Protocol of the Session on May 20, 2015

(Ministerin Rehlinger)

Der öffentliche Personennahverkehr - das muss man leider konstatieren - ist nach wie vor das Stiefkind saarländischer Politik. Das ist ja auch einer der Gründe - vielleicht sogar der Hauptgrund -, warum wir als Saarland im bundesweiten Vergleich irgendwo am unteren Ende der Skala gehandelt werden. Der Grund ist, dass unsere Gesetzgebung schlichtweg von gestern, um nicht zu sagen von vorgestern ist. Sie stammt nämlich aus den Neunzigerjahren. Sie ist verstaubt, sie ist in die Jahre gekommen. Sie ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Sie muss, das wissen Sie, reformiert werden.

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Deshalb ist auch das Gesetz, das wir als GRÜNE hier vorgelegt haben, keine neue Kreation von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Saarland. Nein, wir haben uns orientiert an Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen, die von SPD oder CDU regiert werden, zusammen mit den GRÜNEN, aber immer regiert von Ihren Parteien. Also so falsch - auch aus Ihrer parteipolitischen Brille - können die Gesetze dort nicht sein, da sie dort einen deutlich besseren öffentlichen Personennahverkehr bereitstellen. Ich wiederhole noch einmal: Es geht hierbei nicht um die Finanzierung.

Bis zum heutigen Tage - um einmal ein Beispiel zu nennen - haben wir im Saarland keinen echten Verkehrsverbund. Wir haben lediglich einen Tarifverbund. Der wird allerdings mit dem Etikett Verkehrsverbund bezeichnet. Aber das geschieht dann mehr aus Marketinggründen, weniger aus einer realistischen Betrachtungsweise heraus. Das wäre so, als wenn man ein Auto mit abgefahrenen Bremsbelägen, verbogenem Fahrwerk und rostiger Radaufhängung mit einem neuen Lack versieht und dann sagt, das ist ein neues Auto. Das ist so wenig ein neues Auto wie dieser Verkehrsverbund im Saarland ein Verkehrsverbund ist.

(Beifall von B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Frau Ministerpräsidentin, konkret heißt das, der Tarifverbund, der an den Lagerfeuern der Landesregierung so gerne Verkehrsverbund genannt wird, ist zerklüftet.

(Sprechen bei den Regierungsfraktionen.)

Die Anschlüsse stimmen oft nicht, die Preisstruktur stimmt oft nicht. Das gesamte Angebot ist einfach nicht Stand der Dinge. Zur Entschuldigung kann man natürlich anführen, mit dem Gesetz, das wir heute haben, geht das auch nicht. Das stimmt, mit diesem Gesetz geht das wirklich nicht. Aber genau darüber, meine sehr verehrten Damen und Herren, reden wir heute auch. Wir brauchen ein neues, ein modernes Gesetz.

Im Saarland gibt es beim ÖPNV - das muss man sich klarmachen - noch nicht einmal so etwas wie ei

ne übergeordnete Planung. Es gibt kaum eine vergleichbare Region der Republik, die in diesem Bereich so archaisch vorgeht. Jeder Landkreis plant munter vor sich hin. Eine effiziente Bereitstellung von ÖPNV-Leistungen gibt es im Saarland selten. Ich will nicht sagen, dass es sie nicht gibt, aber es gibt sie selten. Bestes Beispiel ist der Verkehrsentwicklungsplan. Der Verkehrsentwicklungsplan stammt aus dem Jahr 1997 und ist bis heute nicht reformiert worden. Wir hätten es in unserer Regierungszeit getan, aber wir kamen nicht mehr so weit; es ist schade.

(Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Herr Meiser, grummeln Sie nicht rum, besser jetzt stillhalten!

(Abg. Meiser (CDU) : Sie waren jahrelang in der Regierung!)

Ja, sicher, wir waren jahrzehntelang in der Regierung, erinnern Sie sich! - Das Hauptproblem beim ÖPNV im Saarland liegt in der völlig zerklüfteten Struktur, in den völlig falsch verteilten Kompetenzen und in den Finanzmitteln, die von den falschen Ebenen verteilt werden. Alle diese Dinge - um es mal vereinfacht auszudrücken - sind auf verschiedene Ebenen verteilt, genau das ist das Kernproblem des ÖPNV-Gesetzes im Saarland.

Das Geld kommt vom Land. Das Land hat aber keine Zuständigkeiten beim ÖPNV und keine Kompetenzen. Die Zuständigkeiten liegen bei den Landkreisen, aber die Landkreise können das Geld nicht verteilen und haben keine Kompetenzen. Die Kompetenzen für den ÖPNV liegen bei der VGS. Aber die VGS hat keine Zuständigkeiten und kein Geld. Das ist die Organisation des ÖPNV im Saarland. Das ist das Kernproblem und das muss geändert werden. Diese Zuständigkeit kann man auch guten Gewissens einen Gordischen Knoten nennen.

(Beifall von der LINKEN.)

All das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern. Wir wollen Finanzmittel, Zuständigkeiten und Kompetenzen zusammenführen. Wir wollen sie zusammenführen in einem neuen Zweckverband Personennahverkehr Saarland, ZPS. Den ZPS gibt es allerdings schon, das ist ein ganz kleiner Verband ohne die nötigen Kompetenzen, ohne das nötige Geld.

Was wir als GRÜNE wollen, ist das, was NRW macht, was Hessen macht, was Rheinland-Pfalz macht. Wir wollen einen öffentlichen Personennahverkehr aus einem Guss, einen Personennahverkehr, der attraktiv ist für die Menschen im Saarland, einen ÖPNV, bei dem es auch akzeptable Anschlüsse gibt - nicht dass die Leute manchmal wer weiß wie lange an den Haltestellen stehen müssen und es kommt einfach kein Bus oder kein Zug, weil

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

nichts zusammenpasst. Und wir wollen einen öffentlichen Personennahverkehr, bei dem man auch von einem akzeptablen, einem guten Preis-LeistungsVerhältnis reden kann. All das ist heute im Saarland nicht oder nur ansatzweise gegeben.

Aber diese Regierung ist offenbar nicht willens oder nicht in der Lage - von außen schwer zu entscheiden -, ein eigenes, modernes Gesetz auf den Weg zu bringen. Deshalb bitte ich Sie noch einmal - das habe ich in der letzten Debatte zu diesem Thema auch schon gesagt -: Haben Sie doch die Größe, diesen Gesetzentwurf zumindest in den Ausschuss zu überwiesen, damit dort die Fachleute offen und öffentlich darüber diskutieren können, damit sich auch die Öffentlichkeit mal ein Bild machen kann von der Debatte. Sie würden sich damit nichts vergeben, denn am Ende behalten Sie immer noch Ihre Mehrheiten, um einem Gesetz zuzustimmen, das so, so oder so gestrickt und aufgebaut ist. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat die Abgeordnete Elke Eder-Hippler von der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Gesetzentwurf gesehen habe und feststellen musste, dass er identisch ist mit dem vom September letzten Jahres

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wie überraschend!)

- in der Tat sehr erstaunlich -, habe ich mir überlegt, was jemanden dazu bewegen kann, einen Gesetzentwurf, den er im September 2014 eingebracht hat und für den er keine Mehrheit gefunden hat, bis auf das Komma genau im Mai 2015 wieder vorzulegen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Hätten Sie zugehört, wüssten Sie es.)

Ich habe Ihnen zugehört, lieber Kollege. Aber ich habe mir im Vorfeld eben auch ein paar Gedanken darüber gemacht. Und mein erster Gedanke war: Das macht man, wenn man ganz stur daran festhält, dass ÖPNV und Geld nichts miteinander zu tun haben.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wer hat das gesagt?)

Das ist die erste Idee, die einem dazu kommt. Sie haben inzwischen zwar schon ein wenig eingelenkt und gesagt, es hat etwas mit Geld zu tun, aber Sie trennen weiterhin ganz strikt Struktur und Geld und sagen, das eine habe mit dem anderen gar nichts zu

tun. Ich denke, ohne Geld kann man keine passende Struktur stricken.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist - das war der zweite Gedanke dazu -, dann frage ich mich, warum Sie das in den zweieinhalb Jahren, als Sie die Verkehrsministerin in diesem Lande gestellt haben, nicht geändert haben. Sie haben ja selbst gesagt, das Gesetz ist aus den Neunzigerjahren. Sie haben nicht mal damit angefangen. So viel zu dem ach so wichtigen Herzensanliegen der GRÜNEN.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Der zweite Grund, der einem dazu einfallen könnte

(Zurufe des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜ- NE).)

Kollege Ulrich, nicht wieder rumpöbeln! - Der zweite Grund, der einem dazu einfallen kann: Es ist mal wieder ein Thema, mit dem man skandalisieren kann. Das haben wir ja schon in den Presseerklärungen gesehen. Auch die Rede vorhin war durchaus dazu angetan, den ach so schlimmen Zustand im ÖPNV des Saarlandes zu beklagen. Gegipfelt hat es darin, dass diese Landesregierung nicht willens oder fähig sei, in diesem Bereich etwas zu tun.

Da ist die Entwicklung anscheinend an Ihnen vorbeigegangen. Sie sollten wissen, dass im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr schon seit längerer Zeit an diesem Gesetz gearbeitet wird, dass man im Gegensatz zu Ihnen aber auch das Gespräch mit den Betroffenen sucht und dass man letztlich gesagt hat, man könne es nur dann verabschieden, wenn man wisse, was man vom Bund an Regionalisierungsmitteln bekommt. Wenn Sie das als unwillig und unfähig darstellen, befinden wir uns in guter Gesellschaft mit anderen Ländern.

Ich war in der letzten Woche auf der Konferenz der verkehrspolitischen Sprecher. Wir haben unseren Kollegen aus dem Bundestag mit auf den Weg gegeben, sie mögen sich doch bitte dafür einsetzen, dass wir beim Thema Regionalisierungsmittel jetzt endlich mal zu Potte kommen, und zwar nicht nur um zu wissen, wie viel Geld wir in Zukunft zur Verfügung haben, sondern auch, damit wir unsere ÖPNVGesetze novellieren können. Es ist nicht nur das Saarland allein betroffen, sondern das haben Kolleginnen und Kollegen aus vielen Ländern dort gefordert.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Dann gibt es noch einen dritten Grund, warum man dieses Gesetz heute aufs Komma genau noch mal einbringt. Es ist eine ABM, eine Abgeordnetenbeschäftigungsmaßnahme. Ich nehme an, dafür dürfen

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

wir uns dann in Zukunft in jeder Plenarsitzung mit diesem schönen Thema auseinandersetzen. Man Fazit lautet: Scheen, dass ma noch mol drüwwer geredd han.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat Professor Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In der Tat kann man sich fragen, warum wir im Mai 2015 noch mal nahezu die gleiche Debatte führen wie im September 2014. Wenn man aber der Sache etwas näher auf den Grund geht, dann liegt es daran, dass wir beim öffentlichen Personennahverkehr erhebliche Probleme in unserem Land haben. Ich glaube, das bestreitet auch niemand. Deswegen sollten wir aufpassen, dass nicht bei aller Polemik zwischen Opposition und Regierung vergessen wird, dass wir in der Tat beim ÖPNV am Ende der Skala stehen und eine Reihe von Problemen haben. Die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs im Saarland ist absolut unterdurchschnittlich.

Ich könnte beispielsweise einmal fragen, wer von den Damen und Herren Abgeordneten heute zur Landtagssitzung mit dem öffentlichen Nahverkehr gekommen ist.

(Abgeordnete Maurer (PIRATEN) und Abgeordneter Thul (SPD) heben die Hand.- Zurufe: Die Bahn streikt. - Heiterkeit.)

Es gibt auch noch Busse. Sie haben natürlich insofern recht, als es jetzt nicht der günstigste Zeitpunkt war, Sie das zu fragen.

(Große Heiterkeit.)