Beschlussfassung über den von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Risiken im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge vermeiden (Drucksache 15/1128)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlass unseres Antrages ist das - man muss es so sagen - traurige Kapitel der Meeresfischzuchtanlage in Völklingen-Fürstenhausen und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind. Wir sind der Meinung, dass dieses Thema nicht nur in die Kommunalparlamente gehört, sondern auch hier in den saarländischen Landtag, der vom Grundsatz her als Gesetzgeber den wirtschaftlichen Gestaltungsspielraum der Kommunen bestimmt.
Ein ganz kurzer Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Meeresfischzuchtanlage. 2006 war in der hiesigen Presse zum ersten Mal von der Idee einer Fischzuchtanlage in Fürstenhausen zu lesen. Die vom Strukturwandel gebeutelte Stadt Völklingen suchte händeringend - das tut sie auch heute noch nach Möglichkeiten, neue Betriebe anzusiedeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist ehrenwert. Große öffentliche Aufmerksamkeit erreichte damals die inzwischen insolvent gegangene Firma International Fish Farming Technology durch das Konzept, in Völklingen eine Meeresfischzuchtanlage zu errichten. Diesem Konzept stimmte die Stadt unter Beteiligung der Stadtwerke Völklingen bei einem Gesamtinvestitionsvolumen von 15 Millionen Euro zu.
Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, gab es damals noch ein rechtliches Hindernis zu überwinden, das KSVG. Denn bereits 2003 schränkte die damalige CDU-Alleinregierung die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen ein. Nichtsdestotrotz beantragte die Stadt Völklingen bei der Kommunalaufsicht den Betrieb einer Meeresfischzuchtanlage und gründete unter dem Dach der Stadtwerke die Holding Meeresfischzucht Völklingen GmbH. Diesem Antrag wurde durch die Kom
Um die Angelegenheit gleichsam in rechtlich trockene Tücher zu bringen, wurde im Jahre 2008 im KSVG dem § 118 ein neuer Absatz 2 hinzugefügt, der den Kommunen mit dem Einverständnis des Wirtschafts- und des Innenministeriums erlaubt, mithilfe einer Sondergenehmigung in anderen als den in § 108 KSVG genannten Bereichen wirtschaftlich tätig zu werden.
Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, war im Jahr 2008 die Lex Fischzucht - so wurde es auch in der Presse genannt. Und dies - die Lex Fischzucht - ist seit 2008 Bestandteil des KSVG. Das ist der rechtliche Hintergrund. Seitdem wurde seitens der Stadtwerke Völklingen weiter am Projekt Fischzucht gearbeitet. Es wurde, wie bereits erwähnt, eine GmbH gegründet, um, so wurde immer wieder beteuert, jegliche Haftung auf diese zu beschränken und somit den Stadtwerken Völklingen eigentlich keine finanziellen Lasten aufzubürden. Wie wir heute wissen, ist das gründlich schiefgegangen. Auf die einzelnen Ursachen kann ich aus zeitlich Gründen jetzt nicht eingehen; das würde zu weit führen. Festzustellen ist aber, dass seit 2011 der Termin der ersten Fischernte ständig und immer wieder verschoben wurde. Beim zuletzt bezifferten Investitionsvolumen von zirka 15 Millionen Euro blieb es auch nicht. In der vergangenen Woche war die Rede davon, dass bereits rund 20 Millionen Euro mit der Meeresfischzuchtanlage in den Sand gesetzt worden sind. Die Holding und damit die Völklinger Stadtwerke sind mittlerweile in eine massive finanzielle Schieflage geraten. Und eigentlich nur durch das Eingreifen der Landesregierung konnte eine Insolvenz verhindert werden beziehungsweise konnten sich die Stadtwerke über einen weiteren Kredit die nötige Zeit erkaufen, um eine Insolvenz - so hoffen wir alle - doch noch abzuwenden.
Wir sind der Auffassung, dass wir als Gesetzgeber dafür sorgen müssen, dass sich ein solches Missmanagement nicht wiederholt. Auch wenn - so werden Sie wahrscheinlich argumentieren - die Fischzuchtanlage nicht über den besagten § 118 Abs. 2 genehmigt wurde, so eröffnet dieser Paragraf und diese Rechtsregelung dennoch Tür und Tor, in anderen Kommunen ein weiteres möglicherweise risikobehaftetes Projekt, mit angeblich überwiegend öffentlichem Interesse, so lautet ja die Formulierung in § 118 Abs. 2, im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsund dem Innenministerium zu genehmigen. Und das, meine Damen und Herren, wollen wir nicht.
Die Tatsache, dass zwei Ministerien die Möglichkeit eingeräumt wird, über unseres Erachtens fragwürdige kommunale Projekte zu entscheiden, die zudem noch außerhalb der Daseinsvorsorge liegen, dazu noch ohne klare Kriterien, kann ich aus unserer
Sicht nur noch als fahrlässig bezeichnen. Und die Fischzuchtanlage Völklingen-Fürstenhausen lehrt uns, dass es hier eben nicht zum vermeintlichen Vorteil der Stadt und der Region gekommen ist. Herausgekommen ist doch ein Millionendesaster, das heute die Existenz der Stadtwerke vom Grundsatz her massiv gefährdet. Und da geht es nicht nur um die Stadtwerke als Einrichtung dieser Holding, da geht es auch massiv um zahlreiche Arbeitsplätze, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Um zukünftig solche Fehlentwicklungen zu vermeiden, wollen wir eine Änderung des KSVG. Wir wollen die Änderung des Jahres 2008 rückgängig machen und den § 118 Abs. 2 schlichtweg wieder streichen. Auf der anderen Seite muss es den Kommunen aber möglich sein, sich im Bereich der erneuerbaren Energien wirtschaftlich zu betätigen, da es hier um die kommunale Daseinsvorsorge geht. Eigentlich hat das Parlament das auch schon eingesehen. In einem ersten Schritt hatten Sie dies den Gemeindeverbänden im Mai durch eine Änderung des KSVG schon ermöglicht. Wir wollen jetzt eine Erweiterung der Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung, und zwar im Bereich der erneuerbaren Energien für die Städte und die Gemeinden. Dabei würde es sich um den Bereich der echten Daseinsvorsorge handeln und nicht um so etwas wie eine Meeresfischzuchtanlage; das ist etwas ganz anderes. Wir könnten außerdem durch eine solche Maßnahme auch den drohenden Gefahren des Klimawandels entgegenwirken, indem wir den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien durch diese Maßnahme vorantreiben können. Wir wissen doch alle: Wenn wir den Bereich der erneuerbaren Energien ausbauen wollen, dann benötigen wir dafür dringend die Kommunen. Ohne die Kommunen wird das nicht gehen. Entsprechende Rechtsregelungen gibt es ja bereits in anderen Bundesländern. Das gibt es in Nordrhein-Westfalen, das gibt es in Rheinland-Pfalz. Und ganz aktuell beabsichtigt auch die hessische Landesregierung in einem entsprechenden Gesetzentwurf, eine solche Regelung zu treffen.
Und nun noch ein letzter Punkt. Investitionen in erneuerbare Energien auf kommunaler Ebene sind natürlich auch ein Beitrag zur regionalen Wertschöpfung. Davon profitieren die Kommunen und ebenso können je nach Modell, es gibt ja Bürgerbeteiligungsmodelle, die Bürgerinnen und Bürger profitieren. Und natürlich profitiert davon auch das regionale Handwerk. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, einerseits um zukünftige Desaster, wie uns das Beispiel Fischzuchtanlage in Völklingen lehrt, zu vermeiden, und andererseits, um die Energiewende auf kommunaler Ebene ein Stück weit schneller voranzubringen und letztendlich, um mehr kommunale Wertschöpfung zu ermöglichen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zu dieser einigermaßen späten Nachmittagsstunde einige Ausführungen zu dem Antrag der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion zu machen. Herr Kessler, Sie haben selbst bereits auf einen Punkt hingewiesen, der in mehrfacher Hinsicht merkwürdig daherkommt. Zum einen haben Sie einen Antrag gestellt, der sich mit einer Vorschrift befasst, deren Abschaffung Sie fordern und dies mit einem Fall begründen, der mit dieser Vorschrift nichts zu tun hat. Sei es drum, denn das war nicht das Merkwürdigste. Noch kurioser, lieber Herr Kessler, sehr geehrter Herr Ulrich, ich freue mich ja schon auf Ihre Zwischenrufe, ist allerdings der Beschlussvorschlag, den Sie eingereicht haben. Ich lese das jetzt einmal vor. Nicht dass Sie jetzt dazwischenrufen, weil es Ihnen komisch vorkommt, das ist von Ihnen: „Deshalb fordert der Landtag des Saarlandes die Landesregierung auf“ - zunächst einmal das ein oder andere nicht zu machen - „und in einem weiteren Schritt § 118 Abs. 2 KSVG ganz zu streichen (…)“. - Wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, würde der Landtag, das gesetzgebende Organ, also die Legislative, die Regierung auffordern, ein Gesetz zu ändern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein merkwürdiges Verständnis von Parlamentarismus. Ich möchte Ihnen dazu zum Anfang meiner Ausführungen zwei Tipps geben. Wenn Sie ein Gesetz ändern wollen, egal welches, dann haben Sie als Abgeordnete in diesem Parlament das Recht - und ich würde sagen auch die Pflicht -, einen Gesetzentwurf einzubringen, denn der Landtag macht die Gesetze und nicht die Landesregierung
Schauen Sie in die Verfassung. Und wenn Sie hier einen Antrag einbringen, dann lesen Sie ihn vorher. Damit ersparen Sie sich nämlich selbst und dem Parlament solche Peinlichkeiten wie diesen Antrag. Allein schon deshalb können wir dem nicht zustimmen.
Da wir es uns allerdings nicht so leicht machen wie Sie es tun, möchte ich auch noch auf den Inhalt des Antrags und der Forderungen, die Sie aufstellen wenn auch an den falschen Adressaten - hier eingehen. Zunächst fordern Sie den Wegfall des § 118 Abs. 2 KSVG und dann fordern Sie die Erweiterung des § 108 KSVG, und eine sektorale Ausnahme von kommunaler wirtschaftlicher Betätigung im Bereich der erneuerbaren Energien.
Beide Forderungen hängen zusammen, denn beide Forderungen beziehen sich in der Tat auf die Frage: Unter welchen Voraussetzungen dürfen Städte und Gemeinden ausnahmsweise dann wirtschaftlich tätig werden, wenn die Voraussetzungen des § 108 KSVG an sich nicht gegeben sind? Doch auch dabei, das kann ich Ihnen auch nicht ersparen, gehen Sie in Ihrem Antrag von falschen Voraussetzungen aus. Denn Ihre Ausgangsthese lautet - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -, dass es nach wie vor nicht möglich ist - ich zitiere aus Ihrem Antrag, Herr Ulrich; Sie können ihn ja jetzt mal lesen, Sie haben ihn ja schon in der Hand -, dass „(…) kommunale Unternehmen Investitionen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien tätigen dürfen.“ Diese These, Herr Ulrich, trifft aber nicht zu.
Es ist bereits heute anerkannte Rechtsauslegung unseres Kommunalen Selbstverwaltungsgesetzes unabhängig von dem, was andere Bundesländer regeln -, dass kommunale wirtschaftliche Betätigung im Bereich der Energieversorgung die Voraussetzungen des § 108 KSVG erfüllt. Das ist nicht die private Rechtsmeinung des Herrn Theis, sondern das war Gegenstand eines Hinweises des Innenministeriums des Saarlandes aus dem Februar dieses Jahres, aus dem Februar 2014, eines Hinweises zur wirtschaftlichen Betätigung und zur Beteiligung der Kommunen an Unternehmen der Privatrechtsform. Und das war im September 2013 Gegenstand der Vereinbarung zur Beschleunigung der Energiewende zwischen Innenministerium, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Arbeiterkammer. Auch das kennen Sie, denn es war Gegenstand der Berichterstattung im Ausschuss und der Berichterstattung in den Medien.
Tatsache ist also - das zur Ausgangsthese Ihres Antrages -, dass die heutige Fassung des § 108 KSVG der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen auf allen Wertschöpfungsstufen, von der Erzeugung über den Transport bis hin zum Vertrieb von Energie, bis zum Zähler im privaten Haushalt, nicht im Wege steht. Auch dieser Teil Ihres Beschlussantrages ist falsch, auch dieser Teil greift ins Leere, auch dies hält, meine sehr verehrten Damen und Herren, einer sachlichen Prüfung bereits hinsichtlich der Begründung nicht stand.
Das ist aber ja in der Tat nur der erste Teil des Antrags, den Sie hier gestellt haben. Der zweite Aspekt Ihres heutigen Beschlussantrages ist die Forderung nach Streichung des § 118 Abs. 2 KSVG. Die Begründung dafür ist ebenfalls kurios. Sie schreiben in Ihrem Antrag - ich zitiere erneut, damit wir alle das richtig präsent haben: „Auch wenn die in der Kritik stehende Anlage nicht über § 118 Abs. 2 KSVG genehmigt wurde,“ - das ist ja auch kein Wunder, den gab es ja damals noch gar nicht - „ermöglicht dieser
Paragraph ähnliche Genehmigungen,“ - von Genehmigungen sprechen wir hierbei übrigens gar nicht, sondern von Befreiung und von Voraussetzung; aber das ist natürlich nur juristisch gedacht - „die ebenfalls“ - blumig formuliert - „große Risiken mit sich bringen können.“ Das wirtschaftliche Risiko, ich zitiere sinngemäß, dürfe den Bürgern nicht aufgebürdet werden.
Lieber Herr Kessler, sehr geehrter Herr Ulrich, wäre das Ihre ordnungspolitische Grundsatzposition - und man kann ja gegenüber der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen diese Position durchaus vertreten -, hätte ich davor einen gewissen Respekt. Dass Sie allerdings gleichzeitig fordern, dass für die energiewirtschaftliche Betätigung von Kommunen keinerlei Beschränkungen gelten sollen, ist vor dem Hintergrund des zuvor Gesagten zutiefst widersprüchlich. Denn das hieße ja im Klartext: Die Risiken, die sich daraus ergeben, dass sich Kommunen energiewirtschaftlich betätigen - egal wie riskant, egal wie hoch, und egal, wie sinnvoll oder sinnlos aus energiewirtschaftlichem Blickwinkel -, die muss der Bürger tragen. Die Risiken aber, die eine Kommune übernimmt, um anderen besonderen öffentlichen Interessen zu dienen - egal, wie bedeutend das Interesse daran ist, egal, wie gering das Risiko dabei ist, egal, wie hoch der öffentliche Nutzen ist - , die lehnen Sie kategorisch ab. Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, weder konsequent noch intelligent und erst recht nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb lehnen wir eine solche Position auch ab.
Auch ein Blick ins Gesetz schadet ja nicht. Man sollte nicht nur den eigenen Antrag lesen, es schadet manchmal auch nichts, vorher das Gesetz gelesen zu haben. Ein Blick ins Gesetz und im Übrigen auch, lieber Herr Kessler - und ich fand es sehr interessant, was Sie vorhin dazu gesagt haben -, in die Praxis der Rechtsanwendung des § 118 Abs. 2 bestätigen, dass das geltende Recht der kommunalen Selbstverwaltung im Saarland eine besser an der Sache orientierte Lösung bereits heute bereithält. Denn zutreffend ist: Das, worüber wir hier sprechen, stellt in der Tat ein interessantes und auch schwieriges Spannungsfeld dar. Wenn sich eine Kommune, eine Stadt, eine Gemeinde oder ein Landkreis, wirtschaftlich betätigt, bedarf es hierfür der Regelungen, die das Spannungsfeld berücksichtigen, in dem diese Betätigung stattfindet. Wir sprechen dabei über mindestens drei Schutzgüter, die wir als Gesetzgeber und später das Ministerium im Einzelfall in Abwägung bringen müssen: Dazu gehört - erstens der Schutz der Kommune und damit des Steuerzahlers vor wirtschaftlichen Risiken, und wirtschaftliche Betätigung hat immer etwas mit Risiken zu tun. Zweitens geht es um den Schutz der privaten, auch
der mittelständischen Wirtschaft vor öffentlicher Konkurrenz, die gestützt durch öffentliche Mittel in einen ungleichen Wettbewerb mit privaten Akteuren treten kann. Drittens ist der jeweilige öffentliche Zweck zu bedenken, dem die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune gelten soll.
Die Regelungen der §§ 108 ff. sind dabei im Grundsatz klar. Der Grundsatz lautet: Privat geht vor Staat. Was private Akteure mindestens ebenso gut darstellen können, bleibt den Kommunen vorenthalten. Damit sagt der Gesetzgeber, dass eben nicht jeder öffentliche Zweck eine wirtschaftliche Betätigung rechtfertigt, die Übernahme von wirtschaftlichem Risiko rechtfertigt. Nur in besonderen Ausnahmefällen, dann nämlich, wenn ein besonderes überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das nach einer intensiven Einzelfallprüfung die beiden anderen Schutzgüter überragt, kann von den engen Grenzen des § 108 abgewichen werden. Nur dann kann und das ist ja das Verfahren; der § 118 Abs. 2 beschreibt ja ein Verfahren, mit dem das möglich ist - das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium von den Voraussetzungen des § 108 befreien. Es muss dafür eine Stellungnahme der Kommunalaufsicht erarbeitet werden. Dann können Bedingungen und Auflagen erlassen werden, die dazu führen, dass ein angemessener Ausgleich entsteht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kessler, an dieser Stelle kommt zum Tragen, was Sie eben gesagt haben; das ist eben keine graue Theorie. Sie haben gesagt, wir müssten die Bürger vor irgendwelchen fadenscheinigen Projekten schützen, die sie in irgendeiner Form vor wirtschaftliche Risiken stellen, die aber die Bürger nicht belasten dürfen. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass § 118 Abs. 2 sehr wohl zum richtigen Ergebnis führt. Denn Anwendungsfall des § 118 Abs. 2 ist eben nicht allein die Fischzucht, sondern zum Beispiel auch der Ferienpark Bostalsee, dessen Finanzierung tatsächlich Gegenstand einer Befreiung nach § 118 Abs. 2 war. Fakt ist: Hätte es die Möglichkeit der Befreiung von den Voraussetzungen des § 108, hätte es die Möglichkeiten des § 118 Abs. 2 KSVG nicht gegeben, wäre die Realisierung des Center Parks am Bostalsee nicht möglich gewesen. 300 Arbeitsplätze,130 Millionen Euro an Investitionen, langfristig 500.000 Übernachtungen pro Jahr - darauf hätten wir verzichtet, wenn wir auf den § 118 Abs. 2 verzichtet hätten.
Wir sind aber nicht bereit, auf derartige touristische Leitinvestitionen zu verzichten. Das zeigt, dass die Rechtslage sinnvoll ist. Daher halten wir an ihr fest, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das zeigt auch: Ihre Position ist nicht sinnvoll, deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun die Abgeordnete Astrid Schramm von der Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Anlass des vorliegenden Antrags zur Vermeidung von Risiken im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge ist das bekannte wirtschaftliche Desaster, der Skandal um die Meeresfischzuchtanlage in Völklingen. Unsere Fraktion hat in der vergangenen Woche im Wirtschaftsausschuss diesbezüglich einen Bericht der Landesregierung gefordert.
Durch einen Notkredit in Höhe von 4 Millionen Euro wurde, zumindest vorübergehend, die Insolvenz der Meeresfischzucht, die eine Insolvenz auch der Völklinger Stadtwerke als Muttergesellschaft und damit die Bedrohung von mehr als 200 Arbeitsplätzen zur Folge gehabt hätte, abgewendet. Es soll nun überprüft werden, ob die Fischzucht überhaupt überlebensfähig ist. Meine Damen und Herren, da reibt man sich doch schon verwundert die Augen und fragt sich, wer hier vor dem Bau der Fischzuchtanlage und während des Baus eigentlich was überprüft hat. Das Fischzuchtprojekt wurde im Jahre 2006 von der CDU, dem Oberbürgermeister Klaus Lorig, aus der Taufe gehoben und vom früheren CDU-Bürgermeister Jochen Dahm, nunmehr Geschäftsführer bei den Stadtwerken, geleitet.
Allein der Bau der Meeresfischzuchtanlage verschlang statt der geplanten 15 Millionen Euro sage und schreibe weit mehr als 200 Millionen Euro!
Erst mit großer Verspätung lieferte die Anlage Fisch - und jede Menge Verluste. Von 300.000 Euro Verlust pro Monat ist die Rede. Sowohl die LINKE in der Stadt Völklingen als auch die LINKE im Landtag haben sich in der Vergangenheit wiederholt gegen das Projekt der Fischzuchtanlage ausgesprochen und immer wieder vor den finanziellen Risiken gewarnt. Gegenüber Mitgliedern der LINKEN in Vöklingen, die gegen das Projekt in den Jahren 2008 und 2009 sogar Mahnwachen durchführten, wollten CDU-Politiker sogar die Polizei zu Hilfe rufen.
Was die Verantwortlichkeit für diesen erneuten Skandal anbelangt, ist zunächst einmal völlig klar, dass hier eklatante Fehler bei der Geschäftsführung
in Person des Ex-CDU-Bürgermeisters Dahm wie auch bei der Aufsicht in Person des Aufsichtsratschefs CDU-Oberbürgermeister Lorig sowie weiteren Mitgliedern des Aufsichtsrats mit CDU-Parteibuch, wie etwa Herrn Wolfgang Bintz und der Kollegin Gisela Rink, gemacht wurden. Es ist unvorstellbar, dass seit dem Jahr 2012 sowohl für die Fischzuchtanlage als auch für die Stadtwerke keinerlei Bilanzen mehr erstellt wurden, obwohl das Gesetz hier eindeutig vorschreibt, dass Jahresabschlüsse in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres aufzustellen sind. Der zuletzt veröffentlichte Jahresabschluss zum 31.11.2011 weist zudem einen Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 500.000 Euro aus. Wie bekannt wurde, hat auch die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich Ermittlungen aufgenommen.
Die jüngsten Entwicklungen haben bewiesen, dass die LINKE mit ihren Warnungen vor diesem Projekt recht hatte! Bei der Frage der Verantwortlichkeiten für den Skandal um die Fischzuchtanlage muss man darüber hinaus in diesen Landtag schauen. Bekanntlich wurde im Jahr 2008 durch diesen Landtag - genau genommen mit den Stimmen von CDU und SPD - § 118 des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes gerade auch für die Völklinger Fischzuchtanlage geändert. Man spricht hier bezeichnenderweise von der Lex Fischzucht. Auch wenn bekanntlich die Fischzuchtanlage letztlich gar nicht auf Grundlage des geänderten § 118 KSVG rechtlich genehmigt wurde, hat die Gesetzesänderung jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit das Vorhaben legitimiert. Insbesondere wurde - und das ist das Entscheidende - offensichtlich seinerzeit versäumt, gleichzeitig hinreichende Kontrollmechanismen bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen zu installieren.
Die LINKE steht für eine demokratische öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur. Das Experiment einer Meeresfischzuchtanlage gehört für uns allerdings nicht zu den Bereichen, die wir in öffentlicher Hand sehen wollen. Man muss von Glück reden, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die CDU nicht auch noch auf die Idee gekommen ist, im Saarland eine Zuchtanlage für Meeresigel zu errichten!