Protocol of the Session on September 23, 2015

Ich danke Ihnen. - Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, unterbreche ich die Sitzung bis 09.40 Uhr.

(Die Sitzung wird von 09.22 Uhr bis 09.40 Uhr unterbrochen.)

Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 40. Sitzung für heute 09.00 Uhr einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.

Zur heutigen Sitzung darf ich ganz herzlich den Studienkurs V 33 der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes unter Leitung von Herrn Wolfgang Steiner begrüßen. Seien Sie uns herzlich willkommen.

(Beifall des Hauses.)

Die Ministerpräsidentin hat dem Landtag mit Schreiben vom 17. Juli 2015 die Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik übermittelt. Da die Landesregierung den Landtag gemäß Art. 95 Abs. 2 über wichtige Vereinbarungen unterrichten muss, habe ich das Abkommen den Mitgliedern des Hauses übersenden lassen.

Wir kommen nun zu Punkt 1 der Tagesordnung:

Verpflichtung eines Abgeordneten

Herr Landtagspräsident Hans Ley ist am 16. Juli 2015 verstorben. Die Landeswahlleiterin hat mit Schreiben vom 29. Juli 2015 mitgeteilt, dass gemäß § 40 des Landtagswahlgesetzes für den Abgeordneten Hans Ley Herr Hans-Gerhard Jene, Merchweiler, als Listennachfolger auf dem Kreiswahlvorschlag der CDU im Wahlkreis Neunkirchen in den Landtag des Saarlandes eintritt.

Herr Hans-Gerhard Jene hat sein Mandat am 29. Juli 2015 angenommen.

Der Wahlprüfungsausschuss hat die Mandatsnachfolge in seiner Sitzung am 17. September 2015 geprüft. Gegen die Feststellung, dass Herr Abgeordneter Hans-Gerhard Jene als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Hans Ley in den Landtag eingetreten ist, hat sich kein Widerspruch erhoben. Erhebt sich gegen die Feststellung der Landeswahlleiterin und des Wahlprüfungsausschusses Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.

Zur Verpflichtung bitte ich das neue Mitglied des Landtages, zu mir heraufzukommen. Die Mitglieder des Hauses und die Zuhörer bitte ich, sich von ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plät- zen.)

Nach Artikel 66 der Verfassung sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.

Herr Abgeordneter Hans-Gerhard Jene, ich verpflichte Sie hiermit auf die gewissenhafte Ausübung der sich aus Ihrem Mandat ergebenden Pflichten. Herzlichen Glückwunsch und eine gute Amtsführung.

Danke schön.

(Beifall des Hauses.)

Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Wahl eines Direktors beim Rechnungshof des Saarlandes

Der Direktor beim Rechnungshof Titus Loch ist im vergangenen Monat in den Ruhestand getreten. Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 der Verfassung des Saarlandes wählt der Landtag die Mitglieder des Rechnungshofes.

Das Präsidium hat in seiner Sitzung am 17. September 2015 Herrn Dr. Frank Finkler zur Wahl zum Direktor beim Rechnungshof vorgeschlagen. Ich habe gemäß § 8 Abs. 2 des Rechnungshofgesetzes die Landesregierung und den Präsidenten des Rechnungshofes gehört. Beide haben keine Bedenken zur vorgeschlagenen Wahl mitgeteilt. Die Wahl findet gemäß § 8 Abs. 1 des Rechnungshofgesetzes geheim und ohne Aussprache statt.

Ich darf zum Wahlverfahren auf Folgendes hinweisen. Ich bitte Sie, sich nach dem Namensaufruf in Raum 30 zu begeben, wo Ihnen ein Wahlzettel und ein Umschlag ausgehändigt werden. Der Wahlzettel ist in der Wahlkabine auszufüllen und in den Umschlag zu stecken. Gültig sind nur die Wahlzettel, auf denen die Stimmabgabe im Kreis eindeutig gekennzeichnet ist. Ich bitte, den Umschlag mit dem darin liegenden Wahlzettel in die Wahlurne einzuwerfen.

Wir kommen zur Wahl. Ich darf die Schriftführer bitten, die Namen der Abgeordneten aufzurufen.

(Die Schriftführer rufen die Namen der Abgeord- neten auf.)

Ich bitte um Mitteilung, ob ein Mitglied des Hauses nicht aufgerufen worden ist? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Stimmabgabe und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung der Stimmen zu beginnen.

(Die Schriftführer zählen die Stimmen aus.)

Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Für Herrn Dr. Frank Finkler als Direktor beim Rechnungshof wurden 49 Stimmen abgegeben, davon 36 Ja-Stimmen, vier Nein-Stimmen, acht Enthaltungen und eine ungültige Stimme. Damit ist Herr Dr. Frank Finkler als Direktor beim Rechnungshof gewählt.

(Anhaltender Beifall.)

Ich spreche Ihnen die Glückwünsche des Hauses aus und wünsche Ihnen eine gute Amtsausübung bei dieser nicht einfachen Aufgabe.

Ich erteile nun Frau Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung zum Thema

„Menschen helfen, Herausforderungen meistern, Chancen nutzen - die Integration von Flüchtlingen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Ich darf mich zuerst einmal bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus dafür bedanken, dass sie entgegen der sonstigen Gepflogenheiten Verständnis dafür haben, dass diese Regierungserklärung heute nicht schriftlich vorgelegt worden ist. Das ist einfach der Tatsache geschuldet, dass wir zurzeit eine Entwicklung haben, die sich im wahrsten Sinne des Wortes im Fluss befindet, und dass sich Zahlen, Fakten und Entscheidungen sehr schnell ändern. Um ein möglichst aktuelles Bild zu geben, haben wir uns im Präsidium darauf verständigt, dass diese Regierungserklärung heute ohne schriftliche Vorlage erfolgen kann.

Damit sind wir eigentlich schon mitten im Thema. Es sind die Bilder, die allabendlich über die Bildschirme zu uns in die Häuser und Wohnungen kommen, die das Bewusstsein zurzeit prägen. Es sind Bilder von Menschen, die sich aus ihrer Heimat auf den Weg gemacht haben, die in eine bessere Zukunft flüchten, weil sie verfolgt und bedroht werden. Es gibt Bilder von der ganz unterschiedlichen Aufnahme dieser Menschen in den unterschiedlichen Staaten Europas und es gibt diese Bilder von zahllosen Menschen, die sich auf den Weg hierher zu uns machen. Und es gibt auch Bilder - auch das will ich deutlich sagen -, die viele Menschen bei uns ängstigen. Auch das gehört zur realistischen Betrachtung dazu.

Die Entwicklung wird deutlich, wenn wir uns die Situation in unserem Land vergegenwärtigen. Als wir vor der Sommerpause über dieses Thema im Landtag geredet haben, hat der Innenminister Zahlen genannt. Wir sind damals davon ausgegangen, dass wir in diesem Jahr 5.000 Menschen im Saarland aufnehmen werden. Heute, Anfang September, stellen wir fest, dass es jetzt schon über 9.000 sind und der Zustrom hält an. Damit wird deutlich, dass wir vor einer der größten Herausforderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte stehen, und zwar nicht nur im Saarland, sondern in Deutschland und in Europa insgesamt. Ich sage an dieser Stelle für diese Landesregierung ganz klar und deutlich: Unser Ziel ist es, den Menschen, die zu uns kommen, zu helfen und die Herausforderungen und die Chancen zu nutzen, die damit verbunden sind. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir dieses Ziel noch einmal ganz deutlich formulieren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

(Vizepräsidentin Ries)

Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir drei Ebenen. Wir brauchen Europa, wir brauchen Deutschland und wir brauchen unser Land, und wir müssen auf allen drei Ebenen entschlossen und klug handeln, denn nur kluges Handeln schafft in dieser Situation das Vertrauen, das die Menschen in die Institutionen und in uns Politikerinnen und Politiker haben müssen, um mit diesen Herausforderungen fertig zu werden. Ich will an dieser Stelle eines ganz deutlich sagen, weil es an der einen oder anderen Stelle diskutiert worden ist. Wir dürfen bei aller Diskussion nicht die Ursachen vergessen für die Flucht und den Aufbruch der Menschen, die zu uns kommen. Diese Ursachen sind zuerst einmal gesetzt in den Herkunftsländern. Es ist die Schuld derjenigen, die ihr Land in Bürgerkriege treiben, es ist die Schuld von Terrororganisationen wie den Taliban oder von IS, die Menschen im Namen der Religion terrorisieren, verletzen, töten und aus den Häusern vertreiben. Es ist die Schuld derjenigen, die insbesondere in Afrika das Geld in die eigenen Taschen stecken, anstatt ein ordentliches und funktionierendes Gemeinwesen aufzubauen. Das sind die Ursachen und sie müssen klar benannt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Diese Entwicklung zeigt uns aber auch, dass alle diejenigen, die glauben und behaupten, wir hätten in Europa mit all dem nichts zu tun, die glauben und behaupten, wir könnten einen Zaun um Europa ziehen und dann würden wir hier auf der Insel der Glückseligen leben, dass diese Menschen den Leuten nicht die Wahrheit sagen. Europa ist ein Bestandteil dieser Welt. Europa ist eine Wertegemeinschaft, und wir sind immer stolz darauf gewesen, dass wir diese Werte, dass wir auch unsere wirtschaftliche Kraft in andere Teile dieser Welt exportieren. Europa kann und Europa darf sich nicht aus der Welt zurückziehen! Deswegen hat Europa, deswegen haben wir alle miteinander auch eine Verantwortung für das, was um uns herum, was auf anderen Kontinenten geschieht.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Und ja: Europa ist in diesen Tagen herausgefordert, in seiner Funktionalität, vor allem herausgefordert aber in seinen Werten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will keinen Hehl daraus machen, dass Europa bisher in dieser Frage kein gutes Bild abgegeben hat. Ich glaube, auch das gehört zu dem am heutigen Tage zu treffenden Befund dazu. Als es in Europa vor einigen Jahren und bis in die jüngsten Tage hinein um andere Themen ging, als wir über die Wirtschafts- und Finanzkrise diskutiert und gestritten haben, als wir diskutiert und gestritten haben, wie wir unseren Währungsraum, wie wir unsere gemeinsame Währung stabil und zukunftssicher halten können, als wir gestritten und gehandelt haben

mit Blick auf die Probleme in Griechenland, da hat Europa ein gemeinsames Gesicht gezeigt. Da waren die europäischen Institutionen präsent. Da gab es eine Troika, da gab es einen Rettungsschirm, da gab es Krisensitzungen, da gab es auch Änderungen im Regelwerk. Heute, da die Herausforderung keine finanzielle ist, heute, da wir im humanitären Sinne herausgefordert sind, müssen wir feststellen, dass bis in die jüngsten Tage hinein von Europa nur wenig zu sehen und wenig zu hören war. Das ist des Europas, wie wir es uns vorstellen, wie ich es mir vorstelle, nicht würdig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Wir müssen in Europa aufpassen, dass wir nicht den Eindruck erwecken, dass uns eine Währung wichtiger ist als das Leben und das Leid von Menschen. Daher kann ich es nur begrüßen, dass es gestern zumindest für diejenigen, die schon hier sind, die Entscheidung der Innenminister gegeben hat, nach Quoten zu verteilen. Ich kann nur begrüßen, dass es jetzt einen Gipfel der Regierungs- und Staatschefs geben wird. Ich kann nur begrüßen, dass die deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident gemeinsam vor dem Europäischen Parlament auftreten werden. Das alles sind wichtige Schritte, das alles sind wichtige Signale. Sie reichen aber noch nicht aus, und wir sollten, wo immer sich uns die Möglichkeit dafür bietet, dafür kämpfen, dass sich Europa in dieser Frage geschlossen und entschlossen präsentiert und vor allem auch ohne Zeitverzug handelt. Wir sollten dafür sorgen, das wünsche ich insbesondere auch der Bundeskanzlerin, dass deutlich wird: Wir brauchen ein Europa, das hier funktioniert, das hier vor allem auch zu seinen Werten steht. Darauf kommt es jetzt an, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Dieses Europa ist entstanden und ist in all den Jahren gestaltet worden als eine Solidargemeinschaft. Wir erleben das dort, wo von uns gemeinsam, von jedem einzelnen Mitgliedsstaat mit den Mitteln, mit den Steuergeldern, die vor Ort, die von den Menschen in diesem Land erarbeitet werden, Fördertöpfe und Förderprogramme bestückt werden, von denen dann auch im Rahmen eines solidarischen Aktes nach dem Motto „Starke Schultern tragen mehr als schwache“ andere Länder, die diese Mittel brauchen, profitieren.

Diese Solidarität darf aber keine Einbahnstraße sein! Das Prinzip der Solidarität muss, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dann gelten, wenn es um die Lastenverteilung geht. Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich, wohlwissend, dass das mit dem jetzt vorhandenen

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Regelwerk noch nicht möglich ist, aber eben auch mit Blick auf die Zukunft, weil es auch darum geht, dass Europa aus dieser Krise stärker herauskommt, als es hineingegangen ist: Soll Solidarität für die Leistungen und für die Lasten gelten, brauchen wir eine Vereinbarung, wonach diejenigen, die künftig nicht bereit sind, die Lasten solidarisch zu tragen, auch nur in eingeschränktem Maße von den Leistungen profitieren können. Auch das ist notwendig, damit Europa als Ganzes überall, in allen Staaten, akzeptiert wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)