Protocol of the Session on April 20, 2016

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Da sind wir aber mal gespannt!)

Die Gewerkschaften und die Landesregierung haben vereinbart, dass bis zum Jahre 2020 im Rahmen der Schuldenbremse insgesamt 10 Prozent, 2.400 Stellen im Landesdienst abgebaut werden. Von diesen 2.400 Stellen entfallen rund 300 auf den Bereich der Polizei. Die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei soll - orientiert am Abbau der Stellen zwischen 80 und 100 Anwärtern betragen. Damit wollen wir die schwierige Altersstruktur der Polizei viele Polizeibeamte sind über 50 Jahre alt - verändern und die Polizei insgesamt verjüngen.

Auch wenn einige es nicht mehr hören wollen: Aufgrund der verfehlten Einstellungspolitik in den Neunzigerjahren fehlt uns eine ganze Generation innerhalb der Polizei. Deshalb haben wir viele junge und ältere Polizeibeamte, die mittlere Generation aber

fehlt. Das führt auch dazu, dass in den nächsten Jahren viele Polizeibeamte in den Ruhestand gehen werden.

Durch die vereinbarten Neueinstellungen zwischen 80 und 100 Anwärterinnen und Anwärtern soll schnellstmöglich eine Verjüngung erfolgen. Die ausscheidenden Beamtinnen und Beamten werden durch jüngere und unter Umständen auch vielseitiger verwendbare Beamtinnen und Beamte ersetzt werden. Ziel war es, entsprechend der Schuldenbremse den Polizeikörper um die besagten 300 Personen zu verkleinern.

Nun ist die Welt seit Abschluss dieser Vereinbarung nicht stehen geblieben. Die Sicherheitslage hat sich extrem verändert. Terroranschläge, die Flüchtlingssituation, die immer verstärkter auftretende Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte und andere Sicherheitskräfte erfordern ein ständiges Überdenken der Gesamtsituation. Über 250.000 Überstunden bei der Polizei,

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : 260.000!)

auch wenn sie größtenteils vergütet wurden und erklärbar sind, und ein hoher Krankenstand zeugen davon, dass unsere Polizei an Grenzen stößt. Aus diesem Grund haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen beziehungsweise auf den Weg gebracht, die die Arbeit der Polizei unterstützen, erleichtern und effektiver machen sollen. Für diese Maßnahmen haben wir aber weder die LINKEN noch die GRÜNEN mit ihrem heutigen Antrag gebraucht.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Wir haben doch gar keinen Antrag gestellt!)

Es ist schon ein Treppenwitz, wenn sich gerade GRÜNE und LINKE als Hüter der Interessen der Polizei aufspielen. Ich bin 17 Jahre im Landtag. In den vergangenen 17 Jahren, die ich dem Parlament angehöre, sind diese beiden immer damit aufgefallen, dass sie versucht haben, wann immer eine vermeintliche Verfehlung seitens der Polizei in den Medien auftauchte, diese zu skandalisieren und dem Landtag darüber berichten zu lassen. Ich habe in den gesamten 17 Jahren nicht ein einziges Mal erlebt, dass LINKE oder GRÜNE einen Bericht von der Landesregierung angefordert hätten, in dem es um Gewalt oder Angriffe gegen unsere Polizeibeamten gegangen wäre. Das habe ich niemals erlebt. Grundsätzlich war das immer die Aufgabe der CDU und in den letzten Jahren der Koalition. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Polizeibeamtinnen und -beamten nicht blenden lassen und wissen, was sie an der Koalition von CDU und SPD in diesem Lande haben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Was machen wir? - Innenminister Bouillon hat es als die größte Nachpersonalisierung im Bereich der saarländischen Sicherheitsbehörden seit 20 Jahren bezeichnet. Das ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber immerhin: Es steckt einiges an Wahrem drin. Das Innenministerium hat in Zusammenarbeit mit der Führung der saarländischen Polizei ein Konzept erarbeitet, das insbesondere eine personelle Aufstockung im Bereich der saarländischen Polizei sowie des Landesamtes für Verfassungsschutz vorsieht.

Was ist das im Einzelnen? - Da möchte ich, Herr Kollege, die viel gescholtene Schaffung des sogenannten Polizeilichen Ordnungsdienstes mit 30 Personen erwähnen. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Sicherheitslage und der Belastung der Vollzugspolizei bedarf es einer schnellen Entlastung der Vollzugspolizei bei Aufgaben, zu deren Bewältigung nicht unbedingt eine voll ausgebildete Kommissarin oder ein voll ausgebildeter Kommissar notwendig ist. Diese Personen des Polizeilichen Ordnungsdienstes sind Hilfspolizeibeamte, sie können die Vollzugspolizei beim Objektschutz, bei Wachaufgaben, bei der Verkehrsüberwachung sowie bei der Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer unterstützen.

Mit dem Polizeilichen Ordnungsdienst soll die Vollzugspolizei für originäre polizeiliche Aufgaben freigestellt sowie die Polizeipräsenz in der Fläche gestärkt werden. Man muss dabei wissen: Bis ein Polizeikommissaranwärter ausgebildet ist und im Dienst eingesetzt werden kann, vergehen vier Jahre. Das ist richtig. Innerhalb von drei Monaten - so lange dauert diese Ausbildung - kann durch den Polizeilichen Ordnungsdienst eine spürbare Entlastung der Vollzugspolizei erfolgen, also kurzfristig.

Darüber hinaus werden wir im Bereich des Landespolizeipräsidiums insgesamt 15 Tarifbeschäftigte, darunter eine Islamwissenschaftlerin oder einen Islamwissenschaftler, befristet auf zwei Jahre neu einstellen. Dies entlastet die Vollzugspolizei ebenfalls teilweise von polizeilichen Einsatzaufgaben. Damit wird zusätzlich ein Abziehen aus der Fläche verhindert.

Wir binden weiterhin 20 pensionierte Polizeibeamte auf 450-Euro-Basis beim Objektschutz und bei Wachaufgaben mit in die Polizeiarbeit ein. Wir verlagern vier Polizeibeamtinnen oder -beamte aus dem Bereich des Landespolizeipräsidiums in das Landesamt für Verfassungsschutz. Diese werden im Bereich operative Informationsbeschaffung eingesetzt. Hinzu kommt noch ein weiterer Beschäftigter im Bereich „Grundsatz und Auswertung“. Damit wird das Landesamt für Verfassungsschutz personell aufgestockt, um weiter aktiv in der Terrorbekämpfung tätig bleiben zu können. Bei den Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärtern werden in den Jahren

2016/2017 jeweils zehn zusätzliche Stellen geschaffen. Demnach werden in 2016 und 2017 jeweils 90 anstatt der vorgesehenen 80 Anwärter eingestellt.

Dieses gesamte Sicherheitspaket kostet uns zusätzlich 5 Millionen Euro, ein großer Betrag für ein Haushaltsnotlageland. Jeder Euro, meine Damen und Herren, der in die Sicherheit unseres Landes gesteckt wird, ist ein gut angelegter Euro.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bin sicher, dass dieses Konzept deutlich zur Stärkung der Einsatzfähigkeit und zur Entlastung unserer Beamtinnen und Beamten und zur Sicherheit unserer Bevölkerung beiträgt. Die Sicherheit der Menschen in unserem Land und die Sicherheit unserer Polizeibeamtinnen und -beamten selbst haben bei uns oberste Priorität.

Aus diesem Grund haben wir nicht zuletzt zur Eigensicherung durch die Änderung des Polizeigesetzes die Einführung von Körperkameras ermöglicht. Gemessen an den Einwohnerzahlen steht das Saarland nämlich nach den Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg mit an der traurigen Spitze, was den Widerstand gegen Polizeibeamte angeht. Im Jahr 2014 waren über 1.100 Polizistinnen und Polizisten betroffen. Wir erhoffen uns von der Einführung der Kameras eine deeskalierende und auch abschreckende Wirkung. In anderen Bundesländern, in denen die Kameras bereits eingeführt sind, haben sich Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte um 40 Prozent reduziert. Wir hoffen natürlich, dass dies im Saarland auch der Fall sein wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir machen sehr viel, was die Sicherheit unseres Landes stärkt. Wir stehen zu unserer Polizei. Wir geben ihr die notwendige Sicherheit, dass der Staat und die verantwortliche Politik hinter der Polizei und ihrem Handeln stehen. Auch das war nicht immer so in diesem Lande und das gilt auch nicht für alle in diesem Parlament, behaupte ich. Die Verantwortlichen in diesem Lande stehen zur Polizei, hier wiederhole ich mich gerne noch einmal.

Ich vermag heute nicht mit Sicherheit zu sagen, dass das, was bisher geschehen ist und was wir vorhaben, ausreicht, um unsere Probleme und die Probleme der Polizei zu lösen. Die Situation wird sich aber mit Sicherheit verbessern. Ich vermag auch nicht zu sagen, ob es für alle Zeiten bei der Einstellungszahl 90 bleiben wird. Niemand kann im Moment die Entwicklung abschätzen und sagen, wie in Anbetracht der Krisenherde in der Welt und der noch zu erwartenden Flüchtlingsströme die Zukunft aussieht, auch nicht, welche Probleme auf uns zukommen werden.

(Abg. Becker (CDU) )

Wir würden doch alle sofort der Einstellung von 120 Polizeibeamtinnen und -beamten jährlich zustimmen, wenn die Haushaltslage es erlauben würde, das ist doch keine Frage! Aber wir haben eine Gesamtverantwortung für dieses Land und können es uns leider Gottes nicht so leicht machen, wie es die Opposition im Moment tut. Dennoch kann ich für meine Partei und, denke ich, für die Regierungskoalition insgesamt versprechen, dass wir hier alles genau im Auge behalten werden. Wenn es notwendig wird, werden wir auch an der einen oder anderen Stelle nachsteuern. Wir müssen und werden da flexibel bleiben.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Hört, hört!)

Hör, hört! - Ich möchte zum Schluss nur alle, die zurzeit populistisch nach mehr Polizei schreien, auffordern, dann, wenn es darum geht, die Polizei auch mit dem notwendigen sachlichen und rechtlichen Rüstzeug auszustatten, ebenfalls zuzustimmen. Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, verbesserte Eingriffsrechte der Polizei sind kein Teufelszeug, sondern sie dienen letztendlich der Polizei und den Ermittlungsbehörden und erhöhen die Sicherheit in unserem Land. Was nutzen uns 1.000 Polizeibeamte mehr, wenn wir sie nur mit Wattebäuschchen ausstatten?

(Vereinzelt Heiterkeit.)

Seien Sie, Kolleginnen und Kollegen der Opposition, einmal etwas zurückhaltender mit Ihren Äußerungen wie „Polizei- und Überwachungsstaat“ und „Hoch lebe der Datenschutz“, der immer mehr zum Verbrecherschutz wird.

(Zurufe der Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜ- NE) und Huonker (DIE LINKE).)

Helfen Sie mit, dass die Polizei auch Polizei sein kann zum Schutze unseres Landes und der Menschen, die hier leben. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Jasmin Maurer von der Fraktion der PIRATEN.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Wir stimmen mit den Forderungen der GRÜNEN überein, den weiteren Stellenabbau bei der saarländischen Polizei auszusetzen und jährlich 110 Kommissaranwärterinnen und -anwärter einzustellen.

Ich möchte noch einmal betonen: Es ist mit keinem Wort seitens der Opposition gesagt worden, dass

wir hier in einem polizeilichen Überwachungsstaat leben. Da möchte ich doch einfach mal darum bitten, Herr Becker, bei der Wahrheit zu bleiben.

(Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN.)

Die Polizei muss heute immer komplexere Aufgaben bewältigen, während eine umfassende Entlastung von Arbeitsabläufen und ein sinnvoller Einsatz von Technologie zur Reduzierung von Bürokratie weiterhin auf sich warten lassen. Der Rückzug der Polizei aus der Fläche und fehlende Präsenz im öffentlichen Raum beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Auch die Problematik der Gewalt gegen die Polizeikräfte, Herr Becker, lässt sich nur durch eine Verstärkung der Einsatztruppen kurzfristig beheben, nicht aber durch solche Spielereien wie die Bodycams.

Der Berg von mehr als 260.000 Überstunden lässt keinen anderen Schluss zu, als dass die Polizeibeamtinnen und -beamten über Gebühr belastet sind. Vor diesem Hintergrund können wir auch dem „Alles-ist-supi“-Antrag der Großen Koalition nicht zustimmen.

(Heiterkeit bei der LINKEN und Zuruf: Genau!)

Leider hat aber auch der Antrag der GRÜNEN einen Schwachpunkt, auf den ich noch eingehen möchte. Nicht wegen der Forderung, die unterstützen wir und deshalb stimmen wir auch zu, aber wegen der unredlichen Panikmache im ersten Absatz. Eine solch unreflektierte Instrumentalisierung von Terroranschlägen zur Untermauerung sicherheitspolitischer Forderungen ist man sonst ja eher aus der konservativen Ecke gewöhnt. Also, noch einmal zu den Fakten. Betrachten wir die Anzahl der Opfer von Terrorismus in Europa über die letzten Jahrzehnte, so liegen sie auch nach den Anschlägen von Paris noch weit unter den Opferzahlen der Siebziger-, Achtziger- und frühen Neunzigerjahre.

(Zuruf.)

Ich nenne diese Fakten nicht, um irgendetwas zu beschönigen, Herr Kollege von der CDU. Jedes der 149 Todesopfer 2015 ist ein Opfer zu viel und es gilt, jedes weitere Opfer zu verhindern. Aber Panikmache hilft hier nicht weiter, sondern nur eine realistische Einschätzung des Bedrohungspotenzials. Oder glauben Sie wirklich, dass Terroranschläge in europäischen Metropolen ein valides Argument dafür sind, die saarländische Polizei zu verstärken? Wohl kaum! Ich möchte die Polizei verstärken, weil wir für echte Sicherheit und für echte Präsenz sorgen wollen. Das Schüren von Terrorangst ist hier im Land genauso ein Problem wie die fehlende Polizeipräsenz.

In einer Zeit, in der Eltern in unserem Bundesland ernsthaft überlegen, ihren Kindern die Teilnahme an einer Klassenfahrt nach Metz zu untersagen wegen

(Abg. Becker (CDU) )

Angst vor Terrorismus, ist eine solche Instrumentalisierung der Ängste höchst unangemessen. Wegen der dennoch richtigen Forderung, hinter der wir stehen, nämlich den Stellenabbau bei der Polizei zu stoppen und jährlich 110 Kommissaranwärterinnen und -anwärter einzustellen, werden wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Der Antrag der Koalition bringt uns in der Sache nicht weiter und muss daher abgelehnt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat nun Günter Waluga von der SPDLandtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Die Themen Polizei und Entwicklung der Einstellungszahlen bei der Polizei werden heute nicht nur wegen dieses Antrages diskutiert, sondern die Diskussion hat schon im vergangenen Jahr bei den Haushaltsberatungen begonnen. Deshalb sind Ihre Forderungen und die Forderungen der Gewerkschaften auch nicht neu. Die Problematik wurde heute von Ihnen als Sonderthema auf die Tagesordnung gesetzt und wir werden auch morgen im Innenausschuss eine Anhörung zum Polizeigesetz haben. Auch hierzu hat die Diskussion eigentlich schon stattgefunden. Ich möchte hier heute deutlich machen, dass das Thema innere Sicherheit bei uns in der Koalition selbstbewusst und ernsthaft angegangen wird und dass bei uns das Thema Sicherheit in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in Zukunft auf der politischen Agenda steht und stehen wird.