was tut man, wenn man etwa auf hoher See ist und man eine große Welle auf sich zukommen sieht? Egal, ob die Welle von einem selbst gemacht ist oder nicht, man sollte versuchen, sich in eine sichere Position zu bringen, und man sollte versuchen zu handeln. Ich bin sicher, wenn wir das hier tun, wird das auf jeden Fall von Vorteil sein. Es gibt verschiedene Gründe, warum diese Anstrengungen auf jeden Fall von Vorteil sein werden. Der erste ist die Energieautarkie. Es kann doch nicht verkehrt sein, wenn wir uns unabhängig machen von Fracking-Öl aus den USA, von Gas aus Russland oder von Öl aus Saudi-Arabien, das kann doch nicht der falsche Weg sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ganz im Gegenteil, das sind weitere große Vorteile, die wir hier mit der Energiewende erreichen.
Der zweite Grund ist, dass die Energiewende auch ein soziales Projekt ist; das will ich gar nicht bestreiten. Es ist eben so, dass die ärmeren Bevölkerungsschichten prozentual viel mehr Geld für Energie ausgeben, als reichere es tun. Deswegen ist das ein soziales Projekt, wenn wir es schaffen, die Energiekosten dauerhaft niedrig zu halten. Auch was Entwicklungsländer angeht, ist es wichtig, eine Entwicklung durch die Energiewende hervorzurufen. Wir brauchen einen weltweiten Wandel weg von den fossilen Brennstoffen. Man hat ausgerechnet, dass 15 Billionen Dollar nötig wären, um eine komplette CO2Neutralität auf der Welt zu erschaffen. Das hört sich nach viel an, aber wir haben in Deutschland bereits
2 Billionen für die Energiewende ausgegeben. Das ist lediglich eine Anschubfinanzierung, wenn man es mit dem eigentlichen Bedarf vergleicht. All das soll uns zeigen: Wir müssen eine emissionsfreie Politik verfolgen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wen treffen wir? Wir treffen als Politiker Menschen, das ist unser Geschäft. Und - die Psychologie hat das längst gut erforscht - es ist eben so, dass man sich immer um die Anliegen derjenigen Menschen kümmert, die einen ansprechen. Man kümmert sich also schnell um die Anliegen derjenigen Menschen, die einem persönlich gegenüberstehen, und man verfolgt diese Anliegen zum Teil auch gezielt. Aber wir müssen uns auch um die ganz wichtigen großen Themen kümmern, bei denen vielleicht nicht immer eine Person mit einem Anliegen vor einem steht; das sind oft solche Probleme, mit denen wir uns tiefer beschäftigen müssen. Ich glaube, da hat Fridays-for-Future eine ganz wichtige Änderung gebracht. Ich bin froh, dass ich heute im Zuschauerraum Aktivisten von Fridays-for-Future sehe, Frau Speicher, schön, dass Sie da sind, zusammen mit Mit-Aktivisten. Sie alle zusammen haben in den letzten Wochen und Monaten ganz große Arbeit geleistet. Dieses Problem wird uns so schnell nicht mehr loslassen. Dafür gebührt Ihnen großer Dank, das ist eine große Leistung!
Was müssen wir tun, um die Probleme zu lösen, denen wir uns gegenübersehen? Ich glaube, jeder von uns muss auf der Ebene, auf der er tätig ist, alles ausnutzen, was ihm an Möglichkeiten bleibt. Wir brauchen hier Handlungen auf Landesebene, aber die großen Entscheidungen zur erfolgreichen Gestaltung des Klimawandels werden in der Bundes-, in der Europa- und in der Weltpolitik getroffen. Leider ist es oft so, dass „gut gemeint“ schlecht gemacht ist, dafür gibt es immer wieder Beispiele. Das trifft auf einige Aspekte der Klimapolitik der letzten Jahre zu. Wir brauchen eine dauerhafte Änderung. Wir müssen alle daran arbeiten, dass die Vertreter unserer Parteien auf Bundesebene und auf Europaebene die richtigen Wege verfolgen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist die Aufgabe, die wir haben neben dem, was wir selbst im Saarland tun können.
Ich sehe, dass drei Anträge zum Thema vorliegen und möchte kurz auf diese eingehen. Der erste ist der Antrag der Koalitionsfraktionen. Wir haben die Photovoltaik in den Vordergrund gestellt, weil wir diese als ein Projekt sehen, bei dem am meisten realisiert werden kann. Andere Kollegen werden später detailliert darauf eingehen.
Der Antrag der LINKEN geht auf Fördermittel ein. Ein ähnlicher Antrag hat uns im Februar vorgelegen.
Ich stelle mir zunächst die Frage, wo diese zusätzlichen Mittel herkommen sollen. Aus meiner Sicht muss es doch so sein, dass die Energiewende an sich rentabel wird, und da kommen wir mit dauerhaften Förderprogrammen allein nicht weiter. Wir müssen ein ganz anderes Regime schaffen, um CO2 zu besteuern, nur das ist der richtige Weg, und nicht alleine mit Fördermitteln, meine Damen und Herren.
Sie haben in Ihrem Antrag Radwege und ÖPNV als wichtige Themen aufgeführt. Das ist alles richtig, ich würde das aber leider auch, was Sie ansonsten immer kritisieren, als reine Angebotspolitik sehen. Wir schaffen als Politik in dem Fall ein Angebot, aber wir schaffen nicht genug Anreize, dass es genutzt wird. Das ist meine feste Überzeugung. Ich nehme als Beispiel den Arbeiter aus Tettingen-Butzdorf, der bei Ford in Saarlouis schafft und morgens um 5 Uhr zur Arbeit muss. Das wird auf Dauer und auch in Zukunft mit dem ÖPNV nicht zu schaffen sein, da müssen wir realistisch sein. Solche Fälle gibt es leider viele im Saarland. Deswegen sind ÖPNV- und Radwegausbau wichtige Elemente, aber nicht das, was uns alleine weiterhilft, dazu brauchen wir viel mehr, meinen Damen und Herren.
Was mir in dem Antrag zu kurz kommt, sind die Beschäftigungsmöglichkeiten, die Sie schaffen möchten. Das ist auch ein bisschen Planwirtschaft. Ich bin der Überzeugung, wir haben in der Energiewende bereits zu viel Planwirtschaft, das wird uns, wenn Sie das so weiterstricken, nicht weiterhelfen. Am Montagabend gab es eine Diskussion, Vertreter von Fridays-for-Future waren auch anwesend. Ein Vertreter von Greenpeace hat sich zu Wort gemeldet und gefordert, 20 Prozent aller Gewinne der Unternehmen so lange zu besteuern, bis wir einen Klimawandel vollständig erreicht haben. Ich halte das für den falschen Ansatz und bin der Überzeugung, wir müssen unser Steuerregime und die gesamte CO2Bepreisung so umstellen, dass Unternehmen in der Zukunft nur dann Gewinne machen, wenn Sie CO2frei arbeiten. Das ist meine Vision und die müssen wir langfristig verfolgen. Nur das kann der Weg sein, wie wir den Klimawandel erfolgreich gestalten.
Ich bin auch etwas überrascht, ich habe nämlich die Wahlplakate der LINKEN gesehen. Ich weiß, dass bei Ihnen Fraktion und Partei nicht immer ganz im Einklang sind, aber die LINKE hat überall plakatiert. Das Einzige, was ich bei mir im Dorf gesehen habe, war „Windräder stoppen“. Ich muss ehrlich sagen, wenn das Ihr einziger Weg in Richtung Klimawandel ist, dann tut es mir ein bisschen leid. Ich hätte mir etwas mehr Visionen gewünscht, Herr Kollege Georgi, das alleine kann es doch nicht sein.
Herr Müller, in Ihrem Antrag haben Sie die Insekten aufgeführt. Ich will Ihnen überhaupt nicht widersprechen, es war mal ein Antrag von Ihnen, der in den Fakten sehr gut recherchiert war, die grundlegenden Aussagen stimmen wohl. Sie haben allerdings keine Alternativen angeboten, welche Energieformen keine Schäden mit sich bringen und keinen Einfluss haben. Ich hätte gerne gehört, was die Alternative ist. Ist es dann der gute alte Atomstrom oder doch die Kohle? Das ist völlig ausgeblieben. Nur die Windräder abschalten, das kann nicht der richtige Weg sein. Mir ist nicht ganz deutlich geworden, was Sie an dieser Stelle damit bezwecken wollten.
Ja, es sterben viele Insekten durch Windräder, das will ich gar nicht bestreiten. Aber genauso muss man sagen, durch den Klimawandel werden viel mehr Arten als Insekten sterben, und vielleicht am Ende auch die Art, die uns allen doch am liebsten ist, nämlich der Mensch, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Was sollen wir tun? Was sind die Schritte, mit denen wir weiter vorgehen können, um die Klimawende zum Erfolg zu bringen? Ich bin der festen Überzeugung, das Klimaabkommen von Paris ist der richtige Weg. Ich möchte sagen, es ist ein ganz großer Durchbruch gewesen, der so nicht selbstverständlich ist. Man weiß, wie die Wege in der internationalen Politik laufen. Deutschland hat hier eine Verantwortung, das umzusetzen. Deutschland ist immer eine Führungsnation gewesen, wenn es darum ging, den Klimawandel zu bekämpfen. Dem müssen wir jetzt auch gerecht werden. Ich erwarte aber mehr Fantasie und mehr richtige Möglichkeiten, das Ganze anzugehen. Ich glaube, der Weg, eine Klimadiktatur aufzubauen, ist der völlig falsche. Die Länder, die weltweit in der Klimapolitik am erfolgreichsten sind, sind liberale Demokratien wie zum Beispiel Schweden, die Niederlande, die sich immer stärker engagieren, oder Dänemark. Diesen Weg müssen wir weiterverfolgen im Konsens mit der gesamten Bevölkerung, die wir hier einbringen müssen, und dann werden wir auch das auch schaffen.
Der Markt ist die einzige Möglichkeit, das habe ich öfters gesagt, um die richtigen Anreize zu setzen, damit das Ganze auch funktioniert. Ich nenne ein Beispiel, wie das Ganze in den letzten Jahrzehnten in der Energiewirtschaft doch tatsächlich funktioniert hat. Stellen Sie sich vor, wir haben den schönen Bürgerpark und dort ist ein großer Schatz begraben. Jetzt geht jemand hin, gräbt diesen Schatz aus und hinterlässt dort ein riesiges Loch, das dann die Allgemeinheit zuschütten darf. Leider ist die Energiepolitik in den letzten Jahrzehnten - Jahrhunderten, kann man schon fast sagen - so gelaufen. Wir haben es hier im Saarland mit der Kohle gemerkt, wo auch Kosten für die Allgemeinheit geblieben sind.
Auf die Atomenergie werde ich nicht weiter eingehen. Wir sehen, was die erdölproduzierenden Länder der Nachwelt hinterlassen, nämlich einen großen Schaden, den nachher alle beheben müssen. So ist es bei dem Beispiel mit dem Schatz, den ich aufgeführt habe, einige heben ihn, aber die Schäden muss nachher die Allgemeinheit beseitigen. Das kann so nicht weitergehen.
Leider muss man auch sagen, so wie die Energiewende gestrickt war, haben wir viele weitere Schätze vergraben, die dann von Menschen gehoben worden sind. Ich sage es ganz ehrlich: Wenn ich sehe, wie manche Projektierer bei Windkraftanlagen vorgehen, habe ich manchmal den Eindruck, da wurde in Wildwestmanier gehandelt. Ich möchte ganz klar sagen, ich sehe diese Bonanzas als gefährlich an, weil sie wirklich Brüche in den Dorfgemeinschaften schaffen, wo Vorverträge abgeschlossen werden, die einfach nicht realisierbar sind. Das kann nicht der Weg sein, wie Energiepolitik gelingen kann.
Ich nenne ein Beispiel, es gab den Energiepark Wintersteinchen, der Kollege Jost weiß, dass das LUA einen negativen Bescheid ausgesprochen hat. Wir haben ein Jahr vorher mit den Projektierern gesprochen, es hieß, wir haben volles Vertrauen in die Mitarbeiter des LUA, wenn diese Experten einen negativen Bescheid ausstellen, dann ist das so, dann akzeptieren wir es. Und was passiert als Erstes, wenn der negative Bescheid kommt? Es wird geklagt. Das sind doch keine vertrauenswürdigen Partner, mit denen man eine Energiewende umsetzen kann! Daran habe ich große Zweifel. Wir müssen andere Akzente setzen. Wenn es nur ums Geld geht, werden wir nämlich die Energiewende nicht umsetzen können.
Was wir brauchen, sind Partner, die wirklich in den Themen engagiert sind. Die Bürgerenergiegenossenschaften sind dabei sicher sehr wichtige Partner. Fleiß vor Ort, wirklich großartige Arbeit. Viele Projekte im Land wurden durch diese Bürgerenergiegenossenschaften hervorgebracht. Ich muss aber auch sagen, ich habe ein wenig Zweifel, warum man mit so einer Aussage, wie sie vor einigen Wochen gemacht wurde, an die Öffentlichkeit gehen muss, von Leuten, die jetzt zur Wahl stehen. Ich hätte mir einen Dialog gewünscht mit uns als Fraktionen. Auf uns ist jedenfalls keiner zugegangen. Wenn zuerst die Presse gesucht wird, halte ich das nicht für den richtigen Weg.
Wir müssen auch darüber reden, welche Energieformen die richtigen sind, die wir dann weiter fördern. Wir haben im Saarland wirklich Probleme, weitere Windkraftstandorte zu finden. Man sieht, wie lange die Verfahren dauern und wie komplex sie sind, weil der Naturschutz für uns einfach eine wichtige Rolle
spielt und wir neue Standorte nicht einfach so aus dem Boden stampfen können. Greenpeace hat gesagt, wir brauchen bei den Anlagen nur den Faktor 5, dann würde das im Saarland gelingen. Faktor 5 heißt, wir müssten die Anzahl der Anlagen, die wir momentan im Saarland haben, mindestens verzehnfachen. Wenn man weiß, wie momentan um jeden Standort gerungen wird, dann weiß man, dass das nicht der Weg sein kann, um die Energiepolitik in Deutschland und auch im Saarland zum Erfolg zu führen. Wir brauchen neue Ansätze. Da ist die Photovoltaik genau das richtige Instrument, weil es hier noch genug Möglichkeiten gibt.
Aber das ist es nicht alleine, wir haben Standorte, wo das Repowering von Windkraftanlagen möglich ist. Es gibt weitere Möglichkeiten wie beispielsweise die Geothermie. Das sind die richtigen Ansätze, weil wir aktuell bei der Windkraft einfach nicht weiterkommen. Wie gesagt, die Bürgerenergiegenossenschaften sind wichtige Partner, wir laden sie ein, hier mitzuarbeiten. Wir werden als Land gerne Standorte zur Verfügung stellen, Dachflächen et cetera. Wir müssen in den Dialog treten. Ich bin für weitere Pläne offen, die uns hier entgegengebracht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf die große Debatte eingehen, die wir in diesen Tagen haben, das Thema CO2-Steuer, CO2-Abgabe oder wie auch immer man es nennt. Meine Partei ist da ja in den letzten Tagen schwer gescholten worden. Wir wurden quasi als Antiklimapartei dargestellt, weil wir uns zunächst kritisch zu einer CO2-Steuer geäußert haben. Das hat die Bundesvorsitzende gemacht, das haben viele andere Kollegen gemacht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich mache das auch. Ich bin kritisch gegenüber einer CO2-Steuer, was ich Ihnen auch gerne begründen werde.
Der erste Punkt ist für mich folgender. Bei einer Besteuerung besteht immer die Gefahr, dass damit zunächst Haushaltslöcher gestopft werden und das Ganze nicht so genutzt wird, wie es sein sollte. Vielleicht werden die Rentenkassen aufgehübscht oder was auch immer. Das sind die Gefahren, die hier bestehen. Deswegen sollte das Ganze meiner Ansicht nach nicht als Steuer fungieren.
Ich gebe vielen Kritikern ja recht, wenn sie sagen, eine Steuer ist auf jeden Fall besser als das Sammelsurium an verschiedenen Instrumenten, das wir jetzt haben. Aber es gibt noch eine bessere Lösung, die ich auch gerne vertrete, nämlich eine CO2-Abgabe, die sich am Marktpreis berechnet, der nach und nach immer höher werden muss. Das ist der richtige Weg. Ich denke, es ist im Prinzip ähnlich wie eine Steuer, aber ein besserer Weg, der hilft, nach und nach Energie höher zu bepreisen und somit auch eine Klimawende marktwirtschaftlich zum Erfolg zu bringen.
Was wir brauchen, ist eine sektorübergreifende und am besten möglichst stark international aufgestellte CO2-Bepreisung auf Basis des Emissionszertifikathandels. Das ist, glaube ich, der richtige Ansatz, den wir weiter verfolgen müssen. Das hat viele Vorteile. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Unsere saarländische Stahlindustrie war in den letzten Jahren schon in das System eingebunden, und wir sehen, es ist ein großer Erfolg. In anderen Bereichen Deutschlands, wo wir versucht haben, mit anderen Maßnahmen vorzugehen, mit Klimaschutzplänen et cetera, haben wir viel mehr Probleme. Die wurden meistens nicht so erfolgreich umgesetzt, wie es beim CO2-Emissionshandel der Fall ist. Deswegen ist das ein Beispiel, wie das Ganze gelingen kann.
Eine wichtige Sache ist zum Beispiel das Gesamtthema Gebäudesanierung. Momentan sind wir auf dem Pfad, dass wir etwa 1 Prozent der Gebäude im Jahr sanieren, aber wir müssen in Richtung 2 Prozent arbeiten. Nur das kann der richtige Weg sein, weil wir nur so bis 2050 komplett emissionsfrei - was vielleicht ein Ziel sein könnte - auch die Heizung in Räumen und Klimatisierung gewährleisten werden. Aber das ist nicht so einfach. Wer bezahlt es im Endeffekt? Wer hat vielleicht noch ältere Heizungen? Wer wohnt in älteren Gebäuden? Es sind vielleicht wirklich nicht die betuchtesten Menschen. Die können wir hier nicht auf einer Steuer sitzen lassen. Wir sehen am Beispiel Frankreich, wie so etwas zu einem großen Misserfolg werden kann und dass es uns auch ganz schnell die Zustimmung der Bevölkerung in dieser Sache kostet.
Eine Möglichkeit ist zum Beispiel die Vorgehensweise in der Schweiz. Die schüttet die Einnahmen aus der Abgabe wieder an die Bürger aus. Das ist aktuell eine Summe von umgerechnet 67 Euro pro Person. Wenn man das komplett ausschütten würde - ein Drittel geht in andere staatliche Töpfe -, dann wären es etwa 100 Euro pro Person pro Jahr und dann könnte ein vierköpfiger Haushalt direkt mit 400 Euro pro Jahr rechnen. Wenn wir dann einen langfristigen Pfad hätten, wie wir hier die Umstellung gestalten können, dann weiß eine Familie genau, in drei oder vier Jahren wird es für sie teuer, und dann kann sie, wenn sie ein neues Auto kauft, zum Beispiel mit einem emissionsfreien Fahrzeug hier besser fahren.
Noch ein Beispiel. Wenn man genau weiß, die Wohnkosten werden in sechs oder sieben Jahren teurer, dann wird man sich bemühen, zum richtigen Zeitpunkt eine neue Heizung einzubauen oder die energetische Sanierung vorzunehmen. Dann werden wir auch beim Bestandsbau große Erfolge erzielen. Es ist aus meiner Sicht viel besser, wenn man das den Bürgern so anbietet, als wenn man nur mit einer Steuer agiert, die nicht direkt ein Erfolg sein wird.
Das Klimakabinett ist, glaube ich, hier ein richtiger Ansatz, aber wir brauchen auch - ich habe es schon gesagt - den Konsens in der ganzen Bevölkerung. Zwei Themen sind mir hier besonders wichtig, die in dieser neuen Form der Abgabe enthalten sein müssten. Das eine ist das Thema Langfristigkeit. Einmal in Funktion, muss es, wie es Professor Schmidt von den Wirtschaftsweisen gesagt hat, ein Regime sein, das Millionen kleinster Alltagsentscheidungen in die richtige Bahn lenkt. Dann wird es eine erfolgreiche Energiewende sein.
Das zweite Element ist, dass wir bei dem Pfad ein bisschen Spielraum haben, dass wir reagieren können. Wenn jetzt zum Beispiel weniger fossile Brennstoffe genutzt werden, werden sie am Markt auch billiger sein. Dann muss auch hier darauf reagiert werden können, sonst haben wir nachher das gleiche Problem wie in Großbritannien, wo man auch schon früh in solch eine Abgabe eingestiegen ist. Man hat aber dann die CO2-Bepreisung wieder ausgesetzt, um dem Brexit zu entgegnen. Das wollen wir nicht. Wir brauchen hier einen klaren Pfad. Der Pfad sollte sich vielleicht bewegen zwischen 2035, was Fridays-for-Future angeregt hat, und 2050, was die Kanzlerin gesagt hat. Ich bin der Überzeugung, wenn wir diese Entwicklung angestoßen haben, dann wird das Ganze viel schneller gelingen, als wir es uns heute überhaupt vorstellen können. Aber es muss marktgerecht sein. Nur so kann das Ganze auch funktionieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird nicht alles kostenlos sein. Ich habe es schon angedeutet. Aber ich glaube, die Preise sind auch akzeptabel, wenn man die Werte einbezieht, die von den Wirtschaftsweisen berechnet werden. Aktuell haben wir einen CO2-Preis von 24 Euro pro Tonne. Ein Preis, bei dem man davon ausgeht, dass wir eine vollständige klimaneutrale Versorgung von uns allen gewährleisten könnten, wären etwa 180 Euro, der auch von vielen Aktivisten gefordert wird. Wenn man das ausrechnet, 180 Euro pro Tonne, dann wären das für ein Einfamilienhaus 300 Euro im Jahr. Das ist genau die gleiche Summe, die ich eben genannt habe, die eine Familie jetzt schon am Beginn erhalten könnte, wenn man dieses System einführen würde. Das heißt, dann kann die Familie in den nächsten Jahren ihr Haus auf eine CO2-freie Heizung umstellen. Das ist doch dann der richtige Weg.
Bei anderen Produkten ist das Ganze noch eklatanter. Viele von uns haben hier ein iPhone liegen. Ein iPhone würde 15 Euro teurer sein. Ich glaube, bei dem Preis, was die Geräte sonst kosten, sollte das Ganze uns das wert sein. Ich glaube, das ist in den nächsten Jahren machbar.