Protocol of the Session on October 13, 2015

Ich kann nur an Sie appellieren: Schieben Sie nicht immer wieder den Schulfrieden vor, um nur ja nicht nachjustieren zu müssen. Die Elterninitiative sagt dazu ganz klar, der politische Schulfrieden werde dem Lehrer-, Schüler- und Familienfrieden geopfert. Das müssen Sie ernst nehmen vor dem Hintergrund all dieser berechtigten Kritik.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Es gibt viele Lösungsfacetten, Herr Kollege Schmitt. Ich habe jetzt versucht, Ihnen das zu erklären, aber es hat wahrscheinlich keinen Sinn. Vor dem Hintergrund dieser berechtigten Kritik halten wir es für machbar, an ausgewählten Standorten das G9 am Gymnasium anzubieten. Warum nicht als Modellprojekt in einem Landkreis als zusätzliches G9-Gymnasium? Das muss doch zu schaffen sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Und vergessen wir doch nicht, warum wir heute über dieses Thema reden - weil viele Eltern, Schülerinnen und Schüler eben nicht zufrieden sind und die jetzige Situation gerade nicht als friedlich und erhaltenswert empfunden wird. Eine Wahlfreiheit am Gymnasium ist keine Rolle rückwärts, sondern das ist eine Entscheidung, etwas verbessern zu wollen. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN und den PIRATEN.)

Zur Begründung des Antrages der PIRATEN-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Jasmin Maurer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Oltmanns! Wir sprechen heute zum zweiten Mal über das Thema G8/G9 an saarländischen Gymnasien. Wir sprechen darüber, weil die Bürgerinitiative „G9 - jetzt!“ im Saarland über 6.000 Unterschriften von unzufriedenen Eltern, Schülern und Lehrern gesammelt hat, die sich eine Rückkehr zum G9 wünschen. Dementsprechend hat es auch im Ausschuss im September eine große Anhörung gegeben. Was

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

aufgefallen ist bei dieser Anhörung: Kein Einziger, aber wirklich kein Einziger hat Gründe für das G8 genannt. Es kamen Gründe wie Schulfrieden, es kamen Aussagen wie, die Gemeinschaftsschulen stünden schlechter da, wenn wir wieder das G9 am Gymnasium einführen. Aber es war kein einziger Grund zu hören, warum G8 die bessere Schulform sein soll.

(Beifall von den PIRATEN und der LINKEN.)

Stattdessen bringt das G8 sehr viele Nachteile für die Schüler mit sich. Der Stundenplan ist verdichtet, es bleibt einfach weniger Zeit für die Vertiefung. Die Notenschnitte bleiben gleich, wo man aber auch sieht, dass einfach nur das Niveau herabgesetzt wurde. Das belegt auch die Tatsache, dass an den Universitäten und Fachhochschulen wieder Vorkurse eingeführt werden müssen, vermehrt für die MINT-Fächer, aber auch immer mehr Sprachvorkurse, die keineswegs für ausländische Schüler sind, sondern für deutsche Schüler, die in Französisch und Englisch noch mal nachgebildet werden müssen, bevor sie studieren können. Alleine dies zeigt, dass das G8 eindeutig der falsche Weg ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von den PIRATEN.)

Durch die Lehrstoffballung und die damit einhergehende Verdichtung des Unterrichts und vor allem durch den längeren Unterricht und das längere Lernen am Nachmittag fehlt sehr vielen Jugendlichen Zeit. Es fehlt Zeit zum Beispiel für das Ehrenamt, für THW und Feuerwehr, was viele Gemeinden mittlerweile beklagen. Es fehlt Zeit für Hobbys, es fehlt einfach Zeit für die persönliche Entwicklung. Das ist in meinen Augen fast noch wichtiger als die Schulbildung, dass Kinder sich außerschulisch weiterbilden, dass Kinder sich außerschulisch entwickeln. Das fehlt hier einfach.

Schauen wir in andere Bundesländer. Schauen wir doch einmal nach Hessen. Dort gibt es einen CDUMinisterpräsidenten. Im Schuljahr 2013/2014 wurde dort die Erlaubnis für G9 wieder eingeführt. Im aktuellen Schuljahr 2015/2016 bieten nur noch 20 von 221 überhaupt G8 an. So sieht man, dass dort G9 von den Eltern bevorzugt wird. Es wird so stark bevorzugt, dass G8 kaum noch angeboten wird. In Niedersachsen sind im letzten Schuljahr alle Gymnasien zu G9 zurückgekommen.

Kommen wir zum Argument, die Gemeinschaftsschule sei davon abhängig, dass es an Gymnasien G8 gibt. Überall heißt es, wenn wir an Gymnasien die Wahlmöglichkeit einführen oder zu G9 zurückkehren, dann würden die Gemeinschaftsschulen aussterben und um ihr Leben kämpfen müssen. Wenn wir die Schularten miteinander vergleichen, stellen wir fest, dass es völlig verschiedene Schularten sind. Die Gemeinschaftsschule vermittelt eine

grundlegende und vertiefte Bildung mit vielen verschiedenen Schwerpunkten - je nach Schulmodell. Am Gymnasium wird eine vertiefte Allgemeinbildung vermittelt. Es sind zwei verschiedene Schulformen, zwischen denen die Eltern wählen sollen. Das betrifft die Schulform und das Modell und nicht die Zeit, wie lange die Schüler dort lernen. Darauf kommt es mittlerweile immer mehr an. Viele Eltern entscheiden sich dafür, wie lange sie ihr Kind an einer Schule lassen können und nicht mehr nach Modell, wie es ursprünglich eigentlich sein sollte.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Mein Kollege Klaus Kessler hat eben gesagt, Gymnasien mit neun Jahren zum Abitur können sich negativ auf Gemeinschaftsschulen auswirken. Ja, sie können, sie müssen es aber nicht. Ich sage sogar, es ist eine Abwertung der Gemeinschaftsschule, wenn man sagt, dass die Gemeinschaftsschulen Probleme haben, wenn man an den Gymnasien wieder zu G9 zurückkehrt, denn die Gemeinschaftsschulen sind nicht davon abhängig, hier mit der Schulzeit über den Gymnasien zu stehen. Die Gemeinschaftsschulen sind sehr gute Schulen. Die können das durchaus mit einem gut durchdachten Konzept, mit dem sie die Schüler und die Eltern überzeugen, sehr gut halten.

Natürlich wollen wir auch nicht die Rolle rückwärts, wir wollen nicht einfach so zurück zu G9. Nein, auch wir wollen, dass sich die Schule weiterentwickelt. Aber wir wollen nun einmal den bestmöglichen Unterricht an allen Schulformen. Das heißt, sowohl Weiterentwicklung der Gemeinschaftsschule und der beruflichen Oberstufen als auch Weiterentwicklung des Gymnasiums, denn auch mit G9 kann man am Gymnasium noch sehr viel verbessern. Vorschläge haben wir eben bereits genug gehört.

Wir werden den Antrag der Großen Koalition natürlich ablehnen. Beim Antrag der GRÜNEN werden wir uns enthalten, weil wir durchaus sehen, dass sehr viele gute Schulentwicklungsmaßnahmen enthalten sind. Beim Antrag der LINKEN enthalten wir uns auch. Ich bitte um Zustimmung für unseren Antrag.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete der CDU-Landtagsfraktion Gisela Rink.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zunächst in aller Deutlichkeit sagen, dass wir hier im Saarland leben, und im Saarland wird kein Kind gezwungen oder genötigt, sein Abitur in acht Jahren zu absolvieren. Wir bieten die Wahlmöglichkeit an. Wir haben einen Weg, das Abitur in

(Abg. Maurer (PIRATEN) )

acht Jahren zu absolvieren. Wir haben einen guten Weg, das Abitur in neun Jahren zu absolvieren. Und wir haben auch nicht das Ziel, dass alle Kinder im Saarland Abitur müssen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Viele Schüler gehen ihren Weg in den Beruf auch über einen mittleren Bildungsabschluss und über einen Hauptschulabschluss. Ich schaue den Kollegen Bernd Wegner an. Gerade das Handwerk ist froh über gute Hauptschüler, die allerdings leistungsbewusst sind und die sich auf den Weg machen, sich weiterzubilden. Ich glaube, eines ist ganz wichtig: Wir brauchen für jedes Kind hier im Land den für es besten Weg, individuell das zu erreichen, was für das Kind das Beste ist - den bestmöglichen Schulabschluss. Wir brauchen aber auch die Durchlässigkeit. Deshalb werbe ich dafür, dass wir eine Gemeinschaftsschule haben, die in neun Jahren zum Abitur führt und die diese Durchlässigkeit hat.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Aber für viele Kinder ist das neunjährige Gymnasium der beste Weg.)

Sie sagen das. Aber, Herr Kollege Hilberer, nun komme ich genau zu unserem Antrag. Wenn Sie diese Anhörung wirklich verfolgt hätten,

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Ich war da)

und gehört hätten, wie vor allen Dingen die Anzuhörenden mit diesem Thema umgegangen sind, dann dürften Sie jetzt nicht zu dem Schluss kommen, dass wir hier im Saarland ein G9 am Gymnasium brauchen und dass das der beste Weg ist. Ich muss Ihnen sagen: Dann haben Sie entweder die Stellungnahmen, die fast alle schriftlich vorliegen, falsch verstanden oder nicht gelesen. Die Anhörung hat etwas völlig anderes dargelegt. Ich muss sagen, die Anhörung hat bestätigt, dass wir hier auf einem guten Weg sind.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zuruf von den Oppositionsfraktionen.)

Kollegin Gisela Kolb hat es bereits gesagt. Wir haben hier im Mai einen Antrag der Großen Koalition vorgelegt mit dem Titel: Den Schulfrieden wahren Gemeinschaftsschulen weiter stärken - Qualitätsverbessernde Maßnahmen in den Gymnasien vorantreiben. Ich glaube, das sind die drei zentralen Punkte, die uns wichtig sind. Diesen Punkten stellen wir uns. Frau Kollegin Spaniol, wenn ich sage „den Schulfrieden wahren“, so glaube ich, Sie haben mit uns einmal vereinbart, dass wir keine Strukturdebatten führen und den Schulfrieden wahren. Ich glaube, zumindest wir fühlen uns diesem Punkt verpflichtet.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Kugler (DIE LINKE) : Aber wenn doch die Eltern kommen und das Gespräch wollen!)

Entschuldigen Sie bitte. Wenn die Eltern das Gespräch wollen, dann darf ich feststellen, dass wir dieses Gespräch doch geführt haben. Wir haben den Dialog mit den Eltern geführt. Wir haben den Dialog mit den Verbänden geführt. Das Ergebnis ist doch ganz klar. Wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefällt, dann tut es mir leid. Das kann ich nicht ändern. Aber im Ergebnis - das können Sie in unserem Antrag lesen - war die Haltung der Lehrer, Eltern und Schülervertretung einhellig: Keine Rückkehr zu G9, aber auch keine Wahl zwischen G8 und G9 an einem gymnasialen Schulstandort. Ich kann Ihnen nachher gerne noch einmal die Stellungnahme vorlesen, in der dieser Satz genau so drinsteht.

Vielmehr wurden Qualitätsverbesserungen im Unterricht sowie eine Optimierung im Bereich der gymnasialen Oberstufe gefordert. Auch solchen Sätzen fühlen wir uns verpflichtet. Wir sagen Ja zu Qualitätsverbesserungen - das sage ich ausdrücklich nicht nur am Gymnasium, sondern auch in unserem Zwei-Säulen-System an der Gemeinschaftsschule. Ich glaube nämlich, das hat Herr Kollege Kessler eben deutlich gemacht, dass wir hier ein sehr gutes Zwei-Säulen-System haben. Herr Kollege Kessler, ich gebe Ihnen recht, dass uns manche Bundesländer um dieses Zwei-Säulen-System beneiden. Das ist auch gut so. Man kann ja auch einmal auf das kleine Saarland schauen.

Sie selbst sagten es ja: Wir haben ein leistungsfähiges und modernes Schulsystem. Ich glaube, es ist auch stimmig. Schüler und Eltern haben die Wahlfreiheit. Kein Kind muss, um sein Abitur zu absolvieren, aufs Gymnasium gehen und acht Jahre dort arbeiten. Wir haben bei der Gemeinschaftsschule mehrere Möglichkeiten, das Abitur nach neun Jahren zu machen. Wir haben Gemeinschaftsschulen mit eigenen Oberstufen. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, da können wir noch ein bisschen nacharbeiten, auch bei den Oberstufen. Bei den Gemeinschaftsschulen wird es eine Weiterentwicklung geben. Da kann man noch einmal genau hinschauen. Wir haben auch jetzt schon - das sage ich ganz deutlich - Kooperationsmöglichkeiten. Wir haben Kooperationen der Gemeinschaftsschulen mit anderen Gemeinschaftsschulen. Wir haben Kooperationen mit Gymnasien. Durch den Besuch von Oberstufengymnasien oder beruflichen Gymnasien haben die Schüler auch die Möglichkeit, das Abitur zu erwerben.

Frau Spaniol, wenn Sie das so hingestellt haben, die Eltern wüssten ja nicht, wo ihr Kind das Abitur macht, wenn sie ihr Kind auf der Gemeinschaftsschule anmelden, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dies verstehe ich nicht. Eltern, die sich darüber informieren, wissen bei einem Schulwechsel genau, welche Kooperationsmöglichkeiten es gibt und wie der Weg vorgegeben ist.

(Abg. Rink (CDU) )

(Zuruf der Abgeordneten Spaniol (DIE LINKE).)

Das ist kein Riesenproblem, Frau Kollegin Spaniol. Sie können es zum Riesenproblem machen, natürlich.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Sie haben doch auch die Mail bekommen! - Zuruf der Abgeordneten Kugler (DIE LINKE).)

Es gibt Informationsbroschüren, es gibt Informationen vor Ort, es gibt die Vorbereitungsabende bei einem Schulwechsel. Eltern informieren sich schon, welche Möglichkeiten es gibt. Dieses Angebot besteht hier. Es ist ein stimmiges System. Wenn Sie die Stellungnahmen lesen, dann wird Ihnen das auch bestätigt. Ich habe hier die Stellungnahme vom VLW. Dort steht ganz klar, dass es eine echte Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 gibt. Es wird ausdrücklich dargelegt, wie viele berufliche Oberstufengymnasien es im flächendeckenden Konzept gibt.

(Lachen und Sprechen bei der LINKEN.)

Ich nenne auch die Landeskonferenz der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Lesen Sie deren Stellungnahme. Auf Seite 2 oben steht, dass mit der Alternative über Gemeinschaftsschule beziehungsweise Oberstufengymnasium bereits eine Wahl besteht. Eine zusätzliche, neue Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 an einem Gymnasium wird nicht empfohlen. - So weit die Stellungnahme der Landeskonferenz der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Ich könnte Ihnen weitere Stellungnahmen vorlesen. Ich glaube, wir haben uns im Ausschuss wirklich sehr intensiv mit dieser Problematik befasst. Wir haben in einer ganztägigen Anhörung beraten. Man kann uns nicht den Vorwurf machen, dass wir uns mit diesem Thema nicht intensiv befasst hätten.

(Anhaltendes Sprechen bei den Oppositionsfrak- tionen.)

Wir sagen ganz deutlich und das haben wir mit der Verfassungsänderung mit Ihnen, Frau Kollegin Spaniol, 2011 auf den Weg gebracht: Schulfrieden sichern, Strukturdebatten beenden, langfristige Absicherung der Schulformen. Jetzt kommt das ganz Wichtige: Konzentration auf inhaltliche Arbeit und Qualitätsverbesserung.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das sehen wir anders. Was Sie machen, ist weder Strukturverbesserung noch irgendetwas anderes.)

Lassen Sie mich zu den Qualitätsverbesserungen kommen. Das G8 von heute ist nicht mehr das G8, das es am Anfang war. Es ist nicht mehr das G8 der Startphase. Das sage ich auch als jemand, der es mit auf den Weg gebracht hat. Es wäre auch traurig, wenn wir G8 auf den Weg gebracht hätten und es im Laufe der Jahre nicht entwickelt und keine Verände

rungen durchgeführt hätten. Wir haben schon oft über Lehrpläne diskutiert. Auch Lehrpläne sind nichts Statisches. Sie müssen verändert und angepasst werden.